Ulrich Grober

Ausstieg in die Zukunft

Eine Reise zu Ökosiedlungen,
Energie-Werkstätten
und Denkfabriken

 

1998 im Ch.Links-Verlag
261/283 Seiten

1998

383 Seiten

dnb Buch 

qwant Buch 


Start Grober 

Umweltbuch

Utopiebuch

 Ulrich Grober hat sich auf die Reise begeben
durch die farbige Landschaft der ökologischen, sozialen und ökonomischen Gegenkultur. 
Von dort kommen Impulse und innovative Ansätze, die man in der Politik vergeblich sucht.

Inhalt

Zum Einstieg  (7) 

 

Nachbemerkung (259)   mit Bahro, Pommritz

Serviceteil - Markt der Möglichkeiten (263)
Beispiele für kommunitäre Gemeinschaften, baubiologische Siedlungen, ökologische Dorferneuerung,
Energie-Werkstätten,  Hofgemeinschaften,  Tauschringe, Kulturinitiativen, Denkwerkstätten, 
Forschungsinstitute und Ausbildungsstätten (276)  

Literaturhinweise (279) 

 

Linksverlag.de 

Eurotopia.de   

 

1  An den Wurzeln:  Obstbausiedlung Eden  (10)

2  Kommune hinter Fachwerk:  Niederkaufungen  (31) 

3  Interview:  Maria Mies über die Subsistenzperspektive  (52) 

4  Agenda 21 an der Oder:  Ökospeicher Wulkow  (64) 

5  Die Sonnenperspektive:  Energie- und Umweltzentrum am Deister  (82)

6  Interview:  Hans-Peter Dürr über Evolution und Nachhaltigkeit  (102) 

7  Die neuen Feld-Herren:  Ökozentrum Werratal  (112)

8  Biologisch-dynamische Landwirtschaft: Dottenfelderhof  (132) 

9  Interview:  Margrit Kennedy über neutrales Geld  (152)

10  Ökodorf de luxe: Herrmannsdorfer Landwerkstätten  (164) Schweisfurth 

11 Hüten, weben, handeln:  Schäfereigenossenschaft Finkhof   (183)  (gut)

12 Interview:  Nikolaus Einhorn über Tiefenökologie  (204) 

13 Baustellen alternativer Modernisierung:
   Rommelmühle, Schönau, Vauban, Poppau, Chüden (220)

14 Interview:  Dorothee Sölle über Schöpfungsspiritualität  (232) 

15 Den Zukünften zugewandt: 
 Erkundigungen in den Denklabors der Nachhaltigkeitsidee (243)

Zum Einstieg   Grober-1998

7-9

Es gibt sie in ganz Deutschland, wenn auch verstreut, manchmal von außen kaum wahrnehmbar, oft noch in der Pilotphase: Ökodörfer, alternative Betriebs­gemeinschaften, Energie-Initiativen und kommun­itäre Siedlungen.

Die Projekte haben unterschiedliche geistige Wurzeln und überwölbende Ideen. Sie sind verschiedenartig organisiert und arbeiten auf verschiedenen Feldern. Auch ihre Chancen, ihre Erfolge und Irrwege haben jeweils eigene Prägungen. Manchmal herrscht der soziale Gedanke vor, manchmal der ökologische. Die Lösungen sind eher behutsam oder eher radikal angelegt. Manchmal tritt der Zwang zum ökonomischen Überleben — wenigstens eine Zeitlang — in den Vordergrund. Das Risiko des Scheiterns ist nirgendwo gebannt. Es gibt keine Patentrezepte. Nichts ist schon fertig. Die Vielfalt ist gewollt: Monokulturen sind tödlich. Die Risiken sind bewußt: Ohne etwas zu wagen, gibt es nichts zu gewinnen.

Bei aller Buntheit der Ansätze ist den Menschen, die diese Projekte tragen, eines gemeinsam: Aus dem "Wettlauf der Besessenen" sind sie ausgestiegen. Die immer rücksichtslosere und immer hoffnungslosere, globalisierte Jagd nach dem Weiter! Schneller! Mehr! hat neuen Visionen Platz gemacht. Überall ist der intensiv gespürte Wunsch, einen anderen Umgang mit der Natur und einen anderen Umgang miteinander zu verwirklichen, Ausgangspunkt für das Einsteigen in eine andere Lebensweise gewesen und — mehr oder weniger starke — Triebfeder des Handelns geblieben. Die Menschen in diesen Projekten verstehen sich als Bewohner von Zukunftswerkstätten.

Dieser Einstieg wird begleitet von Losungen wie: Einklang mit der Natur, nachhaltige Lebensstile, gut leben, statt viel haben, global denken, lokal handeln. Auch dies sind Gemeinsamkeiten: Offen zu sein, vor allem auch weltoffen, gehört zu jeder Spielart von Zukunftskultur.

Das Thema Zukunft hat am Ende des Milleniums und am Anfang des 21. Jahrhunderts natürlich Konjunktur. Die Schockwellen der Krise haben das Gefühl, an einer Wende zu stehen, verstärkt. Was hierzulande Ende der 90er Jahre als Stillstand, Stau oder Blockade quälend wahrgenommen wird, kann nicht andauern. Aber wohin wird sich dieser Stau auflösen? In ein entfesseltes, noch hemmungsloseres "weiter so"? Vieles spricht dafür, daß in dieser bleiernen Zeit das alte Denken, nämlich wirtschaftliches Wachstum um jeden Preis und Panzerung für eine verschärfte Konkurrenz mit allen möglichen Tigerstaaten, noch einmal an Boden gewinnt. "Fit machen für das 21. Jahrhundert" — die Parole klingt verdächtig nach dem survival of the fittest, dem "Überleben des Stärksten" aus der Giftküche des Sozialdarwinismus.

Die Szenarien für das Ende dieses Weges sind düster: ein ökologischer Crash in der Mitte des nächsten Jahrhunderts, also zu Lebzeiten der heute jungen Generation. Als Überlebensstrategie bliebe dann höchstens noch die NASA-Utopie der Auswanderung von der Erde und der Besiedlung fremder Planeten.

Wir haben offenbar nur einen anderen Weg: die Perspektive von einem Leben im Einklang mit der Natur zu entwickeln und umzusetzen. Dazu muß der tote Punkt, an dem auch die einst so vitalen grünen Bewegungen zu stehen scheinen, überwunden werden. Mit der Agenda 21, dem Schlußdokument des Erdgipfels von Rio 1992, das von 180 Staaten unterzeichnet wurde, schien ein hoffnungsvoller Schritt in die richtige Richtung getan. Doch was hat sich davon inzwischen realisieren lassen?

Mein Ausgangspunkt war die Neugier: Wo sind die Versuchsfelder, auf denen die Alternativen praktisch ausprobiert werden? Wie entwickeln sich diese Keimformen? Was passiert dort heute? In der Praxis dieser Projekte, so meine Arbeitshypothese, kristallisieren sich wie in einem Mikrokosmos die Überlebenstechniken, die großen Probleme, die ersten Erfolge und einige der Lösungen beim Aufbau von neuen, "nachhaltigen" und zukunftsfähigen Strukturen heraus.

Ich habe mich auf den Weg gemacht. Bin von Wulkow, dem Ökodorf an der Oder, bis zum Finkhof im Allgäu, einer Land­kommune und Schäferei aus der 68er Zeit, die ein Versandhaus für Ökokleidung aufgebaut hat, gereist.

Meine Beobachtungen, vor allem meine Gespräche mit den Menschen, denen ich unterwegs begegnet bin, habe ich notiert. Als ich sah, daß auch in diesen "Modellen" nach neuen Orientierungen gesucht wird und das Konzept der Nachhaltigkeit zu einem solchen Orientierungspunkt zu werden verspricht, habe ich meine Reiseroute erweitert und mich in den Think-Tanks zwischen Berlin und Bonn, bei Experten, die an den Fundamenten eines neuen Denkens arbeiten, umgehört

Als ich merkte, daß auch dieses neue Denken einer tieferen, sagen wir mal provisorisch: "spirituellen" Dimension bedarf, um nicht in einem technokratischen Ressourcen­management steckenzubleiben, habe ich einige der Vordenk­erinnen und Vordenker besucht und mit ihnen gesprochen: über deep ecology, Subsistenz, Schöpfungs­spiritualität und andere Ideen, die zunächst abstrakt klingen, aber bei näherem Hinhören ihren Gebrauchswert für eine neue Kultur der Nachhaltigkeit enthüllen.

Ich konnte nur ausgewählte Projekte genauer darstellen. Es gibt viel mehr. Eine neue Gründerzeit scheint angebrochen zu sein. Baubiologische Siedlungen, Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, Car-Sharing-Initiativen sind angesagt. Die alten Projekte (vieles hat '68 angefangen, vieles '89) entfalten eine neue Dynamik. Heraus aus der Nische! ist das Motto. "Die Zukunft ist ein unbetretener Pfad." (Hans-Peter Dürr)

Dies ist der Bericht meiner Reise. Wenn er anregt, aufzubrechen, sich umzuschauen und dort, wo man selbst wirksam werden kann, nach möglichen Einstiegs­stellen zu suchen, hat er seinen Zweck erfüllt. 

9

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