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Prolog  

Shapiro-1984

 

  Am Anfang schuf...  

11-30

Als ich noch ein Kind war, machte ich mir Gedanken darüber, woher ich gekommen war, und so fragte ich meine Mutter. Sie erklärte mir, ich sei in ihrem Bauch herangewachsen. Später stellte ich fest, daß dies der Wahrheit recht nahekam (am Unterschied zwischen Bauch und Uterus wollen wir hier nicht herumkritteln), aber damals konnte ich mich damit nicht abfinden. Denn schließlich erzählte sie mir sehr oft, wenn ich nach Belieben jeden Tag Hamburger äße, würden diese in meinem Bauch heranwachsen. Mir mißfiel der Gedanke, mein Anfang sei dem eines Hamburgers vergleichbar, der außer Kontrolle geraten war, und so wandte ich mich von dieser internen Ursprungstheorie der Babys ab und anderen Quellen zu.

Ich wuchs in den 40er Jahren in New York auf, zu einer Zeit, als die öffentliche Empfindsamkeit kein sehr umfangreiches Angebot an Informationen über Sex und Geburt in den Medien zuließ. In Comic Strips und Zeichentrickfilmen brachte der Storch die Babys, eine externe Ursprungstheorie. Das kam mir unwahrscheinlich vor. Der Himmel war keineswegs voller geflügelter Boten, trotz der vielen Kinderwagen in unserem Viertel. Außer Tauben und ganz normalen Spatzen waren überhaupt keine Vögel zu sehen, und die waren zu klein, als daß sie eine solche Last hätten tragen können. Selbst wenn die Störche die Babys gebracht hätten, wäre doch die Frage geblieben, woher sie die Säuglinge hatten.

Ich hatte keine Möglichkeit zur direkten Beobachtung, da es damals in der engeren Verwandtschaft keine Schwangerschaft gab, und so dachte ich mir selbst phantastische Geschichten aus. Meine Mutter hatte schon einige Male von Gott gesprochen, auch wenn wir offiziell keiner Religionsgemeinschaft angehörten. Ich stellte mir vor, daß die Babys, wenn irgendein Gremium im Himmel meinte, die Zeit sei reif dafür, einfach auf wunderbare Weise bei ihrer Mutter erschienen. Vielleicht wurde die Mutter vorher irgendwie gewarnt, so rechtzeitig, daß sie ins Krankenhaus gehen konnte, wo das Baby bei seiner Ankunft die nötige Betreuung erhielt.

Ich mußte diese Vorstellung aufgeben, als ich von Gleichaltrigen auf der Straße erfuhr, wie es tatsächlich ist. Die Nachricht mußte sich überfallartig in unserem Viertel verbreitet haben, denn ich hörte die schonungslos offenen, plastischen Einzelheiten von so vielen Seiten gleichzeitig, daß ich überwältigt war. Sehr viel später, als Erwachsener, hatte ich Gelegenheit, die letzten Schleier des Geheimnisses um diesen Vorgang zu lüften, als ich selbst die Geburt meines Sohnes Michael miterlebte. Die Lösung dieses Problems ließ jedoch ein sehr viel größeres entstehen. Ich fragte mich nun nach dem Ursprung meiner entferntesten menschlichen Vorfahren und jener Lebewesen, die vielleicht vor ihnen da waren, am Anfang des Lebens selbst.

Als ich diesem neuen Problem nachjagte, war ich erneut in der Lage eines Kindes: Ich hatte keine Gelegenheit, den Vorgang direkt zu beobachten. Antworten gab es in Hülle und Fülle, aber keine konnte wirklich überzeugen. Ich konnte mir aussuchen, ob ich glauben wollte, daß das Leben wie ein Hamburger im Bauch von Mutter Erde wuchs oder daß geflügelte Boten es von außen gebracht hatten. Meine Kindheitstheorie von der wunderbaren Ankunft war natürlich von anderen schon viel früher aufgestellt worden und erfreute sich nun gewaltiger institutioneller Zustimmung. Die meisten Religionen lehrten, daß das Leben auf diese Weise begonnen habe.

Ich wollte keine religiöse Antwort, und so wandte ich mich erneut an meine gleichaltrigen Freunde. Jetzt fand ich sie nicht mehr auf der Straße, und ich identifizierte mich mit denen, die in den wissenschaftlichen Labors arbeiteten. Doch diesmal konnten sie mir nicht helfen. Es war zu früh; die Nachricht war noch nicht so weit vorgedrungen. Sie hatten sich noch nicht geeinigt, zumindest noch nicht über den wichtigsten Punkt der Geschichte.

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Die Wissenschaft gibt uns eine zusammenhängende Darstellung über die Entwicklung des Lebens auf diesem Planeten. Wenn ich anerkenne, daß ich aus einem befruchteten Ei zu einem Baby und schließlich zu dem erwachsenen Menschen geworden bin, der ich bin, dann kann ich auch glauben, daß sich auf der jungen Erde eine einzelne Zelle entwickeln konnte, die der Anfang des Lebens war, wie wir es heute kennen. Es ist äußerst erstaunlich, sich vorzustellen, daß eine einzelne Zelle genügend Informationen enthalten könnte, um mich entstehen zu lassen. Habe ich dieses Hindernis erst einmal überwunden, bin ich aufnahmefähig für die größere Vorstellung, daß irgendein primitives Bakterium über vier Milliarden Jahre hinweg die Fähigkeit besaß, uns alle entstehen zu lassen.

Aber wenn wir die Frage stellen, wie denn diese erste Zelle auf der Erde entstanden ist, dann geraten die wissenschaftlichen Erklärungen ins Mogeln und Schlingern, denn die denkbaren Alternativen wachsen um ein Vielfaches. Konkurrierende Theorien gibt es mehr als genug — was immer dann der Fall zu sein scheint, wenn wir sehr wenig über eine Sache wissen. Einige Theorien kommen natürlich mit dem Anspruch daher, die Antwort zu liefern. Als solche zählt man sie aber wohl besser zur Mythologie oder Religion als zur Wissenschaft.

Nach alldem kann ich nicht behaupten, daß dieses Buch die Antwort bereithielte. Ich schreibe es heute; morgen sieht alles vielleicht ganz anders aus. Die Frage nach unserem Ursprung ist eine ganz besondere Frage, die die Menschen zu allen Zeiten bewegt hat und eine Geschichte unterbreitet, die zu erzählen sehr wohl lohnt. Durch eine Untersuchung der Antworten, die gegeben wurden, können wir ganz behutsam eine Teilantwort auf den Ursprung des Lebens für uns herausfiltern.

Ohne eine eigene Sichtweise können wir keine Fortschritte machen. Aufgrund irgendeines Umstands in meiner Erziehung neige ich dazu, wie ich festgestellt habe, Neuigkeiten gegenüber skeptisch zu sein, wenn ich von ihnen höre. In dieser Beziehung unterscheide ich mich von vielen, die vertrauensvoller sind. Doch es kommt vor, daß ich etwas Neues höre, was mir besonders gut gefällt oder was ich im voraus erahnt habe, und ich nehme es vorbehaltlos an, ohne Zweifel, ganz im Gegensatz zu meiner sonstigen Art.

Ich habe mir einen Protagonisten ausgedacht, der uns bei unserer Suche begleiten wird. Er verkörpert die skeptische Haltung, der ich zuneige, tut dies aber ganz konsequent, ohne menschliche Schwächen. Wir wollen ihn den Skeptiker nennen. Er wird in diesem Buch hin und wieder angerufen, wenn es notwendig erscheint, bei einem besonders prächtig aufgeblasenen Ballon etwas Luft abzulassen.

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In diesem Kapitel wird ihm allerdings eine noch größere Rolle zufallen. Bevor er aber seine Arbeit aufnimmt, braucht er Vorschriften, einige Regeln, die er auf seine skeptischen Betrachtungen anwendet. Seine Kriterien werden die sein, die ich als Erwachsener für mich selbst auserkoren habe — die der Wissenschaft.

Den Anfang wollen wir mit einer surrealistischen Geschichte machen. Als Kinder verbrachten meine Freunde und ich an Straßenecken und auf Parkbänken Stunden damit, wer die längste und aberwitzigste Geschichte erzählen konnte. Die Geschichten folgten normalerweise einem bestimmten Schema, das wir mit allen möglichen Abenteuern ausschmückten, die uns gerade einfielen. Bei einem dieser Schemata ging es darum, nach der größten Absurdität der Welt zu suchen. Bei einem anderen, das unserem Thema näher ist, war es die Suche nach der Antwort auf letzte Fragen, wie etwa der nach dem Sinn des Lebens.

In einer der typischen Geschichten dieser Art sucht der Held sich eine allerletzte Instanz, die die Antwort kennt. Er bekam beispielsweise den Rat, einen weisen Guru ausfindig zu machen, der auf einem unzugänglichen Berg im Himalaja hauste. Stunden um Stunden echte Zeit vergingen, wenn wir von den jahrelangen Abenteuern des Helden bei seiner Suche nach dem Guru hörten. Er fand ihn schließlich auch und stellte fest, daß sein Äußeres allen Erwartungen entsprach. Der Guru trug ein langes Gewand, hatte ein gütiges Gesicht voller Falten und einen mächtigen grauen Bart. Er saß da und meditierte.

Der Held brachte seine Frage selbstverständlich sofort vor und bekam eine Antwort wie: »Das Leben ist ein Brunnen.« Das stürzte unseren Helden in Verwirrung und Angst, und er platzte nach einigen inneren Kämpfen heraus: »Die Antwort kann doch nicht sein, daß das Leben ein Brunnen ist.« Daraufhin erwiderte der Guru gelassen: »Dann ist das Leben eben kein Brunnen.«

Unser Held in diesem Buch ist selbstverständlich der Skeptiker, und seine Frage ist die nach dem Ursprung des Lebens. Wir wollen auch jetzt die Abenteuer überspringen und gleich zum Kernpunkt vordringen. Der Guru hat inzwischen über seine bisherigen Begegnungen nachgedacht und aus ihnen gelernt. Längere Antworten wurden von den Fragestellern erwartet. Außerdem waren sie oft nicht zufrieden mit den Antworten, die sie bekamen. Er beschloß, eingehender mit ihnen zu arbeiten, um ihnen zu einer annehmbaren Lösung zu verhelfen.

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Als der Skeptiker seine Frage stellte, bot der Guru an, er werde sich um eine Antwort bemühen. Sollte der Skeptiker nicht zufrieden sein mit dem, was er hörte, sollte er am nächsten Tag wiederkommen, und der Guru würde es erneut versuchen. Der Guru war bereit, es eine ganze Woche so zu machen, wenn nötig. Dann würde er sich anderen Dingen widmen müssen.

Das Angebot wurde angenommen, und der Guru begann noch am selben Tag, einem Montag, mit seiner Antwort.

 

Die Montags-Geschichte

 

Das erste Lebewesen, von dem wir wissen, hieß Vater Rabe. Er schuf alles Leben auf der Erde und war der Ursprung von allem. Er war eine heilige Lebenskraft, hatte zuerst die Gestalt eines Menschen und wurde dann zu einem Raben.

Er erwachte plötzlich zu Bewußtsein und kauerte, wie er feststellte, in der Dunkelheit. Er wußte weder, wie er entstanden war, noch, wo er war. Um ihn herrschte völlige Dunkelheit, so daß er nichts sehen konnte. Er tastete sich in der Finsternis vorwärts, fühlte aber nur kalten Ton. Dann erkundete er mit den Händen sein Gesicht und den Körper und merkte, daß er ein Lebewesen war, ein Mensch. Oben an der Stirn hatte er außerdem einen kleinen, harten Knoten, der sich eines Tages zu einem Schnabel entwickeln würde, aber davon wußte er nichts.

Vater Rabe kroch auf dem Lehm umher und erkundete die Umgebung. Dabei stieß er auf einen harten Gegenstand, den er instinktiv vergrub. Er tastete sich weiter, kam plötzlich an einen Rand und machte kehrt. Plötzlich hörte er ein Schwirren und spürte, wie sich ein kleines Geschöpf auf seiner Hand niederließ. Er betastete es mit der freien Hand und erkannte in ihm einen Spatz. Dieser kleine Spatz war zuerst dagewesen und in der Dunkelheit zu ihm gekommen. Vater Rabe hatte ihn erst bemerkt, als er ihn berührte.

Vater Rabe setzte seine Suche fort und kehrte zu der Stelle zurück, wo er den Gegenstand vergraben hatte. Er hatte Wurzeln getrieben und war zu einem Strauch geworden. Andere Sträucher und Gras wuchsen inzwischen auf dem nackten Lehm. Der Mensch fühlte sich einsam, und so formte er aus dem Ton eine Gestalt, die der seinen ähnelte, und wartete.

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Das neue menschliche Wesen wurde lebendig und fing an, ruhelos herumzugraben. Es hatte ein hitziges Temperament und war sehr ungestüm. Vater Rabe mochte es nicht, und so zog er es zum Rand und stieß es in den Abgrund. Dieses Wesen wurde später der böse Geist, der Ursprung alles Bösen auf der Erde.

Vater Rabe kroch zurück zu den Sträuchern und stellte fest, daß aus ihnen ein Wald geworden war. Er erforschte sein dunkles Reich weiter, stieß aber überall auf Wasser, ausgenommen die Seite, an der der Abgrund lag. Der kleine Spatz war die ganze Zeit über ihm geflogen, und daher bat er ihn, hinunterzufliegen und zu erkunden, was es dort gäbe. Das tat der Spatz und berichtete bei seiner Rückkehr, daß sich dort unten ein neues Land befinde, auf dem sich gerade eine Kruste gebildet habe.

Sie waren in dem Land gewesen, das Himmel hieß; das etwas jüngere Land unten nannte Vater Rabe Erde. Er untersuchte den Spatz und ertastete mit den Händen, wie die Flügel konstruiert waren. Aus Zweigen des Waldes machte er sich selbst ein Paar und befestigte sie an den Schultern. Die Zweige verwandelten sich in richtige Flügel, und ihm wuchsen Federn und ein Schnabel. Er war ein großer, schwarzer Vogel geworden und nannte sich Rabe.

Vater Rabe und der Spatz wagten den langen Flug .vom Himmel zur Erde, der sie sehr anstrengte. Als Vater Rabe sich erholt hatte, bepflanzte er das neue Land, wie er es im Himmel getan hatte, und erschuf dann die Menschen. Einige sagen, er habe sie aus Ton gemacht, wie das erste Wesen im Himmel. Andere behaupten, er habe den Menschen zufällig erschaffen, was noch merkwürdiger wäre, als hätte er es bewußt getan. Er habe ein paar Schoten gepflanzt, später dann eine davon geöffnet, und der erste Mensch sei herausgesprungen. Danach habe Vater Rabe alle anderen Geschöpfe erschaffen.

Als Vater Rabe die Erde bevölkert hatte, rief er die Menschen zusammen und sprach zu ihnen: »Ich bin euer Vater. Ihr verdankt mir euer Land und euer Leben. Vergeßt mich nicht.« Dann kehrte er in den Himmel zurück.

Es war die ganze Zeit dunkel gewesen. Mit ein paar Feuersteinen erschuf er jetzt die Sterne und ein großes Feuer, das die Erde erleuchtete. So entstanden die Erde, die Menschen und alles Leben. Aber davor schon war der Rabe da, und noch vor ihm der kleine Spatz.

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Als der Guru seine Geschichte beendet hatte, fragte der Skeptiker nach der Herkunft dieser Geschichte. Er erfuhr, daß Apakag, ein Eskimo, sie Knud Rasmussen, einem skandinavischen Forscher, am Ufer des Nordpolarmeers erzählt habe. Es hieß, sie enthalte die alte Weisheit seines Volks.

Der Skeptiker fragte dann, welche Gründe es geben könne zu glauben, daß diese Geschichte eine genaue Darstellung der Ereignisse um den Ursprung des Lebens gebe. Der Guru erwiderte, wir haben nur das Wort des Eskimos. Viele Kulturen, so fügte er hinzu, haben Schöpfungssagen hervorgebracht. Die Version des Eskimos wies einige ungewöhnliche Eigenarten auf, etwa die Verwirrung der Schöpferkraft, die sie ihm interessant erscheinen ließ. Die Schöpfungssagen wichen in den Einzelheiten stark voneinander ab, doch jede machte sich für die Richtigkeit der eigenen Legende stark.

Wie, so wollte der Skeptiker wissen, könne man dann zwischen ihnen wählen? Ihm wurde geantwortet, das sei eine ganz persönliche Entscheidung.

Daraufhin erklärte er, daß ihm keine davon genüge. Er sei nicht an Mythologie interessiert. Er wünsche sich vielmehr die Antwort einer Disziplin, in der verschiedene Standpunkte verglichen und der richtige dann auf dem Wege allgemeiner Übereinkunft ausgewählt wurde. Die Wissenschaft verfüge über diese Merkmale. Ob der Guru ihm eine Darstellung vom Ursprung des Lebens geben könne, auf die sich die Wissenschaftler geeinigt hätten. Der Guru erklärte, er wolle das am nächsten Tag tun, am Dienstag.

 

Die Dienstags-Geschichte

 

Die Natur ist eine Einheit, begann der Guru. Sie stellt ein gewaltiges, grenzenloses Gebilde dar, das in sich selbst als lebendig betrachtet werden kann. Leben und Tod sind einfach verschiedene Seiten derselben Einheit. So wie Lebewesen ohne weiteres sterben und zu nichtlebender Materie werden können, so kann nichtlebende Materie sich verwandeln und Lebewesen entstehen lassen. Insbesondere die einfacheren Geschöpfe können mühelos gebildet werden.

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Diese Wahrheit bedarf keines besonderen Beweises. Weise Männer und solche der Praxis haben sie schon in alter Zeit erkannt. Aristoteles und seine Anhänger haben beobachtet, daß aus dem Morgentau Leuchtkäfer aufstiegen und viele Kleintierarten sich aus dem Schlamm von Flüssen und Tümpeln erhoben. Urzeugung nannte man diesen Vorgang später. Der Philosoph Rene Descartes untersuchte ihn und erklärte, er sei das Ergebnis von Wärme, die auf die feinen, dichten Partikel verwesender Materie einwirke.

Viele andere berühmte Wissenschaftler und Philosophen haben sich die Vorstellung der Urzeugung zu eigen gemacht, unter anderem Thomas von Aquin, Francis Bacon, Galilei und Kopernikus. Eine stattliche Liste mit Organismen ist zusammengestellt worden, die auf diese Weise entstanden sein könnten. John Needham hat nachgewiesen, daß selbst in mit größter Sorgfalt sterilisierten Gebräuen spontan Mikroorganismen entstehen. Andere haben beobachtet, daß Würmer sich in Holz bilden, Käfer in Dung und Mäuse im Morast von Flüssen. Vor allem der Nil erweist sich als sehr fruchtbar, worüber sogar die Weltliteratur Zeugnis ablegt. In Shakespeares Antonius und Cleopatra sagt Lepidus zu Antonius: »Eure ägyptische Schlange wird also in Eurem Schlamm durch die Wirksamkeit Eurer Sonne ausgebrütet, und so auch Euer Krokodil.«

Ausgefallene Rezepte können zum gleichen Ergebnis führen. Jan Baptist van Helmont, ein flämischer Biologe aus dem 17. Jahrhundert, entwickelte ein Verfahren zur Schaffung von Mäusen aus einer Mischung aus Weizen und verschwitzter Unterwäsche. Die Mäuse erschienen ausgewachsen und konnten mit normalen Mäusen gekreuzt werden.

Wissenschaftler sind sich seit vielen Jahrhunderten einig, daß der Ursprung des Lebens kein Problem darstellt. Geschöpfe aller Art entstehen um uns her ohne Unterlaß.

Der Guru hatte seinen Vortrag beendet, aber der Skeptiker machte einen etwas ratlosen Eindruck, so als hätte er mehr erwartet. Schließlich bemerkte er, daß er meine, die Urzeugung sei verworfen worden. Der Guru bestätigte, daß man gegenwärtig Zweifel habe. Doch jahrhundertelang habe man sie fast widerspruchslos anerkannt. Aber der Skeptiker hatte um eine Darstellung gebeten, auf die sich die Wissenschaftler geeinigt hatten.

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Er wandte ein, mit den Theorien der Vergangenheit habe er nichts im Sinn. Er wolle eine Antwort, hinsichtlich der heute volle Einmütigkeit herrsche. Als ihm erwidert wurde, daß es keine solche Einmütigkeit gebe, verlangte er nach der Erklärung, die am meisten Anerkennung gefunden habe. Der Guru versprach sie für Mittwoch und begann auch sofort am nächsten Morgen.

 

Die Mittwochs-Geschichte

 

Die Erde war vier Milliarden Jahre alt. Der Himmel sah im wesentlichen so wie jetzt aus, doch seine Gase waren eigenartig. Anstelle von Sauerstoff enthielt die Atmosphäre Methan, Wasserstoff und Ammoniakschwaden.

Leben gab es nicht. Der Planet war bedeckt mit seichtem, totem Meer. Kahle Inseln waren das einzige Land; Kontinente existierten noch nicht. Aber es herrschte keineswegs Ruhe. Grollende Vulkane spuckten Lava. Aus heißen Quellen, die in der Nähe brodelten, entwichen Dampf und giftige Gase.

Hin und wieder peitschte ein Gewitter unseren Planeten. Grelle Blitze erleuchteten die Landschaft. Die elektrischen Entladungen wirkten auf die Gase der Atmosphäre ein und brachten sie dazu, sich miteinander und mit Wasser zu verbinden. Seltsame neue Moleküle entstanden, sogenannte Aminosäuren und Nukleotide. Zuvor hatte es sie auf der Erde noch nicht gegeben. Sie waren die Bausteine der lebenden Materie.

Nach und nach füllten immer mehr Aminosäuren und Nukleotide die Meere und schufen ein üppiges organisches Gebräu, das stärker konzentriert als eine Hühnerbrühe war. Die Moleküle kollidierten in dem Gebräu und hefteten sich gelegentlich aneinander. Immer größere Moleküle bildeten sich. Im Verlauf von Hunderten von Millionen Jahren entstanden durch zufällige Kollisionen die verschiedenartigsten Moleküle. Einige hatten die Form einer Spirale, andere waren kugelförmig, und wieder andere ähnelten langen Strängen.

Nach Milliarden Zufallsereignissen entstand schließlich ein Molekül, daß die magische Fähigkeit besaß, sich zu reproduzieren. Dieses Wunder-Molekül bestand aus zwei langen Nukleotid-Ketten, die sich umeinanderrankten. Wenn die Ketten sich trennten, zogen beide Teile Nukleotide an und bildeten eine Kopie ihres früheren Partners. Es bestanden nun zwei Riesen-Moleküle anstelle von einem. Eine Reproduktion, eine Fortpflanzung, hatte stattgefunden.

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Dieser Vervielfältigungsvorgang ereignete sich wieder und wieder. Schon bald beherrschten die Nachkommen des ursprünglichen Eltern-Moleküls die Meere der jungen Erde. Sie waren die ersten Lebensformen.

In den Jahrmilliarden, die folgten, entfalteten sich diese frühen, sich selbst reproduzierenden Moleküle und schufen schließlich die Vielfalt an Geschöpfen, die heute die Erde bevölkern - Mikroben, Pflanzen, Mäuse und Menschen. Jedes Geschöpf besteht aus Zellen, und die Zellen bestehen aus den gleichen Bausteinen, aus Aminosäuren und Nukleotiden. Im Zentrum jeder lebenden Zelle liegt ein Abkömmling des ersten lebenden Moleküls. Wir nennen es heute DNA.

Diesmal machte der Skeptiker einen fast zufriedenen Eindruck. Auf diese Geschichte war er in leicht abgewandelter Form schon viele Male gestoßen, an Schulen, in Museen und in öffentlichen Medien. Ihm gefiel gerade diese Version, und er hörte mit Genugtuung, daß sie von vielen Wissenschaftlern anerkannt wurde. Aber was war mit den übrigen ? Würden auch sie bald einschwenken?

Der Guru bestätigte, daß diese Geschichte schon viele Male erzählt worden sei. Er hatte seine Fassung einer Darstellung entnommen, die der Astronom Robert Jastrow in seinem Buch Until the Sun Dies gegeben hatte. Es sei jedoch wenig wahrscheinlich, daß die Wissenschaftler, die diese Theorie heute ablehnten, sie in der Zukunft anerkennen würden. Tatsächlich gäbe es inzwischen sogar mehr Andersdenkende als noch vor zwanzig Jahren.

Der Skeptiker fragte, warum dies so sei. Er erfuhr, daß eine zunehmende Zahl Wissenschaftler heute glaube, daß weder die beschriebene Atmosphäre noch die »Ursuppe« je existiert hätten. Außerdem habe man sich bemüht, im Labor das Wundermolekül aus einer simulierten Ursuppe herzustellen, war jedoch bisher gescheitert.

Hätte auf der Erde Leben ohne diese Atmosphäre, die Ursuppe und die DNA entstehen können? Der Guru erwiderte, es sei eine neue Vorstellung aufgekommen, die ohne diese Zutaten auskomme. Er wolle diese Geschichte am nächsten Tag erzählen.

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Die Donnerstags-Geschichte

 

Vor vier Milliarden Jahren gab es auf der Erde Felsgestein, Wasser und Luft, so wie heute. Aber die Luft war nicht erfüllt von eigenartigen Gasen, und in den Meeren schwammen auch keine Nukleotide und Aminosäuren. Die Atmosphäre enthielt Stickstoff und Kohlendioxid, die uns heute vertraut sind. Nur Sauerstoff fehlte, den wir zum Leben brauchen.

Stürme tobten, und Regen fiel. Das Gestein verwitterte, zerfiel und lagerte sich ab. Neue Erdschichten und Minerale entstanden. Zu ihnen gehörte die Tonerde, die in vielen verschiedenen Mustern kristallisierte. Die verschiedenen Formen entfalteten sich, zerbrachen, wurden von Flüssen fortgetragen und bildeten sich neu. Als sich die Bedingungen änderten, fanden einige weite Verbreitung, andere verschwanden.

Verfolgen wir die Erlebnisse dreier dieser Tonformen, die wir Matschig, Zäh und Klumpig nennen wollen. Jede hatte sich in der Gegend durchgesetzt, in der sie zuerst abgelagert worden war. Matschig war von lockerer, offener Beschaffenheit. Sie hatte viele offene Kanäle, durch die Wasser dringen konnte. Diese Wasserrinnsale lagerten Minerale ab, was Matschig weiter wachsen ließ. Sie nahm sehr schnell zu. Zäh war kompakt und geschlossen. Sie haftete sehr gut am umliegenden Gestein, ließ aber kaum Wasser durch. Sie wuchs sehr langsam. Klumpig war eine Mischung der Eigenschaften der beiden anderen. Sie war geronnen, hatte die Beschaffenheit einer mißlungenen Eiercreme. Sie wuchs mäßig schnell. Die drei Tonerden hatten ihr bisheriges Leben in ziemlich gleichbleibendem, trockenem Klima verbracht.

Eines Tages änderte sich das Klima, und es fing an, heftig zu regnen. Matschig fand kaum Halt auf dem Gestein. Sie wurde fortgespült, und man hörte nie wieder etwas von ihr. Zäh hielt sich ganz gut und machte in ihrer Randexistenz weiter wie bisher. Sie wuchs jedoch nicht und breitete sich auch nicht aus und spielte bei zukünftigen Ereignissen kaum eine Rolle. Klumpig war diejenige, die sich der Lage am besten anpaßte. Sie brach auseinander. Ein Teil blieb an Ort und Stelle. Der Rest, ihre Kinder, wurde weggeschwemmt. Vielen gelang es, an anderem geeignetem Gestein Fuß zu fassen. Als der sintflutartige Regen nachließ und wieder normale Bedingungen eintraten, wurden die Klumpig-Kinder größer.

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Dieser Kreislauf wiederholte sich. Neue Klumpig-Generationen wuchsen heran und entwickelten sich zu verbesserten Arten. Eines Tages erschien eine neuartige Klumpig, die gelernt hatte, organische Moleküle — die Art, die wir heute im Leben benutzen — in ihre Struktur einzubauen. Diese Praxis griff um sich und eskalierte. Die ton-organischen Wesen hatten bessere Überlebenschancen als die, die nur aus Ton bestanden, und weitere Verbesserungen waren dadurch möglich, daß der Tongehalt noch stärker verringert wurde.

Eines Tages erreichte ein ferner Abkömmling von Klumpig das logische Ende dieses Prozesses. Der letzte Rest von Ton wurde aufgegeben. Der Abkömmling war nicht mehr an Gestein gebunden und konnte ungehindert in den Meeren der Erde umhertreiben. Die moderne Evolution hatte begonnen, mit dieser ersten Zelle, die nur aus organischen Chemikalien bestand.

 

Der Skeptiker runzelte die Stirn und sagte, daß sie sich doch darauf geeinigt hätten, die Mythologie aus dem Spiel zu lassen. Aber hier war sie wieder, mit Wesen, die aus Erde erschaffen worden waren. Es fehlte nur Vater Rabe.

Der Guru entgegnete, daß die Erschaffung des Lebens aus Ton zugegebenermaßen ein Merkmal vieler mythologischer Darstellungen und auch Teil der Theorie von der Urzeugung sei. Die obige Geschichte beruhe jedoch auf echter Wissenschaft und sei von einem Chemiker der Universität Glasgow namens Graham Cairns-Smith entwickelt worden. Vieles daran sei Spekulation, und man habe bisher auch kaum einschlägige Experimente durchgeführt, aber dennoch sei es Wissenschaft.

Der Skeptiker wollte daraufhin wissen, ob diese Theorie von anderen Wissenschaftlern unterstützt werde. Er erfuhr, daß ihr Urheber in der Wissenschaft noch keinen Namen habe. Erst eine kleine, aber wachsende Zahl von Anhängern befürworte diese Hypothese.

Wenn er sich schon Spekulationen anhören müsse, warf der Skeptiker ein, dann bitte die Gedanken berühmter Wissenschaftler unserer Zeit. Der Guru versprach, diesem Wunsch am nächsten Tag nachzukommen.

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Die Freitags-Geschichte

 

Vor langer Zeit lebte in einem fernen Sternensystem eine zivilisierte Rasse. Ihre Sonne war der unseren sehr ähnlich, ging ihr jedoch um Jahrmilliarden voraus. Der Heimatplanet dieser Rasse hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der Erde — er besaß eine Atmosphäre, große Meere und ein angenehmes Klima. Der Planet war jedoch kompakter als die Erde, und seine große Schwerkraft machte es ihm möglich, einen Großteil der Wasserstoffwolke festzuhalten, in der er entstanden war. Diese Wasserstoffatmosphäre machte ihn im Gegensatz zur Erde zu einem sehr geeigneten Ort für die Entstehung von Leben.

Das Leben begann in dieser fernen Welt und entfaltete sich zu komplexeren Formen. Nach Milliarden Jahren erschienen schließlich intelligente Wesen. Der Evolutionsprozeß auf diesem Planeten hatte begonnen, als das Universum noch jung war, und die Zivilisation existierte dort zu einer Zeit, als unser eigenes Sonnensystem und unser Heimatplanet gerade entstanden waren.

Hier bekommt unsere Geschichte einen traurigen Einschlag. Diese Wesen, die wir die Alten nennen wollen, stellten fest, daß die Zivilisation auf ihrem Planeten nicht würde überleben können. Ihre Sonne würde irgendwann zu einem Roten Riesen werden, der ihre Welt verschlingen und rösten würde. Die Alten versuchten sich mit verschiedenen Mitteln zu retten. Sie erkundeten andere Welten in ihrer Nähe, in ihrem und in benachbarten Sonnensystemen, um für eine Besiedlung geeignete Planeten zu finden, aber vergebens.

Ferngesteuerte Raumsonden wurden ausgesandt, die weiter entfernte Sterne erkunden sollten. Sie meldeten, daß es einige Welten gebe, die der der alten in etwa ähnelten, auf denen aber kein Leben existiere. In einigen Fällen habe sich ein Gebräu aus organischen Molekülen angesammelt, doch fehle der eine oder andere Faktor, der zur Vollendung des Prozesses notwendig sei.

Daraufhin bauten die Alten Raumschiffe. Expeditionen, die viele Generationen dauerten, brachten die Siedler zu den neuen Welten. Die nächstgelegenen waren einhundert Lichtjahre entfernt. Die besten Raumschiffe, die die Alten bauen konnten, brauchten zehntausend Jahre für die Reise, ein Vielfaches ihres Lebens. Sie waren nicht in der Lage, einen scheintodartigen Zustand herbeizuführen, der diese Zeitspanne überbrückt hätte.

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Statt dessen schickten sie kleine Gruppen in das All, in der Hoffnung, die Abkömmlinge der Pioniere würden die neuen Planeten erreichen und besiedeln. Diese Gruppen erwiesen sich jedoch als nicht stabil genug. Die Raumschiffe kehrten entweder nach ein paar Jahrhunderten zurück oder gingen verloren.

Da sahen die Alten ein, daß sie das Überleben ihrer Zivilisation nicht durchsetzen konnten. Sie begnügten sich mit einem bescheideneren Ziel, dem Weiterbestand des Lebens an sich. Sie erwarteten nicht, daß höhere Organismen eine zehntausend Jahre lange Reise durch das All überstehen könnten, doch Bakterien konnten das ohne weiteres.

Man konstruierte spezielle Raumschiffe, die auf einer langen Reise tiefgefrorene Bakterien beförderten. Jede Rakete nahm viele Behältnisse mit jeweils Milliarden von Bakterien an Bord. Einige der Mikroben konnten sich von organischen Molekülen ernähren, andere von Mineralen, und mehrere Arten waren imstande, sich ihre Nahrung mit Hilfe von Sonnenenergie (Photosynthese) selbst herzustellen. Jedes Raumschiff war zu einem Sonnensystem unterwegs, das, wie man wußte, eine für das Leben geeignete Welt besaß.

Vor vier Milliarden Jahren erreichte eines dieser Raumschiffe die Erde. Das Ziel wurde erkannt. Die Ladung wurde abgeworfen, und ihr Inhalt ergoß sich über diesen Planeten. Viele Bakterien landeten in ungeeigneten Gebieten. Einige fanden im Wasser eine sichere Zuflucht. Die geeignetsten Arten faßten Fuß und entfalteten sich. Wir sind ihre direkten Abkömmlinge, aber die Alten waren unsere Paten.

Als der Guru geendet hatte, wartete er nicht die erste Frage ab, sondern fügte eine geschichtliche Anmerkung an. Francis Crick hat diesen Gedanken in seinem Buch Das Leben selbst ausführlich behandelt. Einige andere Wissenschaftler haben ihn schon früher beiläufig erwähnt. Crick ist einer der berühmtesten Wissenschaftler unserer Zeit, ein Nobelpreisträger. Zusammen mit James Watson entwickelte er die Watson-Crick-Theorie, den bedeutendsten Gedanken in der modernen Genetik. Crick hat darüber hinaus viele andere außergewöhnliche Beiträge zur Wissenschaft geleistet.

Diese Anmerkungen brachten den Skeptiker etwas durcheinander. Der dachte eine Zeitlang nach und stellte dann einige Fragen: Hat Francis Crick wirklich geglaubt, daß das Leben auf der Erde so begann? Wie würden wir je etwas von den Alten erfahren?

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Aber selbst wenn die Geschichte, die wie Science fiction anmutete, wahr wäre, so enthielt sie doch nicht die Antwort auf die eigentliche Frage nach dem Ursprung des Lebens. Wie waren die Alten auf ihrem Planeten entstanden?

Der Guru erwiderte, Crick sei nicht überzeugt gewesen, daß sich die Ereignisse so zugetragen hätten. Er habe es lediglich als eine Alternative zu den herkömmlichen Theorien dargestellt. Es war schwer, zu dieser Zeit Beweise für sie zu finden. Crick hatte die Theorie als verfrüht betrachtet. Und, nein, über den Ursprung des ersten Lebens in der Galaxie habe er nichts gesagt.

Aber, so fuhr der Guru fort, es gebe noch eine Theorie, die derjenigen Cricks in mancher Hinsicht ähnele. Auch sie postuliere für das Leben hier einen außerirdischen Ursprung vor vier Milliarden Jahren. Ein anderer berühmter britischer Wissenschaftler sei ihr Haupturheber. Er habe zwar nicht den Nobelpreis bekommen, sei aber geadelt worden. Es sei der Astronom Sir Fred Hoyle.

Hoyle war von der Gültigkeit seiner Theorie überzeugt. Er legte Material vor, das sie stützte, und führte die Ursprünge zurück bis zu einer letzten Antwort. Der Guru wollte morgen damit fortfahren, falls der Skeptiker daran interessiert sei. Der Skeptiker war einverstanden.

 

Die Samstags-Geschichte

 

Das Leben kam aus dem All auf die Erde, in Gestalt von lebender Materie, Bakterien und Viren. Zellen, Viren und kleine Stücke genetischen Materials sind während der ganzen Zeit, in der unser Planet besteht, hier aufgetaucht und haben viele der biologischen Fortschritte hervorgerufen, die der Darwinschen Evolution zugeschrieben werden.

Das lebende Material, das uns erreichte, wurde zuvor von einem anderen Sonnensystem ausgestoßen. Es kam durch den interstellaren Raum, getrieben vom Sonnenwind, bis es auf eine riesige Gaswolke stieß. Diese Wolke kollabierte schließlich und ließ unser Sonnensystem entstehen.

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Zu Beginn ihres Daseins war unsere Sonne sehr heiß und hell; die Temperatur in der Entfernung der gegenwärtigen Umlaufbahn der Erde um die Sonne erreichte die eines Hochofens. In größerer Entfernung, in der Gegend der Umlaufbahnen von Uranus oder Neptun, war die Temperatur günstiger und lag bei etwa 20° C, was ideal für die Lebensprozesse war. Bei dieser Temperatur vermehrten sich die Bakterien stark, wobei sie sich von Chemikalien in der Wolke ernährten. Zu dieser Zeit bildeten sich Kometen, und einige der Bakterien siedelten sich in ihnen an und reproduzierten sich, bis sie in großer Zahl existierten. Andere Bakterien entwichen in den interstellaren Raum und begannen eine Reise zu einem anderen Sonnensystem. Die Sonne kühlte ab, und es entstanden die Planeten. Viele Kometen blieben jenseits des Orbits des Neptuns, wo jetzt extreme Kälte herrschte. Die Bakterien in den Kometen wurden eingefroren, ihre Lebensprozesse in der Schwebe gehalten, und so blieben sie vier Milliarden Jahre.

Von Zeit zu Zeit wurde ein Komet jedoch durch die Anziehungskraft eines vorbeiziehenden Sterns in eine neue Umlaufbahn abgelenkt und trat in den inneren Teil des Sonnensystems ein. Bei der Annäherung an die Sonne taute das gefrorene Material an seiner Oberfläche auf und verdampfte. Zellen und Viren wurden zusammen mit anderen Partikeln in das All freigesetzt und bombardierten die Erde. Zusätzlich zu dieser Invasion landeten gelegentlich ganze Kometen weich auf der Erde und anderen Planeten mit einer Atmosphäre, etwa dem Mars. In der Frühzeit der Erde gelangten ständig lebende Zellen von Kometen auf die Erdoberfläche. Viele gingen zugrunde, aber ein paar Arten überlebten und siedelten sich an. So begann das Leben auf der Erde.

Dieser Zustrom von den Kometen hielt durch alle Epochen an. Neues biologisches Material verursachte Entwicklungsschübe, deren Auswirkungen aber nicht durchwegs vorteilhaft waren. In der jüngeren Geschichte wurden Epidemien einschließlich mehrerer Grippewellen durch Infektionen ausgelöst, deren Ausgangsort Kometen waren.

Diese Geschichte hatte noch nichts darüber ausgesagt, wie die Bakterien und Viren im All entstanden sind. Selbst so einfache Lebensformen sind viel zu kompliziert, als daß sie durch zufällige chemische Reaktionen in einem Gebräu hätten entstehen können. Sie wurden von einer höheren Intelligenz entwickelt, vielleicht einem Wesen, dessen Lebensvorgänge auf den chemischen Eigenschaften von Silizium beruhen. Und hinter den Wesen, die uns geschaffen haben, stehen noch intelligentere Wesen. Diese Wesen waren in der Lage, die grundlegenden Gesetze der Physik selbst zu steuern und zahllose Merkmale des Universums zu bestimmen.

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Es existiert eine ganze Kette intelligenter Wesen, die bis zu einer letzten Intelligenz führt, zu Gott, der das Universum selbst ist. Gott gleicht dem Universum.

Es folgte ein langes Schweigen auf diesen Bericht. Dann stellte der Skeptiker die erwarteten Fragen. Er wollte etwas wissen über das Vorliegen von Beweisen sowie die Art und Breite der Unterstützung, die diese Ideen bei anderen Wissenschaftlern gefunden hatten. Er äußerte sich zum Mangel an Einzelheiten über die Kette höherer Intelligenz. Hatte er es hier mit Wissenschaft oder mit Religion zu tun?

Der Guru erklärte, daß Hoyle und sein Mitarbeiter Chandra Wick-ramasinghe im wesentlichen allein stünden bei der Verteidigung ihrer Theorie, obwohl sie eine ganze Reihe technischer Unterlagen veröffentlicht hätten. Gott und die höheren Intelligenzen kamen in diesen ausführlichen Arbeiten nicht vor; sie wurden in einem populären Buch abgehandelt. Ein begrenzter Teil der Beweise wurde von einigen Wissenschaftlern anerkannt, aber das meiste war auf heftige Kritik gestoßen.

Aber es gab noch eine andere Gruppe, die sich für Wissenschaftler hielt. Sie unterstützten nachdrücklich bestimmte Teile dieser Theorie, insbesondere die Ablehnung des Gedankens an einen chemischen Ursprung des Lebens, und standen hinter der Vorstellung eines Weltenschöpfers. Die Ansichten dieser Gruppe finden enormen Zuspruch in der breiten Öffentlichkeit, fuhr der Guru fort. (Trotz der Abgeschiedenheit im Himalaja fand der Guru Wege, sich über die neuesten Ereignisse in der Welt zu informieren.) Bei einer Umfrage des Gallup-Insti-tuts bekräftigten 1982 vierundvierzig Prozent der amerikanischen Öffentlichkeit ihre Haltung zur Erschaffung des Menschen und vermutlich des Lebens. Hoyle und Wickramasinghe haben bei bestimmten Anlässen tatsächlich mit dieser Gruppe zusammengearbeitet. Der Guru wollte über die Ansicht dieser Gruppe in seiner letzten Geschichte berichten, die am Sonntagmorgen beginnen sollte.

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Die Sonntags-Geschichte

 

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

Und die Erde war wüst und leer, und es war finster über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.

Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so. Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.

Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, daß man das Trockene sehe. Und es geschah so. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist. Und es geschah so. Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner Art, und Bäume, die da Früchte tragen, in denen ihr Same ist, ein jeder nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.

Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre und seien Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so. Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.

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Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und Gott schuf große Walfische und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden. Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.

Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so. Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch Untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht. Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebte, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.

 

»Das hab' ich schon mal gehört«, sagte der Skeptiker, »aber das ist nun wirklich Religion. Es mag ja eine sehr gute Religion sein. Aber eine derartige Erklärung suche ich nicht. Ich habe den weiten Weg gemacht, um eine wissenschaftliche Antwort zu bekommen, keine religiöse oder mythische. Ich dachte, ich hätte dir das klargemacht. Das hier zählt nicht. Ich möchte eine andere Geschichte.«

Der Guru zeigte sich unbeeindruckt durch diese Bitte. Ja, viele hielten diese Geschichte für Religion. Aber die Gruppe, die er gemeint habe, die Anhänger der Lehre von der Weltschöpfung durch einen allmächtigen Schöpfer, ließen sich nicht davon abbringen, daß es sich um Wissenschaft handle, und beharrten darauf, daß sie im Wissenschaftsunterricht in den Schulen gelehrt werden solle. Er habe dieses Material nicht als Religion unterbreitet, sondern wollte ihren Standpunkt darlegen, demzufolge er wissenschaftlich sei.

Gleichviel, er konnte keine Zeit mehr erübrigen. Er riet dem Skeptiker, sich selbst mit dem Material zu befassen, wenn er eine wissenschaftliche Antwort auf seine Fragen haben wolle, anstatt sich an eine Autorität zu wenden, auch wenn diese so weise sei wie ein Guru. Aber zuvor, fügte er hinzu, wäre es vielleicht ratsam, etwas über das Wesen der Wissenschaft zu lernen und über den Unterschied zwischen ihr, der Religion und der Mythologie.

Wir wollen dem Rat des Gurus folgen.

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