Die Evolution der Kindheit  (1973)         Start    Weiter

Kindsmord und Todeswünsche gegenüber Kindern

 

 

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In zwei Büchern, die sich durch reiche klinische Dokumentation auszeichnen, hat der Psychoanalytiker Joseph Rheingold die Todeswünsche von Müttern108) gegenüber ihren Kindern untersucht und nicht nur heraus­gefunden, daß sie wesentlich weiter verbreitet sind, als allgemein wahrgenommen wird, sondern auch, daß sie einem mächtigen Versuch entstammen, die Mutterschaft "ungeschehen" zu machen, damit diese Frauen der Bestrafung entgehen, die ihre eigenen Mütter ihnen ihrer Vorstellung nach auferlegen würden. 

Rheingold führt uns Mütter vor Augen, die gebären und ihre eigenen Mütter anflehen, sie nicht zu töten, und ortet den Ursprung sowohl der kinds­mörderischen Wünsche als auch der postpartalen Depressions­zustände nicht in einer Feindseligkeit dem Kind selbst gegenüber, sondern im Bedürfnis, das Kind zur Besänftigung der eigenen Mütter zu opfern. Das Krankenhauspersonal ist sich dieser weitverbreiteten kindsmörderischen Wünsche sehr wohl bewußt und erlaubt oft einige Zeit lang keinen Kontakt zwischen Mutter und Kind. 

108)  Joseph C. Rheingold, The Fear of Being a Woman: A Theory of Maternal Destructiveness, New York 1964, und ders., The Mother, Anxiety, and Death: The Catastrophic Death Complex, Boston 1967.  
109)  Dorothy Bloch, Feelings That Kill: The Effect of the Wish for Infanticide in Neurotic Depression, in The Psychoanalytic Review 52 (1965); Bakan, Slaughter; Stuart S. Asch, Depression: Three Clinical Variations, in Psychoanalytic Study of the Child 21 (1966), 170-171; Morris Brozovsky und Harvey Falit, Neonaticide: Clinical and Psychodynamic Considerations, in Journal of Child Psychiatry 10 (1971); Wolfgang Lederer, The Fear of Women, New York 1968; Galdston, Dysfunctions, und die Bibliographie bei Rheingold.

Die Belege Rheingolds, Blocks, Zilborgs und anderer109) sind komplex und haben weitreichende Implikationen; wir können hier nur herausheben, daß die Impulse heutiger Mütter zur Tötung der Nachkommen­schaft überaus weit verbreitet sind und mit Phantasien von Erstechen, Verstümmelung, Mißbrauch, Enthauptung und Strangulierung einhergehen, die Mütter in der Psychoanalyse gewöhnlich äußern. Je weiter in der Geschichte man zurückgeht, so meine ich, desto mehr Impulse zur Tötung der Nachkommenschaft von Eltern werden ausagiert.

Die Geschichte des Kindsmords in der westlichen Welt muß erst geschrieben werden, und ich strebe das hier nicht an. Es ist aber bereits genug bekannt, um sagen zu können, daß entgegen der üblichen Annahme, es handle sich hier mehr um ein östliches als um ein westliches Problem, Kindsmord sowohl an ehelichen wie an unehelichen Kindern in der Antike eine regelmäßige Praxis war, daß das Töten ehelicher Kinder erst im Mittelalter langsam eingeschränkt wurde und daß uneheliche Kinder bis weit ins 19. Jahrhundert herauf regelmäßig getötet wurden.110)

 

110)   Bibliographien finden sich bei: 

Abt-Garrison, History of Pediatrics # Bakan, Slaughter # William Barclay, Educational Ideas in the Ancient World, London 1959, Anhang A # H. Bennett, Exposure of Infants in Ancient Rome, in Classical Journal 18 (1923), 341-345 # A. Cameron, The Exposure of Children and Greek Ethics, in Classical Review 46 (1932), 105-114 # Jehanne Charpentier, Le Droit de l'enfance Abandonee, Paris 1967 #  A.R. W. Harrison, The Law of Athens: The Family and Property, Oxford 1968 #  William L. Langer, Checks on Population Growth: 1750-1850, in Scientific American (1972), 93-99 #

Francois Lebrun, Naissances illegitimes et abandons d'enfants en Anjou au XVIIIe siecle, in Annales: Economies, Societes, Civilisations 27 (1972); A. J. Levin, Oedipus and Samson, the Rejected Hero-Child, in International Journal of Psycho-Analysis 38 (1957), 103-110; John T. Noonan, Jr., Contraception: A History of Its Treatment by the Catholic Theologians and Canonists, Cambridge, Massachusetts, 1965; Payne, Child; Juha Pentika-inen, The Nordic Dead-Child Traditions, Helsinki 1968; Max Raden, Exposure of Infants in Roman Law and Practice, in Classical Journal 20 (1925), 342 f.; Edward Shorter, Illegitimacy, Sexual Revolution, and Social Change in Modern Europe, in The Journal of Interdisciplinary History 2 (1971), 237-272; ders., Infanticide in the Past, in History of Childhood Quarterly: The Journal of Psychohistory 1 (1973), 178-180; ders., Sexual Change and Illegitimacy: The European Experience, in: Modern European Social History, hg. v. Robert Bezucha, Lexington, Massachusetts, 1972, 231-269; John Thrupp, The Anglo-Saxon Home: A History of the Domestic Institutions and Customs of England. From the Fifth to the Eleventh Century, London 1862; Richard Trexler, Infanticide in Florence, in History of Childhood Quarterly: The Journal of Psychohistory 1 (1973), 98-117; La Rue Van Hook, The Exposure of Infants at Athens, in American Philologkai Association Transactions and Proceedings 51 (1920), 36-44; Oscar H. Werner, The Unmarried Mother in German Literature, New York 1966; G. Glotz, L'Exposition des Enfants. Etudes Sociales et Juridiques sur l'antiquite grecque, Paris 1906; Y.-B. Brissaud, L'infanticide ä la fin du moyen äge, ses motivations psychologiques et sa repressi-on, in Revue historique de droit francais et etranger 50 (1972), 229-256; M. de Gou-roff (Antoine J. Duguer), Essai sur l'histoire des enfants trouves, Paris 1885; William L. Langer, Infanticide: A Historical Survey, in History of Childhood Quarterly: The Journal of Psychohistory 1 (1973), 353-367.

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Der Kindsmord in der Antike wird üblicherweise trotz buchstäblich Hunderter deutlicher Hinweise antiker Autoren herunter­gespielt, denen zufolge er ein akzeptiertes, alltägliches Ereignis war. Kinder wurden in Flüsse geworfen, auf Misthaufen und Jauchengruben geschleudert, in Töpfe "eingepflanzt", wo sie verhungerten, und an jedem Hügel, an jeder Straßenecke ausgesetzt, "Beute für Raubvögel, Futter für wilde Tiere zum Zerreißen" (Euripides, Ion, 504). 

Zunächst wurde generell jedes Kind getötet, das hinsichtlich seiner Gestalt und Größe nicht perfekt war, zuwenig oder zuviel weinte oder sich auf irgendeine andere Weise von dem unterschied, was in den gynäkologischen Schriften darüber, "Wie man erkennt, ob das Neugeborene der Aufzucht wert ist",111) beschrieben wird. Darüber hinaus wurde das Erstgeborene in der Regel am Leben gelassen,112) besonders, wenn es ein Knabe war. Mädchen wurden natürlich geringgeschätzt, und die Instruktionen Hilarions für seine Frau Alis (1 v.Chr.) sind typisch für die Offenheit, mit der diese Dinge diskutiert wurden: "Solltest du, was gut der Fall sein kann, ein Kind gebären, so laß es, wenn es ein Knabe ist, am Leben; ist es ein Mädchen, setz es aus."113) 

Das Resultat war ein großes Ungleichgewicht von Männern und Frauen, das für die westliche Welt bis weit ins Mittelalter, als das Töten ehelicher Kinder vermutlich stark eingeschränkt wurde, typisch war. (Das Töten unehelicher Kinder beeinflußt das Verhältnis der Geschlechter nicht, da generell beide Geschlechter getötet werden.) 

 

111)  Soranus, Gynecology, 79. 
112)  Lacey, Family, 164.
113)  John Garrett Winter, Life and Letters in the Papyri, Ann Arbor, Michigan, 1933, 56; Naphtali Lewis und Meyer Reinhold, Roman Civilization: Source Book 2, New York 1955, 403; Gunnlaugs saga ormstungu, in: Three Icelandic Sagas, übers, v. M. H. Scargill, Princeton 1950, 11 f.

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Statistiken für die Antike, soweit sie zugänglich sind, weisen eine große Überzahl von Knaben gegenüber Mädchen aus; in 79 Familien, die um 228 bis 220 v. Chr. das milesische Bürgerrecht erhielten, gab es z.B. 118 Söhne und 28 Töchter; 32 Familien hatten ein Kind, 31 hatten zwei Kinder. Wie Jack Lindsay es ausdrückt:

Zwei Söhne sind nicht ungewöhnlich, drei gibt es hin und wieder, mehr als eine Tochter hingegen wurde praktisch nie aufgezogen. Poseidippos sagte, "eine Tochter setzt auch ein reicher Mann stets aus" ... Von 600 Familien auf den Inschriften aus dem 2. Jahrhundert in Delphi erzog 1% zwei Töchter.

Das Töten ehelicher Kinder war auch unter reichen Eltern so üblich, daß Polybius es für die Entvölkerung Griechenlands verantwortlich machte:

In unserer Zeit unterliegt ganz Griechenland einer niedrigen Geburtsrate und einem allgemeinen Bevölkerungs­rückgang, so daß die Städte menschenleer geworden sind und das Land aufgehört hat, Früchte zu tragen, obwohl es weder andauernde Kriege noch Epidemien gegeben hat ... nachdem die Männer in solch einen Zustand von Anmaßung, Habgier und Trägheit verfallen sind, daß sie sich nicht zu vermählen wünschen oder, wenn sie vermählt sind, die ihnen geborenen Kinder nicht aufziehen, oder wenigstens deren eines oder zwei, wie es üblich ist...

Bis ins vierte nachchristliche Jahrhundert konnten in Griechenland wie in Rom weder das Gesetz noch die öffentliche Meinung am Kindsmord etwas Falsches finden. Auch die großen Philosophen waren derselben Ansicht. Die paar Stellen, die von Altphilologen als Verurteilung des Kindsmords angesehen werden, scheinen mir nachgerade auf das Gegenteil hinzudeuten, wie etwa Aristoteles' Standpunkt: "Was nun das Aussetzen oder Aufziehen der geborenen Kinder angeht, so soll es ein Gesetz geben, wonach kein mißgestaltetes Kind aufgezogen werden solle; aufgrund der Vielzahl von Kindern aber muß es, sofern die üblichen Gebräuche verhindern, daß Geborene ausgesetzt werden, eine bestimmte Grenze für die Vermehrung der Nachkommenschaft geben." In ähnlicher Weise wird auch Musonius Rufus, mitunter "der römische Sokrates" genannt, als einer angeführt, der gegen den Kindsmord aufgetreten sei, sein knappes Werk "Soll jedes geborene Kind aufgezogen werden?" stellt jedoch unzweifelhaft lediglich fest, daß Brüder nicht getötet werden sollten, zumal sie sehr nützlich sind.

 

114)  Jack Lindsay, The Ancient World, London 1968, 168.
115)  Polybius, The Histories, Bd. 6, übers, v. W. R. Paton, London 1927, 30. 
116)  Cora E. Lutz, Musonius Rufus "The Roman Socrates", in: Alfred R. Bellinger (Hg.), Yak Classical Studies, Bd. 10, New Haven 1947, 101; obwohl sein Schüler Epiktet mehr gegen den Kindsmord zu sein scheint, vgl. Epiktet, Discourses, Kapitel 23. Vgl. auch die rechtliche Billigung des Kindsmords in den Gortyna Law Ta-bles, IV:21, 23, in: R. Dareste (Hg.), Recueil des Inscriptions Juridiques Grecques, Paris 1894, 365.

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Weitaus mehr antike Schriftsteller befanden den Kindsmord hingegen ganz freimütig für gut und meinten, wie etwa Aristipp, daß ein Mann mit seinen Kindern tun könne, was er wolle, denn: "Trennen wir uns nicht (auch) von unserer Spucke, von Läusen und dergleichen, als von unnützen Dingen, die nichtsdestoweniger sogar aus uns selber entstanden sind?" Oder sie gaben vor, es handle sich jeweils nur um schwächliche Kinder:

Verrückten Hunden schlagen wir auf den Kopf; den wilden und rasenden Ochsen schlachten wir; kranke Schafe führen wir dem Messer zu, um zu verhindern, daß sie die Herde anstecken; unnatürliche Nachkommenschaft zerstören wir; wir ertränken sogar Kinder, die bei der Geburt schwach und abnorm sind. Und doch ist es nicht zornige Leidenschaft, sondern die Vernunft, die das Schädliche vom Gesunden trennt.

Das Thema Aussetzung war weitverbreitet im Mythos, in der Tragödie und jüngeren Komödie, die häufig darum kreist, wie lustig Kindsmord doch ist. In Menanders Samia (Das Mädchen von Samos) stammt die Heiterkeit von der Darstellung eines Mannes, der versucht, ein Baby zu zerhacken und zu grillen. In seiner Komödie Das Schiedsgericht greift ein Schafhirte einen ausgesetzten Säugling auf, überlegt, ihn aufzuziehen, ändert dann aber seine Meinung und sagt: "Was habe ich mit der Aufzucht von Kindern und der ganzen Mühsal zu schaffen!" Er gibt es einem anderen, streitet aber mit ihm darum, wer das Halsband des Babys behält.119) 

Es muß jedoch festgehalten werden, daß Kindsmord vermutlich seit prähistorischer Zeit allgemein üblich war. Henri Vallois, der die ganzen prähistorischen Fossilien, die von der Zeit der Pithekanthropen bis zu der der Völker des Mesolithikums ausgegraben wurden, in Tabellen verzeichnet hat, kam auf ein Geschlechtsverhältnis von 148 zu 100 zugunsten von Männern.120) 

 

117)  Bartholomew Batty, The Christian Mans Closet, 1581 übers, v. William Lowth, 28.  
118)  Seneca, Moral Essays, übers, v. John W. Basore, Cambridge, Massachusetts, 1963, 145.  
119)  Menander, The Principal Fragments, übers, v. Frances G. Allinson, London 1921, 33 (vgl. dt. Das Schiedsgericht, Triesenberg 41974); Philip E. Slater, The Glory of Hera: Greek Mythology and the Greek Family, Boston 1968.

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Griechen und Römer bewohnten in Wirklichkeit eine Insel der Aufklärung inmitten eines Meers von Nationen, die sich nach wie vor auf einer früheren Stufe der Opferung von Kindern für Götter befanden, eine Praxis, der die Römer vergeblich Einhalt zu gebieten suchten. Am besten dokumentiert ist das Kindesopfer in Karthago, das Plutarch beschreibt:

... im vollen Bewußtsein und Verstande opferten sie selbst ihre eigenen Kinder, und die, die keine Kinder hatten, kauften armen Leuten kleine Kinder ab und schnitten ihnen die Kehle durch, als wären sie gerade einmal Lämmer oder junge Vögel; dabei stand die Mutter ohne eine Träne oder einen Klaglaut daneben; sollte sie jedoch einen einzigen Klaglaut hören oder eine einzige Träne fallen lassen, so büßte sie das Geld ein, und ihr Kind wurde nichtsdestoweniger geopfert; und der gesamte Bereich vor der Statue war erfüllt vom lauten Lärm der Flöten und Trommeln, damit die Schmerzensschreie nicht an die Ohren der Menschen dringen konnten.

Das Kindsopfer ist natürlich die konkreteste Art des Ausagierens von Kindsmord, der nach Rheingolds These ein Opfer für die jeweilige Mutter der Elternteile darstellt. Es wurde von den irischen Kelten, den Galliern, den Skandinaviern, den Ägyptern, den Phöniziern, den Moabitern, den Ammonitern und zu bestimmten Zeiten auch von den Israeliten praktiziert. 

 

120)  Henri V. Vallois, The Social Life of Early Man: The Evicence of Skeletons, in: Sherwood L. Washburn (Hg.), Social Life of Early Man, Chicago 1961, 225.  
121)  Plutarch, Moralia, übers, v. Frank C. Babbitt, London 1928, 493 (dt. Moralphilosophische Schriften, hg. u. übers, v. Hans J. Klauck, Stuttgart 1997).  
122)  E. Wellisch, Isaac and Oedipus, London 1954, 11-14; Payne, Cbild, 8, 160; Robert Seidenberg, Sacrificing the First You See, in The Psycboanalytic Review 53 (1966), 52-60; Samuel J. Beck, Abraham's Ordeal: Creation of a New Reality, in The Psycboanalytic Review 50 (1963), 175-185; Theodore Thass-Thienemann, The Subconscious Language, New York 1967, 302-306; Thomas Platter, Journal of a Younger Brother, übers, v. Jean Jennett, London 1963, 85; Tertullian, Apology, in: The Anti-Nicene Fathers, Bd. 3, New York 1918, 25 (dt. Apologeticum. Verteidigung des Christentums. Lat./dt., hg. u. übers, v. Carl Becker, München 1992); P. W. Joyce, A Social History of Ancient Ireland, Bd. 1, London 1920, 285; William Burke Ryan, Infanticide: Its Law, Prevalence, Prevention, and History, London 1862, 200-220; Eusebius Pamphili, Ecclesiastical History, New York 1955, 103; J. M. Robertson, Pagan Christs, New York 1967, 31; Charles Picard, Daily Life in Carthage, übers, v. A. E. Foster, New York 1961, 671; Howard H. Schlossman, God the Father and His Sons, in American Imago 29 (1972), 35-50.

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Archäologen haben Tausende Knochen von geopferten Kindern ausgegraben, häufig mit Inschriften, die die Opfer als erstgeborene Söhne adeliger Familien identifizierten, bis zurück ins Jericho des Jahres 7000 vor Christus. Das Einmauern von Kindern in Wänden, Gebäudefundamenten und Brücken, um deren Struktur zu stärken, war vom Bau der Mauer von Jericho bis noch 1843 in Deutschland üblich. Bis zum heutigen Tag inszenieren Kinder, die das Spiel London Bridge is Falling Down spielen, ein Opfer für eine Flußgottheit, wenn sie am Ende des Spiels das Kind auffangen.

Sogar in Rom führte das Opfern von Kindern eine Existenz im Untergrund. Dio schrieb, daß Julian "viele Knaben in einem magischen Ritus getötet hat"; Sueton schrieb, daß der Senat aufgrund eines Omens "dekretiert hat, kein männliches Neugeborenes solle dieses Jahr aufgezogen werden"; und Plinius d.Ä. berichtete von Männern, die "sich das Knochenmark und Gehirn von Säuglingen zu verschaffen suchen". Häufiger war die Praxis, die Kinder seines Feindes zu töten, oft in großer Zahl, so daß adlige Kinder nicht nur auf der Straße Zeuge von Kindsmorden wurden, sondern auch selbst nach Maßgabe des politischen Glücks ihrer Väter unter ständiger Todesdrohung lebten.

 

123)  William Ellwood Craig, Vincent of Beauvais, On the Education of Noble Children, Ph.D.-Dissertation an der University of California at Los Angeles 1949, 21; Payne, Child, 150; Arthur Stanley Riggs, The Romance of Human Progress, New York 1938, 284; E. O. James, Prehistoric Religion, New York 1957, 59; Nathaniel Weyl, Some Possible Genetic Implications of Carthaginian Child Sacrifice, in Perspectives in Biology and Medicine 12 (1968), 69-78; James Hastings (Hg.), Encyclo-pedia of Religion and Ethics, Bd. 3, New York 1951, 187; Picard, Carthage, 100.   
124)  H. S. Darlington, Ceremonial Behaviorism: Sacrifices For the Foundation of Houses, in The Psychoanalytic Review 18 (1931); Henry Bett, The Games of Child-ren: Their Origin and History, London 1929, 104 f.; Joyce, Social History, 285; Payne, Child, 154; Anonymus, Foundations Laid in Human Sacrifice, in The Open Court 23 (1909), 494-501.  
125)  Henry Bett, Nursery Rhymes and Tales: Their Origin and History, New York 1924, 35.  
126)  Dio's Roman History, Bd. 9, übers, v. Earnest Cary, London 1937, 157; Sueton, The Lives of the Twelve Caesars, hg. v. Joseph Gavorse, New York 1931, 108 (dt. Die Kaiserviten/De vita Caesarum, hg. u. übers, v. Hans Martinet, Düsseldorf 1998); Plinius, Natural History, Bd. 8, übers, v. H. Rockham, Cambridge, Massachusetts, 1942, 5 (dt. Naturkunde/Naturalis Historia. Lat./dt., hg. v. Roderich König und Gerhard Winkler, München 1973-1978, Darmstadt 2)-1997). 
127)  Sueton, Caesars, 265; Livius, Works, Bd. 12, übers, v. Evan T. Sage, Cambridge, Massachusetts, 1938, 9; Tacitus, The Annais of Tacitus, übers, v. Donald R. Dud-ley, New York 1966, 186, 259 (dt. Die Annalen, Paderborn 1982).

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Philo war der erste, auf den ich stieß, der sich deutlich gegen die Schrecken des Kindsmords aussprach:

Manche begehen die Tat mit ihren eigenen Händen; mit ungeheuerlicher Grausamkeit und Barbarei ersticken und unterdrücken sie den ersten Atemzug der Säuglinge oder werfen sie in einen Fluß oder in die Tiefen des Meeres, nachdem sie etwas Schweres an ihnen befestigt haben, damit sie unter dessen Gewicht noch schneller untergehen. Andere nehmen sie und setzen sie an einem verlassenen Ort aus, wobei sie, wie sie sagen, hoffen, sie mögen gerettet werden, sie in Wahrheit jedoch dem quälendsten Schicksal überlassen. Denn alle wilden Tiere, die sich von menschlichem Fleisch ernähren, kommen an diese Stelle und laben sich ungehindert an den Säuglingen, ein vorzügliches Mahl, das ihnen von deren einzigen Beschützern, denjenigen, die vor allen anderen für ihre Sicherheit sorgen sollten, nämlich von deren Vätern und Müttern, bereitet wird. Auch fleischfressende Vögel fliegen herab und schlingen die Überreste hinunter ...

Obwohl in den beiden Jahrhunderten nach Augustus einige Bemühungen unternommen wurden, Eltern dafür zu bezahlen, daß sie ihre Kinder am Leben hielten, um die schwindende römische Bevölkerungszahl wieder anzuheben, kam es erst im vierten Jahrhundert zu einem augenscheinlichen Wandel. Erst im Jahre 374 n. Chr. begann das Gesetz, die Tötung eines Kindes als Mord zu betrachten. Doch schien auch die Verurteilung des Kindsmords seitens der Kirchenväter oft mehr auf deren Sorge um die Seele der Eltern als der um das Leben des Kindes zu beruhen. Diese Haltung wird ersichtlich in der Aussage St. Justinus' des Märtyrers, derzufolge der Grund dafür, daß ein Christ seine Kinder nicht aussetzen solle, darin bestehe zu vermeiden, daß er ihnen später in einem Bordell begegne: "Damit wir niemandem etwas antun oder selbst sündigen, sind wir gelehrt worden, daß es frevelhaft ist, auch neugeborene Kinder auszusetzen, zuallererst deshalb, weil wir erkennen, daß beinahe alle diejenigen, die ausgesetzt werden (nicht nur Mädchen, sondern auch Knaben), in Prostitution aufwachsen."131) 

 

128)  Philo, Works, Bd. 7, übers, v. F. H. Colson, Cambridge, Massachusetts, 1929, 549 (dt. Die Werke in deutscher Übersetzung, hg. v. Leopold Cohn, Berlin 1997); vgl. auch Favorinus bei J. Foote, An Infant Hygiene Campaign of the Second Century, in Archives ofPediatrics 37 (1920), 181. 
129)  Lewis und Reinhold, Roman Civilization, 344, 483. 
130)  Noonan, Contraception, 86.

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Als die Christen selbst beschuldigt wurden, Babys in geheimen Riten zu töten, waren sie jedoch schlagfertig genug zu erwidern: "Was glaubt ihr, wieviele der hier Anwesenden, die nach dem Blut von Christen dürsten — wieviele sogar von Euch Angehörigen des Magistrates, die Ihr uns gegenüber als schlechthin Rechtschaffene auftretet — hegen den Wunsch, daß ich an ihr Gewissen rühre dafür, daß sie ihre eigene Nachkommenschaft zu Tode gebracht haben?"132)

 

   

Abbildung 4 

Kinder, die gekocht werden. 

Kindsmörderische Wünsche der Eltern wurden in der Regel auf Juden oder Hexen projiziert, wie hier in Guazzos Compendium Malificarum.

 

Nach dem Konzil von Vaison (442 n. Chr.) mußte das Auffinden ausgesetzter Kinder in der Kirche kundgetan werden, und im Jahre 787 n. Chr. gründete Dateo von Mailand das erste ausschließlich für ausgesetzte Kleinkinder vorgesehene Heim.133) Andere Länder folgten demselben Entwicklungsmuster.134)

 

131)  St. Justinus der Märtyrer, Writings, New York 1949, 63; ebenso Dio Chrysostomos, Discourses, 151; Tertullian, Apology, 205; Laktanz, The Divine Institutes, Bücher 1-8, Washington, D.C., 1964, 452. 
132)  Tertullian, Apologetical Works, New York 1950, 31.  
133)  Hefele-Leclercq, Histoire des conciles, Bd. II, Teil 1, Paris 1908, 459 f.; St. Magnebode (606-654) hat Leclercq zufolge vielleicht noch früher ein Heim für Findelkinder gegründet.

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Trotz umfassender literarischer Zeugnisse wird die fortgesetzte Existenz weitverbreiteten Kindsmords im Mittelalter von Mediävisten jedoch im allgemeinen geleugnet, nachdem dieser nicht in Kirchenregistern und anderen quantitativen Quellen aufscheint. Wenn aber Geschlechtsverhältnisse wie etwa ein solches von 156 zu 100 (ca. 801 n. Chr.) oder eines von 172 zu 100 (1391 n. Chr.) Indikatoren für das Ausmaß der Tötung von ehelichen Töchtern sind, und wenn uneheliche Kinder in der Regel ungeachtet ihres Geschlechts getötet wurden, dann könnte die tatsächliche Zahl von Kindsmorden im Mittelalter ganz beträchtlich gewesen sein. 

Zweifellos besaß Innozenz III., als er gegen Ende des 12. Jahrhunderts das Hospital Santo Spirito in Rom gründete, genaue Kenntnis der Anzahl von Frauen, die ihre Babys in den Tiber warfen. Noch 1527 gab ein Priester zu, daß "die Latrinen von den Schreien der Kinder widerhallen, die in sie hineingeworfen worden sind". Ausführliche Untersuchungen stehen noch am Anfang, es ist jedoch durchaus möglich, daß Kindsmord vor dem 16. Jahrhundert nur fallweise unter Strafe gestellt wurde. Wenn Vincent von Beauvais im 13. Jahrhundert geschrieben hat, daß ein Vater stets besorgt darüber war, seine Tochter könne "ihre Nachkommenschaft ersticken"; wenn die Ärzte all die Kinder beklagt haben, "die im Frost oder auf den Straßen gefunden wurden, weggeworfen von einer bösen Mutter"; und wenn wir feststellen, daß im England zur Zeit der Angelsachsen die Rechtsmeinung gelautet hat, daß Säuglinge, die starben, für ermordet galten, solange nicht das Gegenteil bewiesen war, sollten wir diese Hinweise mit Sicherheit zum Anlaß für äußerst nachdrückliche Forschungen über den mittelalterlichen Kindsmord nehmen.

 

134)  Dictionnaire d'archeologie chretienne et de liturgie, Paris 1907-1951, Bd. I, Artikel "Alumni" von H. Leclercq, 1288-1306; Thrupp, Anglo-Saxon Home, 81. 
135)  Emily R. Coleman, Medieval Marriage Characteristics: A Neglected Factor in the History of Medieval Serfdom, in The Journal of Interdisciplinary History 2 (1971), 205-220; Josiah Cox Russell, British Medieval Population, Albuquerque, New Mexico, 1948, 168.  
136)  Trexler, Infanticide, 99; Brissaud, L'infanticide, 232.  
137)  Trexler, Infanticide, 100; F. G. Emmison, Elizabethan Life and Disorder, Chelms-ford 1970, 7f., 155-157; Pentikainen, Dead-Child; Werner, Mother, 26-29; Ryan, Infanticide, 1-6; Barbara Kellum, Infanticide in England in the Later Middle Ages, in History of Childhood Quctrterly: The Journal of Psychohistory 1 (1974), 367-388; Brissaud, L'infanticide, 243-256.   
138)  Craig, Vincent of Beauvais, 368; Thomas Phayer, The Regiment of Life, including the Boke of Children, 1545; Thrupp, Anglo-Saxon Home, 85; William Douglass, A Summary, Historical and Political, of the First Planting, Progressive Improvements, and Present State of the British Settlements in North America, Bd. 2, London 1760, 202.  

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Und nur weil formale Aufzeichnungen wenig uneheliche Geburten ausweisen, sollten wir uns sicherlich nicht mit der Annahme begnügen, daß "die Menschen der traditionellen Gesellschaft bis zur Hochzeit enthaltsam blieben", zumal viele Mädchen es zustandebrachten, ihre Schwangerschaften selbst vor ihren eigenen Müttern, die neben ihnen schliefen, verborgen zu halten, und man darf bestimmt annehmen, daß sie sie vor der Kirche verbargen.

Sobald unser Material reichhaltiger wird, nämlich mit dem 18. Jahrhundert,14) steht fest, daß es fraglos in jedem Land Europas eine hohe Kindsmord-Häufigkeit gegeben hat. Während in jedem Land immer mehr Heime für Findelkinder aufgemacht wurden, strömten von überall Kinder herbei, und die Heime hatten bald keinen Platz mehr. Obwohl Thomas Coram 1741 sein Hospital für Findelkinder eröffnete, weil er es nicht mehr ertragen konnte, die sterbenden Babys in der Gosse herumliegen und auf den Müllhaufen Londons verrotten zu sehen, waren tote Babys noch in den 1890er Jahren ein gewohnter Anblick auf den Straßen Londons. 

Im späten 19. Jahrhundert beschrieb Louis Adamic, wie er in einem osteuropäischen Dorf von "mordenden Kindermädchen" aufwuchs, in das Mütter ihre Kleinkinder schickten, damit sie dort erledigt würden, "indem man sie nach einem heißen Bad der kalten Luft aussetzte; sie mit etwas fütterte, was ihnen Magen- und Darmkrämpfe verursachte; Gips in ihre Milch mischte, was ihr Inneres wortwörtlich pflasterte; sie plötzlich mit Essen stopfte, nachdem man ihnen zwei Tage lang nichts zu essen gegeben hatte ...". Adamic hätte ebenfalls umgebracht werden sollen, aus irgendeinem Grund aber verschonte ihn seine Amme. 

 

139)  John Brownlow, Memoranda: Or Chronicles of the Foundling Hospital, London 1847, 217.  
140)  Shorter, Sexual Cbange; Bakan, Slaughter; Shorter, Illegitimacy; Shorter, Infanticide; Charpentier, Droit; Robert J. Parr, The Baby Farmer, London 1909; Lebrun, Naissances; Werner, Mother; Brownlow, Memoranda; Ryan, Infanticide; Langer, Checks; sowie eine überaus umfangreiche Bibliographie, über die Langer verfügt, um diesen Artikel zu stützen, die jedoch nur in Form von Kopien vorliegt, wenngleich sie teilweise in seinem Artikel Infanticide: A Historical Survey, in History of Childhood Quarterly: The Journal of Psychohistory 1 (1974), 353-365, wiedergegeben ist.  
141) C. H. Rolph, A Backward Glance at the Age of "Obscenity", in Encounter 32 vom Juni 1969, 23.

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Seine Schilderung, wie er sie dabei beobachtete, als sie die anderen Babys umbrachte, die zu ihr geschickt wurden, liefert ein Bild von der emotionalen Wirklichkeit hinter all den Jahrhunderten des Kindsmords, auf die wir zurückblicken:

Auf ihre eigene seltsame, hilflose Weise liebte sie sie alle ... Wenn aber die Eltern der unglücklichen Kinder oder deren Verwandte die übliche geringe. Summe zu deren Unterhalt nicht bezahlen konnten oder wollten ..., entledigte sie sich ihrer ... Eines Tages kehrte sie mit einem länglichen kleinen Päckchen aus der Stadt zurück ... ein schrecklicher Verdacht beschlich mich. Das Baby in der Wiege würde sterben! ... Als das Baby weinte, hörte ich, wie sie aufstand, und sie säugte es im Dunklen, wobei sie murmelte: "Armes, armes Kleines!" Ich habe seither viele Male versucht, mir vorzustellen, was sie dabei gefühlt haben muß, als sie ihre Brust einem Kind gab, von dem sie wußte, daß es dazu bestimmt war, von ihrer Hand zu sterben ... "Du armes, armes Kleines!" Sie sprach absichtlich so deutlich, damit ich sie auch sicher hörte. "... Frucht der Sünde nicht durch eigene Schuld, sondern selbst ohne Sünde ... bald wirst du gehen, bald, bald, mein Armes ... und da du jetzt gehst, wirst du nicht in die Hölle kommen, wie du es würdest, wenn du am Leben bliebest und aufwüchsest und ein Sünder würdest." ... Am nächsten Morgen war das Kind tot ...

Sobald das Kind geboren worden war, war es in der Vergangenheit ständig von der Aura des Todes und von Gegenmaßnahmen gegen den Tod umgeben. Seit ältesten Zeiten hat man Exorzismen, Läuterungen und magische Amulette für notwendig erachtet, um die Unzahl der todbringenden Mächte auszutreiben, von denen man das Gefühl hatte, daß sie um das Kind herum lauerten, und man traktierte das Baby und seine Umgebung mit kaltem Wasser, Feuer, Blut, Wein, Salz und Urin. Einige griechischen Dörfer haben sich diese Atmosphäre der Abwehr des Todes bis zum heutigen Tag bewahrt:

Das neugeborene Kind schläft fest eingewickelt in einer Wiege aus Holz, die von einem Ende zum anderen in eine Decke eingeschlagen ist, so daß es in einer Art dunklem, luftdichtem Zelt liegt. Die Mütter fürchten die Auswirkungen kalter Luft und böser Geister ... Nach der Dämmerung gleicht die Hütte oder das Haus einer belagerten Stadt, mit vernagelten Fenstern, einer verriegelten Tür und Salz und Weihrauch an strategischen Punkten wie der Schwelle, um jedes Eindringen des Teufels abzuwehren.144)

 

142)  Louis Adamic, Cradle of Life: The Story of One Man's Beginnings, New York 1936, 11, 45, 48. 
143)  Royden Keith Yerkes, Sacrifice in Greek and Roman Religions and Early Judaism, New York 1952, 34; Ernest Jones, Essays in Applied Psycho-Analysis, Bd. 2, New York 1964, 22-109; Gorman, Nurse, 17.

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Von alten Frauen, nach Rheingold Symbole der Großmutter, deren Todeswünsche abgewehrt wurden, dachte man, daß sie einen "bösen Blick" hätten, unter dessen Einfluß das Kind sterben würde. Zur Abwehr dieser Todeswünsche werden dem Kind Amulette gegeben, in der Regel in Form eines Penis oder einer phallusförmigen Koralle.145 Während das Kind heranwuchs, blieben die Todeswünsche ihm gegenüber stets aufrecht und brachen immer wieder durch. Epiktet sagte: "Was für ein Leid bereitet das, wenn du dir selbst in dem Augenblick, da du dein Kind küßt, zuflüsterst: <Morgen wirst du sterben?>" Wenn ein Kind etwas Schlaues tut, sagt ein Italiener zur Zeit der Renaissance: "Dieses Kind ist nicht zum Leben bestimmt." 

Zu allen Zeiten sagen Väter ihren Söhnen mit den Worten Luthers: "Ich hätte lieber einen toten Sohn als einen ungehorsamen." Fenelon empfiehlt, einem Kind Fragen zu stellen wie "Würdest du dir den Kopf abschlagen lassen, um in den Himmel zu kommen?" Walter Scott sagte, seine Mutter habe bekannt, sie sei "unter einer starken Versuchung durch den Teufel (gestanden), mir mit ihrer Schere die Kehle durchzuschneiden und mich im Moor zu versenken". Leopardi berichtete von seiner Mutter: "Als sie den Tod eines ihrer Kinder herannahen sah, erfuhr sie eine tiefe Glückseligkeit, die sie nur vor denen zu verbergen trachtete, die ihr deswegen wahrscheinlich Vorwürfe gemacht hätten."151) Die Quellen sind voll von ähnlichen Beispielen.

 

144)  J. K. Campbell, Honour, Family and Patronage, Oxford 1964, 154. 
145)  Walton B. McDaniel, Conception, Birth and Infancy in Ancient Rome and Modern Italy, Coconut Grove, Florida, 1948, 32; J. Stuart Hay, The Amazing Em-peror Heliogabalus, London 1911, 230; Peiper, Chronik, 95; Juvenal and Persius, übers, v. Gg. G. Ramsay, Cambridge, Massachusetts, 1965, 249, 337; Barberino, Reggimento, 188; Raphael Patai, The Hebrew Goddess, New York 1967, 210; Alan Macfarlane, Witchcraft in Tudor and Stuart England, New York 1970, 163; Hole, English Home-Life, 41; Kinder wurden seit der Antike mit der Ikonographie des Todes in Verbindung gebracht.   
146)  Epiktet, Discourses, Bd. 2, 213.  
147)  Iris Origo, The Merchant of Prato, London 1957, 163.  
148)  What Luther Says: An Anthology, 2 Bde., zusammengestellt v. Ewald M. Plass, St. Louis 1959, 145.  
149)  H. C. Barnard (Hg.), Fenelon On Education, Cambridge 1966, 63.  
150)  Edward Wagenknecht, When I Was a Child, New York 1946, 5. Origo, Leopardi, 16.  

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Drängende Regungen, den Säugling zu verstümmeln, zu verbrennen, erfrieren zu lassen, zu ertränken, zu schütteln und mit Gewalt herumzuschleudern, wurden in der Vergangenheit unablässig ausagiert. Die Hunnen pflegten neugeborenen Knaben die Wangen aufzuschneiden. Robert Pemell berichtet, wie Eltern zur Zeit der Renaissance in Italien und anderen Ländern neugeborene Babys "mit einem heißen Eisen im Nacken brandmarkten oder sonst Wachs von einer brennenden Kerze auf sie tropfen ließen", um der "Fallsucht" (Epilepsie; A.d.Ü.) vorzubeugen. In der frühen Neuzeit wurde in der Regel die Sehne unter der Zunge des Neugeborenen durchschnitten, oft mit dem Fingernagel der Hebamme, eine Art Beschneidung im kleinen. Die Verstümmelung von Kindern durch die Epochen hat bei Erwachsenen Mitleid und Gelächter hervorgerufen und war Grundlage für die zu jeder Zeit weitverbreitete Praxis, Kinder zum Zwecke des Betteins zu verstümmeln, was sich bis zu Senecas Kontroverse zurückverfolgen läßt, die den Schluß zieht, daß es nicht falsch sei, ausgesetzte Kinder zu verstümmeln:

Wirf einen Blick auf die Blinden, die in den Straßen herumwandern, indem sie sich auf ihre Stöcke stützen, und auf die mit den zermalmten Füßen, und wirf auch noch einen Blick auf jene mit gebrochenen Gliedern. Diesem fehlen die Arme, jener hat sich die Schulter aus der Form nach unten ziehen lassen, damit seine grotesken Bewegungen Gelächter hervorrufen mögen ... Gehen wir zum Ursprung all dieser Krankheiten — einem Laboratorium für die Herstellung menschlicher Trümmerhaufen — einer Höhle, angefüllt mit Gliedmaßen, die man Kindern bei lebendigem Leib ausgerissen hat ... Welcher Schaden ist der Republik damit zugefügt worden? Ist diesen Kindern nicht im Gegenteil ein Dienst erwiesen worden, insofern ihre Eltern sie hinausgeworfen hatten?155)

 

152)  Margaret Deanesly, A History of Early Medieval Europe, London 1956, 23; Robert Pemell, De Morbis Puerorum, or, A Treatise of the Diseases of Children ..., London 1653, 8, eine Praxis, die an die japanische Praxis erinnert, die Haut von Kindern mit Moxe zu verbrennen, was nach wie vor aus Gesundheits- sowohl wie aus Disziplinierungsgründen getan wird; vgl. Edward und Margaret Norbeck, Child Training in a Japanese Fishing Community, in: Douglas C. Haring (Hg.), Personal Character and Cultural Milieu, Syracuse 1956, 651-673.  
153)  Hunt, Parents and Children, 114; Cleaver, A godlie Form, 253; Hamilton, Female Pbyskian, 280.  
154)  Vgl. die Bibliographie in Abt-Garrison, History ofPediatrics, 69.   
155)  Payne, Child, 242 f.

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Manchmal wurde das Herumwerfen des gewickelten Kindes praktiziert. Ein Bruder Heinrichs IV. wurde, als man ihn zum bloßen Amüsement von einem Fenster zum anderen hin- und herwarf, fallen gelassen und getötet.156) Dasselbe widerfuhr dem kleinen Comte de Marie: "Einer der Kämmerer und das Kindermädchen, in dessen Obhut er war, unterhielten sich damit, daß sie ihn über das Brett eines offenen Fensters hin und zurück warfen ... Manchmal gaben sie vor, ihn nicht zu fangen ... Der kleine Comte de Marie fiel hinab und schlug unten auf einer steinernen Stufe auf." 157)

Ärzte klagten über Eltern, die ihren Kindern beim "üblichen" Herumwerfen die Knochen brachen.158) Kindermädchen sagten oft, daß die Korsetts, in die Kinder eingeschnürt wurden, notwendig seien, denn sonst könne man "sie nicht herumwerfen. Und ich erinnere mich, daß ein herausragender Chirurg sagte, ihm sei ein Kind gebracht worden, dem mehrere Rippen durch die Hand der Person eingedrückt worden waren, die es ohne sein Korsett herumgeworfen hatte".159) Die Ärzte prangerten auch das übliche heftige Schaukeln von Kindern an, "welches das Baby in einen Zustand der Benommenheit versetzt, damit es diejenigen, in deren Obhut es ist, nicht stören möge".160) 

Das war der Grund, weshalb im achtzehnten Jahrhundert erstmals Kritik an den Wiegen erhoben wurde; Buchan sagte, gegen Wiegen sei er wegen des üblicherweise "schlecht gelaunten Kindermädchens, das sich, statt das gelegentliche Unbehagen oder die Indisponiertheit zum Schlaf des ihm anvertrauten Babys, wenn es zur Ruhe gelegt wird, zu besänftigen, oft auf die höchste Ebene des Zorns steigert und in seiner Torheit und Brutalität versucht, das Weinen des Säuglings durch laute, schroffe Drohungen und das ungestüme Hin- und Herrattern der Wiege zu ersticken und ihn mit Gewalt in den Schlummer zu zwingen".161)

 

156)  Graham, Children, 110. 
157)  Nancy Lyman Roelker, Queen of Navarre: Jeanne d'Albret, Cambridge, Massachusetts, 1969, 101.
158)  Ruhrah, Pediatrics, 216; Bayne-Powell, English Child, 165; William Buchan, Advice to Mothers, Philadelphia 1804, 186; The Mother's Magazine 1 (1833), 41; Paxton Hibben, Henry Ward Beecher: An American Portrait, New York 1927, 28.
159)  James Nelson, An Essay on the Government of Children, Dublin 1763, 100; Still, History of Pediatrics, 391.
160)  W. Preyer, Mental Development in the Child, New York 1907, 41; Thomas Phai-re, The Boke of Chyldren, Edinburgh 1965, 28; Pemell, De Morbis, 23; Most, Mensch, 76; Dr. Heinrich Rauscher, Volkskunde des Waldviertels, in Das Waldviertel, 3. Band (Volkskunde), Verlag Zeitschrift "Deutsches Vaterland", Wien o. J-, 1-H6.
161)  Buchan, Advice, 192; Hamilton, Female Physician, 271.

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Auch wurden Kinder in einer Vielzahl von Bräuchen zuweilen beinahe zum Erfrieren gebracht, Bräuche, die sich von der Taufe durch langes Eintauchen in Eiswasser und Rollen im Schnee bis zur Praxis des Tauchbads erstrecken, bei dem das Kind regelmäßig immer wieder bis über den Kopf in eiskaltes Wasser getaucht wurde, "während es seinen Mund aufriß und nach Luft schnappte". Elizabeth Grant erinnert sich zu Anfang des 19. Jahrhunderts daran, daß "eine große, lange Wanne im Küchenhof stand, bei der das Eis, das sich auf ihrer Oberfläche gebildet hatte, vor unserem schrecklichen Eintauchen in sie oft erst aufgebrochen werden mußte ... Wie ich kreischte, bettelte, betete, flehte, um verschont zu werden ... Beinah völlig gefühllos geworden, wurde ich in das Zimmer der Haushälterin gebracht ..." Auf die alte Sitte der Germanen, Skythen, Kelten und Spartaner (nicht der Athener, die andere Abhärtungsmethoden anwandten) zurückgehend, war das Eintauchen in kalte Flüsse gewöhnlich weit verbreitet, und seit den Zeiten der Römer wurde das Eintauchen in kaltes Wasser als heilsam für Kinder angesehen.165) 

 

162)  Scevole de St. Marthe, Paedotrophia; or The Art of Nursing and Rearing Child-ren, übers, v. H. W. Tytler, London 1797, 63; John Floyer, The History of Cold-Bathing, London 1732; William Buchan, Domestic Medicine, durchges. v. Samuel Griffitts, Philadelphia 1809, 31; Ruhrah, Pediatrics, 97; John Jones, M.D., The ans and science of preserving bodie and soule in healthe (1579), Univ. Microfilms 14724, 32; Alice Morse Earle, Customs and Fashions in Old New England, Detroit 1968 (Erstveröffentlichung 1893), 2; The Common Errors in the Education of Children and Their Consequences, London 1744, 10; William Thomson, Memoire of the Life and Galland Exploits of the Old Highlander Serjeant Donald Macleod, London 1933, 9; Morton Schatzman, Soul Murder: Persecution in the Family, New York 1973, 41; Hitchcock, Memoirs, 271. 
163)  Elizabeth Grant Smith, Memoirs of a Highland Lady, London 1898, 49.  
164)  Aristoteles, Politics, übers, v. H. Rackham, Cambridge, Massachusetts, 1967, 627 (dt. Politik. Schriften zur Staatstheorie, hg. u. übers, v. Franz F. Schwarz, Stuttgart 1993); A Translation of Galen's ,Hygiene' (De Sanitate Tuenda), übers, v. Robert M. Green, Springfield, Illinois, 1951, 33; Peiper, Chronik, 81.  
165)  Horaz, Satires, Epistles, Ars Poetica, übers, v. H. Rushton Fairclough, Cambridge, Massachusetts, 1961, 177 (dt. Sämtliche Werke. Lat./dt. 2 Teile, hg. v. Hans Färber und Wilhelm Schöne, Düsseldorf 1993); Floyer, Cold-Bathing; Jean-Jacques Rousseau, Emile, übers, v. Barbara Foxley, London 1911, 27 (dt. Emile, hg. v. Martin Rang, Stuttgart 1998); Earle, Child Life, 25; Jean Paul, Leva.nct, 140; Dorothy Canfield Fisher, Mothers and Children, New York 1914, 113; Marian Harland, Common Sense in the Nursery, New York 1885, 13; Earle, Customs, 24; Mary W. Montagu, The Letters and Works of Lady Mary Wortley Montagu, Bd. 1, London 1861, 209; Nelson, Essay, 93.

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Mitunter wurden die Kinder sogar beim Zubettgehen in kalte, nasse Handtücher eingewickelt, sowohl zur Abhärtung wie auch als Therapie. Es überrascht nicht, wenn William Buchan, der große Pädiater des 18. Jahrhunderts, sagte, daß "beinah die Hälfte der menschlichen Wesen durch ungeeignete Behandlung oder Vernachlässigung in der Kindheit umkommt".

 

Weglegung, Säugen und Wickeln

Obwohl es zahlreiche Ausnahmen von der allgemeinen Regel gab, verbrachte das Durchschnittskind wohlhabender Eltern bis ins 18. Jahrhundert seine ersten Lebensjahre im Haus einer Amme, kehrte zur Pflege durch andere Bedienstete nach Hause zurück und wurde im Alter von sieben Jahren zu Diensten, zur Lehre oder zur Schule ausgeschickt, so daß der Zeitaufwand, den bemittelte Eltern tatsächlich zur Erziehung ihrer Kinder aufbrachten, minimal war. Die Auswirkungen, die diese und andere institutionalisierten Formen der Weglegung durch die Eltern auf das Kind hatten, sind wenig diskutiert worden.

Die extremste und älteste Form der Weglegung ist der offene Verkauf von Kindern. Kinderverkauf war zu babylonischen Zeiten legal und dürfte in der Antike bei vielen Völkern üblich gewesen sein. Obwohl Solon das Recht der Eltern auf Verkauf ihrer Kinder einzuschränken suchte, ist es unklar, wie wirksam das Gesetz war. Herodas veranschaulichte eine Prügelszene, bei der einem Knaben gesagt wurde: "Du bist ein schlimmer Junge, Kattalos, so schlimm, daß niemand ein gutes Wort über dich verlieren könnte, nicht einmal, wenn er dich verkaufen wollte." 

Die Kirche versuchte jahrhundertelang, den Kinderverkauf auszumerzen. Theodor, im 7. Jahrhundert Erzbischof von Canterbury, verfügte, daß ein Mann seinen Sohn nach dessen siebentem Lebensjahr nicht mehr in die Sklaverei verkaufen dürfe. Wenn man Giraldus Cambrensis glauben soll, hatten die Engländer im 12. Jahrhundert ihre Kinder als Sklaven an die Iren verkauft, und die normannische Invasion war eine Strafe Gottes für diesen Sklavenhandel.171)

 

166)  Isaac Deutscher, Lenin's Childhood, London 1970, 10; Yvonne Kapp, Eleanor Marx. Vol. 1 - Family Life, London 1972, 41; John Ashton, Social Life in the Reign of Queen Anne, Detroit 1968, 3.  
167)  Buchan, Domestic, 8.  
168)  The Code of Hammurabi King of Babylon about 2250 B.C., übers, v. Robert Frances Harper, Chicago 1904, 41; Payne, Child, 227, 279-291; Bossard, Sociology, 607 f.; Aubrey Gwynn, Roman Education: From Cicero to Quintillian, Oxford 1926, 13; Fustel de Coulanges, The Ancient City, Garden City, New York, o. J., 92,315.  
169)  Harrison, Law, 73.  
170)  Herodas, The Mimes and Fragments, Cambridge 1966, 117.

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In vielen Gebieten erhielt sich der Kinderverkauf sporadisch bis in die Moderne herauf, in Rußland etwa wurde er erst im 19. Jahrhundert gesetzlich verboten. Eine weitere Weglegungspraxis war der Einsatz von Kindern als politischen Geiseln oder als Bürgschaft im Schadensfall, was ebenfalls bis in babylonische Zeiten zurückreicht. Sidney Painter beschreibt ihre mittelalterliche Version, bei der es "völlig üblich war, kleine Kinder als Geiseln wegzugeben, um für eine Übereinkunft einzustehen, und ebenso, sie für die Treulosigkeit ihrer Eltern büßen zu lassen. Als Eustace de Breteuil, der Gatte einer unehelichen Tochter Heinrichs L, dem Sohn eines seiner Vasallen die Augen ausstach, erlaubte der König dem erzürnten Vater, der Tochter Eustaces, die Heinrich als Geisel erhalten hatte, die gleiche Verstümmelung zuzufügen" . In ähnlicher Weise übergab John Marshall dem König Stephan seinen Sohn William und sagte, es "kümmere ihn wenig, ob William gehängt würde, denn er habe Ambosse und Hämmer, um noch bessere Söhne zu schmieden", und Franz I. tauschte, als er von Karl V. gefangengenommen worden war, zunächst seine kleinen Söhne gegen seine eigene Freiheit ein und brach daraufhin prompt den Handel, so daß sie ins Gefängnis geworfen wurden. In der Tat war die Praxis, seine Kinder als Pagen oder Diener in einen anderen adligen Haushalt zu entsenden, oft schwer vom Einsatz der Kinder als Geiseln und Bürgschaften zu unterscheiden.

 

Ähnliche Weglegungsmotive lagen dem Brauch zugrunde, Kinder in Pflege zu geben, der bei den Walisern, Angelsachsen und Skandinaviern in allen Schichten verbreitet war, wobei ein Kind zu einer anderen Familie geschickt wurde, damit es dort bis zum Alter von siebzehn Jahren aufgezogen würde und dann zu den Eltern zurückkehrte. Das ging in Irland bis ins 17. Jahrhundert so, und die Engländer sandten ihre Kinder zur Zeit des Mittelalters häufig nach Irland, damit sie dort von den Iren in Pflege genommen würden.176)

 

171)  Thrupp, Anglo-Saxon Home, 11; Joyce, History, 164 f.; William Andrews, Bygone England: Social Studies in Its Historie Byways and Highways, London 1892, 70.  
172)  John T. McNeill und Helena M. Gamer, Medieval Handbooks of Penance, New York 1938, 211; eine späte amerikanische Kinderauktion wird beschrieben bei Grace Abbott, The Child and the State, Bd. 2, Chicago 1938, 4.  
173)  Georges Contenau, Everyday Life in Babylon and Assyria, New York 1966, 18.  
174)  Sidney Painter, William Marshall: Knight-Errant, Baron, and Regent of England, Baltimore 1933, 16.  
175)  A. a. O., 14; Graham, Children, 32. 
176)  Joyce, History, Bd. 1, 164 f.; a. a. O., Bd. 2, 14-19.

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Dies stellte in Wirklichkeit lediglich eine extreme Version der mittelalterlichen Praxis dar, adelige Kinder im Alter von sieben Jahren oder schon vorher als Diener, Pagen, Hofdamen, Oblatinnen und Oblaten oder Schreiber in die Häuser anderer oder in Klöster zu schicken — Praktiken, die noch in der frühen Neuzeit üblich waren.177) Wie auch bei der entsprechenden Praxis der unteren Klassen, der Lehre,178) ist das ganze Thema vom Kind als Arbeiter in den Heimen anderer so weitläufig und schlecht aufgearbeitet, daß es hier leider nicht ausführlich untersucht werden kann, seiner offensichtlichen Bedeutung im Leben der Kinder in der Vergangenheit zum Trotz.  

 

           

Abbildungen 5a und 5b - Böse Eltern, die ihre Kinder dem Teufel übergeben. 
Dürers
Ritter von Turn aus dem 15. Jahrhundert und der Holzschnitt zum Proze
ß um Agnes Sampson aus dem 16. illustrieren das weitverbreitete Thema von Eltern, die dem Teufel die Kinder übergeben, die sie ihm versprochen haben.

 

177)  Marjorie Rowling, Everyday Life in Medieval Times, New York 1968, 138; Fur-nivall, Meals and Manners, xiv; Kenneth Charlton, Education in Renaissance England, London 1965, 17; Macfarlane, Family Life, 207; John Gage, Life in Italy at the Time of the Medici, London 1968, 70.  
178)  O. Jocelyn Dunlop, English Apprenticeship and Child Labour, London 1912; M. Dorothy George, London Life in the Eighteenth Century, New York 1964.

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Neben den institutionalisierten Praktiken der Weglegung kam auch das informelle Weggeben kleiner Kinder an andere Leute seitens ihrer Eltern bis ins 19. Jahrhundert herauf ziemlich häufig vor. Die Eltern boten alle Arten von Rationalisierung dafür auf, daß sie ihre Kinder weggaben: "zum Sprechenlernen" (Disraeli), "zum Ablegen der Schüchternheit" (Clara Barton), um der "Gesundheit" willen (Edmund Burke, Mrs. Sherwoods Tochter) oder als Bezahlung für erwiesene ärztliche Dienstleistungen (Patienten von Jerome Cardan und William Douglas). 

Manchmal gaben sie auch zu, daß es einfach deswegen geschah, weil die Kinder nicht erwünscht waren (Richard Baxter, Johannes Butzbach, Richard Savage, Swift, Yeats, Augustus Hare und andere). Mrs. Hares Mutter brachte die allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Weglegungen zum Ausdruck: "Ja, sicher, das Baby soll weggeschickt werden, sobald es entwöhnt ist; und wenn noch jemand eins haben möchte, würdest du freundlicherweise in Erinnerung rufen, daß wir noch andere haben." Knaben wurden natürlich bevorzugt; im 18. Jahrhundert schrieb eine Frau an ihren Bruder und fragte nach seinem nächsten Kind: "Wenn es ein Knabe ist, beanspruche ich ihn für mich; ist es ein Mädchen, werde ich mich damit zufriedengeben, auf das nächste zu warten.«180)

Dennoch war das Fortschicken der Kinder zu Ammen die in der Vergangenheit vorherrschende Form der institutionalisierten Weglegung. Die Säugamme ist eine aus der Bibel, dem Codex Hammurabi, den ägyptischen Papyrustexten sowie der griechischen und römischen Literatur vertraute Gestalt, und seit sich römische Ammen an der Colonna Lactaria versammelten, um ihre Dienste zu verkaufen, sind sie stets gut organisiert. Ärzte und Moralisten haben seit Galen und Plutarch Mütter dafür angeprangert, daß sie ihre Kinder fortschickten, damit sie gesäugt würden, anstatt sie selbst zu stillen. Ihr Rat besaß jedoch wenig Wirksamkeit, sandten doch bis zum 18. Jahrhundert die meisten Eltern, die es sich leisten konnten, und viele, die es nicht konnten, ihre Kinder unmittelbar nach der Geburt zur Säugamme. Selbst arme Mütter, die es sich nicht leisten konnten, ihre Kinder zur Amme zu schicken, weigerten sich oft, ihnen selbst die Brust zu geben, und gaben ihnen stattdessen Brei.

 

179)  Augustus J. C. Hare, The Story of My Life, Bd. 1, London 1896, 51. 
180)  Betsy Rodgers, Georgian Chronicle, London 1958, 67.
181)  Harper, Code of Hammurabi; Winter, Life and Letters; I. G. Wickes, A History of Infant Feeding, in Archives of Disease in Childhood 28 (1953), 340; Gorman, Nurse; A. Hymanson, A Short Review of the History of Infant Feeding, in Archives of Pediatrics 51 (1934), 2.

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Im Gegensatz zu den Annahmen der meisten Historiker geht der Brauch, Kindern überhaupt nicht die Brust zu geben, in vielen Gebieten Europas mindestens bis ins 15. Jahrhundert zurück. Eine Mutter, die aus einem Gebiet Norddeutschlands zugezogen war, wo das Stillen der Kinder mehr verbreitet war, wurde von bayerischen Frauen für "schweinisch und obszön" gehalten, weil sie ihr Kind selber säugte, und ihr Mann drohte damit, er würde nicht essen, wenn sie diese "abscheuliche Angewohnheit" nicht aufgäbe.182) 

 

Was die Reichen betrifft, die ihre Kinder tatsächlich für Jahre weggaben, so gebrauchten üblicherweise nicht einmal jene Experten, die diese Praxis für schlecht hielten, in ihren Abhandlungen empathische Ausdrücke, vielmehr hielten sie den Einsatz von Säugammen deshalb für schlecht, weil "die Würde eines neugeborenen menschlichen Wesens durch die fremde und verderbte Ernährung mit der Milch einer anderen Frau zerstört (wird)". Das heißt, das Blut der Säugamme aus einer niedrigeren gesellschaftlichen Klasse geriet in den Körper des Babys aus der oberen Klasse, wobei man dachte, die Milch sei weiß schäumendes Blut.184) 

Gelegentlich verrieten die Moralisten, natürlich Männer allesamt, ihr unterdrücktes Ressentiment gegenüber ihren Müttern, das daher rührte, daß diese sie zu Säugammen fortgeschickt hatten. Aulus Gellius klagte: "Wenn das Kind jemand anderem gegeben und aus dem Blickfeld der Mutter entfernt wird, wird die Stärke des mütterlichen Eifers stufenweise und nach und nach erlöschen ... und es wird beinahe so vollständig vergessen, als ob es durch den Tod verloren wäre."185) In der Regel aber siegte die Verdrängung, und die Eltern wurden hochgehalten.

 

182)  Green, Galen's Hygiene, 24; Foote, Infant Hygiene, 180; Soranus, Gynecology, 89; Jacopo Sadoleto, Sadoleto on Education, London 1916, 23; Horkan, Educational Theories, 31; Jones, The art and science, 8; Juan de Mariana, The King and the Education of the King, Washington, D.C., 1948, 189; The Colloquies of Erasmus, übers, v. Craig R. Thompson, Chicago 1965, 282 (dt. Vertraute Gespräche, Essen 1995); St. Marthe, Paedotrophia, 10; Most, Mensch, 89; John Knödel und Etienne Van de Walle, Breast Feeding, Fertility and Infant Mortality: An Analysis of Some Early German Data, in Population Studies 21 (1967), 116-120. 
183)  Foote, Infant Hygiene, 182.  
184)  Clemens von Alexandria, The Instructor, Edinburgh 1867, 141 (=Ante-Nicene Christian Library, Bd. 4) [dt. Des Clemens von Alexandria der Erzieher, III Bücher, übers, v. Otto Stählin, München 1934 (=Bibliothek der Kirchenväter, Bde. 11/7 u. u/8)]; Aulus Gellius, The Attic Nights of Aulus Gellius, Bd. 2, Cambridge, Massachusetts, 1968, 357 (dt. Die attischen Nächte. 2 Bde., übers, v. Fritz Weiss, unveränd. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1875/76, Darmstadt 1992); Clemens von Alexandria, Christ the Educator, New York 1954, 38.  
185)  Aulus Gellius, Attic, 361.

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Und, noch wichtiger, die Wiederholung stand fest. Obwohl man sehr gut wußte, daß Kinder in weitaus größerem Ausmaß als zu Hause starben, wenn sie bei einer Säugamme waren, beklagten die Eltern fortwährend den Tod ihrer Kinder, übergaben dann aber ihren nächsten Säugling wieder der Säugamme, als ob diese eine moderne Rachegöttin sei, die noch ein weiteres Opfer forderte. Sir Simonds D'Ewes hatte bereits mehrere Söhne bei einer Säugamme verloren, und dennoch schickte er sein nächstes Baby erneut für zwei Jahre zu "einer armen Frau, die von einem bösen Manne, der sie fast hatte verhungern lassen, sehr mißhandelt worden war, wobei natürlich auch sie selbst hochmütig, verdrießlich und launenhaft veranlagt war; was alles zusammen in der Folge zum endgültigen Untergang und zur Zerstörung unseres so süßen und sanften Kindes führte ..."

 

  

Abbildungen 6a, 6b und 6c - Das Säugen von Kindern: Phantasie und Wirklichkeit. 
Die beiden typischen Säugeszenen zur Zeit der Renaissance links zeigen die Phantasie
Mütter beim Stillen ihrer eigenen Kinder —, die Szene rechts zeigt die Wirklichkeit das Baby saugt an der Amme, während die Brüste der Mutter dem Betrachter (dem Vater) vorbehalten bleiben. Man beachte, daß auf den beiden Bildern links der Künstler jeweils unsicher zu sein scheint, wo er die Brüste der Mutter hinplazieren soll, da er nie von ihnen gestillt worden ist.

 

186)  Morelli, Ricordi, 144, 452. 
187)  James O. Halliwell (Hg.), The Autobiography and Correspondence of Sir Si-monds d'Ewes, London 1854, 108; vgl. auch William Bray (Hg.), The Diary of John Evelyn, Bd. 1, London 1952, 330, 386; Henry Morley, Jerome Cardan: The Life of Girolamo Cardano of Milan, Physician, 2 Bde., London 1854, 203.

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Mit Ausnahme der Fälle, in denen die Amme im Haus lebte, wurden Kinder, die der Säugamme übergeben worden waren, im allgemeinen vom Alter von zwei bis ins Alter von fünf Jahren dort gelassen. Die Bedingungen waren in jedem Land ähnlich. Jacques Guillimeau schilderte, wie das Kind bei einer Amme "erstickt, erdrückt oder fallen gelassen werden und so zu einem vorzeitigen Tode kommen konnte; oder es konnte auch von irgendeinem wilden Tier, einem Wolf oder einem Hund, gefressen, verstümmelt oder verunstaltet werden, woraufhin die Amme, die fürchtete, wegen ihrer Nachlässigkeit bestraft zu werden, einfach ein anderes Kind an dessen Statt nehmen konnte". 

Robert Pemell berichtete, der Priester seiner Pfarre habe ihm erzählt, daß diese, als er in sie eintrat, "voll gewesen sei mit Säuglingen aus London und er dennoch innert eines Jahres alle bis auf zwei begraben habe". Gleichwohl wurde die Praxis in England und Amerika bis ins 18. Jahrhundert unerbittlich weiter geübt, in Frankreich bis ins 19. und in Deutschland bis ins 20. Jahrhundert. England war dem Kontinent im Umgang mit Säuglingen so weit voraus, daß sehr wohlhabende Mütter ihre Kinder bereits im 17. Jahrhundert oft selbst stillten.191)

 

188)  Guillimeau, Nursing, 3. 
189)  Wickes, Infant Feeding, 235.
190)  Hitchcock, Memoirs, 19, 81; Wickes, Infant Feeding, 239; Bayne-Powell, English Child, 168; Barbara Winchester, Tudor Family Portrait, London 1955, 106; Taylor, Angel-Makers, 328; Clifford Stetson Parker, The Defense of the Child by French Novelists, Menasha, Wisconsin, 1925, 4-7; William Hickey, Memoirs of William Hickey, London 1913, 4; Jacques Levron, Daily Life at Versailles in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, übers, v. Elxiane Engel, London 1968, 131; T. G. H. Drake, The Wet Nurse in the Eighteenth Century, in Bulletin of the History of Medicine 8 (1940), 934-948; Luigi Tansillo, The Nurse, A Poem, übers, v. William Roscoe, Liverpool 1804, 4; Marmontel, Autobiography, Bd. 4, London 1829, 123; Th. Bentzon, About French Children, in Century Magazine 52 (1896), 809; Most, Mensch, 89-112; John M. S. Allison (Hg.), Concerning the Education of a Prince: Correspondence of the Princess of Nassau-Saarbruck 13 June-15 November, 1758, New Haven 1941, 26; Mrs. Alfred Sidgwick, Home Life in Ger-many, Chatauqua, New York, 1912, 8.  
191)  Lucy Hutchinson, Memoirs of Colonel Hutchinson, London 1968, 13-15; Macfarlane, Family Life, 87; Lawrence Stone, The Crisis of the Aristocracy: 1558-1641, Oxford 1965, 593; Kenneth B. Murdock, The Sun at Noon, New York 1939, 14; Marjorie H. Nicolson (Hg.), Conway Letters, New Haven 1930, 10; Countess Elizabeth Clinton, The Countesse of Lincolness Nurserie, Oxford 1622.

77


Es war auch nicht einfach eine Sache der Unmoral der Reichen; Robert Pemell beklagte 1653 die Praxis von "Frauen in hoher wie auch niedriger Stellung gleichermaßen, ihre Babys zu verantwortungslosen Frauen auf dem Land in Pflege zu geben", und noch 1780 mutmaßte der Polizeichef von Paris, daß von 21.000 Babys, die jedes Jahr in seiner Stadt geboren wurden, 17.000 zum Säugen durch Ammen auf das Land geschickt, 2.000 oder 3.000 in Kinderheimen untergebracht, 700 bei sich zu Hause von Säugammen versorgt und nur 700 von ihren eigenen Müttern gestillt würden.192)

Die tatsächliche Dauer des Stillens war in jeder Zeit und Region sehr unterschiedlich. Tabelle 1 listet die Angaben auf, die ich bislang ausmachen konnte.

 

192)  Wickes, Infant Feeding, 235; Drake, Wet Nurse, 940.  
193)  Hymanson, Review, 4; Soranus, Gynecology, 118; Macrobius: Commentary on the Dream of Scipio, übers, v. William H. Stahl, New York 1952, 114; Barberino, Reggimento, 192; Ruhrah, Pediatrics, 84; Pearson, Elizabethans, 87; Macfarlane, Family Life, 87; Euch Roesslin, The byrth of mankynde, London 1540, 30; Winchester, Tudor, 106; Still, History of Paediatrics, 163; Jones, Arts and sciences, 33; Soulie, Heroard, 55; John Evelyn, The Diary and Correspondence of John Evelyn, hg. v. William Bray, o. J., 3; John Peckey, A General Treatise of the Diseases of Infants and Children, London 1697, 11; Nelson, Essay, 20; Nicholas Culpepper, A Directory for Midwives: or, a guide for women in their conception, bearing, and suckling their children, London 1762, 131; Still, History of Paediatrics, 390; St. Marthe, Paedotrophia, 98; Valentine, Fathers, 93; Eliza Warren, How IManaged My Children from Infancy to Marriage, 20; Caleb Tickner, A Guide for Mothers and Nurses in the Management of Young Children, New York 1839, 37; Robert M. Myers (Hg.), The Children of Pride, New Haven 1972, 508; Knödel, Breast Feeding, 118.

78


TABELLE 1  

Alter (in Monaten) zum Zeitpunkt der völligen Entwöhnung

 

Quelle 193)

Alter bei der Entwöhnung

ungefähre Zeit

Nationalität

Ammenvertrag

24

367 v.Chr.

griechisch

Soranus

12-24

100 n.Chr.

römisch

Macrobius

35

400

römisch

Barberino

24

1314

italienisch

Metlinger

10-24

1497

deutsch

Jane Grey

18

1538

englisch

John Greene

9

1540

englisch

E. Roesslin

12

1540

deutsch

Sabine Johnson

34

1540

englisch

John Dee

8-14

1550

englisch

H. Mercurialis

15-30

1552

italienisch

John Jones

7-36

1579

englisch

Ludwig XIII.

25

1603

französisch

John Evelyn

14

1620

englisch

Ralph Joesslin

12-19

1643-1679

englisch

John Pechey

10-12

1697

englisch

James Nelson

3-4

1753

englisch

Nicholas Culpepper

12-48

1762

englisch

William Cadogan

4

1770

englisch

H. W. Tytler

6

1797

englisch

S. T. Coleridge

15

1807

englisch

Eliza Warren

12

1810

englisch

Caleb Tickner

10-12

1839

englisch

Mary Mallard

15

1859

amerikanisch

 

 

 

deutsche statistische Erhebung

1-6

1878-1882

deutsch

 

Falls diese Tabelle allgemeine Tendenzen anzeigt, läßt sich ablesen, daß mit der frühen Neuzeit das sehr lange Stillen immer weniger üblich wurde, vielleicht als Resultat eines Rückgangs der projektiven Fürsorge. Auch gilt, daß die Aussagen über die Entwöhnung immer zutreffender wurden, sobald die Kinder weniger häufig zur Säugamme geschickt wurden; Roesslin beispielsweise schreibt: "Avicenna rät, das Kind zwei Jahre lang an der Brust trinken zu lassen; wie es sich bei uns ergibt, trinkt es jedoch meist nur ein Jahr lang ..." Sicherlich ist Alice Ryersons Bemerkung, daß "in der Zeit kurz vor 1750 das Entwöhnungsalter in der Praxis drastisch verringert worden ist", zu sehr verallgemeinernd. Obgleich von den Säugammen erwartet wurde, daß sie sich während der Stillzeit des Geschlechtsverkehrs enthielten, entsprachen sie selten dieser Erwartung, und die Entwöhnung ging in der Regel der Geburt des nächsten Kindes voraus. Deshalb dürfte ein so langes, zweijähriges Stillen im Westen stets die Ausnahme gewesen sein.

 

194)  Roesslin, Byrth, 30. 
195)  Ryerson, Medical Advice, 75.

79


Seit 2000 v. Chr. kennt man verschiedenste Gefäße zum Füttern; wo sie erhältlich war, wurde Kuh- und Ziegen­milch verwendet, und oft wurde das Kind einfach zum Saugen an die Zitze des Tieres gehalten. Brei, im allgemeinen aus Brot oder Mehl, vermischt mit Wasser oder Milch gemacht, ergänzte oder ersetzte das Säugen von den ersten Wochen an und wurde dem Kind mitunter in den Hals gestopft, bis es erbrach. Jede andere Speise wurde zuerst von der Säugamme gekaut und dann dem Kind zum Essen gegeben. 

Opium- und Alkohol wurden den Kindern ohne Ausnahme zu allen Zeiten verabreicht, damit sie zu weinen aufhörten. Der Papyrus Ebers berichtet von der Wirksamkeit einer Mixtur aus Mohnsamen und Fliegenkot für Kinder: "Sie wirkt sofort!" Dr. Hume klagte 1799 über Tausende von Kindern, die jedes Jahr von ihren Ammen dadurch getötet würden, daß sie "ihnen in einem fort Godfreys Herztropfen in die kleinen Kehlen schütten, ein Mittel, das ein sehr starkes Opiat ist und letzten Endes ebenso tödlich wie Arsen. Sie geben vor, das deshalb zu tun, um das Kind zu beruhigen - in der Tat sind viele auf diese Weise für immer ruhiggestellt ..." 

Und tägliche Alkoholdosen wurden häufig "einem kleinen Wesen in die Kehle geleert, das unfähig ist, die Verabreichung zu verweigern, aber seinen Abscheu durch Abwehrbestrebungen und ein gequältes Gesicht deutlich macht ..." Es gibt in den Quellen viele Anzeichen dafür, daß Kindern generell unzureichende Nahrung gegeben wurde. Kinder von armen Leuten sind natürlich oft hungrig gewesen, aber auch Kindern von Reichen, besonders Mädchen, gab man im allgemeinen sehr dürftige Essensmengen sowie wenig oder gar kein Fleisch. 

Plutarchs Beschreibung der "Hunger-Diät" der spartanischen Jugendlichen ist bekannt; aufgrund der Vielzahl von Hinweisen auf karge Nahrung, darauf, daß Babys nur zwei- oder dreimal am Tag gestillt wurden, auf Fastenzeiten für Kinder und auf Nahrungsentzug als Disziplinierungsmittel erhält man aber den Eindruck, daß es Eltern in der Vergangenheit, genauso wie heute die Eltern zeitgenössischer Kindesmißbraucher, schwierig fanden, darauf zu achten, daß ihre Kinder adäquat ernährt wurden.200)

 

196)  Wickes, Infant Feeding, 155-158; Hymanson, Review, 4-6; Still, History ofPaedia-trics, 335 f., 459; Mary Hopkirk, Queen Over the Water, London 1953, 1305; Erasmus, Colloquies, 282. 
197)  The Female Instructor; or Young Woman's Companion, Liverpool 1811, 220.  
198)  W. O. Hassal, How They Lived: An Anthology of Original Accounts Written Before 1485, Oxford 1962, 105.  
199)  Cyril P. Bryan, The Papyrus Ebers, New York 1931, 162; Still, History ofPaedia-trics, 466; Douglass, Summary, 346; Rauscher, Volkskunde, 44; John W. Dodds, The Age of Paradox: A Biography of England 1841-1851, New York 1952, 157; Abt-Garrison, History of Pediatrics, 11; John B. Beck, The effects of opium on the infant subject, in Journal of Mediane, New York 1844; Tickner, Guide, 115; Fri-endly Letter to Parents and Heads of Families Particularly Those Residing in the Country Towns and Villages in America, Boston 1928, 10; Buchan, Domestic, 17; Pinchbeck, Children, 301.

80


Autobiographien von Augustinus bis Baxter berichten vom Bekenntnis ihrer Autoren, die Sünde der Völlerei begangen zu haben, weil sie als Kind Obst gestohlen hätten; niemand hat je daran gedacht, die Frage aufzuwerfen, ob sie das vielleicht getan hätten, weil sie hungrig waren. Das Kind in verschiedene Zwangsvorrichtungen einzuschnüren war eine beinah universelle Praxis. Die hauptsächliche Erlebniswirklichkeit der frühesten Jahre des Kindes war das Wickeln. Wie wir bereits festgehalten haben, hielt man Einschränkungen deshalb für notwendig, weil das Kind mit den gefährlichen Projektionen der Erwachsenen dermaßen angefüllt war, daß letztere glaubten, es würde sich, dürfte es sich frei bewegen, die Augen auskratzen, die Ohren abreißen, die Beine brechen, die Knochen verrenken, vom Anblick seiner eigenen Gliedmaßen erschrocken sein und sogar wie ein Tier auf allen Vieren herumkrabbeln.202) 

 

200)  John Spargo, The Bitter Cry of the Children, Chicago 1968; Xenophon, Minor Writings, übers, v. E. C. Marchant, London 1925, 37 (dt. Scripta minora, hg. u. aus dem Griechischen v. Anton Sommer, Wien o. J.); Hopkirk, Queen, 130-135; Plutarch, Moralia, 433; St. Basilius, Ascetical Works, New York 1950, 266 (dt. Ba-silius von Cäsarea, Die Mönchsregeln, übers, v. Karl Suso Frank, St. Ottilien 1991); Gage, Life in Italy, 109; St. Hieronymus, The Select Letters of St. Jerome, übers, v. F. A. Wright, Cambridge, Massachusetts, 1933, 357-361 (Sophronius Eu-sebius Hieronymus, Ausgewählte Briefe. 2 Bde., übers, v. Ludwig Schade, München 1936 f.); Thomas Platter, The Autobiography of Thomas Platter: A School-master of the Sixteenth Century, übers, v. Elizabeth A. McCoul Finn, London 1847, 8; Craig, Vincent of Beauvais, 379; Roesslin, Byrth, 17; Jones, Ans and Sciences, 40; Taine, Ancient Regime, 130; D. B. Hörn und Mary Ranson (Hgg.), English Historical Documents. Vol. 10, 1714-1783, New York 1957, 561; Lochhead, First Ten Years, 34; Eli Forbes, A Family Book, Salem 1801, 240 f.; Leontine Young, Wednesday's Children: A Study of Child Neglect and Abuse, New York 1964, 9. 
201)  Augustinus, Confessions, New York 1963 (dt. Bekenntnisse. Lat./dt., übers, v. Joseph Bernhart, Frankfurt am Main 1987); Richard Baxter, The Autobiography of Richard Baxter, London 1931, 5; zuvor hatte Augustinus bereits erwähnt, daß er Essen vom Tisch hatte stehlen müssen (18).  
202)  Hassall, How They Lived, 184; Benedict, Child Rearing, 345; Geoffrey Gorer und John Rickman, The People of Great Russia: A Psychological Study, 98; Peckey, Trea-tise, 6; Ruhrah, Pediatrics, 219; Green, Galen's Hygiene, 22; Francois Mauriceau, The Diseases of Women With Child, and in Child-Bed, übers, v. Hugh Chamber-lin, London 1736, 309.

81


Das traditionelle Wickeln ist in jedem Land und zu jeder Zeit ziemlich das gleiche; es "besteht darin, das Kind gänzlich am Gebrauch seiner Gliedmaßen zu hindern, indem man es in einen endlos langen Verband einwickelt, so daß es nicht unzutreffend ist zu sagen, es gleiche einem Holzklotz; wodurch manchmal die Haut wund gerieben wird; das Fleisch zusammengepreßt, fast bis zum Brand; der Blutkreislauf beinahe angehalten; und dem Kind auch die geringste Fähigkeit zur Bewegung genommen. 

Seine kleine Taille ist von einem Korsett umgeben ... Sein Kopf ist in die Form gepreßt, die die Einbildungskraft der Hebamme nahelegen mochte; und seine Gestalt wird durch entsprechend ausgeübten Druck zusammengehalten ..." 203)

 

Abbildung 7 - Beim Wickeln des Kindes. Aus England (1633)

 

203)  William P. Dewees, A Treatise on the Physical and Medical Treatment of Child-ren, Philadelphia 1826, 4; eine weitere Bibliographie zum Thema des festen Wik-kelns findet sich bei Wayne Dennis, Infant Reactions to Restraint: an Evaluation of Watson's Theory, in Transactions ofthe New York Academy of Science, Reihe 2, Bd. 2 (1940); Erik H. Erikson, Childhood and Society, New York 1950 [dt. Kindheit und Gesellschaft, Stuttgart 1999 (=Standardwerke der Psychoanalyse)]; Lotte Danziger und Liselotte Frankl, Zum Problem der Functionsreifung, in Archiv für Kinderforschung 43 (1943); Boyer, Problems, 225; Margaret Mead, The Swaddling Hypothesis: Its Reception, in American Anthropologist 56 (1954); Phyllis Greenacre, Infant Reactions to Restraint, in: Clyde Kluckholm und Henry A. Murray (Hgg.), Personality in Nature, Society and Culture, New York 21953, 513 f.; Charles Hudson, Isometric Advantages of the Cradle Board: A Hypothesis, in American Anthropologist 68 (1966), 470-474.

82


Das Wickeln war oft so kompliziert, daß es bis zu zwei Stunden dauerte, ein Kind anzuziehen.204) Der Vorteil für die Erwachsenen war enorm — sie mußten Kindern kaum noch Aufmerksamkeit schenken, wenn sie erst einmal eingeschnürt waren. Wie eine jüngere medizinische Studie über das Wickeln zeigt, sind gewickelte Kinder extrem passiv; ihr Herzschlag verlangsamt sich, sie weinen weniger, sie schlafen weitaus mehr, und sie sind im allgemeinen so abwesend und träge, daß die Ärzte, die die Untersuchung durchführten, sich fragten, ob man es nicht wieder mit dem Wickeln versuchen sollte.205) 

Die historischen Quellen bestätigen dieses Bild; seit der Antike sind die Ärzte sich darüber einig, daß "Wachsamkeit bei Kindern weder von Natur aus noch durch das Verhalten, d. h. aus Gewohnheit, vorkommt, denn sie schlafen immer", und es wird beschrieben, wie die Kinder stundenlang hinter dem heißen Ofen niedergelegt, an Haken an die Wand gehängt, in Fässer gelegt und ganz allgemein "wie ein Paket in jedem dafür passenden Winkel abgelegt" wurden. Beinahe alle Nationen kannten das Wickeln. Sogar im alten Ägypten, wo die Kinder angeblich nicht gewickelt worden sein sollen, weil Malereien sie nackt zeigten, dürfte das Wickeln praktiziert worden sein, zumal Hippokrates schrieb, daß die Ägypter wickeln, und Figurinen gelegentlich Wickelgewänder darstellen. Jene wenigen Gebiete, in denen das Wickeln nicht ausgeübt wurde, wie im antiken Sparta und im schottischen Hochland, waren zugleich die Gebiete mit den schwersten Abhärtungspraktiken - als ob nur die Wahl bestünde, Kinder entweder fest zu wickeln oder sie nackt herumzutragen und ohne Kleider im Schnee herumlaufen zu lassen.208) 

 

204)  Hester Chapone, Chapone on the Improvement of the Mind, Philadelphia 1830, 200.  
205)  Earle L. Lipton, Alfred Steinschneider und Julius B. Richmond, Swaddling, A Child Care Practice: Historical, Cultural and Experimental Observations, in Pediatrics, Supplement 35, Teil 2 (März 1965), 521-567.  
206)  Turner Wilcox, Five Centuries of the American Costume, New York 1963, 17; Rousseau, Emile, 11; Christian A. Struve, A Familiär View of the Domestic Education of Children, London 1802, 296.  
207)  Hippokrates, übers, v. W. H. S. Jones, London 1923, 125 (dt. Sämtliche Werke, 3 Bde., Reprint der Ausgabe 1933-1940, Anger 1994); Steffen Wenig, The Woman in Egyptian Art, New York 1969, 47; Erich Neumann, The Great Mother: An Ana-lysis of the Archetype, New York 1963, 32 (dt. Die große Mutter. Eine Phänomenologie der weiblichen Gestaltungen des Unbewußten, Düsseldorf 1997).  
208)  James Logan, The Scotish Gael; or, Celtic Manners, As Preserved Among the Highlanders, Hartford 1851, 81; Thompson, Memoirs, 8; Marjorie Plant, The Domestic Life of Scotland in the Eighteenth Century, London 1952, 6.

83


Das Wickeln wurde für so selbstverständlich gehalten, daß die Belege für die Dauer des Wickelns vor der frühen Neuzeit reichlich uneinheitlich sind. Soranus sagt, die Römer hätten das Kind im Alter von 40 bis 60 Tagen "ent-wickelt"; das trifft hoffentlich eher zu als die von Platon angegebenen "zwei Jahre".209) Festes Wickeln, zu dem oft auch das Aufbinden auf Tragebretter gehörte, setzt sich im gesamten Mittelalter fort, ich habe aber nicht herausfinden können, für wieviele Monate ein Kind in dieser Zeit gewickelt wurde.

 

Abbildungen 8a, 8b und 8c - Gewickelte Kinder. Es zeigt sich ein langsamer Fortschritt beim Entfernen der Wickelbänder (griechisch, 5. Jh. v. Chr., italienisch, 15. Jh., englisch, 16. Jh.).

 

Die wenigen Quellenhinweise aus dem 16. und 17. Jahrhundert sowie das Studium der Kunst jener Zeit legen für diese Jahrhunderte eine Wickelzeit von einem Monat bis zu vier Monaten nahe; danach wurden die Arme frei gelassen, Körper und Beine blieben jedoch noch weitere sechs bis neun Monate gewickelt.211)

 

209)  Soranus, Gynecology, 114; Plato, The Laws, Cambridge, Massachusetts, 1926, 7 (dt. Nomoi/Die Gesetze. Gr./dt., hg. v. Karlheinz Hülser, übers, v. Franz Susemihl u.a. nach Friedrich Schleiermacher, Frankfurt am Main 1991). 
210)  Dorothy Hartley, Mediaeval Costume and Life, London 1931, 117-119.  
211)  Cunnington, Children's Costume, 35, 53-69; Macfarlane, Family Life, 90; Guillimeau, Nursing, 23; Lipton, Swaddling, 527; Hunt, Parents and Children, 127; Peckey, Treatise, 6; M. St. Cläre Byrne (Hg.), The Elizabethan Home Discovered in Two Dialogues by Claudius Hollyband and Peter Erondell, London 1925, 77. 
Es ist interessant festzustellen, daß Mütter über 100 Jahre vor Cadogans Kampagne gegen das feste Wickeln damit begannen, das Alter herabzusetzen, in dem die Kinder von ihren Wickeln befreit wurden, und daß frühe Arzte wie Glisson diesem Wandel ablehnend gegenüberstanden und dazu neigten, dessen psychogenen Ursprung in der Familie selbst anzusiedeln.

84


Die Engländer wiesen den Weg zur Beendigung des Wickelns, wie sie es auch mit dem Stillen bei aushäusigen Säugammen getan hatten. Wickeln war in England und Amerika mit dem Ende des 18. Jahrhunderts, in Frankreich und Deutschland mit dem 19. Jahrhundert ein Auslaufmodell.

 

   

Abbildung 9 - Gewickeltes Kind im Mittelalter. 

Das gewickelte Kind sieht aus, als wäre es älter als ein Jahr 

(Heuner Musterbuch, 1210).

 

 

212)  Cunnington, Children's Costume, 68 f.; Magdelen King-Hall, The Story of the Nursery, London 1958, 83, 129; Chapone, Improvement, 199; St. Marthe, Pae-dotrophia, 67; Robert Sunley, Early Nineteenth-Century Literature on Child Rea-ring, in: Margaret Mead und Martha Wolfenstein (Hgg.), Childhood in Contem-porary Culture, Chicago 1955, 155; Kuhn, Mother's Role, 141; Wilcox, Five Centu-ries; Alice M. Earle, Two Centuries of Costume in America, Bd. 1, New York 1903, 311; Nelson, Essay, 99; Lipton, Swaddling, 529-532; Culpepper, Directory, 305; Hamilton, Female Pbysician, 262; Morwenna und John Rendle-Short, The Father of Child Care: Life of William Cadogan (1711-1797), Bristol 1966, 20; Caulfield, Infant Weifare, 108; Ryerson, Medical Advice, 107; Bentzon, French Children, 805; Most, Mensch, 76; Struve, View, 293; Sidgwick, Home Life, 8; Pei-per, Chronik, 666.

85


Nachdem das Kind aus seinen Wickelbändern entlassen war, wurde es jedoch weiterhin allen möglichen physischen Beschränkungen unterworfen, die je nach Land und Zeit variierten. Kinder wurden mitunter an Stühle gebunden, um sie am Krabbeln zu hindern. Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden Gängelbänder an der Kleidung des Kindes befestigt, um es kontrollieren und herumschwenken zu können. Korsetts und Stützen aus Knochen, Holz oder Eisen wurden oft für beide Geschlechter gebraucht. 

Kinder wurden mitunter auf Rückenbretter geschnallt und ihre Füße in Blöcke gesteckt, während sie lernten, und um "die Haltung zu verbessern", wurden Eisenkragen und andere Vorrichtungen eingesetzt, wie etwa jenes Gerät, das Francis Kemble beschrieben hat: "eine schreckliche Martermaschine von der Art der Rückenbretter, aus Stahl, mit rotem Leder überzogen, die aus einem flachen Teil bestand, der auf meinem Rücken plaziert, mit einem Gürtel nach unten an meine Taille geschnallt und oben mit zwei über meine Schultern gestreiften Achselstücken gesichert wurde. Aus der Mitte des Dings ragte ein stählerner Zapfen oder Stachel, mit einem Stahlkragen, der meine Kehle umspannte und hinten festgeschnallt wurde."213) 

 

   

Abbildung 10
Kind mit Schlafgürtel. 

Wird dazu verwendet, sicherzustellen, daß der Körper während des Schlafs ausgestreckt bleibt; eine von Dutzenden Einschränkungsvorrichtungen, die der deutsche Pädagoge D. G. M. Schreber im 19. Jahrhundert erfunden hat.

 

213)  Cunnington, Children's Costume, 70-128; Tom Hastie, Home Life, 33; Preyer, Mind, 273; Earle, Costume, 316 f.; Mary Somerville, Personal Recollections, From Early Life to Old Age, of Mary Somerville, London 1873, 21; Aristoteles, Politks, 627; Schatzman, Soul Murder; Earle, Child Life, 58; Burton, Early Victorians, 192; Joanna Richardson, Princess Mathilde, New York 1969, 10; Bentzon, French Children, 805; Stephanie de Genlis, Memoirs of the Countess de Genlis, 2 Bde., New York 1825, 10; Kemble, Records, 85.

86


Diese Gerätschaften scheinen in der Zeit vom 16. bis zum 19. Jahrhundert allgemeiner im Gebrauch gewesen zu sein als im Mittelalter, ein Eindruck, der aber freilich auch von der geringen Zahl früherer Quellen herrühren mag. Zwei Praktiken jedoch waren seit der Antike vermutlich in jedem Land verbreitet: die generelle Kargheit der Kleidung zu "Abhärtungs"-Zwecken und die Verwendung stuhlähnlicher Geräte, die Unterstützung beim Gehen geben sollten, in Wirklichkeit aber dazu verwendet wurden, das Krabbeln zu verhindern, das für tierisch gehalten wurde. Felix Würtz (1563) beschreibt den Gebrauch einer bestimmten Variante:

... es gibt Stühle für Kinder zum Hineinstellen, in denen sie sich nach allen Seiten umdrehen können, wenn Mütter oder Ammen sie in ihnen erblicken, dann kümmern sie sich nicht mehr um das Kind, lassen es allein, gehen ihrem eigenen Geschäft nach, in der Annahme, daß das Kind gut versorgt sei, doch sie denken kaum an den Schmerz und das Leid, in welchen das Kind sich befindet ... das arme Kind ... muß vielleicht viele Stunden lang stehen, wo doch schon eine halbe Stunde Stehen zu lang ist ... Ich wünsche mir, daß alle derartigen Stehstühle verbrannt würden ...

 

Abbildung 11 - Stehkäfig und Wiege mit Riemen (Jacques Stella, 1657).

 

214)  Xenophon, Writings, 7; Horkan, Educational Theories, 36; Earle, Child Life, 26; Nelson, Essay, 83; Ruhrah, Pediatrics, 220; Soranus, Gynecology, 116. Für eine ähnliche Ansicht vgl. Gregory Bateson und Margaret Mead, Balinese Character: A Photographic Analysis, Bd. 2, Special Publications of the New York Academy of Sciences, 1942.

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