Wilfried Wieck

Meine Tochter und ich 

Ein Vater will erwachsen werden

1994 by Hoffmann und Campe
1996 by Fischer Taschenbuch

 

Rücktext:
 Spätestens wenn die Tochter erwachsen wird, so könnte man Wilfried Wiecks Mahnung in diesem Buch zusammenfassen, sollten auch die Väter so weit sein. Wie man(n) erreicht, daß das Gespräch mit der »kleinen Prinzessin« nicht abreißt, wenn sie in die Pubertät kommt, zeigt der bekannte Berliner Psychologe in diesem sehr persönlich gefärbten Buch.

 

   Wieck.Start

1994

239 (240) Seiten

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detopia: 

S.Rennefanz 2013 Eisenkinder auch ein Entwicklungsbericht aus 90ern.

(ZusatzOrdner)

 

Inhalt    ISBN 3-596-13160-X 

Vorwort von Wilfried Wieck (7) 

Vorwort von Katja Wieck (10)

Literatur (240)

 


Klappentext: Über das Verhältnis von Vätern zu ihren Töchtern wird zwar viel gesprochen, aber leider sprechen die Protagonisten wenig miteinander. Sobald die Töchter in ein Alter kommen, in dem sie zuhörende und verständnisvolle Ansprechpartner brauchen — gerade weil sie auf der Suche nach anderen Rollen-Perspektiven sind, die die Mütter ihnen nicht authentisch bieten können —, wenden sich viele Väter ab und sind unfähig, ein echtes Interesse aufzubringen.

Der bekannte Berliner Psychologe und Buchautor Wilfried Wieck wählt einen radikalen Weg, um seine Überlegungen zu einem verbesserten Vater-Tochter-Verhältnis vorzutragen und glaubwürdig zu machen: Er schildert sein eigenes Versagen als Vater. Entstanden ist ein authentischer und nachvollziehbarer Bericht, der mit psychologischem Sachverstand die Brücke schlägt zu einem allgemeineren Verständnis des Vater-Tochter-Konflikts. Wilfried Wieck nennt die Fragen, die Vater und Tochter einander stellen sollten, und die Gefühle, die beide ein Leben lang bewegen.

Wilfried Wieck, geboren 1939 in Berlin, war zunächst Naturwissenschaftler und studierte dann Psychologie. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Irmgard Hülsemann führt er eine psychologische Praxis in Berlin-Charlottenburg. 

1: Einleitung: Dich zu erreichen, wäre schön:  
Brief an Katja, die ich drei Jahre nicht gesehen habe  (11)

 

2: Erinnerungen an Katjas Kindheit (25)

 

3: Meine Tochter und ich (39) 

1. Woher ich ... plötzlich den Mut hatte, nach meiner Tochter zu suchen (43)

2. Der erste offen ausbrechende Konflikt (46)

3. Kontaktversuch mit Trauer (59)
4. Ich verschwand und überließ meine Tochter ihrem Schicksal (65)

5. Katja fehlt meine Zuwendung (71)

6. Ich fühle mich von dir nicht ernstgenommen (77)

7. Von der Schwierigkeit, Auseinandersetzungen zu führen (82)

 

4: Töchter und ihre Väter (89)

1. Schwierige Väter 91 

2. Die Macht des Vaters gegenüber seiner Tochter 108 

3. Tochter—Bilder 135 

4. Wer könnte ein guter Vater sein? 156

 

5: Gespräche mit Katja (163)

1. Ich habe das Gefühl, du kannst mich nicht trösten (165) 

2. Von Männern ist nichts Gutes zu erwarten (176) 

3. Es wäre deine Aufgabe gewesen, die Beziehung zu mir herzustellen (186) 

4. Es ist mir wichtig, deine Meinung zu hören (194) 

5. Gibt es überhaupt Männer, die du bewundern kannst? (204) 

6. Was verstehst du unter Liebe? (215) 

7. Das sexuelle Verhalten der Männer kommt mir manchmal grotesk vor (227)

 

Vorwort von Wilfried Wieck

7

Meinen männlichen Freunden möchte ich danken. Ohne sie hätte ich mein Buch nicht in dieser Form vorlegen können. Männer brauchen männliche Hilfe, um erwachsen werden zu können.

In der Zeit des Abstandes zu meiner Tochter hatte Eberhard Neumann angeboten, ihr einen Brief zu schreiben, um sich für unsere Beziehung einzusetzen. (Der Brief ist im Teil III abgedruckt.) Eberhard hat sich außerdem mehrmals mit Katja getroffen und mit kräftigem, mitfühlendem und sowohl väterlichem wie auch freundlichem Engagement zwischen uns zu vermitteln versucht.

Als ich an meinem Manuskript arbeitete, erfaßten mich zwar gelegentlich starke angstvolle Zweifel, aber ich stellte mir ganz naiv vor, meine Tochter würde das Buch zufällig in einer Buchhandlung entdecken. Ich hoffte, daß sie sich dann freuen würde.

Ohne es beabsichtigt zu haben, sprach ich mein Vorhaben spontan im Kreis einiger Freunde an. Werner Schenkel reagierte als erster, es sei doch völlig unmöglich, das Buch herauszubringen, ohne Katja vorher zu fragen. Immerhin begriff ich diesmal sehr schnell, was zu tun war, und schrieb noch am selben Abend — nach drei Jahren Distanz also — einen Brief an Katja:

»Ich habe Sehnsucht nach Dir bekommen und viel nachgedacht, im Dezember 1993 zum ersten Mal die Kraft verspürt, eine schriftliche Arbeit über unsere Beziehung zu beginnen. Mein wichtigstes Anliegen dabei ist, die Beziehung zu Dir wiederherzustellen. Kannst Du dir eine Veröffentlichung vorstellen, nach Streichungen, Ergänzungen und Änderungen gemäß Deiner Einschätzung?«

Am nächsten Morgen rief ich Katja an. Sie reagierte verblüfft, aber sehr freundlich, und lud mich für einige Tage später zum Frühstück ein. Ich schickte ihr mein Manuskript. Sie bekam erst einmal einen Schreck, als sie Stellen fand, die ihr unangemessen parteiisch erschienen. Es gelang mir, ihre Vorbehalte zu besänftigen, indem ich ihr nochmals zusicherte, all ihren Änderungsvorschlägen widerspruchslos entgegenzukommen.

Wir gingen dann sehr zugewandt und verständnisvoll miteinander um. Innerhalb von fünf Wochen arbeiteten wir an vielen langen Arbeitstagen das ganze Manuskript gemeinsam durch, gingen in alle dort beschriebenen Erlebnisse und Konflikte noch einmal tief emotional hinein und konnten uns in allen Punkten auf Formulierungen einigen, die uns beiden vertretbar erschienen. Unsere Zusammenarbeit war intensiv und kooperativ. Vor allem aber stiftete sie gute Stimmung und ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Das Hauptziel des Buches ist also bereits lange vor seinem Erscheinen erreicht: die Wiederherstellung unserer Beziehung. Eine bessere Gelegenheit, die Differenzen, Mißverständnisse und Verstimmungen der letzten Jahre aufzuarbeiten, hätte es gar nicht geben können. Ich jubelte innerlich und hätte Freudensprünge machen können.

Noch selten in den letzten Jahren war mir mein zukünftiges persönliches Entwicklungspensum so deutlich ins Bewußtsein getreten: andere Menschen nach ihrem eigenen Lebensplan leben lassen, ohne ununterbrochen meine Maßstäbe aufdrängen zu wollen. Diese Toleranz auch in meinen anderen Beziehungen noch stärker werden lassen. Nicht soviel Kraft mit Ärger vergeuden. Deutlich wahrnehmen, daß ich liebevoller reagieren und gerade dadurch auch mein eigenes Leben glücklicher gestalten kann.

Weil ich hier über Katja geschrieben habe, ist das Buch mehr als ein engagiertes Sachbuch. Es ist ein sehr persönlicher, mit Herzblut geschriebener Versuch, eine wichtige, komplizierte Beziehung wiederaufzunehmen. Ich danke meinem Lektor Johannes Thiele für die kompetente und einfühlsame Arbeit am Manuskript. Ich freue mich sehr darüber, daß er es nicht nur als Freund, sondern auch in publizistischer Hinsicht sehr gut mit mir meint. Und ich weiß, was ich an ihm habe.

Die neue Beziehung zu meiner Tochter und die produktive Unterstützung durch meine Freunde haben mich mit dem Gefühl restloser Zufriedenheit erfüllt. Sie versprechen mir ein helles und glückliches Lebensjahr.

9

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Vorwort von Katja Wieck

 

Ich liege im Krankenhausbett, bin ungefähr vier Jahre alt und habe Scharlach. Von meinen Eltern sehe ich nur die Köpfe, durch kleine vergitterte Scheiben hindurch. Meinen Schnuller habe ich nicht dabei.

Ich erinnere mich: Mein Vater geht weg, um ihn zu holen.
Daß er zurückkommt, daran erinnere ich mich nicht.
Heute bin ich erwachsen, siebenundzwanzig Jahre alt.

Meine Gefühlswelt ist meiner ersten Kindheitserinnerung immer noch sehr ähnlich. Der Vater geht weg, kommt nicht wieder, läßt mich im Stich. Heute, etwas abgewandelt: Mein Vater läßt mich gehen, ohne um mich zu kämpfen. Bin ich ihm so wichtig, daß ich mich immer auf ihn verlassen kann? Dieses Grundvertrauen fehlt mir manchmal. Vor allem, wenn wir uns streiten, »weiß« ich eigentlich schon: »Jetzt ist er wieder weg.« Also versuche ich, es immer recht zu machen, besonders intelligent, fleißig und vernünftig zu wirken, was meinen Wünschen und meinem Charakter nicht entspricht und mich außerdem anstrengt und verkrampft macht.

Dennoch scheine ich ein gewisses töchterliches Vertrauen zu haben, denn obwohl wir uns nach einer Auseinandersetzung fast drei Jahre nicht gesehen haben, konnten wir uns jetzt, anläßlich dieses Buches, erstaunlich gut und schnell wieder zusammensetzen, miteinander arbeiten, aber auch wieder Schönes gemeinsam unternehmen. Das läßt mich hoffen — trotz meiner starken Skepsis und Unsicherheit —, allmählich doch noch einen vertrauten und vor allem selbstverständlichen Umgang mit meinem Vater zu erreichen.

10

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