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9 - Mensch und Energie

 

 

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Der in den letzten Jahrzehnten immer fühlbarer werdende Bevölkerungsdruck lastet vielen nachdenklichen Menschen schwer auf der Seele. Da es uns Menschen bis heute noch so recht und schlecht gelungen ist, die nahezu vier Milliarden Bewohner unseres Planeten ohne größere Hungerkatastrophen zu ernähren, ist es eigentlich nur die langsam immer unerträglichere Verschmutzung unserer Umwelt, die auf den Ernst der kommenden Probleme hinweist. 

Vor allem unter den Wissenschaftlern — Naturwissenschaftlern und auch Geisteswissenschaftlern — herrscht doch schon ein gewisser Alarmzustand, wenn von der näheren oder ferneren Zukunft die Rede ist. Ja es gibt sogar einen neuen Wissenschaftszweig, den verantwortliche Forscher schon seit einigen Jahren gegründet und auch bekanntgemacht haben: die Futurologie, das heißt die Wissenschaft über die Zustände in der Zukunft. 

Es ist keineswegs so, daß die Wissenschaftler blind in das Chaos rennen. Viele machen sich Gedanken darüber und sinnen auf rechtzeitige Abhilfe.

Lediglich die große Öffentlichkeit lebt noch im Traumzustand einer immer besser werdenden Zukunft, die sich beherrschen und durch stetes Wachstum unserer Produktion immer reicher gestalten ließe. Eines aber haben wir bereits gesehen: So wie bisher kann es wohl nicht weitergehen. 

Jede fundamentale Änderung in den Gewohnheiten großer Menschengruppen oder gar der ganzen Menschheit jedoch bedarf einer Einsicht der großen Öffentlichkeit in das Wesen der Dinge. Vor allem, wenn wir als Menschheit die Probleme der Zukunft friedlich meistern wollen, dann müssen wir, so weit es möglich ist, die Lösung mit den Mitteln der freiheitlichen Demokratie suchen. Benjamin Franklin, einer der Väter der amerikanischen Demokratie, hat gesagt: «Demokratie und Freiheit können nur von einer aufgeklärten Öffentlichkeit garantiert werden.»

Die wichtigste Aufgabe der Futurologie besteht darin, richtige Voraussagen zu machen. Viele glauben, daß das lediglich eine Kunst sei; es ist aber eine Wissenschaft. Wenn man auf wissenschaftlicher Basis Prophezeiungen machen will, so muß man sich darüber im klaren sein, daß es dabei deutlich verschiedene Grade der Verläßlichkeit gibt.

Denken wir einmal daran, daß ein Wissenschaftler das Eintreten einer Sonnenfinsternis voraussagen kann. Da wir die Gesetze der Himmelsmechanik recht gut kennen, können Astronomen mit dem Rechenstift sehr genaue Voraussagungen machen. So war der Eintritt der zweitgrößten Sonnenfinsternis unseres Jahrhunderts — die vom 30. Juni 1973 — für jeden Punkt längs der Mondschattenbahn auf die Sekunde genau schon seit vielen Jahren bekannt. Diese Daten sind schon im vorigen Jahrhundert berechnet worden. Kunststück, wird da ein jeder sagen, denn die Bewegungen der Erde und des Mondes sind ja durch keinerlei Reibung getrübt, so daß in einer solchen Voraussage eigentlich keine echte Prophetie steckt. Das ist auch richtig.

Eine zweite Art von Voraussagungen, die nicht ganz so präzise, aber dennoch auch erstaunlich verläßlich sind, beruhen auf dem berühmten Gesetz der großen Zahl. So kann man leicht errechnen, daß die Chance beim Zahlenlotto «6 aus 49» sechs Richtige zu tippen, etwa 1:14 Millionen beträgt. Da in Deutschland allwöchentlich etwa 50 Millionen Spiele gespielt werden, so kann die Lotterieverwaltung voraussagen, daß im Schnitt jede Woche etwa drei große Gewinne vorkommen. Diese Voraussagungen sind freilich für eine einzelne, beliebig herausgegriffene Woche nicht bündig; es kommt vor, daß es keinen Gewinner gibt oder vielleicht sogar ein Dutzend. Im Schnitt jedoch hat die Lotterieverwaltung mit ihrer Voraussage recht, und gäbe es keine Verläßlichkeit der Gewinnchancen von Glücksspielen, so gäbe es schon längst keine Lotterien und keine Spielbanken mehr. 

Auf der gleichen Basis etwa auch beruht jene Voraussage über die mutmaßliche Bevölkerung der Erde im Jahr 2000, die wir schon mehrmals auf mindestens sieben Milliarden angesprochen haben. Diese Voraussagung beruht auch auf dem Gesetz der großen Zahl. Es gibt heute schon so viele Menschen auf der Erde, daß man ihr durchschnittliches Verhalten in der Zukunft aus der Vergangenheit recht verläßlich ableiten kann. Dazu gehören auch die Verhaltensweisen hinsichtlich des Kinderkriegens. Nur Großkatastrophen oder unwahrscheinliche tiefgreifende psychologische Veränderungen im Verhalten der gesamten Menschheit können am Ergebnis dieser Voraussage etwas ändern. Wir hoffen, daß Großkatastrophen nicht eintreffen werden, und sie sind glücklicherweise auch recht unwahrscheinlich, ebenso wie einschneidende Änderungen in der menschlichen Verhaltensweise. Deshalb können wir uns auf die Hochrechnungen zukünftiger Bevölkerungsziffern recht gut verlassen.

Nun gibt es noch eine dritte Art von Voraussagungen, die ebenfalls recht verläßlich sind. Es sind dies Prophezeiungen, die sich auf das Energieprinzip stützen. 

Unter allen Erkenntnissen über das Wesen der Natur steht mit seiner Wichtigkeit das Energieprinzip vielleicht an der Spitze. Es ist wohl das sicherste Erkenntnisgut des menschlichen Geistes. Voraussagungen über Vorgänge und Ereignisse, die dem Energieprinzip widersprechen, kann man bedenkenlos als falsch bezeichnen. Nur solche Ereignisse und Vorgänge, die das Energieprinzip nicht verletzen, sind möglich. Diese einfachen Überlegungen geben uns die Möglichkeit, über die nähere und vor allen Dingen auch die fernere Zukunft der Menschheit zu spekulieren, ohne uns ins Ungewisse zu verlieren. Die weitere Existenz der Menschheit und ihr Schicksal hängen einfach davon ab, inwieweit es ihr gelingt, für ihr Fortbestehen die nötige Energie zu beschaffen. Der Mensch nämlich ist ein Teil der Fauna und damit ein Energieverbraucher.

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Experten sind zu dem Schluß gekommen, daß sich in den letzten drei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts der Energiebedarf der USA und damit der Zwang zur Energieerzeugung etwa verdreifachen wird. 

In der gleichen Zeit wird die Bevölkerung der USA nur etwa knapp um 50 Prozent ansteigen.

 

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Um zu leben, müssen wir essen und trinken, und der Energiegehalt unserer Nahrung ist größer als der Energiegehalt unserer Ausscheidungen. Damit das menschliche Leben überhaupt ablaufen kann, muß Energie verbraucht werden, welche der Umgebung entnommen werden muß. Mit allen Tieren teilt der Mensch die Eigenschaft, daß sein Leben von der Energiespanne zwischen Nahrung und Ausscheidung abhängt. Der Mensch unterscheidet sich dabei allerdings ganz deutlich von den Tieren. Praktisch alle Tiere nutzen nur jene Energie, die sie mit der Nahrung aufnehmen, wenn wir davon absehen, daß Schlangen und Eidechsen sich gelegentlich gern im Schein der Sonne wärmen oder daß Vögel in Aufwinden segeln. 

Als Prometheus dem Menschen die Fackel in die Hand drückte, wurde das völlig anders. Nun wurde außer der Nahrung zusätzlich Energie verbraucht, um das Leben des Menschen so typisch zu gestalten: Feuer zur Beleuchtung und Beheizung seiner Wohnstätten, Verbrauch von Energie zum Bau seiner Häuser und Straßen, Nutzung von Energie für Transport, Kommunikation, für seine Kultur, für die Entwicklung seiner Medizin und Wissenschaft und schließlich auch für seine Hobbies, vom Autorennen bis zur Weltraumfahrt. Die Quellen aller dieser Energien fand der Mensch in seiner Umwelt, indem er zunächst einmal Bäume fällte, ihr Holz verbrannte und mit Wasser und Wind seine Mühlen betrieb. Schon beim Verbrennen von Holz fing der übermäßige Verbrauch an, indem er nämlich pro Jahr mehr Holz verbrannte als in der gleichen Zeit nachwuchs. Vor ein- oder zweitausend Jahren gab es sehr viel mehr Wälder auf der Erde als heute.

Holz ist kein besonders guter Brennstoff, und so griff man nach der Kohle, dann nach dem Erdöl und nach dem Erdgas. Diese fossilen Energiequellen sind zwar ungeheuer groß, da die Natur ja auch Hunderte von Millionen Jahre Zeit gehabt hat, diese geduldig kilogramm- und literweise anzusammeln. Unsere Zivilisation mit ihrem Energiehunger hat aber schon große Löcher in diese Vorräte gerissen — Vorräte, die während der nächsten 1000 Jahre von der Natur nicht wieder ersetzt werden können. Da wir pro Jahr etwa so viel der fossilen Erdschätze verbrauchen, wie die Natur in einer Million Jahren herzustellen imstande ist, kann man freilich von Ersatz überhaupt nicht sprechen.

Wenn uns die Steilheit der Kurve, mit der die Bevölkerung unseres blauen Planeten nunmehr dauernd zunimmt, schon erschreckt, so sind Hochrechnungen für den zukünftigen Energiebedarf der Menschheit noch viel alarmierender. Die Energiebedarfskurve der Zukunft muß nämlich viel steiler sein als die Bevölkerungskurve, da ja der durchschnittliche Energieverbrauch eines jeden einzelnen Menschen — zumindest in den Industrieländern — in geradezu unglaublicher Weise anwächst. Das Beispiel, das ich jetzt dafür geben möchte, ist bestimmt nicht durch exakte Daten belegt, es kann jedoch nicht allzusehr von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen. 

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Mein jüngster Sohn ist heute, im Jahr 1973, vier Jahre alt. In seinem kurzen Leben hat er durch seine Reisen mit Autos, Flugzeugen und Schiffen anteilig vielleicht schon mehr Benzin verbraucht, als mein Vater in seinem ganzen Leben. Ich selbst, als Vertreter der Generation in der Mitte, habe während meines Lebens in Krieg und Frieden bestimmt schon so viel Benzin verfahren und verflogen, daß davon vor 50 Jahren wohl der Bedarf einer mittleren Kleinstadt für ein Jahr hätte gedeckt werden können. Es liegt auf der Hand, daß Hochrechnungen über den zukünftigen Bedarf der Menschheit nicht allzu verläßlich sind, da sie doch von einer großen Zahl von schwer übersehbaren Faktoren abhängen. Die große Unbekannte bei diesen Hochrechnungen ist das Tempo, mit dem die Industrialisierung der Entwicklungsländer in den nächsten Jahrzehnten fortschreiten wird. 

Vielleicht sollen wir bei unseren Voraussagen jenen sicheren Boden nicht verlassen, den uns eine statistisch weitgehendst erfaßte Industrienation, wie etwa die Vereinigten Staaten, anbieten. Experten sind zu dem Schluß gekommen, daß sich in den letzten 30 Jahren dieses Jahrhunderts der Energiebedarf der Vereinigten Staaten und damit der Zwang zur Energieerzeugung etwa verdreifachen wird. In der gleichen Zeit allerdings wird die Bevölkerung der Vereinigten Staaten nur etwa knapp um 50 Prozent ansteigen. Darin eben drückt sich aus, daß der Energieverbrauch des einzelnen steil ansteigen wird. Wo soll nun all diese Energie herkommen?

In einer kürzlichen Veröffentlichung ist das für den Energiebedarf und die Möglichkeiten der Energieproduktion der Vereinigten Staaten recht verläßlich hochgerechnet worden. Danach sind für 1970 folgende prozentuale Anteile an den Energiequellen angegeben worden: Erdöl und Erdgas 75,8 Prozent, Kohle 20,1 Prozent, Wasserkraft 3,8 Prozent, Atomkernenergie 0,3 Prozent. Bei der Verdreifachung der Energieerzeugung wird sich (siehe Grafik Seite 104) der Anteil von Kohle, Öl und Erdgas um einiges verringern, da die Zunahme in der Förderung der fossilen Brennstoffe absinken wird. Damit sind wir an einem kritischen Punkt unserer Betrachtung angelangt. Wenn wir heute über den Umfang der Vorräte an fossilen Brennstoffen in der Erdkruste noch streiten, so sind sich dennoch alle Experten darüber einig, daß uns spätestens etwa in 100 Jahren der Ofen ausgehen wird. Unserer eben genannten Grafik ist zu entnehmen, daß die fossilen Energievorräte der Erde, nämlich Kohle, Erdöl und Erdgas, auch noch im Jahr 2000 den Löwenanteil des Energiebedarfs der Vereinigten Staaten übernehmen müssen. Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, daß die übrige industrielle Welt dem Beispiel und den Entwicklungen der Vereinigten Staaten in etwa immer nachfolgt. 

Daraus ergeben sich ernsthafte Konsequenzen, die wir in der Grafik auf Seite 108 für das Beispiel des Erdöls zeigen wollen. 

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Der untere Teil der Kurve zeigt die zukünftige Produktion von Erdöl, ausgedrückt in Milliarden Tonnen, während der nächsten 100 Jahre. Es sind zwei Kurven, die sich nur dadurch unterscheiden, daß eine Schätzung über den Vorrat an Erdöl unseres Planeten doppelt so optimistisch ist wie die andere. Diese beiden Kurven sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Sie sind von einer hinreißenden theoretischen Glätte und Symmetrie, wobei die Autoren offenbar der Meinung sind, daß uns der Vorrat an Erdöl im Laufe der nächsten 100 Jahre so glatt und mathematisch sauber zwischen den Fingern zerrinnt und genauso friedlich zu Ende geht, wie eine Kerze am Weihnachtsbaum verlöscht, die man am Silvesterabend noch einmal angezündet hat.

Wir wollen gar nicht davon sprechen, daß die Schätzungen von zwei Experten über den gesamten Schatz an Petroleum so weit auseinanderklaffen. Was uns an dieser Kurve interessiert, ist die Tatsache, daß beide etwa im Jahr 2075 — also in 100 Jahren — auf Null zurückgehen.

Was sich an unglaublichen Problemen für das gesamte menschliche Leben in der Landwirtschaft, im Transportwesen und in der Industrie in den 50 Jahren nach Überschreiten der Spitze abspielen wird, ist in der mathematischen Eleganz dieser Kurven freilich nicht ausgedrückt.

Es ist eigentlich erstaunlich, mit welcher Rücksichtslosigkeit die jetzt lebende Generation und vielleicht auch schon unsere Väter mit diesem unersetzlichen Kapital aasen und geaast haben. Die fossilen Brennstoffe sind gestaute Sonnenenergien, die sich im Lauf von Jahrmillionen aufsummiert haben. 

Um wieder eine Größenordnung zu nennen, verbrennen wir in jedem Jahr einen Betrag an diesen fossilen Brennstoffen, dessen Ansammlung in der geschichtlichen Vergangenheit der Erde etwa eine Million Jahre in Anspruch genommen hat. Das kann natürlich nicht so weitergehen, und wir hatten zuvor ja schon davon gesprochen, daß wir spätestens in der Mitte des nächsten Jahrhunderts vor leeren Kohlenhalden, leeren Ölfässern und leeren Gastanks stehen werden. Dieses Problem ist noch nicht einmal alles. Nicht nur handeln wir ohne jede Rücksicht auf unsere Enkel und Urenkel, die ja auch auf die Naturschätze unseres Planeten einen gewissen Anspruch haben; die Umwandlung dieser fossilen Brennstoffe ist eben unausweichlich mit einer Verbrennung und damit mit einer gefährlichen Verschmutzung unserer Umwelt verbunden. Bei den gewaltigen Mengen, die wir jedes Jahr verbrauchen, haben die Schmutzanteile den kritischen Grenzwert ein Gramm pro Tonne schon längst überschritten, und es kann eigentlich nur noch schlimmer werden.

Es sieht so aus, als ob sich die Vorräte an Erdgas in den nächsten 100 Jahren in ähnlich schneller Weise erschöpfen werden, lediglich die Kohle könnte uns noch etwas länger dienen. Jedoch, gemessen an der bisherigen Geschichte der Menschheit, die sich ja nach Jahrtausenden bemißt, kommt es auf ein paar Jahrzehnte oder auch auf ein Jahrhundert eigentlich gar nicht an. Wir stehen dem großen Problem gegenüber, was wir als Menschheit tun sollen, wenn wir — und zwar offenbar sehr bald — in Energienot geraten. 

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Geschätzte Produktion und damit Verbrauch der Ölvorräte der Erde. 

Die obere Kurve entspricht einer optimistischen Schätzung, die um 60 Prozent höher liegt als die pessimistische Schätzung (untere Kurve). 

In beiden Fällen jedoch wird uns das Erdöl in etwa 100 Jahren ausgehen. 

Das ist ja genau das, was ich zu Beginn dieses Kapitels angedeutet habe. Voraussagen über die Zukunft sind verläßlich, wenn sie auf dem Energieprinzip beruhen. So können wir mit großer Sicherheit voraussagen, daß die Menschheit der ferneren Zukunft nur dann überleben kann, wenn ihr ausreichend Energiequellen zur Verfügung stehen werden. Das Thema «Mensch und Energie» ist daher offensichtlich eine Schicksalsfrage.

Wir glauben heute, das Wesen der Energie und ihrer Quellen gut genug zu kennen, um die Zukunft der Menschheit an ihnen ablesen zu können. So müssen wir uns in erster Linie fragen, weshalb wir uns eigentlich nicht der ursprünglichen und gleichzeitig auch der saubersten Energiequelle zuwenden: der Sonne. Die Instrumententräger, welche unseren Erdball umkreisen und die erfolgreich bis zu den Nachbarplaneten Mars und Venus geflogen sind, können ja nicht genug elektrische Energie in Form von Batterien mitnehmen. Trotzdem waren sie monatelang funktionstüchtig, weil sie mit der elegantesten Energie versorgt worden sind, nämlich mit dem Sonnenschein. Diese Energiequelle hat zwei unschätzbare Vorteile, indem sie nämlich keinerlei Abfälle hinterläßt und außerdem überhaupt nichts kostet. Wäre es nicht wunderbar, wenn wir unsere gesamten Energieansprüche aus dem Schein der Sonne beziehen würden?

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Unglücklicherweise ist das bei den heutigen und vor allen Dingen bei den zukünftigen Energieansprüchen der Menschheit nicht möglich. Obwohl ungeheure Energiemengen täglich die Erde treffen, so gelingt es uns nicht, genügende Mengen davon für unsere eigenen Bedürfnisse einzufangen, zu speichern und zu nutzen. Dafür ist die mittlere Energiedichte der Sonnenstrahlung, die pro Minute auf jeden Quadratzentimeter der Erde fällt, viel zu dünn verteilt. Instrumententräger, die im Weltall 24 Stunden am Tag bestrahlt werden, können mit ihren Sonnenzellenträgern gerade genug Energie auffangen, um ihren auf ein Minimum reduzierten Bedarf zu befriedigen. Dabei kostet jeder dieser Sonnenzellenflügel in seiner Herstellung Hunderttausende von Mark. Bei den Energieansprüchen der Menschheit können wir uns so etwas überhaupt nicht leisten.

Energiewissenschaftler haben Sonnenöfen konstruiert, mit denen man kochen kann. Heizingenieure haben interessante Systeme entwickelt, wonach die Sonnenenergie, die auf das Dach eines Hauses fällt, umgewandelt, gespeichert und dann gelenkt wieder abgegeben wird, so daß die Heizung des Hauses — und im Sommer der Energiebedarf für seine Kühlung — davon bestritten werden kann. Solche Einrichtungen jedoch sind noch so kompliziert, daß sie genausoviel kosten wie das ganze Haus. Wer will schon heute, da ihm eben noch andere Energiequellen in der Form von Gas und Öl zur Verfügung stehen, sein Haus nicht mit einem Hundertstel der Kosten heizen oder kühlen?

Kürzlich haben amerikanische Weltraumwissenschaftler interessante Entwürfe vorgelegt, Sonnenenergie in größerem Maßstab durch Satelliten aufzufangen und zur Erde herunter zu funken. So reizvoll diese Pläne sich anhören, so sieht es bestimmt nicht so aus, als ob damit der Energiebedarf für die Milliarden der Zukunft auch nur annähernd gedeckt werden könnte. Die direkte Nutzung der Sonnenenergie ist und bleibt in unserer Energiewirtschaft wohl immer nur eine Arabeske.

Leider ist die Sonnenenergie so dünn verteilt, daß jede Anlage, sie zu der Produktion von einigen Megawatt elektrischer Energie zu konzentrieren, zu kostspielig wird. Und da ist die Menschheit natürlich wieder den leichtesten Weg gegangen: Warum soll man kostspielige Sonnenkraftwerke bauen, wenn doch die Kohle und das öl heute noch so billig sind?

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Auch an die klassische Kraft des Windes könnte man denken, dessen Energie auch nichts kostet und völlig verschmutzungsfrei ist. Auch hat man schon begonnen, die Energie der Gezeiten anzuzapfen, da Ebbe und Flut uns an jedem Küstenort der Erde — freilich mit sehr mäßigen Höhenunterschieden — eine Höhendifferenz von gewaltigen Wassermassen schaffen. Es wäre also sehr schön, wenn es uns in Zukunft gelänge, den Verbrauch der fossilen Brennstoffe, Kohle, Öl und Erdgas einzuschränken und uns auf die sauberen Energien, Sonnenenergie, Wasserkraft, Winde und Gezeiten einzurichten.

Um die Sonnenenergie nutzen zu können, muß sie konzentriert und gespeichert werden, da sie als reiner Energiestrom zu dünn fließt. Hinzu kommt, daß auch diese Quelle auf die Dauer nur in den Subtropen verläßlich ist, während in den Hochtropen, in der gemäßigten und der arktischen Zone die Sonne einfach nicht oft genug scheint. Das ist es ja auch, was wir gemacht haben: Wir nutzen durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas fossile Sonnenenergie, welche die Erde schon vor Jahrmillionen getroffen hat. Dort hat sie sich gelagert und aufgestaut. Allerdings verbrennen wir pro Jahr viel mehr an diesen aufgestauten Sonnenenergien, als uns die Sonne pro Jahr durch diese Prozesse der Erzeugung von Holz, Kohle, Erdöl und Erdgas jemals wieder nachliefern kann. Wir leben also nicht von den Zinsen, sondern vom Kapital der Sonnenenergie.

Die einzige Ausnahme ist die Wasserenergie. Ein Staudamm von Milliarden von Tonnen Wasser hinter sich ist ja ein besonders eleganter Energiespeicher von Sonnenenergien. Er sammelt verdunstetes Wasser, das die Sonne in die Höhe gehoben hat; wenn wir dann dieses Wasser durch ein Rohr herabfallen lassen und über Turbinenschaufeln leiten, so können wir daraus elektrische Energie gewinnen, und das Wasser, das am unteren Ende der Turbinen heraussprudelt, ist genauso sauber und klar wie das Wasser, das man oben hineingeleitet hat. Das heißt: Wasserkraft ist verschmutzungsfrei. Hinzu kommt, daß große Dämme und künstliche Seen, die sich hinter ihnen aufstauen, fast in allen Fällen die Landschaft sogar schöner und interessanter machen. Die größten künstlichen Seen der Welt in Arizona, in Rhodesien, in Indien und in Utah haben eigentlich kaum jemandem geschadet. Beim Assuan-Damm in Ägypten freilich mußte man ganze Dörfer umsiedeln und in Kauf nehmen, daß unersetzliche Baudenkmäler aus dem alten Ägypten entweder überschwemmt wurden oder an anderen Stellen neu aufgebaut werden mußten.

Eine vielleicht übertriebene Sorge des Umweltschutzes allerdings besteht darin, daß man vor Erdbeben warnt, welche durch Seen dieser Art nachweislich erzeugt werden. Man darf ja nicht vergessen, daß sich die Erdkruste in ihren obersten Schichten in einem delikaten Gleichgewicht befindet, das sich in der Anordnung ihrer größten Erdschollen dauernd neu ausbalanciert. Die dabei frei werdenden Kräfte äußern sich als Erdbeben. Wenn wir Menschen dann durch einen Damm einen künstlichen See schaffen, der 20, 50 oder gar vielleicht sogar 150 Milliarden Tonnen Wasser enthält, so bringen wir dieses delikate Gleichgewicht der Erdschollen etwas durcheinander.

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Es ist genauso, als wenn man auf den Dielen eines Holzbodens ein Klavier abstellt. Dann knackt es auch etwas im Gebälk. Besorgte Umweltforscher haben auf Erdbeben hingewiesen, die mit steigender Häufigkeit in Indien nach dem Bau des Koyna-Dammes, in Rhodesien beim Kariba-Damm, in Griechenland beim Kremasta-Damm und auch beim großen Boulder-Damm des Colorado-Flusses in Arizona auftraten. Mir will scheinen, daß durch diese Erdbeben zwar schon einiger Materialschaden entstanden ist; wenn jedoch Menschenopfer zu beklagen sind, die ursächlich auf die Konstruktion dieser Dämme zurückzuführen sind, so betragen diese insgesamt nur einen geringen Prozentsatz der Opfer, die auf der ganzen Welt wöchentlich auf den Autobahnen sterben müssen. Hinzu kommt, daß ohne die steigende Energieproduktion ja auch wieder ungezählte Menschen Hungers sterben müßten.

Leider ist die Wasserkraft als Quelle elektrischer Energie für die Bedürfnisse der Superpopulation unseres Planeten bei weitem nicht ausreichend. Selbst den Vereinigten Staaten, welche den Bau von riesigen Staudämmen schon seit Anfang des Jahrhunderts in der Form großer Pioniertaten durchgeführt haben, ist es lediglich gelungen, bis zum Jahr 1970 nur knapp vier Prozent ihres Energiebedarfes aus der Wasserkraft zu decken. Dabei konnten die amerikanischen Wasserbauingenieure mit der großartigen Geographie ihres Landes operieren.

Wenn wir von glücklichen Nationen wie Norwegen oder der Schweiz absehen, so besteht nur eine geringe Hoffnung für die übrigen Länder der Welt, sich mit Wasserkraft allein zu versorgen. Es wäre natürlich wunderschön, wenn wir Menschen uns mit unserem Energiebedarf in dieses goldene Gleichgewicht der Natur einschalten könnten. Die Stauseen hinter unseren Dämmen werden doch jedes Jahr wieder gefüllt; gewiß, manchmal mehr und manchmal weniger. Heute und noch eine ganze Zeit in der Zukunft jedoch müssen wir unseren Energiebedarf aus anderen Quellen decken. Wie wir gesehen haben, führt das zu immer massiver werdenden Verbrennungsrückständen, deren Beseitigung uns heute schon viel Sorgen macht. Auch wird es nicht mehr lange dauern, bis der letzte Kohlenbunker und das letzte Ölfaß leer sein werden.

Eine weitere, überaus reizvolle Möglichkeit zur Energiegewinnung steckt im Innern unseres eigenen Planeten: die Erdwärme. Die Erde ist als Ganze ja sehr heiß, und schon wenige Kilometer unter unseren Füßen herrschen Temperaturen von Tausenden von Graden. Man glaubt heute zu wissen, daß diese Temperaturen aufrechterhalten werden durch die Energieerzeugung radioaktiver Substanzen, die in den oberen Erdschichten dicht angereichert sind. Die Erdkruste selbst ist ein so vorzüglicher Wärmeisolator, daß im Laufe von Jahrmillionen mehr Wärme erzeugt wird, als die Erdkruste durchläßt. Die Temperatur im Erdinnern nimmt daher in Zukunft auch noch eher zu als ab.

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Die Verschmelzung zweier schwerer Wasserstoffkerne (Deuterium) bildet das leichte Helium-Isotop He-3. 
Dabei wird pro Elementarprozeß die Bindungsenergie von einer Million Elektronen-Volt frei. 

Deuterium und Tritium bilden Helium 4 unter Freigabe von 17,6 Millionen Elektronen-Volt. 
Ein freies Neutron wird jeweils frei.

 

Für die Bedürfnisse der Menschheit steckt darin eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle. Erdbeben, die Tätigkeit der Vulkane und heiße Quellen zeugen ja von diesen Energien. Nur an wenigen Stellen auf der Erde hat man — in Italien und in Island — diese Energien als heißes Wasser, Dampf oder gar durch Kraftwerke nutzbar machen können. Die Technik unserer Enkel und Urenkel wird sich bestimmt dereinst dieser wichtigen Quelle bedienen müssen, um den Energiebedarf ihrer eigenen Jahrhunderte befriedigen zu können.

Wie nun steht es mit der berühmten Atomenergie, die wir zuvor schon in einem eigenen Kapitel besprochen haben? Dort hatten wir uns in der Hauptsache damit beschäftigt, wie es mit den Verschmutzungsgefahren für unsere Erde bei der Anwendung der Kerntechnik steht. Jetzt wollen wir einmal — ähnlich wie wir es für die Vorräte an Kohle, Erdöl und Erdgas getan haben — nach den Energievorräten fragen, welche unser Planet für uns in dieser Hinsicht bereitgestellt hat. Es dreht sich dabei um zwei recht seltene Stoffe, nämlich um das Schwermetall Uran und um das Leichtmetall Lithium. Auch diese Rohstoffe sind ihrer Natur nach «fossil» — zum Teil schon genutzt und zum Teil in der Zukunft nutzbar. Aber auch diese sind erschöpflich. Auch für diese Rohstoffe gibt es Kurven von der Art, wie wir sie auf Seite 108 für das Erdöl zeigen. Bei solchen Kurven übrigens wird oft von Produktion gesprochen, genauso als ob wir Menschen diese Stoffe herstellten. In Wirklichkeit sollte man zumindest von Förderung, besser sogar noch von Abbau oder sogar von Raubbau reden.

Heute schon gibt es Kraftwerke, die mit Uran als Brennstoff betrieben werden. Die Atomkerne einer bestimmten Uransorte nämlich sind — wie der Physiker sagt — spaltbar und können in einer gesteuerten Kettenreaktion Energie abgeben. Es dreht sich dabei um eine Energiequelle, deren Existenz die Physiker zwar schon seit Beginn unseres Jahrhunderts ahnten, jedoch erst seit der Entdeckung der Kernspaltung durch die deutschen Chemiker Otto Hahn und Fritz Strassmann im Jahr 1939 nutzbar machen konnten. Gewichtsmäßig verglichen ist eine Tonne Uran als Energiequelle einer Tonne Kohle um solche Beträge überlegen, daß man glaubte, alle Energiesorgen für die Zukunft los zu sein. 

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In Wirklichkeit ist Uran ein recht seltener Stoff, so daß wir selbst heute schon, 30 Jahre nach Beginn des Atomzeitalters, das Ende sehen, ähnlich wie bei den anderen Naturschätzen, wie Kohle, Öl und Erdgas. Freilich kann man durch die sogenannten Brüterreaktoren die Vorräte noch um ein Gewaltiges strecken. Wir wollen an dieser Stelle überhaupt keine Rechenschaft ablegen, wie viele Jahrzehnte oder vielleicht sogar Jahrhunderte sich der Energiebedarf der Menschheit durch solche Entwicklungen noch ausdehnen läßt. Da es sich jedoch auch beim Uran um Vorräte in der Erdkruste handelt, so sind auch diese erschöpflich.

Nun kommen wir zu der Urkraft der Natur: zu der Kernverschmelzung. Es ist dies die Quelle, aus der auch die Sonne schon seit Jahrmilliarden ihre stets fließende Strahlungsenergie schöpft. Im wesentlichen gibt es zwei Prozesse, denen wir vielleicht bei entsprechender Beherrschung in Zukunft große Energien entnehmen können. Bei hohen Temperaturen können Wasserstoffatomkerne zu Helium verschmolzen werden. Dabei dreht es sich nicht um gewöhnlichen Wasserstoff, sondern um den sogenannten schweren oder überschweren Wasserstoff, mit Atomen, die doppelt oder dreimal so schwer sind wie der normale Wasserstoff. Diese Wasserstoffarten haben auch entsprechende Namen, nämlich Deuterium und Tritium. Zur Verschmelzung von Wasserstoffatomen benötigen wir allerdings eine Temperatur von Millionen von Grad. Auch wissen wir, daß die Verschmelzung eines Deuteriums und eines Tritiumatoms wesentlich leichter zu bewerkstelligen ist als die Verschmelzung zweier Deuteriumatome. 

Tritium allerdings hat zwei große Nachteile: 1. Es ist hochgradig radioaktiv und damit ein gefährliches Element der Verschmutzung. 2. Es kommt in der Natur nur in so geringem Ausmaß vor, daß man es aus dem nächst schwereren chemischen Element künstlich herstellen muß, nämlich aus dem Leichtmetall Lithium. Damit sind wir wieder bei dem Problem angelangt, daß die Vorräte von Lithium in der Erdkruste beschränkt sind. Selbst wenn der Menschheit die Gewinnung von Energie aus der Verschmelzung von Deuterium und Tritium gelänge, so sitzen wir wieder auf dem Problem, daß die Tritiumquelle Lithium nicht unerschöpflich ist. Zusammen mit Kohle, Erdöl und Erdgas gehören demnach auch Uran und Lithium zu den Energiequellen, welche die Menschheit bei ihrem riesigen Bedarf in wenigen Jahrhunderten erschöpfen wird.

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Anders jedoch steht es mit der Energieerzeugung aus der Verschmelzung von zwei schweren Wasserstoffkernen Deuterium. Schwerer Wasserstoff kommt zwar nur als geringer Bruchteil des normalen Wasserstoffs vor; in jeder Tonne Wasser befinden sich davon nur etwa 34 Gramm. Die Energie, die sich jedoch bei der Verschmelzung zweier Deuteriumatome gewinnen läßt, ist ungeheuer groß. Wenn wir dem Ozean nur ein Prozent seines Deuteriumgehalts entzögen, so könnte man daraus eine Energie gewinnen, die 500.000mal größer ist als alle Energien in sämtlichen fossilen Brennstoffen, wie Kohle, Öl, Erdgas, Uran und Lithium.

Die fossilen Brennstoffe sind erschöpflich, auch wenn sie uns, mit Sorgfalt behandelt, noch ein oder zwei Jahrhunderte helfen können. Gleichzeitig aber auch ist ihre Umwandlung in brauchbare Energie mit einer Verschmutzung der Umwelt verbunden. Jetzt kann man einsehen, wieso man das Schicksal der Menschheit jenseits des Jahres 2100 oder sogar bis ins dritte Jahrtausend mit einer gewissen Sicherheit voraussagen kann. In nicht allzuferner Zukunft muß die Menschheit ihr Leben durch Energiequellen absichern, die entweder — wie die Sonnenenergie — dauernd fließen oder — wie die Deuteriummenge in unserem Weltmeer —, gemessen an der Lebenserwartung der Menschheit, praktisch unerschöpflich sind. Dann brauchen wir uns auch über alle anderen Probleme der Menschheit weiter keine Gedanken zu machen.

Alles in allem steht der Menschheit so oder so mit ihrem Energiebedarf in der Zukunft ein schweres Problem ins Haus. Betrachten wir uns noch einmal die Grafik auf Seite 104, die zeigt, daß sich der Energiebedarf der Vereinigten Staaten — als Beispiel für Industrienationen — bis zum Jahr 2000 fast verdreifachen wird. Der prozentuale Anteil von Kohle, Öl und Erdgas wird sich dabei um einiges verringern, da die Förderung dieser fossilen Naturschätze sich nicht entsprechend wird steigern lassen.

Den sehr stark wachsenden Bedarf jedoch glaubt man nur mit einer enormen Steigerung der Kernenergie decken zu können. Der Prozentsatz der Energie­erzeugung durch Wasserkraft wird bis dahin auf etwa die Hälfte absinken. Energiegewinnung durch Nutzung der Erdwärme, der Gezeitenkräfte und der Sonnenenergie wird auch dann noch so klein sein, daß sie als Prozentsätze in dieser Aufstellung überhaupt nicht auftreten. Wenn schon das technisch am meisten fortgeschrittene Land, die Vereinigten Staaten, in den nächsten 30 Jahren noch den Löwenanteil ihres Energiebedarfs aus den fossilen Energiequellen schöpfen wird, was sollen denn dann die Entwicklungsländer machen? Kohle, Öl und Erdgas sind heute eben noch mit Abstand die billigsten Energiequellen, und darauf stürzt sich ein jeder — reich oder arm —, um seinen dringendsten Bedarf zu decken. Es sieht also nicht so aus, als ob wir in den nächsten Jahrzehnten zu einem Ende des Raubbaus dieser unersetzlichen Naturschätze kämen und daß damit auch die Verschmutzung unseres blauen Planeten abnähme.

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Sonnensegel in einer Erdumlaufbahn könnten Sonnenstrahlung einfangen und, in elektrische Energie umgewandelt, zur Erde herunterfunken. 

Diese teuren und auch anfälligen Geräte könnten allerdings nur einen Bruchteil des zukünftigen Energiebedarfs der Menschheit decken.

Auch die sozialistischen Länder sind überhaupt nicht darauf eingerichtet, die Wirtschaftlichkeit ihrer Energieproduktion dadurch entscheidend zu schmälern, daß sie erhebliche Anteile ihrer gewonnenen Energie für die Beseitigung der Abfälle aufwenden. Es ist also unser Eigennutz, der uns das Leben letzten Endes immer weniger lebenswert macht. An dem Naturgesetz, das wir als die Toleranzgrenze der Verschmutzung erkannt haben, kommen wir offenbar nicht vorbei. Schon heute sind wir zu viele Menschen auf der Erde, denn wir können uns ja gerade knapp ernähren.

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Umgekehrt aber strebt doch jeder Mensch nach Fortschritt und nach Verbesserung seines persönlichen Schicksals. Ohne Steigerung der Energieproduktion geht das nicht, da eben immer mehr Energie benötigt wird, um Ernährung und Güter für die Menschheit bereitzustellen. Die klassischen Energiequellen werden in spätestens 50 bis 100 Jahren erschöpft sein; die Entwicklung neuer Energiequellen, die sauber sind und sich selbst immer wieder regenerieren, ist uns heute einfach zu teuer. Die Entwicklungsländer scheuen diese zusätzlichen Ausgaben eigentlich noch mehr als die klassischen Industrieländer. Genauso wie die westliche Welt es seit fast 100 Jahren rücksichtslos getrieben hat, wollen auch die Entwicklungsländer ihre Energieansprüche nach dem Motto «heute, viel und billig» erfüllt sehen. So etwas kann man natürlich nur machen, wenn man weiterhin das Kapital verzehrt. Wenn man nicht auf das Übermorgen zu achten hat, dann kann man es sich ja leisten, Kühe zu schlachten, statt sich mit ihrer Milch zu ernähren. 

Die Dinge sehen nicht so gut aus, wie eine Reihe von Energieexperten uns glauben machen will. Auch die Kernenergie ist — zumindest heute — noch nicht das Allheilmittel. Die unmittelbare Nutzung spaltbaren Urans gleicht dem Verbrauch von Kohle und Öl. Soviel Uran gibt es nämlich gar nicht auf unserer Erde, als daß wir damit unbeschränkt wirtschaften könnten. Mit den sogenannten Brüterreaktoren können wir die Decke sogar fast um das Hundertfache strecken; dann aber haben wir das Problem eines vielleicht auch hundertfach so großen radioaktiven Abfalls. So bleibt nur noch die Urkraft der Natur: die Verschmelzung von Atomkernen. Dieser Fusions-Energie verdankt ja die Sonne ihr langes energiereiches Leben. Diese Prozesse sind zwar auch nicht ganz so abfallarm, wie von vielen behauptet wird. So oder so wird das ekelhafte radioaktive Gas Tritium sich nicht völlig beherrschen lassen, und der dichte Neutronenstrom im Innern eines Fusionsreaktors macht alle anderen Substanzen in seiner Umgebung auf die Dauer eben doch ziemlich unangenehm radioaktiv.

Nur die Verschmelzung von Deuterium mit Deuterium würde uns eben jene idealste Energiequelle für die ferne und fernste Zukunft anbieten. Dann freilich werden wir hoffentlich genug Energie haben, die uns auch bis in die fernste Zukunft versorgen wird. Vermutlich bleibt dann auch noch genug davon übrig, damit wir den radioaktiven Müll mit Raumschiffen in die Sonne werfen können. Leider ist es uns noch nicht geglückt, diese Zauberformel der Energie­gewinnung zu finden. Ich glaube, daß es letzten Endes doch möglich sein wird. Inzwischen jedoch tun wir so, als ob wir den Schlüssel für diese Schatztruhe der Energie bereits in der Hand hätten; denn sonst könnten wir es uns überhaupt nicht leisten, der Erde jene unersetzlichen Naturschätze Kohle, Öl und Erdgas rücksichtslos aus dem Leibe zu reißen. Das geschieht durch die alten Industrienationen genauso wie durch die neuen Entwicklungsländer, und es sieht so aus, als ob sich das in der nächsten Generation noch verschlimmern würde. 

Wegen der fundamentalen Einfachheit des Energieprinzips lassen sich an ihm die Bedürfnisse der Menschheit in der Zukunft wohl am einfachsten ablesen, und es sind wohl auch Betrachtungen gerade dieser Art, welche die These von Aldous Huxley, die wir dem ganzen Buch vorangestellt haben, erhärten. 

Mit den letzten drei Themen möchte ich daher wieder zu diesem Kernproblem zurückkehren. Heute, da jeder weiß, daß es schon viel zuviele Besatzungs­mitglieder auf unserem Raumschiff Erde gibt, müssen wir uralte Vorstellungen und überlieferte Traditionen über die menschliche Vermehrung mit völlig neuen Augen sehen lernen. 

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