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5  In Notwehr

Janov 1980 

 

 

 

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Gegen was verteidigen neurotische Widerstände? Soviel ist klar, ohne Urschmerz gibt es keine neurotische Abwehr. Ein gesunder Mensch sollte über das latente Potential zur Anwendung von Abwehren verfügen, doch sollte er nicht »abgewehrt« sein. Abwehren sollten nur ins Spiel kommen, wenn ein System angegriffen wird. Dies gilt sowohl für die Neurose als auch für allergische Reaktionen.

Neurotische Abwehren sind Mechanismen zur Vermeidung von Feeling. Der Grund, aus dem wir eine Abwehr im späteren Leben neurotisch nennen, ist der, daß sie der externen Realität nicht mehr angemessen ist. Vielleicht ist neurotisch eine Fehl­bezeichnung, da die Abwehr für eine Situation in der Vergangenheit real und angemessen war.

Die primäre Abwehr ist die biologische Form von Verdrängung — das Ausschließen von Urschmerz aus dem Bewußt­sein. Sobald eine Verdrängung eintritt, setzt sie Myriaden von Reaktivitäten in Gang, die ich Sekundär­abwehren nenne. Die Art dieser Sekundär­abwehren hängt von den unterschiedlichen Erfahrungen ab, die wir alle in unserem Leben gemacht haben. Diese Sekundär­abwehren arbeiten entweder für die Frei­setzung übermäßiger Primärenergie oder helfen dem primären Prozeß der Verdrängung. 

Wäre Verdrängung voll­kommen effektiv, gäbe es auch fast kein neurotisches Ausagieren. Wir wären gefühllos, fixiert, starr und »tot«.

Idiosynkratische Eigenheiten, Sprachverhalten, Vorstellungen, emotionale Ausdrucksformen und emotionale Ausbrüche gehören auch zur Sekundärabwehr. Sie sind Arten des Umgangs mit der diffusen Energie verdrängter Gefühle. Diese verschiedenen Manifestationen, die von vielen Fachleuten als unabhängige Krankheiten betrachtet werden, sind nur Folgen eines einzigen Ereignisses — Verdrängung.

Die Sekundärabwehr kann ein bestimmtes zur Gewohnheit gewordenes Aussehen sein — ein Gesichtsaus­druck, eine Haltung, Gang- oder Bewegungsarten — ein Sprachmuster — starkes Interesse an bestimmten Arten von Ideen oder Vorstellungen — ein völliges Aufgehen in Arbeit oder Pflichten — Zwangsvorstellungen in bezug auf sexuelle Leistung — eine Gewohnheit wie etwa Rauchen und Trinken — ein unbewußtes Muster falscher Ernährungsweise — ein Vermeiden von Bewegung oder körperlicher Aktivität — sie kann einfach alles sein. Sie wird jedoch immer von Urschmerz angetrieben. Gäbe es keinen verdrängten Schmerz, würden wir einfach fühlen, was wir erleben. Offenheit gegenüber Gefühlen wäre keine Bedrohung des Systems.

Der Körper verfügt über normale Abwehrformen gegen katastrophale Ereignisse in der Außenwelt; doch ist neurotische Abwehr nicht gegen äußere Geschehnisse gerichtet, ausgenommen insoweit, als äußere Ereignisse in uns Gespeichertes auslösen.

Abwehren sind sowohl lebenserhaltend als auch höchst beharrlich. Ihre wichtige Aufgabe ist die Erhaltung unseres Lebens während der Säuglingszeit und im Kindesalter. Abwehrformen sind Erinnerungen sowohl dessen, was die Spezies in ihrer Geschichte rettete, als auch — in unseren frühen individuellen Leben — jener Mechanismen, die uns halfen, geboren zu werden und zu überleben. Im Falle eines Angriffs, sei er psychischer oder physischer Natur, ziehen wir uns automatisch auf ursprünglichere neurologische Mechanismen zurück, um ihm zu begegnen. Wir benutzen subkortikale Mechanismen, die durch die Evolution wegen ihrer Wirksamkeit ausgewählt wurden. Diese automatischen Mechanismen sind einer früheren Entwicklungsstufe angemessen. Und, wie wir sehen werden, hat eine effektive Therapie sich an diese tiefer liegende Gehirnstruktur zu wenden.

Es ist der automatische Gebrauch der tiefer liegenden Mechanismen gegen Streß, der die neurologische Grundlage für die »Spaltung« bildet. Die Reaktion ist Spaltung, so daß der Mensch ursprünglichere statt altersentsprechende Mechanismen anwendet! So mag zum Beispiel ein unter Streß stehender Erwachsener sich einer infantilen Reaktion, der Hypersekretion von Magensäure, bedienen, statt sich der Situation auf Art eines Erwachsenen zu stellen. Als neurotische Erwachsene rekrutieren wir Reaktionen auf Streß, die dem Baby zur Zeit der Originaltraumas als höchstmögliche Ebene der Reaktion zur Verfügung standen.

Ist die Verdrängung unzulänglich, verstärkt sich die Sekundärabwehr. Wenn diese Abwehrformen wanken, treten Symptome auf. Wenn Drogen oder Tranquilizer verabreicht werden, um die Verdrängung zu forcieren, lassen die Symptome und Abwehr­reaktionen nach.

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Der Mensch kann wieder liebevoll sein, kann wieder lachen und sich für den Augenblick entspannen, weil die Verdrängung wieder verstärkt worden ist. Sobald die Medikamente jedoch abgesetzt werden und der in Schach gehaltene Urschmerz wieder aufwallt, wird dieser Mensch natürlich unter dem Rückschlag unterdrückter Energie leiden.

Der Mensch, der auf allen Stufen der Entwicklung Abwehrformen geschaffen hat, funktioniert gewöhnlich sehr gut. Er ist sich im allgemeinen der Schmerzen nicht bewußt und kann sich deshalb mit den äußeren Dingen des Lebens beschäftigen. Er ist jedoch total gespalten; das eine Selbst gibt sich mit der Welt ab, das andere Selbst ist fortwährend mit dem tief vergrabenen, wühlenden Schmerz beschäftigt. Er ist nach außen hin orientiert, und das ist ein Teil der Abwehr.

Nur wenn äußere Umstände die Abwehr an der Tätigkeit hindern, beginnt der Mensch zu leiden — wenn keine Möglichkeit zum Planen, Organisieren, gegen die Welt Aufbegehren oder, was immer er normalerweise zu tun hat, mehr besteht. Andernfalls funktionieren seine Vorstellungen, Pläne, Rationalisierungen, Erklärungen und Einstellungen im Sinne einer Beruhigung des Schmerzes.

VERA:  Ich war so weit weg von meinen Gefühlen, daß ich den Unterschied zwischen Feeling und Vorstellung nicht begreifen konnte. Ich habe wirklich geglaubt, daß meine geistige Tätigkeit Fühlen war und habe mich für einen ungewöhnlich sensiblen Menschen gehalten.

 

Der Begriff »gesunde Abwehr« ist ein Widerspruch in sich. Wir beobachten, wie der Schmerz in einem Menschen, der in der Kindheit falsch behandelt worden ist, sich selbst Linderung verschafft und ihn noch befähigt zu sagen: »Ich weiß, daß meine Eltern mich nicht richtig behandelt haben, aber sie hatten schließlich keine andere Wahl. Sie sind auch nur Opfer.« Dies ist Abwehr in Form einer Rationalisierung, die »clevere Abwehr«. Obwohl der Mensch ziemlich gut Bescheid weiß, was in Afrika, auf dem Jupiter oder in der Wirtschaft geschieht, hat er auch nicht die geringste Vorstellung davon, was innerhalb seines Körpers los ist.

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Es gibt viele Menschen, deren Geist ein Strudel von Gedanken ist. Tag und Nacht denken sie, ohne nach­zulassen, und ihre Überlegungen sind im allgemeinen trivial und zwanghaft, sie können jedoch nicht aufhören. Starke Urschmerzen auf den unteren Bedürfnisebenen zwingen ihren Intellekt zu ununter­brochenem, zwanghaftem Handeln, doch ist sich der Mensch weder des Schmerzes noch der Verdrängung bewußt. Erlebt wird nur die Auswirkung — ein unruhiger Geist. Solange sich der Geist beschäftigen kann, wird die »Abwehr« funktionieren.

Es gibt viele Menschen, die scheinbar nicht unter ihrem unruhigen Geist leiden. Sie kriegen es hin zu studieren, zu lernen, zu denken, zu lesen und sich sehr beschäftigt zu halten. In diesem Sinne funktioniert ihr »Interesse« an Äußerlichkeiten sehr gut als Abwehr. Erst wenn der Intellekt dermaßen überlastet ist, daß er nicht mehr fähig ist, sich zu konzentrieren und zu studieren, leidet der Mensch und glaubt, daß irgend etwas nicht stimmt. Man könnte sich in diesem Augenblick vorstellen, daß das Problem, unter dem der Mensch leidet, ein unkontrollierter Intellekt sei. Deshalb kann ein Psychotherapeut oder Arzt den Versuch unternehmen, diesen Menschen mit einer Vielzahl von Tricks, wie etwa Meditation, zu beruhigen. Da jedoch die Aktivierung nicht der intellektuellen Sphäre entstammt, wird die Energie unerbittlich aus den tieferliegenden Gehirnbereichen aufsteigen und den Intellekt bestürmen, egal welche Tricks man sich auch ausdenkt. Zu diesem Zeitpunkt werden dann die medikamentösen »Hämmer« zum Einsatz gebracht, nicht um die Gedanken zu verlangsamen, sondern um Urschmerz zu unterdrücken - was dann automatisch den unruhigen Geist bremst.

Die Formen der Sekundärabwehr lassen sich in zwei große Kategorien einteilen. Einige Menschen sind gezwungen, die Energie aus ihren Urschmerzen abzulassen, andere, auf ihnen sitzen zu bleiben. Daher stellen sich einige Menschen zur Schau oder reden ununterbrochen oder suchen sich jede zweite Nacht jemand anderen, mit dem sie schlafen, oder organisieren pausenlos neue Projekte und Unternehmungen oder gehen von einer Party zur nächsten, bis sie erschöpft sind. Andere rauchen, um ihre Spannung im Zaum zu halten, oder sitzen passiv in einer Gruppe, unfähig auch nur ein Wort zu sagen, verstecken sich vor Freunden, unterdrücken alle sexuellen Gefühle und Gedanken, sitzen Abend für Abend allein vorm Fernseher. Die meisten Menschen tun offensichtlich beides — sie wehren die Energie der tiefliegenden Urschmerzen sowohl durch Entladung als auch durch Unterdrückung ab.

Menschen, die abwehren, handeln nicht freiwillig oder aus Launenhaftigkeit; sie handeln automatisch, um sich zu schützen. Sie bedienen sich auch keiner Vorspiegelung, das heißt, sie machen sich nicht vor, daß sie nichts schmerzt. Sie sind sich der Existenz von Urschmerz einfach nicht bewußt. Weil Eltern es nicht aushallen, ihre Kinder leiden zu sehen, lernen Kinder schnell, ihre Verletzungen zu verstecken, und verstellen sich, doch schon bald wird diese Vorspiegelung automatisch und unbewußt.

Der Neurotiker kann nicht gewinnen. Er ist gefangen. Nimmt er während des Tages Schmerztabletten oder Beruhigungsmittel, so kann es gut möglich sein, daß er in der wehrlosesten Zeit des Tages — während des Schlafes — einen Rückfall erlebt. Nimmt er Schlaftabletten, um diese Schmerzen während der Nacht zu unterdrücken, wird er am folgenden Tag unter einem Rückschlag leiden. Er ist in dem teuflischen Kreis von Abwehr und Spannungsanstieg mit der anschließenden neurotischen Entlastung gefangen. Kurzum, er muß neurotisch sein; es ist eine biologische Notwendigkeit.

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6.  Bedürfnissymbole  

 

 

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Wir beginnen auf eine neurotische Art und Weise symbolisch zu leben, sobald wir abwehren. Ist ein Feeling erst einmal vom Verständnis seiner Herkunft abgetrennt, nimmt ein falsches Wissen seinen Platz ein. Ohne darum zu wissen, entwickeln wir aus unseren Urschmerzen heraus unreale Vorstellungen, Einstellungen und Verhaltensweisen. Wir machen Menschen, Situationen, Objekte, Vorstellungen und Begriffe zu Symbolen des Schmerzes. Neurotischer Symbolismus ist dann die gegenwärtige Repräsentation einer vergangenen, urschmerzhaften Realität. Der Symbolismus entspringt dem Urschmerz und hilft auch, ihn abzuwehren.

Der kanadische Neurochirurg Wilder Penfield hat diesen symbolischen Prozeß geklärt. Er entdeckte während eines Gehirneingriffs, daß, wenn er eine Elektrode in einen gewissen Abstand von einer bestimmten Nervenzelle des Patienten (der während des Eingriffs bei Bewußtsein war) brachte, dieser etwas wiedererlebte wie etwa: »Ich fühle mich, als ob Räuber hinter mir her wären.« Wenn er die Sonde der Zelle näherte, kam dem Patienten die genaue Erinnerung: »Ich erinnere mich, was ich für eine Angst hatte, als mein Bruder eine Spielzeugpistole auf mich richtete.«

Es kann sein, daß symbolisches Verhalten und Denken (in diesem Falle die Räuber) tatsächlich eine Frage der physischen Entfernung im Gehirn zu den Zentren, die Feelings repräsentieren, sind. Urschmerz lenkt das Feeling auf ein symbolisches Gleis ab. Symbolismus nimmt mit unterdrückten Gefühlen seinen Anfang. Nehmen wir an, das Gefühl ist Angst vor den Eltern, die verdrängt wird und so zu einer konstanten, zurück­bleibenden Angst wird. Für das kleine Kind verwandelt sich die Angst in Drachen, die in der Nacht auftauchen, wenn es im Dunklen ist. Der Drache ist ein Symbol. Er kann zu einem wiederkehrenden Symbol werden, so daß selbst Bilder von Drachen das Kind in einen Angstzustand versetzen können. Das Kind ist nicht wegen des Drachens verängstigt. Der Drache existiert, weil das Kind Angst hat.


Bis zu dem Zeitpunkt der Gehirnentwicklung, von dem ab das Kind Bilder heraufbeschwören kann, um Angst zu rationalisieren, sieht es sich schlichtem Terror gegenüber — der Art von Entsetzen, das durchaus zum Krippentod des ins Dunkel seines Bettchens abgeschobenen Säuglings führen kann. In diesem Sinne ist der »Drache« ein Überlebens­mechanismus. Wir sollten sehr vorsichtig mit dem Austreiben von Dämonen sein, die Kinder erträumen, um ihre Ängste zu rationalisieren. Kinder­therapeuten sollten begreifen, daß diese Bilder eine spezifische Funktion haben, in die sie sich nicht einmischen sollten, ohne die zugrunde liegenden Kräfte zu verstehen.

Das Kind macht sich seine grundlegende Angst rational, sowohl zur unbewußten Begründung seines Gefühls, als auch um sich einen Ansatzpunkt für seine Kontrolle zu verschaffen; das heißt in diesem Fall: Ein Drache ist ein furchtbares Geschöpf, das um jeden Preis gemieden werden muß. Ein Kind kann weder seine Eltern meiden noch deren Zorn, oder was immer das Kind verängstigt, aber es kann dem Drachen aus dem Wege gehen und sich beruhigen. Es kann Symbole manipulieren, um ein Primärgefühl handhaben zu können. In der Tat, die überwiegende Mehrheit von uns verhält sich auf mehr oder weniger subtile Weise ebenso, um Feelings unterdrückt zu halten.

Wenn sich das Kind im Laufe des Reifungsprozesses von Bildern zu komplexeren Vorstellungen bewegt, können die Ausdrucks­mittel der Angst parallel zur Reifung verlaufen. Dann kann es Angst vor dem Kommunismus oder vor Ausländern sein. Die Angst könnte ebenso leicht phobisch werden und sich an Fahrstühle oder Flugzeuge fixieren. Das Symbol kann sehr wohl eine direkte Ableitung des Primärfeelings sein.

 

MELINDA:
Dem Tod meines ersten Mannes vor einigen Jahren folgte ein Traum, der meiner Kindheit entspringt. Er hat sich zwar nicht wiederholt, war jedoch immer gegenwärtig, er war immer in meinem Hinterkopf; ein in Unbehagen verpacktes, bedrohliches Bild. Der direkte Anlaß war ein Streit mit einem Cousin, vor dem ich mich fürchtete.
Ich träumte, vor mir sei ein riesiges Auge; es war in etwa einem Meter Höhe und strahlte von dort eine ungeheure Kraft aus. Ich verachtete diese Kraft und glaubte, nichts könne mich dazu bringen, ihr nachzugeben, denn ich hatte das Gefühl, sie sei ganz böse. Ich fühlte, wie mein Körper vor Haß und der Vehemenz meiner Verachtung zitterte, doch die Kraft strömte ohne Unter-

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brechung und grausam aus dem Auge; sie hatte solch eine Macht, daß ich mit Schrecken feststellte, wie ich schwächer wurde. Ganz langsam gaben meine Knie nach, und ich sank zu Boden, bis ich kraftlos vor ihr kroch. Die Kraft hatte mich gebrochen, besiegt und zur gemeinsten, erniedrigendsten sklavischen Hingabe gezwungen.
Ich erwachte mit solchem Entsetzen, daß ich nicht mal wagte, das Licht anzumachen: Das Zimmer war voll von Bösem. Ich plapperte verzweifelte Gebete. Nach einiger Zeit faßte ich den Mut, es aufzuschreiben, um mich auf diese Weise davon zu distanzieren.
Später hatte ich dann eine Einsicht, die mich überraschte und schockierte. Es betraf einen Vorfall in der Zeit, als ich vier Jahre alt war. Obwohl ich mein ganzes Leben lang wütend und hilflos wurde, wenn ich mit meinem Vater über irgendwas diskutierte, war es mir vollkommen unbewußt, daß ich als Kind jemals von ihm erschreckt worden bin. Folgendes ist passiert: Als ich vier war, hatte ich ein Kindermädchen, das ich sehr liebte. Eines Tages machte sie etwas, das meinen Vater in Wut versetzte, und ich erinnere mich, wie ich dastand und zusah, wie er sie anschrie. Ich war außer mir und wollte ihn bewegen, damit aufzuhören. Ich haßte ihn so sehr dafür, daß er sie anschrie, daß ich kaum atmen konnte, doch gleichzeitig hatte ich Angst vor ihm und fühlte mich hilflos unfähig, diesen Zyklon brüllender Raserei stoppen zu können. Seine Augen waren riesig, rund und brennend, sie schienen den Himmel auszufüllen. Sie anzuschauen war wie ein körperlicher Schmerz.
Nie habe ich solch bedingungslos versteinernde, animalische Angst verspürt. (Als ich zum erstenmal dieses Feeling hatte, sagte mein Therapeut: »Schau dir seine Augen an!« Ich versuchte es, aber statt dessen halluzinierte ich einen Augenblick lang eine riesige Spinne nahe der Decke und hörte aus mir kurze, bellende Schreie eines angsterfüllten Kindes kommen. Anfangs hatte es den Anschein, als kämen sie gar nicht von mir.) Seine Stimme wurde höher und höher, und meine Wut und Hilflosigkeit glühten wie ein Brennofen in meiner Brust. (.. .) Ich rannte zu meiner Mutter, klammerte mich an sie und schrie: »Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!« Sie sagte: »Du darfst Daddy nicht hassen, er sollte dir leid tun.« Ich habe natürlich immer gewußt, daß sie nur das Beste wollte, aber ich empfand es damals als abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit. Es war, als ob ich über den Rand der Welt kippte. 

Meine Mutter war

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meine einzige Zuflucht, und ich habe sie wirklich geliebt, und nun durfte ich, um sie zufriedenzustellen und von ihr geliebt zu werden, nicht fühlen, was gerade über mich hereingebrochen war. Zu dem Zeitpunkt Mitleid für meinen Vater aufzubringen, ging weit über meine Kraft hinaus, ebenso hätte ich mich erheben und wegfliegen können. Ihr gutgemeintes Ersuchen fügte meiner Hilflosigkeit noch Verzweiflung hinzu.

 

Wenn Schmerz aufsteigt, schafft er Symbole als Delegierte für das Bewußtsein. Es kann in geschriebener, gemalter oder modellierter Form sein. Das sind die Abgeordneten-Häuser. Die Feelings werden in Worte gekleidet, sind in Pinselstrichen enthalten oder mit Melodien aufgebrüht, sie werden jedoch nicht gefühlt als das, was sie sind. Künstlerischer Ausdruck beseitigt nicht die Feelings oder die Probleme. Er ist nur Ausdruck (und Verdrängung) des Problems. Er mag einen Teil der Verdrängungsenergie freisetzen, doch hat das, wie auch bei jeder anderen Katharsis, kontinuierlich zu geschehen.

Manchmal ist der Symbolismus dem Feeling nahe, ein anderes Mal schweift er sehr weit ab und ist verwickelt. Eine Patientin lehnte es ab, in ihrem Auto den Blinker anzustellen, und bekam einen Strafzettel. Als sie gefragt wurde, warum sie nicht geblinkt hätte, sagte sie ihrem Therapeuten: »Es geht niemanden etwas an, wohin ich fahre.« Die Weigerung, ein Zeichen zu geben, war eine symbolische Form, der Mutter nicht sagen zu müssen, wohin sie gehe, womit diese sie als Kind ununterbrochen geplagt hatte. Dies ist ein deutliches und unkompliziertes Beispiel dafür, daß die Neurose die symbolische Manipulation von Ereignissen ist, die Primär-Feelings erledigen soll. Es wäre real gewesen, der Mutter beim Verlassen des Hauses nicht jedesmal Bericht zu erstatten (besonders mit neunzehn Jahren), im Straßenverkehr kein Zeichen zu geben ist indessen unreal. Das Feeling stimmte, der Kontext war falsch. Wenn Situationen die gleiche Art von Stimuli wie ein frühes schmerzhaftes Ereignis anbieten, werden sie symbolisch. Die gegenwärtige Situation wird unabsichtlich mit kindlichen Augen gesehen, und entsprechend wird auf sie reagiert. Die Symbolik wird so lange beibehalten, wie der Urschmerz Verdrängung initiiert und eine Ableitung des Feelings von einer direkten Verbindung verursacht.

Das Symbol des Blinkers war nicht beabsichtigt oder gar bewußt. Es war eine automatische und unbewußte Reaktion auf ein altes Feeling. Symbole halten an uns fest, weil sie etwas Unerledigtes repräsentieren.

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ROBERT:
Ich habe immer an Gott geglaubt, begreife aber erst jetzt, daß ich zum Teil in dem Bemühen, meinem Vater nahe zu sein, religiös wurde. Er war ein sehr strenger, wenn nicht leidenschaftlicher Christ. Das war eine Möglichkeit, den Abstand zwischen uns zu verringern, eine Möglichkeit, in ihn zu schauen und ihn dazu zu bringen, in mich zu schauen. Als ich ihm begeistert von meinem Glauben erzählte (Begeisterung, die auf der Hoffnung basierte, endlich die langersehnte Reaktion zu erhalten), reagierte er nicht. Es war, als ob ich beiläufig irgend etwas gesagt hätte. Rückblickend erkenne ich, daß dies der Augenblick war, in dem ich mit dem Christentum fertig war. Genau das, was ich hoffte, von meinem Vater zu bekommen, war das, was ich mir von Gott erhoffte. Ich brauchte jemanden, der meine Schmerzen verstand, jemand, an den ich mich wenden konnte und mit dem ich mich vertraulich unterhalten konnte. Da um mich herum niemand war, wendete ich mich an Gott. Auch konnte ich den Schmerz, dem ich unterworfen war, nicht fassen, darum kümmerte sich jedoch ein allwissendes Wesen. Alles, was ich brauchte, war jemand, der mich irgendwie verstand, und wenn es jemand war, der definitionsgemäß alles verstand, um so besser. Gott war der Vater, den ich mir wünschte. Gott war der Vater im Sinne einer wohlwollenden Autorität und Christus war der Vater der Freundschaft und Hoffnung.
Nachdem ich darin versagt hatte, meinen Vater zu gewinnen, indem ich mich zu ihm in seinen »Käfig« gesellte, war ich entschlossen, aus dem »Käfig« zu gehen und von außen an die Gitterstäbe zu hämmern. Ich wollte ihn zu einer Reaktion schockieren, ihn dahin bringen, daß er als anderer Mensch offen auf mich einging. Ich beschäftigte mich mit linker Politik. Vom jetzigen Standpunkt aus ist mir sehr klar, wie neurotisch motiviert meine Beschäftigung auf dem Gebiet war - ganz abgesehen von der Richtigkeit meines Anlasses. Mein leidenschaftlicher Kampf gegen das Establishment war eine symbolische Wiederaufnahme des Kampfes mit meinem Vater. Ich weiß, daß mein Versuch, das Establishment durch Eingestehen der gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten zu fairem Handeln zu bewegen, in Wirklichkeit der Versuch war, ihn aufzurütteln, ihm zu sagen: »Schau mich an Daddy, guck, was du mir angetan hast!« Ich erinnere mich, wie

sehr ich ihn politisch beschimpfte, nur um eine Reaktion aus ihm herauszuholen; die meiste Zeit stellte er ein passives, nicht-reagierendes Äußeres zur Schau. Ich symbolisierte das Bedürfnis nach meinem Vater, indem ich von den Herrschenden forderte, daß sie sich die Lage der Arbeiterklasse, der Armen und der Minderheiten anschauen sollten. Ich trompetete Sozialismus, weil ich wollte, daß alles fair sei. »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen.« Was sonst sollte man sich noch wünschen? Es war aber mein Leben, das ungerecht war. Ich habe nicht bekommen, was ich gebraucht habe. Ich kämpfte für die gesellschaftlich Unterdrückten wegen der Unterdrückung, die ich erlitten hatte.

 

Symbole erlauben es uns, der Wahrheit über unser reales Selbst aus dem Wege zu gehen. Sie erhalten und verewigen eine machtvolle Triebkraft — Hoffnung. Wir symbolisieren automatisch Freunde, Geliebte, Unter­nehmer und sogar Zufalls­bekanntschaften zu Gestalten, die uns als Kindern Schmerz verursacht haben, und dann hoffen wir, daß sich das Ergebnis verwandelt. Aus irrealer Hoffnung stimmen wir dem Verlauf eines Spiels zu, das wir nie gewinnen können. Der Grund, aus dem wir angesichts konstanter Enttäuschungen fortfahren, das Spiel zu spielen, liegt darin, daß wir uns nicht der Tatsache stellen können, daß das Ergebnis vor langer Zeit bestimmt wurde. Wir fühlen niemals unsere Verluste, und daher bleiben wir Verlierer. Unser Urschmerz läßt uns anderen und uns selbst zahllose Streiche spielen. Wir nehmen uns falsch wahr, wir reagieren unangemessen, hören unaufmerksam zu, hören und sehen fehlerhaft.

Der Neurotiker spielt seine Vergangenheit durch, aber eben in anderen Szenarien, an anderen Orten und mit anderen Schauspielern. Fortwährend schreibt er das Drehbuch um, doch die grundlegende Handlung bleibt die gleiche. Ein wesentlicher Teil fehlt: ein Schluß.

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7.  Der innere Kampf   

 

 

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Wenn Bedürfnisse vernachlässigt bleiben, verändert sich die Art und Weise, wie wir versuchen, sie uns selbst zu erfüllen. Wir entdecken eine verfeinertere Möglichkeit, unseren Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. Anfangs können wir nur schreien oder weinen. Wenn es nicht hilft, hören wir auf zu schreien. Später fangen wir an, nach Mutti zu rufen, bis es zwecklos wird, und zuletzt handeln wir in einer Art symbolischen Rufens nach Mutti, wie etwa sehr artig und leise zu sein, Einser in der Schule zu bekommen, abzuwaschen, ohne gefragt zu werden, und so weiter. Diese Formen des Verhaltens sind fortgeschrittenere Schreie. Sie sind Kämpfe.

Wir kämpfen für die Befriedigung eines anachronistischen Bedürfnisses, ohne uns dessen auch nur bewußt zu werden. Es ist der Mangel an Befriedigung zur angemessenen Zeit, der die Verdrängung aktiviert hat, die uns von einer Bewußtwerdung zurückhält. Die einzige Möglichkeit, daß diese frühe Agonie sich zeigt, besteht vielleicht im Verlust einer Freundin, eines Freundes oder eines Ehepartners. Wir sind uns normalerweise nicht bewußt, daß der Ursprung des außergewöhnlichen Elends, das uns bei dem Gedanken an einen solchen Verlust selbstmörderische Gedanken hegen läßt, Jahrzehnte in unserer Lebensgeschichte zurückliegt.

Wenn alles, was wir von einem unbewußten Bedürfnis erleben, seine späteren Ableitungen sind, kommen wir dahin zu glauben, daß wir ganz andere Bedürfnisse haben — zum Beispiel nach »Selbstverwirklichung«, nach Ansehen und Selbstvertrauen. Die Energie des realen, vergangenen Bedürfnisses wird von symbolischen Bedürfnissen absorbiert, die ein Bedürfnis nach Selbst­verwirklichung und Selbstsicherheit real erscheinen lassen. Wir sind fast alle dermaßen depriviert, haben diese »Bedürfnisse« gemeinsam, daß wir zu der Annahme gekommen sind, sie seien nicht nur fundamental, sondern gar genetisch bedingt.

Ein Baby wird nicht mit einem Bedürfnis nach Ehre oder Würde geboren. Es hat kein Bedürfnis nach Ansehen oder Ruhm. Es braucht keine Selbstachtung oder Macht. All das haben sich Erwachsene erdacht.


Wenn man ein Kind wie ein Objekt, eine Sache behandelt, als etwas, dem man nur Anweisungen erteilt, wird es in einem Kampf nach »Würde« aufwachsen. Es wird dafür kämpfen, einen hohen Posten in einem Unternehmen zu erlangen oder für genau den günstigsten Schreibtisch und das richtige Büro in einer Firma, oder für den besten Tisch in einem Restaurant — alles um das Gefühl zu haben, »jemand« zu sein. Der beste Schreibtisch, der beste Tisch im Restaurant und alle Kratzfüße der Welt, die man macht, werden diese Bedürfnisquelle nicht zum Versiegen bringen.

 

Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist eine weitere Möglichkeit, mit der sich jemand in der Gegenwart, aus dem Gefühl heraus, zu Hause nie dazugehört zu haben, abmühen kann. Es gibt kein »Bedürfnis dazuzugehören« als solches. Es gibt ein Bedürfnis, geliebt zu werden, ein Teil der Familie zu sein, nicht das Gefühl zu haben, aus der Familie ausgeschlossen zu sein und bei wichtigen Diskussionen nicht aus dem Zimmer geschickt zu werden; von Familienausflügen nicht ausgeschlossen zu werden, weil man dies oder jenes getan hat.

Wenn ein Kind von emotional zurückhaltenden Eltern auf einer gefühlsmäßigen Distanz gehalten wird, wird es den symbolischen Drang haben, sich als Teil von etwas zu fühlen. Auf der Suche nach einer Familie kann der Mensch dann Vereinen oder politischen Organisationen beitreten, zum Militär gehen oder sich religiösen Sekten anschließen. Das sogenannte »Bedürfnis nach Macht« ist auch nur ein Etikett für einen Kampf. Die Ungeliebten wünschen sich Macht, weil in ihrem Leben etwas Angenehmes geschehen soll. Der Kampf nach Macht nimmt seinen Anfang, wenn hilflose Kinder Tag für Tag körperlich, sprachlich oder psychisch mißbraucht werden. Sie befinden sich in den Händen allmächtiger Eltern, weil diese die Befriedigung von Bedürfnissen kontrollieren. Natürlich träumen diese Kinder von Macht. Um ihre Bedürfnisse erfüllt zu bekommen, versuchen sie Möglichkeiten zu finden, Verletzungen und Mißbrauch aus dem Wege zu gehen. Sind sie dann schließlich zu Macht gekommen, wird sie mißbraucht, weil sie zur Befriedigung tiefliegender Bedürfnisse benutzt wird. Es ist nicht Macht, die korrumpiert, es ist das Bedürfnis danach.

Eine andere Möglichkeit, wie wir zwischen realen und irrealen Bedürfnissen unterscheiden können, liegt in den biologischen Veränderungen unserer Patienten, die auftreten, nachdem sie weinend über bestimmte nicht erfüllte Bedürfnisse geklagt haben.

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Wir hatten Patienten aus mehr als fünfzig Ländern und haben gesehen, daß es nur sehr wenige Bedürfnisse sind und wie sie allen Menschen gemein sind. Bei den wenigen Malen, als Patienten versuchten, Gefühle über die irrealen Bedürfnisse wie etwa Selbstachtung zu entwickeln, traten keine physiologischen Veränderungen auf. Das liegt daran, daß diese Bedürfnisse (Macht, Prestige) keine frühkindlichen sind und deshalb Wachstum und Reifung nicht in Mitleidenschaft ziehen. Wären irreale oder symbolische Bedürfnisse tatsächlich real, würden wir bei ihrem Wiedererleben physiologische Veränderungen sehen.

Wenn jede Bedürfnisebene befriedigt ist, wird die nächsthöhere Ebene entsprechend weniger wichtig. Doch mit jeder nicht befriedigten Ebene wird die nächste um so wichtiger — und der symbolische Kampf um so heftiger. Früh körperlicher Wärme beraubt worden zu sein, läßt es später für jemanden wichtiger, ja ausschlaggebend erscheinen, gesagt zu bekommen, man werde geliebt. Der Neurotiker will Äußerungen unsterblicher Liebe hören. Es kann sogar sein, daß er seinen Partner verläßt, wenn er das Gefühl hat, er erhalte nicht genug verbale Liebesbeteuerungen.

Wir kämpfen dafür, in der Gegenwart zu kriegen, was wir in der Vergangenheit nie bekommen haben und in der Zukunft auch nicht bekommen werden — liebende, für uns sorgende Eltern. Aber wir versuchen es immer wieder. Der Kampf ist die symbolische Art, die Vergangenheit in der Gegenwart zu behalten. Sie verschmelzen miteinander, und wir können sie nicht mehr unterscheiden.

Haben wir erst einmal begriffen, daß sich verdrängte Traumata eingeprägt haben und in uns bleiben, dann können wir auch die sich wiederholende Neurose verstehen, und warum der symbolische Kampf in der gleichen Weise Jahr für Jahr fortdauert. Der alte Urschmerz strebt ununterbrochen nach einer Lösung und wird ebensooft in die Kanäle geleitet, die den Kampf begründen. Neurose ist genau die Unfähigkeit, Vergangenheit von Gegenwart zu trennen: vergangene Deprivation, gegenwärtige Versuche der Befriedigung. Aus diesem Grund müssen erfolgreiche, berühmte und reiche Leute ihre Aktivitäten fortsetzen, sonst werden sie depressiv. Für sie scheint alles in Erfüllung gegangen zu sein — sie sind beliebt, sie bekommen das Gefühl der Wichtigkeit, haben Dienstboten und leidenschaftliche Verehrer, und doch, wenn sie allein sind, bleibt ihnen etwas, vor dem sie nicht wegrennen können, das Gefühl, wertlos und ungeliebt zu sein.

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Gegenwärtige Befriedigung kann die Agonie für eine gewisse Zeit übertünchen, und einige von uns sind bei diesem Job erfolgreicher als andere. Doch es bleibt nur Tünche.

Auf der ganzen Welt gibt es nicht genug symbolische Befriedigung, um ein tief begrabenes Bedürfnis auch nur ein wenig zu ändern. Die Zeit für Kindheitsbefriedigungen ist ausschließlich in der Kindheit. Alle Berührungen, die im Alter von dreißig Jahren möglich sind, werden nicht das Bedürfnis nach Berührung im Alter von sechs Monaten ändern. Das alte Verlangen, in den Arm genommen zu werden, ist eine physische Erinnerung, die unsere Muskeln das ganze Leben lang schmerzen läßt. In Wirklichkeit ist der Kampf eine Fortsetzung des Kindheitsverhaltens mit den Eltern auf eine andere Art und Weise.

Wir kämpfen nicht einfach für ein direktes, besseres Resultat. Wir wieder-erschaffen das ursprüngliche Geschehnis, wie es von Anfang bis Ende in unserem Nervensystem eingeprägt ist. Wir begeben uns in Situationen, die frustrierend oder schwer zu handhaben sind, danach kämpfen wir für ein besseres Ergebnis. Wir suchen uns lieblose oder kritische Menschen und versuchen sie dann unkritisch oder zustimmend liebevoll zu machen. Wir meiden die Gesellschaft von Menschen, die gut für uns sein könnten, während wir jene hofieren, die uns nichts zu bieten haben. Wichtig für den Neurotiker ist der Kampf, nicht das Ergebnis.

GENE:
Zu der Zeit, als ich auf der High School war, hatte ich fast alle Bedürfnisse nach Zuneigung und körperlicher Berührung verdrängt. Ich verabredete mich mit prüden Mädchen. Nach einigen Verabredungen mit demselben Mädchen faßte ich soviel Mut, sie beim Nachhausbringen um einen Kuß zu bitten. Natürlich hat sie sich oft geweigert. Es war, als ob ich kein Recht auf irgendwelche Zuneigung hatte. Später, auf dem College, verabredete ich mich weiter mit Frauen, die körperlichen Kontakt nicht mochten. Immer wenn meine Einschätzung falsch war und ich mit einer Frau aus war, die Sex mochte, konnte ich Spaß an Berührungen haben, aber bekam später Angst, fühlte mich unwohl und brach diese bedrohliche Beziehung ab. Schließlich heiratete ich eine gefühlskalte Frau und war zu Hause in Sicherheit. Acht Jahre habe ich dann noch um Zuneigung gekämpft.

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Wenn meine Frau und ich miteinander geschlafen haben, hatte ich nach dem Eindringen sehr schnell eine Ejakulation. Ich habe alles versucht, die frühzeitige Ejakulation abzustellen. Ich kam mir immer wie ein Versager vor. Meine Frau war selten erregt, und ich habe buchstäblich an ihr gearbeitet, um sie sexuell zum Leben zu erwecken. Sex war harte Arbeit, aber ich habe nie aufgehört. Ich hatte das Gefühl, es wäre meine Aufgabe, sie zu erregen, und wenn ich es nicht schaffte, würde mit mir etwas nicht stimmen.

 

Der Neurotiker hat keine Wahl. Entweder fühlt er seinen Urschmerz oder er kämpft. Es gibt keine Zwischenlösung. Aus diesem Grund ist der Versuch, einen Kampf abzubrechen, ein vergebliches Unterfangen.

Wenn sich jemand als Kind unsicher fühlte, wird er nicht einfach Anstrengungen unternehmen, sich sicher zu fühlen. Er wird zuerst dafür sorgen, daß er sich unsicher fühlt. Er wird sich in gefahrvolle Situationen bringen oder in Situationen, die alte Wunden wieder aufreißen, die ihn physisch oder psychisch verletzen. Es kann sein, daß er einen Lebensstil der Unruhe, des Durcheinanders oder des Chaos einschlägt. Und das Diabolische daran ist, daß, wenn er sich auf jemanden näher einläßt, es oft gerade die Sorte von labilen Menschen ist, welche sein Gefühl der Unsicherheit noch verstärkt. Die andere Person kann schwach sein oder zu einer Beziehung unfähig. Der Grund spielt keine Rolle. Das letztendliche Resultat ist, daß der Mensch, der sich immer unsicher gefühlt hat, sich jetzt noch unsicherer fühlt.

Falls jemand immer das liebe, kleine Mädchen oder der hilfreiche Sohn gewesen ist und für einen kranken Elternteil gesorgt hat, stehen die Chancen gut, daß er im Erwachsenenalter einen anderen hilflosen Menschen findet, um den er sich sorgen kann. Arzt zu werden und sich um eine kranke Person nach der anderen zu kümmern, ist ein Beispiel. Der Kampf konzentriert sich auf die Hilfe, die man einem schwachen Menschen zuteil werden läßt, so daß er kräftig genug wird, um die Rollen tauschen zu können. Der Kampf geht ewig weiter, weil der Mensch in der Realität sich nicht helfen lassen kann. Es hat keinen Zweck zu sagen: »Hör' mal, warum lebst du nicht dein eigenes Leben? Jahrelang hast du dich um Soundso gekümmert — du hast eine Pause verdient.«

Es scheint ein ausgefallenes Paradox zu sein, daß der Neurotiker sich fortwährend gegen das Fühlen wehrt, indem er aufs neue Situationen schafft, die es enthalten. Er fährt jedoch fort, Ereignisse auszusinnen, um bereits vorhandene Gefühle zu rationalisieren oder zu verdichten.

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ROBERT:
Immer verliere ich Sachen oder vergesse zumindest, wohin ich sie gelegt habe. Die Sachen, die ich verlege, mögen zwar klein sein, aber es sind immer sehr wichtige Dinge des Alltagslebens: meine Schlüssel, meine Uhr, meine Brieftasche. Es passiert eigentlich immer dann, wenn ich zuviel zu tun habe, wenn ich mehr als meinen Teil tue. Als ich sehr klein war, habe ich meine Mutter verloren. Sie ist gestorben. Während ich aufwuchs, konnte ich niemanden um Hilfe bitten. Es war niemand da. Ich habe immer auf mich selbst aufgepaßt, meinem Vater einen Haufen Ärger erspart. Jetzt werde ich immer wütend, wenn ich Sachen verliere. Ich werde ausfällig und suche die Schuld bei anderen. Ich gerate in Panik. Vielleicht war ich noch sehr viel mehr in Panik, als sie starb - aber nicht äußerlich, mehr drinnen. Deshalb verliere ich Sachen, um den Kampf des Wiederfindens durchzumachen.

 

Der Kampf ist der Schwerpunkt, um den die Neurose sich dreht. Mit einem Urschmerz, den man nicht fühlen kann, ist wirklich nichts anderes auszurichten. Die Konzentration auf die Gegenwart hilft uns, die Illusion von Gesundheit aufrechtzuerhalten, und schützt uns vor einer Überlastung durch gespeicherten Schmerz. Ohne aktuellen Fokus wäre der Schmerz unverhüllt und nicht zu ertragen. Der Kampf ist eine erstaunliche und einzigartige menschliche Erfindung, die uns davor bewahrt, uns ungeliebt und unerwünscht zu fühlen. Genau diese Feelings sorgen dafür, daß der Kampf für den Rest des Lebens weitergeht.

 

Der Krieg des realen mit dem irrealen Selbst 

 

Sobald Urschmerz entsteht und Verdrängung einsetzt, tritt ein neues Selbst hervor, das es gewissermaßen gar nicht hätte geben sollen. Es ist das, was ich in <Der Urschrei> das »irreale Selbst« genannt habe. Das reale Selbst ist einfach der Teil von uns, der all unsere begrabenen Feelings und Bedürfnisse enthält. Das irreale Selbst ist der Teil von uns, der das Begräbnis durchführt. Es ist jener vom Bewußtsein abgetrennte Teil, der das reale Selbst unterdrückt und nur Symbole der realen Bedürfnisse erlebt.

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Es ist das irreale Selbst, das bei seiner Verletzung nie weint; das Selbst, das nicht an Schmerzen aus der Kindheit glaubt. Es ist das Selbst, das jeden Zugang zu Bedürfnissen und Gefühlen und der Menschlichkeit einer Person verloren hat. Das irreale Selbst erkennt zwar, ist aber gegenüber den Verletzungen und dem Leiden anderer unempfindlich. Es ist das irreale Selbst, das unsere falschen Überzeugungen, unsere Selbsttäuschungen, falschen Wahrnehmungen und Mißdeutungen enthält. Es ist jener gigantische Überbau, der die Existenz des realen Selbst bedeckt. Es ist das Selbst, das keine Schönheiten entdeckt, das Freundlichkeit und Großzügigkeit nicht begreift. Das Selbst, das seine Zärtlichkeit und Romantik verloren hat. Es ist das mystische Selbst, das Selbst, das zuviel redet und zuviel ißt, das Selbst, das destruktive Dinge tut. Das irreale Selbst ist flüchtig und erkennt nur die Oberfläche der Dinge. Es mangelt ihm an der Komplexität, Dinge perspektivisch zu sehen.

Wenn sich unser irreales Selbst entwickelt, sind wir nur halbe Menschen. Das irreale Selbst verwischt das reale Selbst nicht; es erstickt es einfach. Das irreale Selbst ist in Schmerz verwickelt und bezieht nur daraus eine Existenz. Doch es fühlt weder Schmerz noch erkennt es ihn an.

Verdrängung macht uns irreal, weil sie uns den Zugang zu unserer eigenen Wirklichkeit verbietet. Es mag sein, daß wir wissen, was wir denken, wir wissen jedoch nicht, was wir fühlen. Haben wir einmal verdrängt, müssen wir auf irreale Art und Weise agieren. Wir reagieren nicht mehr direkt auf unsere Gefühle, weil sie uns nicht mehr zur Verfügung stehen, um uns zu leiten.

Das reale Selbst ist sich der Urschmerzen höchst bewußt und ist ständig in die Bearbeitung von Bedürfnissen und Gefühlen mit einbezogen. Aus diesem Grund kann ein Neurotiker, den man nach seinem Befinden fragt, entgegnen, er fühle sich sehr gut, während die Apparaturen, an die sein Körper angeschlossen ist, einen hyperaktiven Zustand anzeigen. Dies ist ein deutliches Beispiel für die Spaltung. Das irreale Selbst, der »Intellekt«, fühlt sich wohl, während das reale Selbst Urschmerz bearbeitet.

Jede eingeprägte Primärerfahrung wird zu einer elektrochemischen Kraft, zu einem Teil des realen Selbst und ist sehr wohl eine physiologische Realität. Diese Realität lastet auf dem irrealen Selbst, das grundlegende innere Konflikte produziert. Deshalb sind reales und irreales Selbst nicht einfach nur psychologische Entwürfe, sondern eine biologische Realität.

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Es gibt keine Art realen Handelns, ohne real zu sein. Menschen, die so auftreten, als seien sie real, sind immer noch irreal, weil ihr Auftreten nicht in Einklang mit dem inneren Aufruhr steht. Jemand kann sich entschließen, »offener« zu sein und zu sagen, was in ihm vorgeht, doch unglücklicherweise bleibt seinem Verstand das Wissen über seine wirklichen Gefühle verschlossen. Es macht niemanden realer, wenn er real handelt. Es macht sie irrealer, weil es nur das Spielen einer neuen Rolle ist. Es ist die Aufgabe der Neurose, uns von einer realen Existenz abzuhalten.

In Der Urschrei beschreibe ich die Spaltung in reales und irreales Selbst, als sei sie durch ein einziges Hauptereignis in der Kindheit, wahrscheinlich im Alter von sechs bis acht Jahren, hervorgerufen worden. Die Neurose kann jedoch lange vor diesem Alter ihren Anfang nehmen. Bestimmte sehr frühe Traumata haben eine solch unglaubliche Wucht, daß sie schon zu der Zeit eine größere Spaltung hervorrufen können. Infolge der Verwundbarkeit des Gehirns in den ersten Lebenstagen und Wochen kann es natürlich jederzeit während der kindlichen Entwicklung geschehen. Es ist wahrscheinlich auch nicht außerordentlich hilfreich, sich die Spaltung in Begriffen von »großen und kleinen Primärszenen« vorzustellen, wie ich es in meinem ersten Buch tat. 

Wir alle haben in unserem Leben viele Schlüsselereignisse erlebt, die sehr schmerzhaft sind und die, wie subtil auch immer, den Lauf unseres Lebens verändert haben. Nach dem sechsten Lebensjahr kristallisiert sich die Neurose heraus. Bis zum Teenageralter verdichtet sich das irreale Selbst und wird dann beständig gemacht. 

Wenn Eltern, mit Hilfe der Gesellschaft, ihre Vorstellungen, Normen und ihre Moral übertragen können und, unwissentlich, mittels Erziehung das Kind von seinem Feeling abbringen, wird die Neurose verstärkt. Das Leiden an verdrängten Feelings ist dann ein dauerhaftes, es sei denn, das Opfer findet eine Möglichkeit, das reale Selbst wiederherzustellen. Die einzige Möglichkeit, wieder real zu werden, besteht darin, den Prozeß der Neurose umzukehren, und eine schmerzlose Art, das zu bewerkstelligen, gibt es nicht.

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8   Drei Autobiographien  

 

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Die folgenden Lebensgeschichten wurden als Teil der Bewerbung für eine Primärtherapie eingereicht. Die Menschen, die sie schrieben, sind typisch in ihrem Leiden an der eben von mir beschriebenen Krankheit. Wie Sie sehen werden, litten sie nicht nur an einem bestimmten Symptom. Sie kamen, weil sie sich unwohl fühlten, voller Angst, deprimiert und unglücklich waren. Mit anderen Worten, sie »hatten« keine Krankheit, sie waren die Krankheit geworden.

CAROL:

Ich wurde in British Columbia, West-Kanada, geboren. Mein Vater kam aus Schottland, meine Mutter aus Italien. Mein Vater war kalt. Ich kann mich nicht erinnern, daß er mich jemals in die Arme genommen hat. Ich hatte immer Angst vor ihm. Er war sehr intelligent und zum Zeitpunkt seines Todes hatte er einen Posten in der Arbeitsbewertung eines Bergwerkes. Als ich 11 bis 13 war, gehörte ihm ein Hotel, aber er machte pleite.

Meine Mutter war sehr hübsch (sexy), konnte nicht so singen wie mein Vater, der von ihr sagte, sie sei dumm. Sie war künstlerisch veranlagt. Ich erinnere mich, wie meine Mutter Vater damit aufzog, daß er unfähig sei, einen Sohn zu produzieren, worauf er dann sagte: »Carol ist mein Sohn.« (...)

Ich habe eine 35jährige Schwester, die im Gegensatz zu mir ängstlich und schüchtern ist. (...) Ich kann mich an fast nichts aus meiner Kindheit erinnern. Als ich 18 Monate alt war, ging mein Vater in den Zweiten Weltkrieg, ich war vier, als er zurückkam. Ich erinnere mich, daß ich auf die Briefe, die meine Mutter ihm schrieb, Küßchen drückte. An seine Rückkehr erinnere ich mich, weil er einen großen braunen Koffer voll mit Spielzeug, Armbändern und Taschentüchern für meine Schwester, meine Mutter und mich mitbrachte. Von zu Hause, aus Schottland, brachte er auch einen Hund mit. Er ließ mich mit Stolz auf meine schottische Herkunft aufwachsen, beschämte mich aber für meinen italienischen Anteil.

An einen Vorfall erinnere ich mich sehr deutlich. Ich war ungefähr vier Jahre, ein Freund meines Vaters besuchte uns oft und hatte großes Vergnügen daran, mir die Unterwäsche oder den Schlafanzug herunterzuziehen und mich in den Hintern zu kneifen. Ich kann mich noch deutlich an das Ekelgefühl erinnern, und daß ich ihn haßte.


In den meisten meiner Alpträume tauchen auch tatsächlich Männer mit gekräuseltem Haar, Lücken zwischen den Zähnen und großen Poren im Gesicht auf (......)

Ich erinnere mich, daß mein Vater mich zwei Wochen bei meiner Großmutter ließ, als er und meine Mutter mit meiner Schwester zum Arzt nach Vancouver fuhren. Meine Großmutter erzählte mir, daß sie die ganzen Schienbeine voller blauer Flecken von meinen Tritten gehabt hätte. An das Gefühl, das ich damals hatte, kann ich mich immer noch erinnern. Es ist das gleiche Gefühl, das ich habe, wenn Gary noch nicht von der Arbeit zurück ist, obwohl er schon da sein müßte. Ich erinnere mich an ein übles Gefühl, als ich meine Mutti einmal baden sah. Sie sagte, daß ich, wenn ich größer würde, auch solche Brüste bekäme. Ich haßte ihre Titten und mag sie immer noch nicht ansehen. Sie sind groß und hängen herunter. Sie ist sehr stolz auf sie. Ich bin froh, daß meine klein sind. Meine Mutter hat auch eine großporige Nase.

Ich erinnere mich, einmal hinter meinem Vater hergelaufen zu sein, als er seinen Koffer gepackt hatte und wegging. Die ganze Straße hinauf hatte ich Durchfall. Ich war vielleicht sieben. Ich bin zweimal hinter Gary hergelaufen, und es passierte das gleiche. Als ich meinem Vater ein gutes Zeugnis von mir zeigte, sagte er: »Was hat Carol Ann denn für ein Zeugnis?« (Sie war meine Cousine, die Tochter des Bruders meines Vaters, und sie war viel schlauer als ich.) Während meines ganzen Studiums hatte ich As und Bs (entspricht in etwa den deutschen Einsern und Zweiern; A.d.Ü.), besonders gut war ich in Literatur.

Ich war eine ausgezeichnete Diebin. Als ich sechs war, fing ich an (ich erinnere mich lebhaft an den Vorfall), Geld und Kleidung zu stehlen. Ich hörte erst auf, als ich heiratete. Ich war eine gute Lügnerin und log fortwährend (...) Ich war fett (...) und als ich 45 Pfund abhungerte, war er sehr erfreut (...) Er kaufte mir immer teure Geschenke und versäumte keine Gelegenheit, mir Karten (Valentinstag etc.; d.Ü.) zu schenken. Als ich auf der Universität war, schrieb er mir einmal in der Woche. Er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, daß ich dachte, er liebe meine Schwester mehr als mich, sagte aber, er würde sie bemitleiden (meine Schwester hat von Geburt an einen gelähmten Arm). Ich lernte schottische Hochlandtänze, Eiskunstlaufen, und ich studierte auch für ihn. Er starb, als ich zwanzig war. Ich war bei ihm, als er starb (Krebs im Alter von 49), er wollte mir etwas sagen, und ich verstand ihn nicht, und gerade fällt mir ein: Während des Sterbens wurde er wütend auf mich, weil ich ihn nicht verstehen konnte. Ich fühlte mich schlecht, weil ich nicht weinen konnte.

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Im folgenden Sommer heiratete ich Gary (weil er sagte, er würde nach Denver zurückgehen und sich jemand anderen suchen, wenn ich's nicht täte). Seit der achten Klasse war ich mit ihm zusammen, seit der zehnten schlief ich mit ihm, weil er mich nicht verlassen sollte. Am Geschlechtsverkehr habe ich nie so viel Spaß gehabt, daß ich einen Orgasmus bekommen hätte; ich mag das Gefühl, wenn er mich begehrt. Ich hatte zwei Verhältnisse, und in beiden Fällen lag ich nackt im Bett, konnte aber nicht vögeln, ich glaube, weil ich verheiratet war. Ich wollte es, konnte aber nicht. In Alaska nahm ich an einem Sensitivity-Training teil, war aber nicht imstande, eine Frau zu berühren. Es fiel mir sogar schwer, die Männer anzufassen. Mein Mann hat mich nie völlig nackt gesehen. Häufig werden mir von seinen Freunden und sogar von zwei seiner Angestellten Anträge gemacht. Man sagt, ich sähe hübsch aus, aber ich kann das nicht finden. Ein Neger an der Uni sagte mir mal, ich würde ihn geil machen (hatte gerade Durchfall).

Ich sollte noch erwähnen, daß ich täglich ungefähr 20 Zigaretten rauche. Alkohol trinke ich kaum. Das einzige Mal, daß ich mich erinnere, betrunken gewesen zu sein, schlief ich die ganze Nacht weinend auf dem Fußboden. Gary sagte mir, alles, was ich hätte sagen können, sei »Oh, Vati« gewesen.

Vor sechs Monaten habe ich <Der Urschrei> gelesen und wußte zum erstenmal, wie krank ich wirklich bin. Ich habe mich auf jeder Seite wiedergefunden (...) Ich habe ein Mädchen und zwei Jungens. Meine Tochter kann ich nicht in die Arme nehmen. Wenn sie mich berührt, verspannt sich alles in mir. An meinen Söhnen habe ich Freude. Ich möchte eine Primärtherapie (...) Ich möchte leben, fühlen und sehen.

 

GENE:

Ich wurde in einer Kleinstadt in Nord-Minnesota geboren und verbrachte dort meine ersten 17 Jahre. Meine Zwillingsschwester und ich sind die letztgeborenen von vier Kindern. Als wir zur Welt kamen, waren meine Eltern Anfang vierzig. Meine Brüder sind sechs und sieben Jahre älter. Alle Familienmitglieder leben noch; mein Vater ist seit letzten Sommer in einer Privatklinik (...) Meine Eltern heirateten erst, als sie schon über dreißig waren.

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Mein Vater ist zwar kein großartiger, aber doch recht erfolgreicher Farmer und kleiner Geschäftsmann gewesen, der hart arbeitete und nie viel Zeit mit uns Kindern verbrachte (...) Ich begann mit sieben Jahren für ihn zu arbeiten und hörte damit erst auf, als ich von zu Hause fort und ins College ging (...) Ich erinnere mich, daß ich mich eher wie ein Landarbeiter als wie ein Sohn fühlte. Sonderbarerweise gingen mir damals einige Sachen leichter von der Hand als ihm. 

Meine Mutter war immer eine sehr dicke und unzuverlässige Frau. Sie war zwar eine Perfektionistin, brachte zur gleichen Zeit aber alles durcheinander. Sie war immer ein »mieses Weib« und ununterbrochen hinter mir her, was Schul­aufgaben und unangenehme Hausarbeiten betraf. Ihre Beziehung zu meinem Vater war die gleiche. Er schien sie kaum zu hören oder sich über ihre Meckereien zu ärgern. Ich erinnere mich, daß ich Mitleid mit ihm hatte und auf sie wütend war. Als Kind war mein Vater ein Held für mich, weil ich das Gefühl hatte, er sei ein ruhiger Mensch mit Prinzipien.

Ich erinnere mich an keine körperliche Zuneigung, weder zwischen meinen Eltern noch zwischen ihnen und mir. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in den Arm genommen worden zu sein. Ich kann mich auch nicht erinnern, daß mich meine Mutter jemals für irgend etwas gelobt hat. Mit dem Größerwerden hatte ich zunehmend das Gefühl, zwischen ihnen zu stehen. Das heißt, wenn es Anzeichen offener Feindseligkeit zwischen ihnen gab, handelte ich als Beschwichtiger. Ich kann mich erinnern, daß ich mir sehr wichtig vorkam und das Gefühl hatte, in meiner Rolle sehr geschickt zu sein. Irgendwie meinte ich, daß sie ohne meine Hilfe nicht zusammenbleiben könnten.

Während ich Respekt vor meinem Vater hatte, machte ich meine Mutter oft herunter, besonders wegen ihres Problems mit dem Gewicht. Oft war ich stinksauer auf meine Mutter, besonders wenn sie mich ständig wegen meines Benehmens oder meiner Pflichten verfolgte. Trotzdem war ich ein vorbildliches Kind, ich kam gut in der Schule voran, und fast alles, was ich in die Hand nahm, klappte. Meine Mutter schien sehr unfair zu mir zu sein.

Die meiste Zeit fühlte ich mich sehr einsam. An meinem siebten oder achten Geburtstag entschlossen sich meine Eltern, für meine Schwester und mich eine Party zu veranstalten. Ich glaube, wir haben sie oft darum gebeten, und sie hatten schließlich zugestimmt. Es war die erste und einzige Geburtstagsparty, an die ich mich erinnern kann.

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Die häufig vorgebrachte Entschuldigung war, daß es zu kurz vor Weihnachten sei. Zu dieser Party durften wir Freunde zum Abendessen einladen, und Dad wollte uns hinterher mit ins Kino nehmen. Als das Abendessen vorbei war, hat Dad einen Freund meines ältesten Bruders gebeten zu kommen und Photos von uns zu machen. Ich protestierte heftig und weigerte mich, daß ein Photo von mir gemacht würde. Dad bestand darauf und drohte mir mit Prügeln, falls ich nicht nachgeben wolle. Ich weigerte mich weiterhin, und er machte sich an die einzige Tracht Prügel, die ich, so weit ich mich erinnere, von meinen Eltern je bekommen habe. Ich fühlte mich sehr erniedrigt, und der Rest des Abends war im Eimer. Ich erinnere mich an eine kleine Genugtuung, daß ich nicht nachgegeben hatte. Wenn ich über den Vorfall nachdenke, bin ich jetzt sehr wütend. Die einzige Party, die sie uns zugestanden haben, und dann durfte ich sie nicht auf meine Weise feiern!

Eine spätere Erinnerung (ich war zehn oder elf) ist noch lebendiger. Mein Schlafzimmer schloß an das Schlafzimmer meiner Eltern an, und mein Bett stand direkt an der Wand. Eines Morgens, früh, wurde ich durch das Schluchzen meiner Mutter wach. Ich hörte ihrer Unterhaltung zu und erfuhr, daß mein Vater mit meiner Mutter schlafen wollte und sie sich weigerte. Dad fuhr fort, darum zu bitten, und Mutter drohte ihm mit Verlassen und Scheidung, wenn er sich nicht zurückzöge. Ich war verschreckt und verwirrt. Mein Leben mit der Familie schien bedroht, und das ganze Familienleben stand auf dem Spiel. Ich erinnere mich, daß ich Mitleid mit meinem Vater hatte und wütend auf meine Mutter war. Ich habe nie mit ihnen über diesen Vorfall gesprochen.

Das einzige Mal, wo ich mich an ein Zeichen von Zuneigung im Hause erinnern kann, war bei einem Jahrestag oder einer besonderen Feier. Mein Vater zog meine Mutter an sich und gab ihr einen Kuß. Es war gespreizt und unecht, und ich erinnere mich an das Ekelgefühl, das mir bei dem Anblick hochkam.

Ich kann mich an eine deutliche Veränderung in mir erinnern, als ich fünf oder sechs war. Ich hörte gerne eine Sendung im Radio: <The Lone Ranger> (Der einsame Ranger). Die Freunde meiner Brüder sahen mich oft zuhören und gaben mir den Spitznamen »Tonto«; das war der indianische Freund des Rangers. Das schien mir ganz angemessen, da ich angefangen hatte, mein Leben unter das Prinzip des Stoizismus zu stellen. Ich war sehr stolz, daß ich in allen Situationen ruhig bleiben konnte.

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Ich war mir bewußt, daß ich keinen gefühlsmäßigen Ausdruck im Gesicht zeigen wollte, und es schien genau das »Richtige« zu sein. (Da ich den Urschrei gelesen habe, erkenne ich die allzu genaue Beschreibung der Spaltung. Leider ist es so gewesen, und ich habe bis zum heutigen Tag nicht die Fähigkeit verloren, sowohl vor mir als auch vor anderen meine Feelings zu verstecken.) Ich kann mich nicht erinnern, seit dieser Zeit bis ins zweite Jahr der Therapie hinein jemals wieder geweint zu haben.

Zur Zeit funktioniere ich ganz gut. Vor ungefähr zwei Jahren habe ich meinen Dr. phil. in Soziologie gemacht, und seither unterrichte ich an einem kleinen liberalen Kunst-College. In meiner Arbeit finde ich viel Befriedigung, sowohl in meinem Umgang mit Studenten als auch beim Schreiben und in der soziologischen Forschungsarbeit. Mein häusliches Leben ist weit weniger befriedigend. Meine Ehe scheint auf vielfache Weise eine Kopie des Kampfes meiner Eltern zu sein, und die vergangenen fünf Jahre der Ehe waren angstvoll und schmerzhaft. Ich habe zwei Jahre intensiver Therapie und ein weiteres Jahr in einer Encounter-Gruppe hinter mir. Diese Jahre haben mir insofern gut getan, als sie es mir ermöglichten, mit weniger Überforderung und Streß bei der Arbeit und auch in der Ehe zu funktionieren, es hat jedoch den Anschein, daß die ursprünglichen Kämpfe noch nicht erledigt sind. Im einzelnen heißt das, daß ich mich immer noch sehr weit von meinen Feelings entfernt und mich in Streß- und Spannungssituationen ziemlich unfrei fühle.

Ich würde diese Kämpfe in mir sehr gern auflösen und sie ein für allemal los sein. Aus diesem Grunde möchte ich mich einer Primärtherapie unterziehen (...)

 

 

MARCY

Ich lebte bis vor dreieinhalb Jahren in R., im Staat Virginia, von wo ich dann nach Charlottesville zog, um die University of Virginia zu besuchen. Ich bin im Grunde schüchtern, zurückgezogen, unsicher; seit der fünften Klasse bin ich des öfteren ernsthaft depressiv gewesen, habe mich unbedeutend gefühlt — wie ein Nichts auf dem Antlitz der Erde —, ich hatte irrationale Ängste, mit Leuten zusammen zu sein und mich durchzusetzen. Bis auf kurze Unterbrechungen, hauptsächlich in meiner Teenager-Zeit, habe ich es gehaßt, morgens aufzustehen, bin voller Ängste und schlimmer Vorahnungen, ganz so, als hätte ich an einer unsagbar schweren Last zu tragen. Es scheint, als stecke ich in dem gleichen Verhaltensschema von Zurückziehen und Vermeidung, das mir im Alter von zehn oder elf Jahren erstmals bewußt wurde. Im großen und ganzen fühle ich mich wie betäubt, apathisch, hoffnungslos — »abgetötet«.

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Unter Menschen fühle ich mich unwohl, bin nervös, häufig feindselig; wenn ich einen Menschen mag, bemühe ich mich zu sehr, bin ängstlich — es ist, als würde ich die Person auf einen Sockel stellen, sie über mich stellen. Es ist mir immer schwergefallen, mit Menschen in Beziehung zu treten, im allgemeinen überreagiere ich, bin höchst emotional, rede konfus, murmele manchmal vor mich hin, bringe Worte und Silben durcheinander und rede manchmal schnell und zwanghaft. Meine Mutter erzählte mir vor kurzem, daß ich als Kind einen Sprachfehler hatte, an den ich mich aber nicht erinnern kann.

Im ganzen gesehen, fühle ich mich ängstlich, gehetzt, isoliert und häufig hoffnungslos deprimiert. Besonders in den letzten zwei Jahren bin ich bei der Arbeit und in Gedanken außerordentlich konfus gewesen, es ist so, als ob ich im Nebel herumirre. Meine Eltern haben sich nie für mich interessiert oder auf mich geachtet — außer, daß sie mir alles kauften, was ich haben wollte. 

Meine Mutter ist eine sehr negative Frau. Feindselig und gemein, sie macht jeden mies — besonders zu denen aus ihrer nächsten Umgebung ist sie zeitweilig geradezu boshaft. Mit mir hat sie nur gesprochen, wenn sie mich getadelt, kritisiert oder mir Anweisungen gegeben hat. Unter ihrer Fuchtel habe ich gelernt, ein nachgiebiger, ausgenutzter dummer Esel zu sein; wahrscheinlich bin ich gegenüber Kritik und Neckereien (es tut mir wirklich weh, sogar bei Freunden) überempfindlich, weil meine Mutter mir immer das Gefühl vermittelt hat, ein Hanswurst zu sein. Sie ist über-abgewehrt, furchtsam, total egozentrisch, ganz wie mein Vater. Mein Vater hat sein Leben lang ununter­brochen gearbeitet und war im übrigen ein schwerer Trinker. Er ist habgierig und selbstsüchtig. Er hat mich meistens nicht wahrgenommen, außer wenn ich etwas tun sollte (Radio leiser stellen, ihm ein Glas Wasser holen - das sind so ungefähr die einzigen Sachen, die er mir zu sagen hatte).

Normalerweise war es zu Hause still, leer, deprimierend, ohne jede wirkliche Kommunikation, geschweige denn Liebe. Mein Bruder, der seit seiner frühen Jugend ein schwerer Alkoholiker ist, betrieb damals gerade seine schmutzige, ekelhafte Scheidung. Meine Mutter kam regelmäßig an den Punkt, an dem sie es nicht mehr aushielt und ausflippte. Sie trank dann viel, war hysterisch und hatte Selbstmordgedanken. Ich hielt es für sehr wahrscheinlich, daß sie sich umbringt oder daß meine Eltern sich scheiden lassen würden.

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Ich habe eine ganze Reihe erniedrigender Erlebnisse hinter mir. 

Kinder haben mein Gefühl der Unzulänglichkeit und Dummheit schnell mitgekriegt, und einige waren unbarmherzig. Bis ich elf war, habe ich am Daumen gelutscht. Als ich in die fünfte Klasse ging und meine Mutter ihre Probleme hatte, fehlte ich im Frühjahr ungefähr drei Monate in der Schule — ich hatte etwas erhöhte Temperatur, aber es war keine wirkliche körperliche Krankheit. Zu der Zeit wollte ich mich zum erstenmal bewußt entziehen, die Welt ausschließen und mich in mich zurückziehen. Ich wurde müde, apathisch und depressiv. Ich wollte, daß sich meine Mutter um mich sorgt, und die Krankheit ließ es zumindest äußerlich so erscheinen. Seitdem bin ich ziemlich oft krank gewesen — zweifelsohne ist das kein Zufall.

Meine Eltern haben meine Schwester oft in meiner Gegenwart gelobt; sie war das, was sie sich von mir erhofft hatten — sehr hilfsbereit, höflich und zuvorkommend, sie hat ihnen wie eine Sklavin gedient. Mein Bruder hat in all seinen gesellschaftlichen und geschäftlichen Unternehmungen elend versagt; jahrelang war er auf Kosten meines Vaters bei einem Psychiater in Behandlung, was aber kein bißchen half. Vor kurzem machte er — erfolglos — eine Entziehungskur. Von meinem vierzehnten Lebensjahr an ließen mich meine Eltern an den Wochenenden allein zu Hause, wenn sie zu ihrem »Sommerhäuschen« fuhren. Mein Bruder war nach seiner Scheidung für einige Zeit wieder bei uns, und (um es kurz zu machen) zweimal war er sehr betrunken, gemein und feindselig und kam dermaßen in Wut, daß er drohte, mich umzubringen. Ein paarmal hatte ich furchtbare Angst, er würde mich vergewaltigen. Mir wird immer noch übel, wenn er in meiner Nähe ist.

Als Teenager hatte ich auch Angst, mit meinem Vater allein zu sein. Ich glaube, daß es von seiner Seite krankhafte, versteckte sexuelle Sachen gab. Als ich zur High School ging, wurde es für eine Weile besser; mit fünfzehn habe ich mich auf einen Typen eingelassen, den ich wirklich sehr mochte. Aber irgendwann zwischen unserem ersten und zweiten Jahr des Zusammenseins wurde ich wohl mehr, als er ertragen konnte. Ich habe seine ganze Existenz beansprucht und habe ihn mit einer besitz­ergreifenden, eifersüchtigen »Liebe« erstickt.

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Ich erkenne sehr wohl, was ich tue, kann aber keine Kontrolle darüber gewinnen — in den Beziehungen, die ich eingehe, werde ich grundlos eifersüchtig und verletze unverhältnismäßig; nach einiger Zeit verspanne ich mich, werde mundfaul, fühle mich unter Druck gesetzt und werde unruhig. Je freundlicher und liebevoller er ist, desto kälter und distanzierter bin ich — und nehme in alarmierender Weise Züge meiner Mutter an.

Ich war schon immer sexuell verkrampft und frigide — ich bin zwar immer noch mit Männern ins Bett gegangen, wenn sich die Gelegenheit ergab, aber das war mehr so eine Art Selbstbestrafung, ich fühlte mich hinterher leer, verlassen und verzweifelt. Gegen Ende meiner High-School-Zeit hatte ich eine Abtreibung und hätte den Kerl, der mir nach einiger Zeit schon egal war, fast geheiratet — das war die Zeit, von der an alles schiefzulaufen schien; ich bin schlafwandlerisch durchs Leben gelaufen.

Wenn es mir schlecht geht oder ich sauer bin, rase ich mit meinem Auto durch die Gegend; seit ich 17 bin, rauche ich sehr viel Marihuana, in den letzten zweieinhalb Jahren war ich ununterbrochen »stoned«. Seit ich 17 bin, habe ich auch einen Haufen Trips, meist LSD, geworfen.

Solange ich mich erinnern kann, habe ich furchtbare, sich wiederholende Alpträume. Als Kind habe ich mir die Haut an den Zehen abgeschnitten, bis es wehtat. Ungefähr seit der sechsten Klasse muß ich zwanghaft Sachen eine bestimmte Anzahl von Malen anfassen; ich habe mich dazu gezwungen, das nicht mehr so oft zu tun, es kostet mich zwei Stunden, ein Bad zu nehmen. Seit ungefähr der gleichen Zeit bedrängen mich schreckliche, quälende Vorstellungen — von Messern, Rasierklingen, daß meine Eltern sterben —, besonders in meiner Teenager-Zeit hat mich das fast zum Wahnsinn getrieben.

Ich habe seit einiger Zeit erkannt, wie hoffnungslos einsam und verlassen ich mich fühle, wenn ich nicht jemanden ganz für mich habe, durch den ich leben und fühlen kann.

Im März 1975 hatte ich kein Geld und keine Wohnung. Da ich absolut nicht zu meinen Eltern zurück wollte, bin ich bei einem Typ eingezogen, der schon lange hinter mir her war und den ich absolut verabscheute, er erfüllte mich mit Widerwillen. So tief war ich bisher noch nie gesunken, und ich habe mich dafür verachtet. Ich mußte da raus, habe mir eine Bleibe für den Sommer gemietet und einen Kurs in der Ferien-Schule belegt. Es war eine ungeheuer schlimme Zeit, ich bin total zusammengeklappt. Ich war wahnsinnig und verzweifelt — einen Monat lang dachte ich an nichts anderes als an Selbstmord und was für Abschiedsbriefe ich schreiben würde.

Ich war ein nervliches Wrack, hielt es nirgends länger als ein paar Minuten aus. Mir wurde übel. Im letzten Jahr habe ich zwanghaft gegessen, es geriet voll außer Kontrolle, zum erstenmal hatte ich sichtlich Übergewicht. Ich habe daran gedacht, eine psychiatrische Anstalt aufzusuchen, fühlte mich von Sinnen und habe von einem Freund den Urschrei mitgenommen und gelesen. Die ganze Zeit war mein Bauch verknotet, sogar mehr als sonst, ich hatte ein starkes, körperliches Gefühl, daß ich mich einer Primärtherapie unterziehen wollte, mehr als ich jemals zuvor etwas wollte.

Mein Gott, ich hatte mir immer gesagt, daß ich nicht wie mein Bruder (oder meine Eltern) werden wollte, aber dies ist eine Geistes­krankheit; ich bin ein kranker Mensch. Bitte — helfen Sie mir.

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