Teil 3

Utopien 
der Englischen
Revolution
 

 

 

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Winstanley 

 

135-162

Während das siebzehnte Jahrhundert auf dem Kontinent die Konsolidierung der absoluten Regierungen erlebte, leistete ein großer Teil der Bevölkerung in England heftigen Widerstand gegen den Absolutismus der Könige, und das Parlament beschränkte die Macht der Monarchie. Zu einer Zeit, als Ludwig XIV. verkünden konnte: "L'Etat c'est Moi!", wurde Charles I. aufs Schafott geführt.*

Die Lehre vom Gottesgnadentum der Könige, die den französischen Monarchen gestattet hatte, jegliche politische und religiöse Freiheit zu unterdrücken, hatte im englischen Volk nur wenig Unterstützung gefunden. Es meinte dagegen, daß die Herrscher die unveräußerlichen Rechte des Individuums achten und daß der Macht des Staatsoberhauptes gewisse Beschränkungen gesetzt werden müßten.

Während James Harrington in seinem idealen Gemeinwesen versuchte, die Existenz eines mächtigen Staates mit der Achtung vor den politischen Rechten der Bürger zu verbinden, bestritten Thomas Hobbes und Gerrard Winstanley, aus unterschiedlichen Gründen, die Möglichkeit einer Machtverteilung zwischen Staat und Volk.

Wir werden hier nur ein paar Worte zu Hobbes <Leviathan> und Harringtons <Oceana> sagen, denn obwohl sie oft als Utopien bezeichnet werden, ist die eine eher eine Abhandlung über die Regierung, während die andere besser der Kategorie idealer Verfassungen als den idealen Gemeinwesen zugerechnet wird. 

Dagegen werden wir ausführlich Winstanleys <Gesetz der Freiheit> (Law of Freedom) behandeln; einmal, weil es im allgemeinen übersehen wurde, zum anderen, weil es den Geist der Englischen Revolution in seiner populäreren und revolutionäreren Form verkörpert.

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Thomas Hobbes' Leviathan, der 1651 veröffentlicht wurde, erhob den Anspruch, das Recht des Staates auf absolute Macht zu begründen und bestritt die Naturrechte des Menschen. Hobbes behauptete, daß der Mensch nicht von Natur aus ein gesell­schaftliches Wesen mit moralischem Empfinden sei, sondern daß erst der Staat dem Krieg aller gegen alle ein Ende gesetzt hätte. Den ersten Herrschern war durch einen Vertrag absolute Macht über das übrige Volk verliehen worden, und dieser Vertrag sollte von den folgenden Generationen geachtet werden, und wer ihn brach, machte sich des schlimmsten aller Verbrechen schuldig. Er empfahl die absolute Monarchie als die beste Regierungsform und vertrat die Ansicht, daß das Individuum verpflichtet sei, sich einer solchen Regierung zu unterwerfen. Auch der Kirche dürfte keine weltliche Macht zugestanden werden, und die Religion müßte vom Staat anerkannt und gelehrt werden.

In der Tat ist der <Leviathan>der Titel, den Hobbes für sein Hauptwerk gewählt hatte –, wie F.A. Lange sagt, nur zu bezeichnend für dieses Ungetüm von Staat, welches, von keiner höheren Rücksicht geleitet, wie ein irdischer Gott Gesetz und Urteil, Recht und Besitz nach Belieben ordnet, sogar die Begriffe von Gut und Böse willkürlich festsetzt und dafür allen, die vor ihm auf die Knie fallen und ihm opfern, Schutz des Lebens und Eigentum gewährt.

*  (d-2014:) "Der Staat bin ich!" - Angeblich am 13. April 1655 vom 17jährigen Ludwig vor dem Parlament in Paris gesprochen. (geb. 1638, König ab 1643) - Dieser Ausspruch wird aber auch Elisabeth I. von England zugeschrieben. 


Harringtons <Oceana> wurde nach der Hinrichtung von Charles I. geschrieben, zu einer Zeit, als es möglich schien, daß weit­reichende Reformen die ökonomischen und politischen Probleme Englands lösen könnten. Während das <Gesetz der Freiheit>, das einige Jahre früher erschienen war, sich hauptsächlich mit den Bedingungen der besitzlosen Landarbeiter befaßte, soll in <Oceana> die Situation der Mittelklasse verbessert werden. 

Das Recht der älteren Brüder auf das ganze Erbe konzentrierte das Eigentum in den Händen einer ständig schrumpfenden Anzahl von Leuten, zerstörte das ökonomische Gleichgewicht des Eigentums im Land und schuf eine Klasse von Parasiten, die sich hauptsächlich aus dem Klerus und aus Anwälten, der Zuflucht der jüngeren Söhne, zusammensetzte.

Harrington war der Ansicht, daß es ohne wirtschaftliche Macht keine politische Macht geben könnte. Durch die Einführung eines Agrargesetzes, das die Größe des Grundeigentums auf einen Ertrag von £ 3.000 begrenzte, wollte er die wirtschaftliche Macht auf einen großen Teil der Bevölkerung ausdehnen.

Dieses neue Gleichgewicht des Eigentums sollte durch eine republikanische Regierung gesichert werden, in der alle Ämter durch geheime Wahl und nur für begrenzte Zeit ausgefüllt werden sollten. Es sollte ein Zweikammernsystem bestehen, die eine Kammer für die Debatten, die andere für die Abstimmungen. 

Diese seltsame Teilung gründet auf der Annahme, daß es einen bedeutsamen Unterschied zwischen der Fähigkeit zur Erfindung und der Fähigkeit zum Urteil gibt, und daß Beredtheit eine Gefahr für den demokratischen Staat darstellt. Nur die Freien, also die Eigentümer, sollten das Recht haben, sich an der Regierung des Gemeinwesens zu beteiligen; die "Knechte" waren wirtschaftlich abhängig und konnten deshalb nicht an den Staatsangelegenheiten teilnehmen. Anders als die Sklaven im alten Griechenland jedoch konnten die "Knechte" durch ihren Fleiß in den Stand eines Freien aufsteigen.

Harrington war stark beeinflußt von Plutarch, Plato und Aristoteles, und er sagte selbst, daß Oceana nicht in der Phantasie entdeckt wurde, sondern in den Archiven alter Weisheit. Doch, wie H.F. Russell in seinem Buch Harrington and his Oceana bemerkte, unterscheidet sich dieses Werk von Platos Staat oder Morus' Utopia:

Es liegt weder im Himmel noch auf einem nicht vorhandenen Erdteil, sondern in England. Der Autor hat sehr klare Vorstellungen von den Anforderungen seines Landes, und seine Liebe zum Malerischen veranlagte ihn, sie in eine Form zu fassen, die er 'politischen Roman' nannte... Abgesehen von seinen allegorischen Fallen ist das Buch kaum mehr als eine übertriebene Verfassung.

Obwohl Harrington sein Oceana Cromwell widmete, der auch der Held der Geschichte ist und die Aufgabe erhält, für England das zu erreichen, was Lykurgos in Sparta vollbrachte, wurde das Buch noch im Druck beschlagnahmt mit Hilfe einer neu in Kraft getretenen Verordnung gegen anstößige Bücher und Pamphlete. Es durfte jedoch ein Jahr später, 1656, erscheinen, und erfreute sich sofort großer Popularität, obwohl Cromwells Anhänger ihr Bestes taten, um es lächerlich zu machen. Oceana erhielt, wie Russell gezeigt hat, in Amerika große Beachtung, und viele von Harringtons Vorstellungen fanden Ausdruck in den Verfassungen der amerikanischen Kolonien der Restaurationsepoche und insbesondere in der Verfassung von Pennsylvania.

Harrington war wie die Leveller* der Ansicht, daß politische Freiheit auf dem Besitz der Erde beruhen müsse, doch er erstrebte diese Freiheit nur für eine Klasse von Grundherren, die "Wächter" über die arbeitende Klasse sein sollten.

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Gerrard Winstanley  —  Das Gesetz der Freiheit 

 

 

Während der eineinhalb Jahrhunderte, die Morus' Utopia und Winstanleys Gesetz der Freiheit trennen, hatten sich die Bedingungen für den englischen Arbeiter ständig verschlechtert. Obwohl Industrie und Handel sich ausdehnten, war das siebzehnte Jahrhundert, mit den Worten von Thorold Rogers, eine Epoche ungeheuren Elends unter der Masse des Volkes und der Pächter, eine Zeit, da wenige reich werden konnten, während die Vielen in Hoffnungslosigkeit und fast ständige Armut gestürzt wurden.

Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Landstreicherei, die die Einhegung des Landes mit sich gebracht hatte, wuchsen stetig, die Pächter der Lehnsherren wurden von ihrem Stückchen Land vertrieben, das sie auf den offenen Feldern bestellt hatten, und die besitzlosen Landarbeiter verloren das Recht, ihr Vieh auf dem Gemeindeland zu weiden und dort Feuerholz zu schlagen. 

Wie unter der Herrschaft von Heinrich VIII. versuchte die herrschende Klasse, die Unzufriedenheit des Volkes durch strengere Gesetze gegen Bettler und Landstreicher zu unterdrücken; es wurde verordnet, daß sie, wenn sie zum ersten Mal erwischt wurden, den Buchstaben R eingebrannt bekamen, und wenn sie wiederum bettelten oder umherschweiften ohne den Segen der Kirche hingerichtet werden sollten.

Trotz dieser Maßnahmen nahmen Landstreicherei und kleine Diebstähle zu, denn wie hatte Morus gesagt: Unterdessen hungern jene wacker, wenn sie nicht wacker rauben. Denn was sollen sie tun? Sie könnten einen Aufstand machen, und das taten sie auch. Zäune und Hecken, die die einst gemeinsamen Felder umschlossen, wurden niedergerissen, und ein Bauernaufstand folgte dem anderen in kurzen Abständen. 

Es entstanden auch Bewegungen, die ein Heilmittel für das Elend des Volkes in politischer Aktion suchten. Mit dem Sturz der Monarchie und dem Aufstieg der Independenten* gab es eine Hoffnung auf radikale Reformen, doch diese Hoffnung war nur von kurzer Dauer. In der Armee verbreitete sich Unzufriedenheit, und Meutereien mußten durch Massenentlassungen verhindert werden. Auch unter den Levellers, die konstitutionelle politische Reformen gefordert hatten, verloren viele das Vertrauen in das Lange Parlament*, in dem die Grundbesitzer die Vorherrschaft hatten und wenig gegen die wachsende Armut unternahmen, die der Bürgerkrieg mit sich gebracht hatte, und die sich nicht um die Familien derer kümmerten, die in ihrem eigenen Heer verstümmelt oder getötet worden waren. 

Der linke Flügel der Leveller erkannte, daß eine Lösung der wirtschaftlichen Lage nur eine Verbesserung der Bedingungen der Bauernschaft sein könnte, und sie forderten die Rückgabe des Gemeindelandes an die besitzlosen Landarbeiter und die Abschaffung des Grundbesitzes.

*  Siehe Texthinweise S. 293

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Ungefähr 1648 entstand die Bewegung der wahren Leveller oder Digger, die über die Forderungen sogar der extremsten Leveller hinausgingen. Sie erkannten, daß nichts außer direkter Aktion den Bauern das verlorene Land zurückgeben könnte, und bestritten schließlich das Recht Weniger auf privaten Grundbesitz. Dies beinhaltete einen vollständigen Wandel der Gesellschaftsstruktur, denn, wie Gerrard Winstanley, der Führer und Theoretiker der Digger-Bewegung es ausdrückte, es war nicht genug, die Macht des Eroberers aus der Hand des Königs zu nehmen und sie einem anderen Manne zu übergeben, solange die alten Gesetze beibehalten werden.

 

Anfang 1649 war dem König die Macht des Eroberers aus der Hand genommen worden, der König war hingerichtet worden, das Unterhaus war von seinen "schädlichen Mitgliedern" gesäubert worden, und die Staatsräte waren angewiesen worden, die öffentlichen Angelegenheiten Englands zu verwalten. Doch die Digger übernahmen es, die alten Gesetze abzuschaffen. 

Am sechzehnten April 1649 wurde dem Staatsrat mitgeteilt, daß ein aufsässiger und lärmender Menschenhaufen, angeführt von einem gewissen Everard, ehemals in der Armee, doch dann entlassen, damit begonnen hatte, auf dem St. George's Hillin Surrey umzugraben und säten auf dem Boden Pastinaken, Karotten und Bohnen.  

Der Staatsrat war so entsetzt über die Tätigkeit der Digger, obwohl sie nur zwanzig oder dreißig waren, daß er Lord Fairfax, den Lord General der bewaffneten Truppen des Commonwealth, anwies, einige berittene Truppen zu schicken... mit dem Befehl, das so versammelte Volk zu zerstreuen und ähnliches für die Zukunft zu verhindern, und, als müßte er sich für seine Angst entschuldigen, fügte er hinzu, obwohl der Vorwand ihrer Anwesenheit dort lächerlich erscheinen mag, ist jener Zusammenstrom von Menschen dennoch ein Anfang, aus dem Angelegenheiten mit größeren und gefährlicheren Folgen erwachsen könnten, die Ruhe und Frieden des Commonwealth stören.

 

So beschäftigte die winzige Digger-Bewegung in einem historisch bedeutsamen Augenblick die Aufmerksamkeit des Staatsrats und des Lord General der bewaffneten Truppen des Commonwealth. Hätten sie den Grund gekannt, der die Digger veranlaßte, St. George's Hill zu besetzen, wären ihre Befürchtungen noch größer gewesen. Diese Gründe waren von Gerrard Winstanley niedergelegt worden, bevor sie mit ihrer Tätigkeit begannen:

Unsere Arbeit wird folgende sein, George's Hill und das umliegende Brachland umzugraben und Korn zu säen und im Schweiße unseres Angesichts gemeinsam unser Brot zu essen.

Und der erste Grund ist dieser, daß wir in Rechtschaffenheit arbeiten und den Grundstein legen, daß die Erde ein gemeinsamer Schatz für alle werde, für reich und arm, daß jeder, der im Land geboren ist, von der Erde, seiner Mutter, ernährt werde, die ihn hervorbrachte gemäß der Vernunft, die die Schöpfung regiert.

Von Gerrard Winstanley, der zu dieser Zeit als einer der Führer dieser Bewegung auftaucht, ist wenig bekannt, bis er 1648 vier Pamphlete veröffentlichte, in denen er einige gewagte theologische Ansichten äußerte, weswegen er von einigen orthodoxen Geistlichen beschuldigt wurde, er verleugne Gott, die Heilige Schrift und Gottes Gebote.

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Diese Pamphlete wurden wahrscheinlich verfaßt, bevor er mit William Everard und den wahren Levellers in Kontakt kam, denn sie zeigen kein Interesse an gesellschaftlichen Fragen, doch Winstanley hatte schon Grund gehabt, über die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft nachzudenken. Er war ein kleiner Händler und ein Freier der Stadt London gewesen, doch wie so viele andere hatte der Bürgerkrieg ihn ruiniert. Später schrieb er in einem Brief an die Stadt London. Ich hatte einen Stand in Eurer Stadt... doch Eure betrügerischen Söhne mit ihrer Diebeskunst des Kaufens und Verkaufens, die Last des Militärs und für das Militär zu Anfang des Krieges haben mich aus Stand und Gewerbe vertrieben und ich war gezwungen, das Wohlwollen von Freunden, die sich für mich verbürgten, anzunehmen und ein Leben auf dem Land zu führen.

Im Januar 1649 veröffentlichte er Das Neue Gesetz der Gerechtigkeit (The New Law of Righteousness), das H.N. Brailsford als das charakteristischste seiner Bücher beschreibt, in Wirklichkeit ein kommunistisches Manifest im Dialekt seiner Zeit, und in welchem er, worauf George Woodcock hingewiesen hat, vor jedem englischen Gesellschaftstheoretiker vor Godwin ein Verständnis für gesellschaftliche Probleme zeigte. Heftig klagte er den privaten Grundbesitz an:

Und laßt sie alle sagen, was sie wollen, so lange es solche Herrscher gibt, die das Land ihr Eigentum nennen und dieses besondere Besitzrecht von mein und dein aufrecht erhalten, werden die gemeinen Leute niemals ihre Freiheit haben, noch wird das Land von Unruhen, Unterdrückungen und Klagen befreit sein, worüber der Schöpfer aller Dinge sich beständig erzürnt...

Der Mann des Fleisches hält es für eine gerechte Sache, daß einige Menschen, die sich mit den Dingen der Erde schmücken und die man die Reichen nennt, ob sie es nun zu recht oder zu unrecht erworben haben, Stadträte sind und über die Armen herrschen; und daß die Armen Knechte, ja sogar Sklaven der Reichen sind. Doch der geistige Mensch, welcher Christus ist, urteilt im Licht der Gerechtigkeit und der Vernunft, daß alle Menschen ein sicheres Auskommen haben sollen und Freiheit, um auf der Erde zu leben; und daß es auf seinem heiligen Berg weder Leibeigene noch Bettler geben soll.

 

Und er forderte das Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen: Niemand soll mehr Land besitzen als er selbst oder in Liebe gemeinsam mit anderen bearbeiten kann; und sie sollen gemeinsam ihr Brot essen wie die Stämme und Familien Israels und weder Zins bezahlen noch nehmen.

Trotz seiner revolutionären Lehren rief Winstanley das Volk nicht zu Gewalt oder zur Enteignung der Reichen auf. Er wollte, daß die Armen sich des Brachlandes bemächtigten und es gemeinsam bestellten: Und laßt die gemeinen Leute, die sagen, die Erde ist unser, nicht mein, laßt sie gemeinsam arbeiten und gemeinsam ihr Brot essen auf dem Gemeindeland, den Bergen und Hügeln.

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In den folgenden zwei Jahren wurden die Digger von St. George's Hill von Lehnsherren, Militär und Grundeigentümern verfolgt. Sie wurden verprügelt, man nahm ihnen ihre Spaten, riß ihre Häuser nieder, vernichtete ihr Korn und zertrümmerte ihre Karren. Einige von ihnen wurden verhaftet und verfolgt, und da sie die hohe Geldstrafe nicht bezahlen konnten, die man ihnen auferlegte, nahm man ihnen ihr mageres Eigentum. Schon nach einem Jahr waren nur noch wenige Digger übrig, die, wie Winstanley sagt, sich kleine Hütten bauten, wie Kälberkrippen, um darin zu liegen... und auf einigen Äckern Weizen und Roggen anbauten,... und nichts kann sie schwächen als der Mangel an Nahrung, die es jetzt nur wenig gibt, denn sie sind alle arm und haben in der einen oder anderen Hinsicht viel gelitten, seit sie begannen.

 

Trotz ihres Mutes und ihrer Ausdauer wurden die Digger besiegt. Winstanley hatte alles in seiner Macht Stehende getan, sie zu verteidigen; in mehreren scharfen Pamphleten hatte er die Berechtigung ihrer Forderungen und ihre friedlichen Absichten dargestellt und hatte an die Armee, das Parlament und die Stadt London appelliert, die Verfolgung einzustellen.

Erst nachdem es dem Unternehmen von St. George's Hill nicht gelungen war, Unterstützung zu erhalten und sich zu einer Massen­bewegung auszudehnen, wie die Pioniere es erhofft hatten, veröffentlichte Winstanley im Jahre 1652 Das Gesetz der Freiheit, worin er seine Vorstellungen von einem idealen Gemeinwesen darlegte. Es wurde weniger als vier Jahre nach der Veröffentlichung seiner ersten Schrift verfaßt, und während dieser kurzen Zeit hatten seine religiösen und politischen Ideen eine rasche Entwicklung durchgemacht; von religiösem Mystizismus gingen sie über zu einer Art rationalem Atheismus, von agrarischem Reformismus zu vollständigem Kollektivismus. 

Winstanley verlor auch allmählich den Glauben an die Methoden, durch die er und seine Genossen eine bessere Gesellschaft herbeiführen wollten. Die Digger hatten geglaubt, indem sie ihre Ziele erklärten und mit gutem Beispiel vorangingen, könnten sie die Leute überzeugen, das Brachland gemeinschaftlich zu bestellen, und schließlich würden auch die Grundherren bereit sein, ihr Land aufzugeben. Es war ein gewaltfreier Widerstand, und sie wandten niemals Gewalt an, um sich gegen die Soldaten und die reichen Grundbesitzer, die sie angriffen, zu verteidigen.

 

Das Scheitern des Experiments am St. George's Hill führte Winstanley offensichtlich zu dem Glauben, daß, solange die Armee gegen das Volk war, es unmöglich wäre, sich des Landes zu bemächtigen und darauf als Freie zu arbeiten. Wahrscheinlich aus diesem Grund beginnt Das Gesetz der Freiheit mit einem Brief an Cromwell, der zu der Zeit Oberbefehlshaber der Armee war und der, eher als irgendein anderer, die Macht gehabt hätte, weitreichende Reformen durchzuführen. 

Aus Inhalt und Ton des Briefes jedoch wird deutlich, daß Winstanley wenig Hoffnung hatte, daß Cromwell das Programm, welches er in seinem Buch aufstellte, durchführen würde, und daß er ihm nur sagen wollte, was er tun sollte, um so eher kritisieren zu können, was er tun würde. Er hätte sich nicht auf diese Art an Cromwell gewandt, wenn er in ihm den zukünftigen Befreier und Gesetzgeber gesehen hätte:

Das, was jetzt von Eurer Seite getan werden muß, ist, dafür zu sorgen, daß die Macht des Unterdrückers mit seiner Person vertrieben wird; und dafür zu sorgen, daß der freie Besitz des Landes und die Freiheit in die Hände der gemeinen Unterdrückten von England gelegt wird...

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Und nun, da Ihr die Macht über das Land in Euren Händen haltet, müßt Ihr diese zwei Dinge tun. Erstens, entweder das Land für die gemeinen Unterdrückten befreien, die Euch geholfen haben und den Sold für die Armee bezahlten; dann werdet ihr die Heilige Schrift und Eure eigenen Verpflichtungen erfüllen, und somit wird Euch die verdiente Ehre zuteil werden.

Oder zweitens, Ihr nehmt die Macht des Eroberers aus der Hand des Königs und legt sie in die Hände eines anderen, indem Ihr die alten Gesetze aufrecht erhaltet; und dann ist es mit Eurer Weisheit und Ehre für immer vorbei; und Ihr werdet entweder selbst verlieren oder den Grundstein noch größerer Sklaverei, als ihr je erlebt habt, für die Nachwelt legen.

 

Winstanley war ein zu scharfsichtiger Gesellschaftstheoretiker, als daß er geglaubt hätte, die Umformung der Gesellschaft könne das Werk eines einzelnen Menschen sein, und er erkannte, daß eine Revolution von oben sinnlos wäre, wenn die geistige und moralische Haltung der Menschen dieselbe bliebe. Doch er war fest davon überzeugt, daß, wenn Christus oder die Verbreitung des Lichts die Seele der Menschen durchdränge, Habgier und Unterdrückung ein Ende hätten und eine neue Gesellschaft entstünde.

Er liebte es, sagt Brailsford, die biblischen Weissagungen zu zitieren, die den .Erniedrigten dieser Erde' diesen Triumph zusichern, und den Reichen 'Weinen und Heulen' gebieten. Er prophezeit, daß diese Revolution vollendet ist 'noch ehe viele fahre vergangen sind'... Die Revolution, die ersieh wünschte, sollte durch einen Wandel herbeigeführt werden, den der 'Geist der Vernunft' in den Herzen der Menschen bewirkte.

Trotz all seiner biblischen Zitate und seiner biblischen Sprache lehnte Winstanley alle Grundlagen der orthodoxen Religion ab. Er glaubte nicht an einen persönlichen Gott und ging so weit, Gott mit der Vernunft gleichzusetzen, und einmal faßte er den Entschluß, (woran er sich nicht hielt) in seinen Schriften das Wort Vernunft statt des Wortes Gott zu benutzen. Er nahm die Vorstellung von einem sozialistischen Christus vorweg, indem er ihn zum wirklichen und wahren Leveller erklärte, doch damit meinte er nicht eine historische Gestalt, sondern die sich ausbreitende Macht des Lichts. Er verdammte den Glauben an Wunder, Himmel und Hölle und bezweifelte sogar ein persönliches Weiterleben des Menschen nach dem Tod. Winstanley lehnte auch die Lehre von der Erbsünde ab. Der Mensch wird gut und frei geboren: Der Geist des Lichts im Menschen liebt die Freiheit und haßt die Knechtschaft, und seine Natur würde entstellt von einem Gesellschaftssystem, das sich auf Korruption und Elend gründet.

Thomas Morus und die meisten utopischen Schriftsteller nach ihm hatten das Eigentum abgeschafft, weil sie seinen korrumpierenden Einfluß fürchteten und darin eine Gefahr für die Einheit des Staates erblickten. Auch Winstanley schafft das Privateigentum an Produktionsmitteln ab, jedoch aus dem Grund, daß es keine wahre Freiheit geben kann, solange die Menschen keine wirtschaftliche Freiheit haben, und da er das Land als die Hauptquelle des Wohlstands betrachtet, erklärt er: Die wahre Freiheit eines Gemeinwesens besteht in dem freien Zugang zur Erde, und noch einmal, Ein Mensch hätte besser keinen Leib als keine Nahrung dafür.

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Deshalb bedeutet es Unterdrückung und Knechtschaft, wenn Brüder ihren Brüdern die Erde verwehren; doch der freie Zugang zu ihr ist die wahre Freiheit. Die Freiheit, die Früchte der Erde zu genießen, ist die Voraussetzung für die Freiheit des Geistes, sagt Winstanley, denn ich bin überzeugt, wenn man es nur recht betrachtet, daß die innere Knechtschaft des Geistes, wie Habgier, Stolz, Heuchelei, Sorgen, Furcht, Verzweiflung und Wahnsinn hervorgerufen werden durch die äußere Knechtschaft, die die einen den anderen auferlegen.

 

Bevor Winstanley die Regierung eines wahren Gemeinwesens beschreibt, klagt er die auf Eigentum basierende Monarchie an, und wie Proudhon ist er der Meinung, daß Eigentum Diebstahl ist:

Die königliche Regierung regiert die Erde mit der betrügerischen Kunst des Kau-fens und Verkaufens und wird dadurch ein Mann des Streits, dessen Hand sich gegen jeden richtet, und jede Hand richtet sich gegen ihn. Man nehme das Beste von dieser Regierung an, dann ist sie eine kranke Regierung und eine wahre Stadt Babylon, voll der Verwirrung; und wenn sie kein Knüppelgesetz hätte, um sich zu erhalten, würde es darin keine Ordnung geben, denn der habgierige und stolze Wille der Eroberer versklavt das eroberte Volk.

Diese königliche Regierung ist es, die Heckensicheln und Pflüge zu Speeren, Gewehren, Schwertern und Kriegsgeräten schmiedet; auf daß er das Geburtsrecht der Schöpfung von seinem jüngeren Bruder nehmen kann und die Erde sein nennt und nicht die seines Bruders, solange dieser ihm nicht Zins für diese Erde zahlt, so daß er durch die Arbeit seines Bruders ein müßiges und angenehmes Leben führen kann.

Diese Regierung mag man wohl eine Regierung von Straßenräubern nennen, der den jüngeren Brüdern gewaltsam die Erde gestohlen hat und sie ihnen gewaltsam vorenthält. Er vergießt Blut, nicht um das Volk von Unterdrückung zu befreien, sondern um König und Herrscher über ein unterdrücktes Volk zu sein...

Die Regierung des Gemeinwesens regiert die Erde ohne Kaufen und Verkaufen und wird dadurch ein Mann des Friedens und der Wiederhersteller des alten Friedens und der alten Freiheit. Er sorgt für die Unterdrückten, Schwachen und Einfältigen wie auch für die Reichen, Klugen und Starken. Er schmiedet Schwerter und Speere zu Heckensicheln und Pflügen. Er macht sowohl die älteren als auch die jüngeren Bruder zu Freien auf der Erde.

Alle Knechtschaft und Unterdrückung, die Könige, Lehnsherren, Anwälte, Grundbesitzer und der heilige Klerus über die Menschheit gebracht haben, werden von dieser Regierung wieder vertrieben, wenn sie Macht und Namen zu recht besitzt.

Denn diese Regierung ist der wahre Erneuerer der lange verlorenen Freiheiten und wird somit eine Freude für alle Völker und ein Segen für die ganze Erde. Darum seht zu, ihr alle, die ihr euch zum Glauben und zu geistigen Dingen bekennt, und seht, zu welchem Geist ihr euch bekennt, denn über euer Bekenntnis soll gerichtet werden.

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Wenn die Regierung des Gemeinwesens erst einmal auf dem Thron ist, dann kann ihm weder Tyrannei noch Unterdrückung ins Gesicht sehen und überleben.

Denn wenn Brüder ihre Brüder unterdrücken, dann ist das nicht die Regierung eines Gemeinwesens, sondern noch eine königliche Regierung; und das Rätsel der Ungleichheit erhält den Namen des Friedensstifters und wird ein Mantel, worunter sich Habgier, Stolz und Unterdrückung verstecken.

 

Die Regierung eines Gemeinwesens kann nicht das Werk eines Gesetzgebers oder Erlösers sein:

Diese Regierung hängt nicht von dem Willen eines einzelnen Menschen oder von Menschen überhaupt ab... der große Gesetzgeber in der Regierung des Gemeinwesens ist der Geist allumfassender Gerechtigkeit, der den Menschen innewohnt und sich nun erhebt und jeden lehrt, anderen das zu tun, was er wünscht, daß sie ihm tun ohne Ansehen der Person, und der pharisäische Geist der Eigenliebe hat diesen Geist getötet und viele Jahre lang auf dem Misthaufen ihres Hasses begraben.

 

Die Gesetze des wahren Gemeinwesens entspringen der gemeinsamen Erhaltung oder der gegenseitigen Hilfe, wie Kropotkin es nennen würde. Dies ist das jedem innewohnende Prinzip, in anderen wie in sich selbst nur das Beste zu suchen:

Dies ist die Wurzel des Baums der Magistratur und das Gesetz der Gerechtigkeit und des Friedens; und alle besonderen Gesetze, die durch die Erfahrung entstehen und für die gemeinsame Erhaltung notwendig sind, sind Äste und Zweige jenes Baumes. Und weil unter der Vielzahl der Menschheit Unwissenheit entstehen könnte, wird dieses ursprüngliche Gesetz in die Herzen eines jeden eingeschrieben, damit es sein Führer und Leiter sei. So daß, wenn ein Beamter von Habsucht und Stolz geblendet ist und die Unwissenheit in ihm regiert, ein Untergeordneter ihm doch sagen kann, wo er vom rechten Wege abweicht; denn die gemeinsame Erhaltung und der Friede ist die Grundregel jeder Regierung.

 

Die Aufgabe der Magistratur des wahren Gemeinwesens ist es, das gemeinsame Gesetz, welches die Wurzel einer rechten Regierung ist, die gemeinsame Erhaltung und den Frieden für alle zu sichern; und alle selbstsüchtigen Grundsätze und Interessen zu vertreiben, welche Tyrannei und Unterdrückung sind und den allgemeinen Frieden brechen.

In Das Neue Gesetz der Gerechtigkeit hatte Winstanley eine Gesellschaft gefordert, wo Rechtsanwälte und Stadträte überflüssig wären, doch in seinem imaginären Gemeinwesen wird die Verwaltung von gewählten Beamten durchgeführt. Er

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war jedoch immer noch der Ansicht, daß jeder, dem man Macht in die Hände gibt, andere tyrannisiert, und achtete sorgfältig darauf, daß dies nicht passieren könnte. Alle Beamten des Gemeinwesens müssen das Vertrauen der Leute genießen und frei gewählt sein. Das erste Bindeglied in der Verwaltung soll der Vater sein, und Winstanley begründet das (nicht sehr überzeugend) damit, daß er von seinen Kindern gewählt wurde, denn die Bedürftigkeit der kleinen Kinder wählte ihn durch gemeinsame Übereinkunft und nicht anders. Die anderen Bindeglieder in der Kette sollen Beamte sein, die von der Gemeinde, der Grafschaft oder dem Land gewählt werden.

Da Winstanley überzeugt war, daß Macht korrumpiert, besonders, wenn sie lange Zeit genossen wird, fordert er, daß jedes Jahr neue Beamte gewählt werden sollen:

Wenn öffentliche Beamte lange auf dem Richterstuhl bleiben, werden sie von den Banden der Demut, Aufrichtigkeit und sanften Fürsorge für ihre Brüder abfallen, denn im Herzen des Menschen ziehen leicht die Wolken von Habgier, Stolz und leerem Ruhm herauf. Denn zuerst, wenn sie auf die Regierungsposten gelangen, sind sie zwar auf das allgemeine Wohl bedacht und streben nach der Freiheit der anderen wie nach ihrer eigenen; doch wenn sie lange auf einem solchen Posten bleiben, wo ihnen Ehre und Größe zuteil werden, werden sie selbstsüchtig und streben nach der eigenen und nicht nach der allgemeinen Freiheit; die Erfahrung dieser Tage zeigt die Wahrheit des bekannten Sprichworts, Hohe Beamte in einem Land und ein Heer haben schon das Wesen so manches Sanftmütigen verändert.

Die Natur sagt uns, daß Wasser, welches lange steht, verfault; wohingegen fließendes Wasser süß bleibt und zum allgemeinen Gebrauch geeignet ist.

Da nun die Notwendigkeit gemeinsamer Erhaltung die Menschen dazu bewegt, ein Gesetz zu schaffen und Beamte zu wählen, die darauf achten, daß das Gesetz eingehalten wird: ebenso gebietet dieselbe Notwendigkeit den Leuten, und schreit es laut in die Ohren und Augen von England, neue Beamte zu wählen und die alten zu vertreiben und die Staatsbeamten jedes Jahr zu wählen; und dies aus folgenden Gründen.

Erstens, um ihren eigenen Übeln vorzubeugen. Denn wenn Stolz und Fülle sich eines Beamten bemächtigen, werden seine Augen davon so geblendet, daß er vergißt, daß er ein Diener des Gemeinwesens ist, und danach strebt, sich hoch über seine Brüder zu erheben; und oftmals ist seine Verfehlung groß: seht euch die Verfehlung der unterdrückerischen Könige, Bischöfe und anderer Staatsbeamten an.

Zweitens, um zu verhindern, daß sich die Unterdrückung wieder in das Gemeinwesen einschleicht. Denn wenn auch die Beamten stolz und satt werden, wollen sie ihre Größe behalten, sei es auch, daß ihre Brüder in Armut, Elend und Not leben: Seht euch an, wie die Könige ihre Gesetze handhaben, daß sie das gemeine Volk von England lange Zeit unterjocht haben.

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Und machen wir nicht in dieser Zeit die Erfahrung, daß einige Beamte des Gemeinwesens auf ihren Posten schon Moos angesetzt haben und daß sie kaum mit einein alten Bekannten sprechen, wenn er ein Geringerer ist, obwohl sie vor diesen Kriegen sehr vertraut mit ihm waren usw.?

Und was hat diese Entfernung zwischen Freunden und Brüdern hervorgerufen als das lange Verweilen auf den Posten der Ehre, der Größe und des Reichtums?

Drittens sollen die Beamten jedes Jahr neu gewählt werden aus Liebe zu unseren Nachkommen, denn wenn Bürden und Unterdrückungen in unseren Gesetzen und Beamten erwachsen, weil sie nicht erneuert werden, so wie auf manchem Boden Moos und Gras wächst, weil er nicht umgegraben wird, so wird das sicherlich die Grundlage von Elend sein, das unsere Nachkommen nicht so leicht wieder beseitigen können; und dann werden sie die Zeit verfluchen, da wir, ihre Vorfahren, die Gelegenheit hatten, die Dinge zu ihrem Besten zu richten, und es nicht getan haben.

Viertens, wenn die Staatsbeamten jedes Jahr erneuert werden, werden sie wahrhaft aufrichtig, da sie wissen, daß andere nach ihnen kommen und sehen, wie sie gehandelt haben. Und wenn sie nicht recht gehandelt haben, müssen sie sich schämen, wenn die nächsten Beamten folgen. Und wenn Beamte treu in der Regierung des Gemeinwesens gedient haben, werden sie gerne gehen. Dem Frieden von London ist es sehr zuträglich, wenn die Beamten jährlich gewechselt werden.

Fünftens ist es gut, die Beamten jedes Jahr zu wechseln, denn so viele ihren Anteil daran hatten, zu gehorchen, so viele werden einmal an der Reihe sein zu regieren; und das wird alle ermutigen, in ihrer Rechtschaf fenheit und ihren guten Sitten fortzuschreiten in Erwartung der Ehren. Doch wenn Geld und Reichtum das Herz des Königs beherrschen, gibt es nichts als Tyrannei.

Sechstens erhält das Gemeinwesen somit einen fähigen und erfahrenen Mann, der geeignet ist zu regieren und mächtige Fortschritte für die Ehre und den Frieden unseres Landes macht, sich um eine sorgfältige Erziehung der Kinder kümmert und unser Commonwealth von England bald zu einer Lilie unter den Völkern der Erde macht.

 

Dann bestimmt er mit großer Sorgfalt, wer geeignet ist, Beamte in einem Gemeinwesen zu wählen oder dazu gewählt zu werden:

Alle, die ein grobes Leben führen, trunksüchtig, streitsüchtig und entsetzlich unwissend sind, die es nicht wagen, die Wahrheit zu sprechen, damit sie andere nicht verärgern; gleichermaßen alle, die sich ganz dem angenehmen Leben und dem Vergnügen hingegeben haben oder die Geschwätzigen; alle diese haben ein leeres Wesen und können keine erfahrenen Menschen sein; deshalb sind sie nicht geeignet, zu Beamten eines Gemeinwesens gewählt zu werden; jedoch dürfen sie eine Stimme bei der Wahl haben.

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Zweitens, all jene, die nach der königlichen Macht und Regierung streben, sollten weder wählen noch zu Beamten, die die Angelegenheiten des Gemeinwesens regeln, gewählt werden; denn diese können keine Freunde der allgemeinen Freiheit sein. Von ihnen gibt es zweierlei Arten:

Erstens solche, die entweder dem König Geld für sein Heer geliehen haben oder Soldaten in diesem Heer gewesen sind, um gegen die Wiederherstellung der allgemeinen Freiheit zu kämpfen. Diese dürfen weder wählen noch zu Beamten in dem Gemeinwesen gewählt werden, denn sie haben ihre Freiheit verloren. Doch meine ich nicht, daß sie zu Knechten gemacht werden sollten, wie die Eroberten gewöhnlich zu Knechten gemacht werden, denn sie sind unsere Brüder; und was sie taten, das taten sie zwar in Unwissenheit, aber mit begeistertem Eifer.

Und wohl wissend, daß nur wenige Freunde des Parlaments ihre allgemeinen Freiheiten verstehen, obwohl sie den Namen Gemeinwesen tragen, sollte die Partei des Parlaments mit der Partei des Königs Nachsicht üben, denn sie sind Brüder, und sie nicht zu Knechten machen; obwohl sie es gegenwärtig dulden müssen, weder zu wählen noch zu Beamten gewählt zu werden, damit nicht der unwissende Geist der Rache aus ihnen hervorbricht und unseren allgemeinen Frieden stört.

Zweitens, all jene, die so hastig gewesen sind, das Land des Gemeinwesens zu kaufen und zu verkaufen, um es auf einen neuen Betrag festzulegen, sollten weder wählen noch zu Beamten gewählt werden. Denn hiermit erklären sie entweder, daß sie für den König sind oder sie wissen nichts von der Freiheit eines Gemeinwesens oder beides; darum sind sie nicht geeignet, Gesetze zu machen, die ein freies Gemeinwesen regieren, oder darüber zu wachen, daß diese Gesetze beachtet werden.

Ja wahrhaftig, wählt solche, die schon lange Zeit durch ihre Handlungen bewiesen haben, daß sie die allgemeine Freiheit fördern, ob sie nun Mitglieder der Kirchengemeinde sind oder nicht, denn wir sind alle eins in Christus.

Wählt solche mit friedlichem Geist und friedlichem Umgang.

Wählt solche, die unter der königlichen Unterdrückung gelitten haben, denn sie können andere Knechtschaft mitfühlen.

/ Wählt solche, die den Verlust ihres Standes durchgemacht haben und leben, um das Land von der Knechtschaft zu befreien, und die beständig geblieben sind.

Wählt verständige Menschen, die sich in den Gesetzen einer friedlichen und wohlgeordneten Regierung auskennen.

Wählt die Muügen, die keine Angst haben, die Wahrheit zu sagen; denn das ist in diesen Tagen die Schande vieler in England; sie sind ertrunken in der Jauche sklavischer Furcht vor den Menschen; dies sind die Habgierigen, die Gott nicht fürchten, und sie müssen aus der Stadt des Friedens vertrieben werden unter die Hunde.

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Wählt Beamte aus den Reihen derer, die älter als vierzig Jahre sind, denn sie sind am ehesten die Erfahrenen; und all diese sind wahrscheinlich die Mutigen, Aufrichtigen, die die Habgier hassen.

Und wenn ihr Menschen mit solchen Grundsätzen wählt, die in dieser Zeit arme Menschen sind, denn die Macht des Eroberers hat manch Rechtschaffenen zu einem Armen gemacht, dann gestattet ihnen ein jährliches Einkommen aus den gemeinsamen Vprräten, bis zu der Zeit, da die Freiheit des Gemeinwesens errichtet ist; dann werden solche Zugeständnisse nicht mehr notwendig sein.

 

Wie in Morus' Utopia, die Winstanley offenbar kannte, ist die Familie die Einheit der Gesellschaft, und der Vater bestimmt nicht nur die Erziehung der Kinder, sondern überwacht auch ihre Arbeit:

Ein Vater soll seine Kinder hegen, bis sie klug und stark geworden sind; und dann unterweist er sie als ihr Lehrer in Lesen, Sprachen, Kunst und Wissenschaften oder erzieht sie zur Arbeit oder beschäftigt sie in dem einen oder anderen Gewerbe oder beauftragt jemanden mit ihrer Unterweisung, wie es anschließend für die Erziehung der Menschheit gezeigt wird.

Ein Vater soll dafür sorgen, daß all seine Kinder dabei helfen, die Erde zu bestellen oder mit einem anderen Gewerbe zum Bedarf beitragen; so soll er darauf achten, daß jeder ein sicheres Auskommen hat, und nicht das eine dem anderen vorziehen.

Er befiehlt ihnen ihre Arbeit und achtet darauf, daß sie sie verrichten, und duldet es nicht, daß sie müßig sind. Er tadelt sie entweder mit Worten oder peitscht jene, die sich widersetzen, denn die Rute ist dazu da. Unverständige zu Vernunft und Mäßigkeit zu bringen: so daß die Kinder nicht streiten wie Tiere, sondern in Frieden leben wie vernünftige Menschen, den Gesetzen und den Beamten des Gemeinwesens Gehorsam leisten können und jeder dem anderen das tut, was er wünscht, daß man ihm tue.

 

In der Stadt oder Gemeinde gibt es fünf Arten von Beamten: die Friedensstifter, die Aufseher, die Soldaten (die wir Polizisten nennen würden), die Zuchtmeister und den Henker. Und so beschreibt Winstanley im einzelnen ihre Aufgaben:

Die Aufgaben eines Friedensstifters

In einer Gemeinde oder Stadt können drei, vier, sechs oder mehr Friedensstifter gewählt werden, entsprechend der Größe des Ortes; sie haben zwei Aufgaben.

Erstens: Im allgemeinen sitzen sie im Rat und ordnen die Angelegenheiten der Gemeinde, um Ärgernisse zu verhindern und den allgemeinen Frieden zu sichern, ' und hier mag man sie Räte nennen.

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Zweitens: Wenn irgendwelche Streitigkeiten zwischen zwei Menschen entstehen, sei es durch Meinungsverschiedenheiten, Störung oder törichte Handlungen, werden die streitenden Parteien von einem Soldaten vor einen oder mehrere Friedensstifter gebracht, die sich die Angelegenheit anhören und sich bemühen sollen, die Parteien zu versöhnen und Frieden zu stiften, damit die Härte des Gesetzes nicht zur Anwendung kommt, aber sie gehen nicht weiter.

Doch wenn der Friedensstifter die Parteien nicht überzeugen oder versöhnen kann, dann wird er ihnen befehlen, zu einer bestimmten Zeit vor dem Gericht des Richters zu erscheinen und dort das Urteil des Gesetzes zu empfangen.

Wenn irgendwelche Angelegenheiten von öffentlichem Belang vorkommen, wovon der Frieden der Stadt, der Grafschaft oder des Landes betroffen ist, dann sollen sich die Friedensstifter jeder Stadt in der Umgebung treffen und darüber beraten; und sie oder sechs von ihnen sollen, wenn es nötig ist, eine Verordnung an untergeordnete Beamte weitergeben.

Doch wenn die Angelegenheiten sich nur innerhalb der Grenzen einer Stadt bewegen, dann sollen die Friedensstifter dieser Stadt von ihrem Gerichtshof aus Befehle an untergeordnete Beamte weiterleiten, damit diese innerhalb ihrer Grenzen einen öffentlichen Dienst verrichten.

Drittens: Wenn es Beweise gibt, daß ein Beamter seine Pflicht versäumt, soll der Friedensstifter mit ihm unter vier Augen über sein Versäumnis sprechen. Und wenn der Beamte nach diesem Tadel weiterhin nachlässig ist, soll der Friedensstifter den Senat der Grafschaft oder das nationale Parlament davon in Kenntnis setzen, daß der Missetäter von ihnen die angemessene Strafe erhält.

Und dies ist der Grund, warum den Gesetzen gehorcht werden muß; denn eine sorgfältige Beachtung der Gesetze ist das Leben der Regierung.

Die Aufgaben eines Aufsehers

In der Gemeinde oder Stadt gibt es vier Arten von Aufsehern, die jährlich gewählt werden sollen.

Der erste Aufseher sichert den Frieden, falls irgendwelche Streitigkeiten zwischen Menschen vorkommen. Denn obwohl die Erde mit ihren Früchten ein gemeinsamer Schatz ist und mit gegenseitiger Unterstützung jeder Familie gesät und geerntet wird, so sind doch jedes Haus und der gesamte Hausrat darin Eigentum der Bewohner; und wenn eine Familie aus dem Magazin oder den Werkstätten Kleider, Nahrungsmittel oder irgendeinen Hausrat, der zum Gebrauch notwendig ist, mitgenommen hat, so ist all das Eigentum dieser Familie.

Ein zweites Aufseheramt gibt es für die Gewerbe. Dieser Aufseher soll darauf achten, daß junge Leute zu Meistern kommen, die sie in einer Arbeit, einem Handwerk oder Dienst unterrichten, oder zu den Wärtern in den Magazinen, daß niemand in einer Familie innerhalb seines Umkreises müßig aufwächst... Wahrhaftig

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ist die Regierung der Hallen und Gesellschaften in London eine sehr vernünftige und wohlgeordnete Regierung; und die Gewerbeaufseher mögen wohl Meister, Wärter oder Gehilfen dieser oder jener Gesellschaft, dieses oder jenes besonderen Gewerbes genannt werden... Gleichermaßen soll dieser Gewerbeaufseher darauf achten, daß keiner ein Haus und Diener unter sich hält, bevor er sieben Jahre unter einem Meister gedient und sein Handwerk erlernt hat: und der Grund ist, daß jede Familie von einem gestandenen, erfahrenen Meister regiert wird und nicht von einem mutwilligen Jüngling. Und dieses Amt des Aufsehers hält alle Leute in friedlicher Gemeinschaft von Gewerbe, Wissenschaften und Kunst, daß es weder Bettler noch Müßige in dem Gemeinwesen gibt.

Das dritte Aufseheramt besteht darin, darauf zu achten, daß die einzelnen Gewerbetreibenden ihre Produkte in die Magazine und Läden bringen, und darauf zu achten, daß die Wärter in den Magazinen ihre Pflicht tun... Und wenn der Leiter eines Ladens oder Magazins die Pflicht auf seinem Posten vernachlässigt, soll der Aufseher ihn ermahnen und tadeln. Wenn er sich bessert, ist alles gut; wenn nicht, soll der Aufseher den Soldaten den Befehl geben, ihn vor den Gerichtshof des Friedensstifters zu bringen, und wenn er sich auf den Tadel dieses Gerichtshofes hin bessert, ist alles gut. Doch wenn er sich nicht bessert, soll er von den Beamten vor den Gerichtshof des Richters geführt werden, und der Richter soll ein Urteil sprechen — daß er aus Haus und Stellung gewiesen und unter die Bauern geschickt wird, um in der Erde zu arbeiten: und ein anderer wird sein Haus und seinen Platz einnehmen, bis er sich gebessert hat.

Viertens: Alle alten Männer über sechzig Jahre sind allgemein Aufseher. Und wo immer sie hingehen und bei einem Beamten oder Gewerbetreibenden Dinge von Übel sehen, sollen sie einen Beamten oder andere anrufen und von der Versäumnis der Pflicht gegenüber dem Gemeinwesen berichten; und diese werden die Ältesten genannt.

 

Das Amt des Soldaten

Ein Soldat gehört zum Magistrat wie jeder andere Beamte auch, und tatsächlich sind alle Staatsbeamten Soldaten, denn sie verkörpern Macht, und wenn die Beamten keine Macht in den Händen hielten, würde der Geist der Rohheit weder Gesetz noch Regierung gehorchen, sondern seinem eigenen Willen.

Darum wird jedes Jahr ein Soldat gewählt, gleich einem Stadtmarschall, der der Hauptmann ist und verschiedene Soldaten unter seinem Befehl hat, die ihm im Notfall zu Hilfe kommen.

Die Aufgabe eines Soldaten in Friedenszeiten ist es, Übeltäter zu fassen und sie vor einen Beamten oder ein Gericht zu bringen und dem Beamten ein Schutz gegen alle Störungen zu sein.

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Die Aufgaben eines Zuchtmeisters (Gefängniswärters)

Die Aufgabe oder das Amt eines Zuchtmeisters besteht darin, diejenigen in seinen Gewahrsam zu nehmen, die von dem Richter zum Verlust ihrer Freiheit verurteilt wurden, und er weist ihnen ihre Arbeit zu und achtet darauf, daß sie sie verrichten.

Wenn sie ihre Aufgaben verrichten, soll er ihnen genügend Lebensmittel und Kleidung zubilligen, um die Gesundheit ihres Leibes zu erhalten. Doch wenn sie toben, mutwillig oder müßig sind und sich nicht schweigend dem Gesetz unterwerfen, soll der Zuchtmeister sie auf schmale Kost setzen und sie auspeitschen. Denn eine Rute ist für den Rücken der Törichten gemacht, bis ihre stolzen Herzen sich dem Gesetz beugen.

Und wenn er sieht, daß sie sich unterwerfen, soll er gnädig gegen sie sein wie gegen Brüder, die eine Missetat begangen haben, und ihnen ausreichend Kost und Kleidung zubilligen in der Hoffnung, daß sie sich bessern; doch obendrein darauf achten, daß sie ihre Arbeit verrichten, bis sie nach dem Urteil des Gesetzes frei sind.

Der Zuchtmeister soll ihnen nach seinem Belieben jede Art von Arbeit zuweisen, die ein Mensch verrichten kann.

Und wenn einer dieser Missetäter wegläuft, sollen Heulen und Gezeter hinter ihm sein und er soll durch das Urteil des Richters sterben, wenn er wieder gefaßt wird.

Die Aufgabe eines Henkers

Wenn einer das Gesetz so sehr gebrochen hat, daß er in den Bereich des Auspeit-schens, Einkerkerns und des Todes gelangt, soll der Henker ihn köpfen, aufhängen oder erschießen oder den Missetäter auspeitschen, wie es das Urteil des Gesetzes vorschreibt. So habt ihr gesehen, welche Aufgaben jeder Beamte in der Stadt hat.

Die Aufgaben eines Richters

Das Gesetz selbst ist der Richter über alle Handlungen der Menschen, doch wer dazu gewählt ist, das Gesetz zu verkünden, wird Richter genannt, denn er ist die Stimme des Gesetzes; denn kein einzelner Mensch soll richten oder das Gesetz auslegen.

Denn das Gesetz selbs'E7wie es niedergeschrieben ist, ist die Seele und der Leitfaden des Parlaments und der Menschen im Land, es soll die Regel sein, nach der sie sich richten und der Prüfstein ihrer Handlungen.

Und wer es auf sich nimmt, das Gesetz auszulegen, verdunkelt entweder den Sinn des Gesetzes und verwirrt es so, daß man es kaum noch verstehen kann, oder er gibt ihm eine andere Bedeutung; und erhebt sich so über das Parlament, das Gesetz und das ganze Volk im Land.

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Darum ist es die Aufgabe desjenigen, der Richter genannt wird, sich alle Angelegenheiten, die ihm vorgetragen werden, anzuhören; und bei allen Meinungsverschiedenheiten zwischen Menschen soll er die Parteien beider Seiten anhören, und jeder soll für sich selbst sprechen, ohne bezahlten Anwalt. Ebenso soll er jeden Zeugen verhören, der zu der verhandelten Angelegenheit etwas auszusagen hat.

Und dann soll er den reinen Buchstaben des Gesetzes bezüglich einer Sache verkünden, denn er trägt den Namen Richter nicht, weil sein Wille und Verstand über die Handlungen der Missetäter vor ihm urteilen sollen, sondern weil er die Stimme des Gesetzes ist; welches der wirkliche und wahre Richter ist. Darum soll jeder, dieses Gesetz und dieses Zeugnis achten, der in Frieden in dem Gemeinwesen leben will.

Doch daraus ist schon viel Elend in den Völkern unter königlicher Regierung entstanden, daß man es duldete, daß derjenige, der der Richter genannt wurde, das Gesetz auslegte. Und wenn-der Geist des Gesetzes, das Urteil des Parlaments und die Regierung des Landes sich in der Brust des Richters auflösen, so hat dies schon viele Klagen über die Ungerechtigkeit der Richter, Gerichtshöfe und Rechtsanwälte hervorgerufen, und auch über das Gesetz selbst, als ob es eine schlechte Regelung wäre.

Denn das Gesetz, welches eine feste Regel ist, wurde nach dem Willen eines habgierigen, neidischen oder stolzen Richters abgewandelt. Darum ist es kein Wunder, daß die königlichen Gesetze so verwickelt sind und nur wenige den Lauf der Gesetze kennen, denn das Urteil liegt oftmals in der Brust des Richters und nicht im Buchstaben des Gesetzes.

Und so sind die guten Gesetze eines emsigen Parlaments wie die guten Eier einer dummen Gans, und sobald sie sie gelegt hat, geht sie ihrer Wege und läßt andere sie nehmen und kümmert sich nicht mehr darum; so daß sie, wenn einer einen Stein in ihr Nest legt, sich daraufsetzt, als wäre er ein Ei.

Und so mögen die Gesetze denn gut sein; wenn sie dem Willen eines Richters überlassen werden, der sie auslegt, ist ihre Anwendung oftmals schlecht gewesen...

Und wahrlich sind die Richter für das Gesetz und die Geistlichen für Gottes Wort untreue Diener der Menschen und Gottes gewesen, indem sie angefangen haben, die Regeln, denen sie Gehorsam leisten sollen, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen, zu erläutern und auszulegen.

Für die gesamte Grafschaft soll es einen Gerichtshof oder Senat geben, der sich aus einem Richter, den Friedensstiftern jeder Stadt im Umkreis und beteiligten Aufsehern und Soldaten zusammensetzt.

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Der Gerichtshof

Dieser Gerichtshof soll viermal im Jahr oder auch öfter, wenn es nötig wird, in der Grafschaft tagen und viermal im Jahr in größeren Städten. Im ersten Vierteljahr sollen sie im östlichen Teil der Grafschaft tagen, im zweiten Vierteljahr im Westen, im dritten im Süden und im vierten im Norden.

Und dieser Gerichtshof soll jeden Beamten innerhalb seiner Grafschaft oder seiner Grenzen überwachen und überprüfen; denn seine Aufgabe ist es, darüber zu wachen, daß jeder treu auf seinem Posten ist. Und wenn ein Beamter irgendetwas Schlechtes getan hat, soll der Gerichtshof über den Missetäter ein Urteil fällen entsprechend seines Verstoßes gegen das Gesetz.

Wenn einer einen Kummer hat, den untergeordnete Beamte ihm nicht lindern können, soll der Gerichtshof seine Klagen ruhig anhören und ihm helfen. Denn wenn ein Gesetz fehlt, mögen sie einen Weg der Linderung für den Missetäter finden bis das Parlament tagt, das entweder diesen Gesetzesbeschluß bestätigt, wenn es ihn gutheißt, oder zu diesem Zweck ein neues Gesetz schafft; denn es ist möglich, daß anschließend viele Dinge vorkommen, die der Gesetzgeber gegenwärtig noch nicht vorhersehen kann.

Wenn es unter dem Volk zu Unruhen kommt, soll der Gerichtshof die Angelegenheit regeln. Wenn einer aufgefordert wird, vor diesem Gericht zu erscheinen, soll der Richter die Angelegenheit anhören und gemäß der Natur des Vergehens den Buchstaben des Gesetzes verkünden.

So daß es die einzige Aufgabe des Richters ist, das Urteil und den Geist des Gesetzes zu verkünden. Und all dies dient nur dazu, darauf zu achten, daß die Gesetze eingehalten werden und der Friede des Gemeinwesens gesichert wird.

Für das ganze Land soll es ein Parlament, ein geistliches Amt für das Gemeinwesen, einen Postmeister und eine Armee geben.

Die Aufgaben des Parlaments im Gemeinwesen

Ein Parlament ist der höchste Gerichtshof der Gerechtigkeit im Land, und es soll jedes Jahr gewählt werden. Und aus jeder Stadt und bestimmten Gebieten im ganzen Land sollen zwei, drei oder mehr Leute gewählt werden, die diesen Gerichtshof bilden.

Dieser Gerichtshof soll alle anderen Gerichtshöfe, Beamten, Personen und Handlungen überwacpen und die volle Macht besitzen, da er der Vertreter des ganzen Landes ist, er soll alle Sorgen vertreiben und den Unterdrückten helfen.

Erstens: Als fürsorglicher Vater setzt das Parlament die Beamten ein und gibt Verordnungen für das freie Säen und Ernten auf dem Land des Gemeinwesens heraus, daß alle, die unterdrückt waren und von Eroberern, Königen und ihren

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tyrannischen Gesetzen am freien Zugang zur Erde gehindert wurden, nun in Freiheit für Nahrung und Kleidung sorgen können; und es soll denen ein Schutz sein, die die Erde bearbeiten und soll die Müßigen bestrafen.

Die Aufgabe des Parlaments ist zweitens, alle alten Gesetze und Bräuche abzuschaffen, die die Stärke des Unterdrückers gewesen sind, und neue Gesetze vorzubereiten und in Kraft zu setzen zum Wohle und zur Freiheit des Volkes, jedoch nicht ohne Kenntnis des Volkes.

Denn hierbei hat das Parlament drei Aufgaben.

Erstens: Wenn die alten Gesetze und Bräuche der Könige das Volk bedrücken und das Volk wünscht, daß sie beseitigt und neue einfachere Gesetze eingesetzt werden.

Es ist nun die Aufgabe eines Parlaments, in Vernunft und Gerechtigkeit herauszufinden, wie für das Volk in einem solchen Fall Abhilfe geschaffen werden kann und den allgemeinen Frieden zu bewahren. Und wenn die Parlamentarier unter sich in der Debatte einen Weg gefunden haben, wie dem Volk geholfen werden könnte, dürfen sie ihre Gesetzesbeschlüsse nicht sofort in Kraft setzen.

Sondern müssen zunächst eine öffentliche Erklärung darüber an das Volk des Landes abgeben, das sie gewählt hat, damit es ihnen zustimmt; und wenn innerhalb eines Monats aus dem Volk kein Widerspruch kommt, mögen sie sein Schweigen als Zustimmung betrachten.

Und an dritter Stelle dann erklären sie es zum Gesetz, zu einer bindenden Regel für das ganze Land. Denn wie die Beseitigung der alten Gesetze und Bräuche mit der Zustimmung des Volkes geschieht, wie durch häufige Eingaben und Anfragen zu solch einer Angelegenheit bewiesen wird, so muß auch das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes mit Wissen und Zustimmung des Volkes geschehen.

Und hier ist nicht die Zustimmung derer erforderlich, die um die alten unterdrückerischen Gesetze und Bräuche der Könige bemüht sind, sondern die der Unterdrückten. Und der Grund ist dieser: weil das Volk dem Gesetz bei Strafe unterworfen ist, deshalb ist es nur vernünftig, daß es es kennt, bevor es in Kraft tritt, daß, wenn irgendeine unterdrückerische Absicht darin enthalten ist, sie sofort entdeckt und verbessert werden kann.

Die Aufgabe eines Parlaments ist viertens diese: Wenn es nötig sein sollte, eine Armee aufzustellen und Krieg zu führen, entweder gegen den Einfall eines Feindes von außen oder gegen einen Aufstand im eigenen Land, ist es die Aufgabe des Parlaments, die Angelegenheit zur Erhaltung des allgemeinen Friedens zu regeln.

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So ist also ein Parlament die Spitze der Macht in einem Gemeinwesen, und es ist seine Aufgabe, die öffentlichen Angelegenheiten in Kriegs- und Friedenszeiten zu regeln, nicht zum Vorteil einzelner Menschen, sondern für den Frieden und die Freiheit des ganzen Landes, nämlich jedes einzelnen Menschen, daß niemand seiner Schöpfungsrechte beraubt wird, wenn er nicht seine Freiheit durch Gesetzes­überschreitung verlören hat.

Die Armee in Winstanleys Gemeinwesen soll kein stehendes Heer mit besoldeten oder wehrpflichtigen Soldaten sein. Die Truppen werden nur im Notfall ausgehoben und setzen sich zusammen aus den Beamten, die in Friedenszeiten den Magistrat bilden, und, falls notwendig, aus dem ganzen bewaffneten Volk: Die herrschende Armee wird in Friedenszeiten Magistrat genannt; sie bewahrt den Frieden im Land und in der Regierung durch die Ausübung der Gesetze, die die kämpfende Armee mit ihrem Blut im Feld aus den Händen der Unterdrückung errungen hat.

Und hier sind alle Beamten, vom Familienvater bis zum Parlament in einem Land, die Oberbefehlshaber und Führer einer Armee; und alle Leute, die sich zu Schutz und Hilfe ihrer Beamten erheben zur Verteidigung einer rechtens eingesetzten Regierung, sind die Truppen einer Armee.

Winstanley erkannte die Notwendigkeit, die sozialen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gemeinden und Grafschaften, aus denen sich das Gemeinwesen zusammensetzt, zu verstärken, und zu diesem Zweck stellte er sich vor, daß es Postmeister geben sollte, deren Rolle der unserer Zeitungsverleger nicht unähnlich ist, obwohl ihre Ziele offenbar uneigennütziger sind:

In jeder Gemeinde im ganzen Gemeinwesen sollen zwei gewählt werden (zur gleichen Zeit, wenn andere Beamte gewählt werden) und diese sollen Postmeister heißen. Und da das Land vier Teile hat, Osten, Westen, Norden, Süden, sollen in der Hauptstadt zwei gewählt werden, die in Empfang nehmen, was der Postmeister aus dem Osten des Landes herbeibringt, und zwei, die in Empfang nehmen, was der Postmeister aus dem Westen herbeibringt, und zwei für den Norden und zwei für den Süden.

Die Aufgabe der Postmeister im Land ist nun diese. Sie sollen jeden Monat aus ihren jeweiligen Gemeinden Nachrichten in die Hauptstadt bringen oder schicken, welche Vorfälle sich ereignet haben, die entweder zur Ehre oder Schande, zum Schaden oder Nutzen des Gemeinwesens gereichen. Und wenn in jenem Monat nichts vorgefallen ist, was der Beobachtung wert wäre, dann sollen sie aufschreiben, daß in dieser Gemeinde Friede und Ordnung geherrscht haben.

Und wenn diese jeweiligen Postmeister ihre Rechenschaftsberichte oder Zeugnisse aus allen Teilen des Landes herbeigebracht haben, schreiben die Empfänger dieser Berichte alles der Reihe nach von Gemeinde zu Gemeinde auf in der Art eines wöchent­lichen Beobachtungs­berichtes.

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Und diese acht Empfänger sollen veranlassen, daß die Angelegenheiten der vier Landesteile so schnell wie möglich in einem Buch gedruckt werden, und an jeden Postmeister ein Buch ausgeben, so daß sie, wenn sie die Angelegenheiten der Gemeinde schriftlich herbeibringen, die Angelegenheiten des ganzen Landes in gedruckter Form mitnehmen können.

Der Nutzen liegt darin, daß, wenn ein Teil des Landes von Plagen, Hungersnöten, Überfall oder Aufständen oder anderen Unglücken heimgesucht wird, die anderen Landesteile schnelle Kenntnis davon erhalten und Hilfe schicken können.

Und wenn sich durch unvernünftige Handlung oder Fahrlässigkeit ein Unfall ereignet, mögen die anderen Landesteile dadurch vorsichtig werden und ähnliche Gefahren verhindern.

Oder wenn einige durch Fleiß oder reifen Verstand ein Geheimnis der Natur entdeckt haben oder wenn in einem Handwerk oder Gewerbe oder bei der Bestellung des Bodens eine neue Erfindung gemacht wurde oder ähnliches, wodurch das Gemeinwesen noch blühender in Frieden und Fülle wird, und wofür jene Personen in den Orten, wo sie wohnen, geehrt wurden; wenn andere Teile des Landes davon hören, werden viele ermutigt, mit Fleiß und Verstand ähnliches zu vollbringen, so daß es mit der Zeit keine Geheimnisse in der Natur mehr geben wird, die jetzt noch versteckt sind (durch das eiserne Zeitalter königlicher Unter­drückung und Regierung), sondern von dem einen oder anderen ans Licht gebracht wird zum Wohle unseres Gemein­wesens.

Winstanley kommt dann zu Beschreibung der Aufgaben der Geistlichen in dem Gemeinwesen. Sie sollen Laien sein und jedes Jahr von den Gemeindemitgliedern gewählt werden. Jeden Sonntag, wenn die Gemeinde ihre Versammlung abhält, liest der Geistliche laut die Gesetze des Gemeinwesens und den Bericht aus der Zeitung des Postmeisters vor, und anschließend folgen Reden und Diskussionen über historische und wissenschaftliche Themen. Wir sehen also, daß es in Winstanleys idealem Gemeinwesen keinen Platz für Religion gibt und daß sie durch das Studium von Natur und Geschichte ersetzt wurde. Seine Ansichten über experimentelle Wissenschaft, über die Bedeutung von Entdeckungen und über Erziehung sind um so interessanter, als sie nicht von einem Philosophen oder Wissenschaftler stammen, sondern von einem Mann, der nur eine Grundschul­ausbildung erhalten hat:

Wenn es gute Gesetze gäbe, die das Volk nicht kennt, wäre das für das Gemeinwesen ebenso schlecht, als wenn es überhaupt keine Gesetze gäbe.
Darum, gemäß einem Gesetz des Gemeinwesens Israel, das Moses geschaffen hat, der zu der Zeit der Herrscher über das Volk war, ist es sehr vernünftig und gut, daß ein Tag von sieben ein besonderer ist, und das aus drei Gründen.
Erstens: damit das Volk einer Gemeinde sich allgemein versammelt, einander ins Gesicht sieht und in freundschaftlicher Liebe Kameradschaft schließt und bewahrt.

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Zweitens: damit es einen Ruhetag gibt, der befreit ist von der Arbeit; so daß sie selbst und ihr Vieh körperlich ausruhen können.
Drittens: daß der, der (in jenem Jahr) zum Geistlichen der Gemeinde gewählt ist, dem Volk drei Dinge vorlesen kann.

Erstens: die Angelegenheiten des ganzen Landes, wie sie vom Postmeister herbeigebracht worden sind, dessen Amt im folgenden beschrieben wird.
Zweitens: das Gesetz des Gemeinwesens vorlesen; nicht nur, um das Andenken an die Vorfahren zu festigen, sondern damit auch die jungen Leute, die noch nicht zur Reife der Erfahrung gelangt sind, unterwiesen werden, damit sie wissen, wann sie Gutes und wann sie Böses tun. Denn die Gesetze eines Landes haben die Macht von Freiheit und Knechtschaft, Leben und Tod in ihrer Hand, deshalb ist es notwendig, sie zu kennen, und der ist der beste Prophet, der die Menschen damit vertraut macht; denn wenn die Menschen älter werden, mögen sie in der Lage sein, Gesetze und Regierung des Landes zu verteidigen. Doch diese Gesetze sollen von dem Vorlesenden nicht erläutert werden, denn ein einfaches Gesetz zu erläutern, als ob einer ihm eine bessere Bedeutung geben könnte als der Buchstabe selbst, bringt zwei Übel hervor.

Erstens: Das reine Gesetz und der Verstand der Leute wird dadurch verwirrt, denn die Vielzahl der Worte verdunkelt das Wissen.
Zweitens: Der Vorlesende wird aufgeblasen in seinem Stolz und verdammt die Gesetzgeber; und das wird bald der Vater und die Amme der Tyrannei sein, wie es die Geistlichkeit unserer Tage zeigt.

Und drittens: Weil im allgemeinen das Herz des Volkes die Reden liebt; darum, daß der Geist der Menschen, der jungen wie der alten, geübt wird, sollen Vorträge dreierlei Art gehalten werden.

Erstens: die Taten und Vorkommnisse früherer Zeitalter und Regierungen herauszustellen, wobei die Wohltaten der Freiheit durch eine wohlgeordnete Regierung dargestellt werden, wie in dem Gemeinwesen Israels; und die Sorgen und die Knechtschaf t, die immer mit Unterdrückung und Unterdrückern einhergingen, wie im Staat des Pharao und anderer Tyrannenkönige, die behaupteten, die Erde und das Volk gehörten ihnen und ständen nur zu ihrer Verfügung.

Zweitens: können Vorträge über alle Künste und Wissenschaften gehalten werden, an einem Tag die einen, an einem anderen Tag andere, wie zum Beispiel in Physik, Medizin, Astrologie, Astronomie, Navigation, Ackerbau und ähnliches. Und in diesen Vorträgen kann die Natur aller Kräuter und Pflanzen dargelegt werden, vom Ysop bis zur Zeder, wie in den Schriften Salomons.

Gleichermaßen sollen alle das Wesen der festen und beweglichen Sterne erkennen können, jener großen Mächte Gottes im Himmel droben; und dadurch wird der Mensch die Geheimnisse der Natur und Schöpfung erblicken, worin alles wahre Wissen liegt, und das Licht im Menschen muß aufgehen, sie zu erkennen.

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Drittens: können gelegentlich Reden über das Wesen der Menschheit gehalten werden, über ihre Dunkelheit und ihr Licht, ihre Schwäche und ihre Stärke, ihre Liebe und ihren Neid, ihre Sorgen und ihre Freuden, ihre innere und äußere Knechtschaft, ihre inneren und äußeren Freiheiten usw. Und dies ist im allgemeinen das Ziel der Geistlichen der Kirchen, nur daß die ihr Wissen auf eingebildetem Studium gründen und viele anfangen zu reden ohne jegliche Erfahrung.

Und weil andere Völker andere Sprachen haben, deshalb sollen diese Vorträge einmal in anderen Sprachen, ein andermal in unserer Muttersprache gehalten werden; so daß die Menschen unseres englischen Gemeinwesens Zugang zu allen Kenntnissen, Künsten und Sprachen erhalten und daß jeder in seinem Fleiß ermutigt wird und das Wohlwollen und die Liebe seiner Nachbarn erringt wegen seiner Weisheit und experimentellen Kenntnisse der Dinge, die da sind.

 

Winstanley war der Meinung, daß unter königlicher Regierung die Erziehung ein Privileg weniger geblieben war: Königliche Knechtschaft, sagt er, ist die Ursache des sich verbreitenden Unwissens auf der Erde. Doch wenn die Freiheit des Gemeinwesens errichtet und die Sklaverei der Könige oder Pharisäer vertrieben ist, dann wird das Wissen die Erde bedecken wie das Wasser die Meere, und nicht eher. In seinem idealen Gemeinwesen soll jedes Kind sowohl im Bücherwissen als auch in einem besonderen Handwerk unterrichtet werden und große Sorgfalt soll auf die Erziehung der Kinder zu guten Bürgern verwandt werden:

Der Mensch ist in seiner Jugend wie ein junges Füllen, mutwillig und töricht, bis er durch Erziehung und Korrektur gebrochen ist; und die Vernachlässigung dieser Sorge oder mangelnde Klugheit in der Durchführung war und ist die Ursache mancher Zwietracht und manchen Streits auf der Welt.

Darum fordert es das Gesetz eines Gemeinwesens, daß nicht nur ein Vater, sondern alle Aufseher und Beamten die Erziehung der Kinder in den guten Sitten zu ihrer Aufgabe machen und darauf achten, daß sie in dem einen oder anderen Handwerk unterwiesen werden und es nicht dulden, daß ein Kind in einer Gemeinde müßig und mit jugendlichen Vergnügungen all seine Tage verbringt, wie es so viele tun; sondern daß sie wie Menschen und nicht wie Tiere erzogen werden, so daß das Gemeinwesen mit fleißigen, klugen und erfahrenen Menschen übersät ist und nicht mit müßigen Toren.

Das Leben des Menschen kann in vier Abschnitte eingeteilt werden, Kindheit, Jugend, Mannesalter und Greisenalter. Seine Kindheit und Jugend kann von seiner Geburt bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr gerechnet werden; und innerhalb dieser Zeitspanne, wenn er von seiner Mutter entwöhnt ist (die selbst die Amme sein soll, wenn kein Mangel der Natur vorliegt), sollen seine Eltern ihn Höflichkeit und Bescheidenheit gegenüber allen Menschen lehren. Dann sollen sie ihn zur Schule schicken, um zu lernen, die Gesetze des Gemeinwesens zu lesen, und seinen

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kindlichen Geist zu reifen, und so soll er mit seinem Studium fortfahren, bis er mit allen Künsten und Sprachen vertraut ist. Und dies aus dreifachem Grund.

Erstens: Indem er durch das überlieferte Wissen Kenntnis vom Lauf der Welt erhält, ist er besser in der Lage, sich wie ein vernünftiger Mensch selbst zu regieren.

Zweitens: Sie werden gute Mitglieder des Gemeinwesens, weil sie seine Regierung unterstützen können, indem sie mit der Natur der Regierung vertraut sind.

Drittens: Wenn England gelegentlich Gesandte in andere Länder schickt, haben wir dann solche, die mit ihrer Sprache vertraut sind; oder wenn Gesandte aus anderen Ländern zu uns kommen, haben wir solche, die ihre Rede verstehen.

Doch es soll nicht eine Sorte von Kindern geben, die nur im Bücherwissen und keiner anderen Beschäftigung unterrichtet werden. Gelehrte also, wie es sie in der Regierung der Monarchie gibt; denn durch ihre Müßigkeit und ihren geübten Geist werden sie ihre Zeit damit verbringen, Mittel zu ersinnen, wie sie sich selbst voranbringen, um die Herren und Meister über ihre arbeitenden Brüder zu sein; wie Simeon und Levi, was alle Zwietracht in der Welt hervorgerufen hat.

Darum, um die gefährliche Müßigkeit der Gelehrten zu verhindern, ist es vernünftig und sichert den allgemeinen Frieden, daß die Kinder, nachdem sie in den Schulen erzogen wurden und ihr Geist gereift ist, in solche Handwerke, Künste und Wissenschaften geschickt werden, zu denen sie körperlich und geistig in der Lage sind; und dort sollen sie bleiben, bis sie vierzig Jahre alt sind.

 

Wir haben schon gesehen, daß Winstanley das Privateigentum an Produktionsmitteln abschaffte, doch anders als Morus, Campanella und Andreae behielt er das Privateigentum an Konsumgütern bei:

Wenn einer Haus, Hausrat, Nahrung, Weib oder Kinder eines anderen begehrt und sagt: "Alles ist allen gemeinsam!", und so das Gesetz des Friedens mißbraucht, so überschreitet ein solcher die Gesetze und soll bestraft werden, wie es die Regierung und die folgenden Gesetze vorschreiben.

Denn obwohl die öffentlichen Magazine ein gemeinsamer Schatz sind, so ist doch die Wohnung jedes einzelnen nicht gemeinsam, außer mit seinem Einverständnis; und die Gesetze des Gemeinwesens sollen den Menschen schützen, sowohl den Frieden seiner Person als auch seine Wohnung, gegen die Rohheit und Unwissenheit, die im Menschen entstehen können.

 

Dennoch gibt es in seinem idealen Gemeinwesen weder Geld noch Löhne, und jeder gibt nach seinen Fähigkeiten und empfängt nach seinen Bedürfnissen. Am Schluß des Gesetzes der Freiheit kehrt er zu der Organisation einer Gesellschaft ohne Geld zurück und erklärt, wie sie funktionieren soll:

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Jede Familie soll mithelfen, die Erde zu bestellen, die Früchte zu ernten und sie in Scheunen und Magazine zu bringen. Und wenn einer oder eine Familie Korn oder andere Vorräte haben will, soll er in die Magazine gehen und sie mitnehmen, ohne zu bezahlen. Und wenn einer ein Pferd will zum Reiten, geht er im Sommer auf die Felder oder im Winter in die gemeinsamen Ställe und erhält eins von den Wärtern, und wenn seine Reise beendet ist, bringt er es dorthin, woher er es geholt hat, ohne zu bezahlen. Wenn einer Nahrung will, soll er entweder zum Schlachter gehen, und er erhält das Gewünschte, ohne zu bezahlen; oder er geht zu den Schafherden oder den Rinderherden, nimmt und tötet, so viel Fleisch er für seine Familie braucht.

 

Im letzten Kapitel von Das Gesetz der Freiheit behandelt Winstanley die Natur der Gesetze und versucht, den Unterschied zwischen Gewohnheitsrecht, herkömmlichem und geschriebenem Gesetz und ungeschriebenem Gesetz, welches dem „inneren Licht der Vernunft" entspricht, zu zeigen. Des Königs alte Gesetze, sagt er, können nicht sowohl in Zeiten der Knechtschaft als auch in Zeiten der Freiheit regieren, und in seiner charakteristischen Konkretheit vergleicht er sie mit alten Soldaten, die ihren Namen ändern und eine Kehrtwendung machen. Das Gesetz des wahren Gemeinwesens muß ein Friedensvertrag für die ganze Menschheit sein. Dieses Gesetz befreit die Erde für alle. Es macht Juden und Christen zu Brüdern und stößt keinen aus. Es vereint die Jünger Christi und macht aus den Königreichen der Welt wieder Gemeinwesen. Die innere Macht rechten Verstehens ist das wahre Gesetz, das die Menschen in Worten und Taten lehrt, das zu tun, was sie wünschen, das man ihnen tue.

Was die geschriebenen Gesetze des Gemeinwesens betrifft, so müssen es wenige und kurze sein, und sie müssen oft gelesen werden ... und jeder, der weiß, wann er Gutes und wann er Böses tut, sieht sich vor mit seinen Worten und Taten: und entkommt somit dem Handwerk des Anwalts.

Angesichts dieser Behauptung ist es ziemlich überraschend, daß Winstanley die Beschreibung seines idealen Gemeinwesens mit einer Aufzählung von zweiundsechzig Gesetzen beschließt, von denen sich viele kaum von den überlieferten Gesetzen der Könige, die die Freiheit töten, unterscheiden. Sie sind jedoch offensichtlich vorläufig aufgestellt worden, denn Winstanley leitet sie mit folgenden Worten ein: Welches könnten die einzelnen Gesetze oder ein Gesetzessystem sein, mit denen ein Gemeinwesen regiert werden könnte. Nichtsdestoweniger ist es enttäuschend, daß Winstanley, wie so viele andere utopische Schriftsteller, nur wenig Vertrauen in seine eigenen theoretischen Ansichten zeigt, wenn es darum geht, sie in die Praxis umzusetzen. Er, der im Gesetz der Gerechtigkeit gesagt hatte: Wenn einer sagen kann, er kann Leben schenken, dann hat er die Macht, Leben zu nehmen. Doch wenn die Macht über Leben und Tod in der Hand des Herrn liegt, dann ist der ein Mörder an der Schöpfung, der seinen Mitgeschöpfen, den Menschen, das Leben nimmt, unter welchem Gesetz auch immer, macht nun uneingeschränkten Gebrauch von der Todesstrafe. Als ob er die Macht hätte, Leben zu schenken, fordert er:

Niemand soll das Gesetz für Geld verwalten. Wer das tut, soll als Verräter an dem Gemeinwesen sterben; denn wenn Geld die Gerechtigkeit kaufen und verkaufen muß und alle Herrschaft trägt, ist nichts als Unterdrückung zu erwarten.

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Wer sich zum Dienst an einem gerechten Gott bekennt durch Predigt und Gebete und es zu seinem Geschäft macht, die Erde zu besitzen, soll als Zauberer und Betrüger zum Tode verurteilt werden.

Sein Entwurf von der Rechtsprechung ist ganz und gar barbarisch:

Wer seinen Nächsten schlägt, soll selbst von dem Henker geschlagen werden, Schlag um Schlag, und er soll Auge um Auge, Zahn um Zahn, Glied um Glied, Leben um Leben verlieren; und der Grund ist, daß sie sanft gegen des anderen Leib sind und tun, als sie wünschen, daß man ihnen tue.

Wie in Morus' Utopia ist als Strafe für geringere Verbrechen Zwangsarbeit vorgesehen:

Wer ein Gesetz bricht, soll zuerst mit Worten getadelt werden, unter vier Augen oder öffentlich, wie zuvor gesagt wurde; das nächste Mal soll er ausgepeitscht werden, das dritte Mal die Freiheit verlieren, eine Zeitlang oder für immer, und er darf kein Beamter mehr sein.

Wer seine Freiheit verloren hat, soll ein gemeinsamer Knecht sein für jeden Freien, der zum Zuchtmeister kommt und einen für irgendeine Arbeit braucht; immer vorausgesetzt, daß, nachdem ein Freier ihm mit der Zustimmung des Zuchtmeisters eine Arbeit zugewiesen hat, ein anderer Freier ihn nicht rufen kann, bis er seine Arbeit verrichtet hat.

Wenn einer dieser Missetäter das Gesetz mit Worten schmäht, soll er laut ausgepeitscht und auf grobe Kost gesetzt werden. Wenn er Waffen gegen das Gesetz erhebt, soll er als Verräter sterben.

Wenn die Sklaven ihre Demut und ihren Fleiß und ihren Eifer, die Gesetze des Gemeinwesens zu befolgen, beweisen, können sie ihre Freiheit wiedererlangen, wenn die Zeit der Knechtschaft abgelaufen ist, entsprechend dem Urteil des Richters. Doch wenn sie sich weiterhin dem Gesetz widersetzen, sollen sie für einen weiteren Zeitraum Sklaven bleiben.

 

Winstanley war ein standhafter Vertreter der Familie und verurteilte alle, die mit unvernünftiger, tierischer Unwissenheit glauben, es müßte eine Gemeinschaft aller Männer und Frauen zur Paarung bestehen und so nach einem tierischen Leben streben. In einem freien Gemeinwesen soll jede Familie getrennt leben, so wie es jetzt ist. Die Ehegesetze jedoch sind außergewöhnlich einfach, und obwohl Vergewaltigung in einigen Fällen mit dem Tode bestraft wird, wird Ehebruch nicht als Verbrechen betrachtet:

Jeder Mann und jede Frau sollen die Freiheit haben, den zu heiraten, den sie lieben, wenn sie die Liebe und das Wohlwollen des Gegenübers, den sie heiraten wollen, erringen. Und weder Geburt noch Mitgift sollen die Partie verhindern, denn wir sind alle eines Blutes, Menschen. Bezüglich der Mitgift ist das gemeinsame Magazin die Mitgift jedes Mannes und jedes Mädchens, dem einen so frei zugänglich wie dem anderen.

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Wenn einer sich zu einem Mädchen legt und sie ein Kind bekommt, so soll er sie heiraten.
Wenn ein Mann sich gewaltsam zu einer Frau legt und sie schreit und gibt kein Einverständnis; wenn dies von zwei Zeugen bestätigt wird oder wenn der Mann gesteht, soll er zum Tode verurteilt werden und die Frau soll frei sein. Es ist Raub an der körperlichen Freiheit der Frau.
Wenn einer heftig die Frau eines anderen Mannes begehrt, so soll ein solch heftiges Ansinnen beim erstenmal vor der Versammlung der Friedensstifter getadelt werden; das zweite Mal soll er zwölf Monate unter dem Zuchtmeister dienen; und wenn er sich gewaltsam zu der Frau eines anderen legt und sie schreit wie in dem Fall, daß einem Mädchen Gewalt angetan wurde, soll der Mann zum Tode verurteilt werden.
Wenn ein Mann und eine Frau übereingekommen sind, zusammen in der Ehe zu leben, sollen sie den Aufsehern in ihrem Umkreis und einigen anderen Nachbarn davon Mitteilung machen. Und wenn alle versammelt sind, soll der Mann mit eigenem Munde vor allen erklärten, daß er diese Frau zu seinem Weib nimmt, und die Frau soll dasselbe sagen und die Aufseher zu Zeugen bitten.

 

Wenn Winstanley in dem Gesetzesentwurf seines idealen Gemeinwesens einen autoritären Geist offenbart, der den meisten Utopisten gemeinsam ist, so ist er doch andererseits vollkommen frei von jenem Nationalismus, der für die meisten von ihnen charakteristisch ist. Sein Gemeinwesen beteiligt sich nicht nur nicht an Aggressionskriegen, sondern er glaubte offenbar auch, daß die anderen Völker der Welt seinem Beispiel bald folgen würden und daß die ganze Menschheit in Frieden leben würde:

In dem Volk, wo dieses Gemeinwesen zuerst errichtet wird, wird es Frieden und Fülle im Überfluß geben, und alle Völker der Erde werden herbeiströmen, diese Schönheit zu sehen und zu erfahren, woher sie kommt. Und das Gesetz wird ausgehen von Zion und das Wort des Herrn von Jerusalem, welches die Erde regieren wird. Micha, iv. 1, 2.

Es werden keine Tyrannenkönige, Lehnsherren, Priester mit ihrem Zehnten, unterdrückerischen Gesetze, strengen Grundherren mehr sein und auch kein stechender Dornstrauch auf diesem heiligen Berg unseres Herrn, des Gottes der Gerechtigkeit und des Friedens; denn das gerechte Gesetz wird zur Regel für jeden und zum Richter über die Handlungen der Menschen.

Die ganze Erde würde eine große Familie:

Und die Herrschaft einer rechten Regierung, die man dann erleben wird, macht das ganze Land, ja, den ganzen Erdkreis zu einer Familie der Menschheit und einem wohlregierten Gemeinwesen; wie Israel das Haus Israel genannt wurde, obwohl es aus vielen Stämmen, Völkern und Familien bestand.

Das Gesetz der Freiheit kennzeichnet das Ende von Winstanleys kurzer doch intensiver literarischer und politischer Tätigkeit. Zur Zeit seines Erscheinens muß es sich eines gewissen Erfolgs erfreut haben, denn es ging bald in die zweite Auflage und wurde wie die meisten seiner Schriften häufig nachgedruckt. Doch mit der Rückkehr der Monarchie und der endgültigen Versklavung der englischen Arbeiterklasse verlor Winstanleys Botschaft ihre Bedeutung, und seine Schriften blieben sowohl von Historikern als auch von Gesellschaftstheoretikern unbeachtet. Erst zu Beginn dieses Jahrhunderts verfaßte L.H. Berens in Die Bewegung der Digger zur Zeit des Commonwealth (The Digger Movement in the Days of the Commonwealth) eine umfassende Studie seiner Tätigkeiten und Schriften. Seitdem wurde in England eine Auswahl seiner Schriften veröffentlicht, und eine vollständige Ausgabe erschien in Amerika. 

Berens wendet sich gegen die Vernachlässigung Winstanleys, die heute immer noch zutrifft:

Eine sorgfältige Durchsicht (von Das Gesetz der Freiheit) hat uns überzeugt, und unsere laufenden Forschungen haben uns in dieser Annahme nur noch bestärkt, daß Winstanley in Wahrheit einer der mutigsten, weitsichtigsten und philosophischsten Prediger sozialer Gerechtigkeit war, die England der Welt je gegeben hat. Und dennoch, wie ungerecht vergibt der Ruhm seinen Lohn. Morus' Utopia hat ihrem Autor weltweite Anerkennung gebracht: in jedem zivilisierten Land auf der Welt spricht man davon, auch wenn man sie nicht gelesen hat. Gerrard Winstanleys Utopie ist seinen eigenen Landsleuten unbekannt.

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