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5  Zeitpassagen  

Flannery-2005

Die paläoklimatischen Daten schreien uns entgegen, dass sich das Klimasystem der Erde alles andere als von selbst stabilisiert, sondern ein streitlustiges Biest ist, das schon bei kleinen Schubsern überreagiert.  --Wallace Broecker, Cooling the Tropics, 1995--

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Geologiestudenten quält man damit, dass sie die geologischen Formationen - oder »Systeme« - der Erd­geschichte auswendig lernen müssen; dafür haben sie sich seit langem Eselsbrücken gebaut. So wie etwa: »Kann Otto still drei Kästen Pils trinken? Ja, kein Trinker quasselt.« Dabei steht das K von »Kann« für Kambrium, das O von »Otto« für Ordovizium, das S von »still« für Silur und so weiter bis hinauf in unsere Zeit, ins Quartär. 

Haben sie sich die umfangreiche Liste eingetrichtert, verfügen sie aber bloß über die Grundlagen, denn jedes System untergliedert sich wieder in Abteilungen oder Epochen und Stufen und Substufen. Darüber hinaus werden je nach örtlichen Besonderheiten so genannte lokale Einheiten differenziert, die nur in bestimmten Gebieten zu unterscheiden sind. In Nordamerika beispielsweise werden die Systeme des Käno- oder Neozoikums in lokale Einheiten untergliedert, die man »nordamerikanische Landsäuger-Zeiten« nennt. Das sind zwar die feinsten Unterteilungen der Zeitskala, aber viele dauerten mehrere Millionen Jahre.

Hätte sich das Leben in gleichmäßigem Tempo entwickelt und keine Rückschläge oder Phasen außergewöhn­licher Chancenvielfalt erlebt, wäre es nicht so einfach, die geologischen Schichten zu unterscheiden. Doch diese Abschnitte der geologischen Zeitskala lassen sich auseinander halten, weil es zu dem kam, was Geologen »faunale Umschichtung« nennen — kurzen Phasen, in denen Spezies plötzlich neu auftauchten oder verschwanden. Wir können uns diese Episoden als Zeitpassagen vorstellen, als Momente, in denen ein Zeitalter - und oft ein Klima - dem nächsten Platz machte.

 

Größer  

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Es gibt nur drei Typen von Veränderung, die stark genug sind, um eine Zeitpassage einzuleiten: erstens die Verschiebung von Kontinenten, zweitens kosmische Kollisionen und drittens das Klima verändernde Kräfte wie beispielsweise Treibhausgase. Alle funktionieren auf unterschiedliche Weise, aber sie treiben die Evolution mit denselben Mechanismen voran — Tod und neue Chancen.

Zeitpassagen gibt es in drei »Größen« — kleine, mittlere und große. Die Kleinsten sind jene, die kurze und lokal begrenzte Zeitabschnitte eröffnen, für die die »nordamerikanischen Landsäuger-Zeiten« ein gutes Beispiel sind. Häufig ist die treibende Kraft hinter solchen Zeitpassagen die Migration; zu einer solchen kommt es beispielsweise, wenn Kontinente in Kontakt miteinander geraten, etwa weil sie aneinander stoßen oder weil sich Landbrücken eröffnen, wenn der Meeresspiegel steigt oder fällt oder die Erde sich erwärmt oder abkühlt, was Tieren und Pflanzen die Migration ermöglicht. In solchen Fällen sind die Zeitpassagen von einem plötzlichen Auftauchen neuer Spezies und oft dem Aussterben lokaler Konkurrenten geprägt.

Die mittelgroßen Zeitpassagen — die die geologischen Systeme oder Formationen trennen — zeigen sich im globalen Maßstab und resultieren üblicherweise aus Faktoren wie etwa Treibhausgasen, die sich weltweit auswirken. In solchen Fällen findet man in den Gesteinsschichten fast immer eine traurige Geschichte des Aussterbens, dem die allmähliche Evolution neuer Lebensformen folgt, welche sich den veränderten Verhältnissen anpassen.

Die größten Zeitpassagen jedoch sind die, die die Erdzeitalter unterteilen. Es sind Phasen massiven Umsturzes, in denen bis zu 95 Prozent aller Spezies verschwinden. Unser Planet hat ein solches Massensterben bislang erst fünf Mal erlebt, und die Gründe dafür waren unterschiedlich. Das letzte Mal traf ein solches Ereignis die Erde vor 65 Millionen Jahren, als alle Lebewesen, die mehr als 35 Kilogramm wogen, und eine ungeheure Zahl kleinerer Arten vernichtet wurden. Damals verschwanden die Dinosaurier, und als Grund dafür nimmt man allgemein an, dass ein Asteroid mit der Erde kollidierte. Aber jener Asteroid verwüstete nur einen Teil des Planeten, hauptsächlich Nordamerika und Nordostasien.

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Erst dass dabei viel Material in die Atmosphäre gelangte und sich infolgedessen das Klima änderte, führte zum großen globalen Artensterben. Wir können uns also eine Vorstellung davon machen, wie ein durch Verschmutzung der Atmosphäre verursachter sprunghafter Klimawandel zu einem solchen Massensterben führt; und wie sich herausgestellt hat, spielte CO2 bei dem damaligen Ereignis eine wichtige Rolle.

Herausgefunden haben das Paläobotaniker, die die Spaltöffnungen (die dem Gasaustausch dienen) von 65 Millionen Jahre alten fossilen Blättern untersuchten. Diejenigen, die kurz nach dem großen Artensterben gediehen, weisen viel weniger Spaltöffnungen auf als jene, die davor wuchsen. Der Grund ist, dass danach viel mehr Kohlendioxid zur Verfügung stand und die Pflanzen weniger Spaltöffnungen brauchten, um genug zu bekommen. Denn Spaltöffnungen haben auch Nachteile: Durch diese Löcher verliert die Pflanze Wasserdampf. Eine genaue Auszählung der Spaltöffnungen lässt darauf schließen, dass das atmosphärische CO2 um Tausende von Teilen pro Million anstieg, wahrscheinlich weil der Asteroid mit sehr kalkhaltigem Gestein zusammenstieß, wobei ungeheure Mengen von CO2 freigesetzt wurden.43) Diese schlagartige Einbringung des Treibhausgases musste zu einem abrupten Temperaturanstieg führen, und Arten, die mit der zusätzlichen Hitze nicht fertig wurden (viele Reptilien), kamen um.

Es wäre gut zu wissen, ob irgendwelche früheren klimatischen Veränderungen der Erde Ähnlichkeiten mit denen aufweisen, die wir gegenwärtig erleben, aber je tiefer wir die geologischen Schichten ausloten, desto mehr führt uns das alte Mütterchen Zeit in die Irre, weil es unglücklicherweise die Details gelöscht hat. Paläontologen, die sich für vergangene Klimaveränderungen als Schlüssel für unsere Zukunft interessieren, arbeiten meistens an 65 Millionen Jahre alten oder jüngeren Gesteinen, und der größte Jackpot erwartet sie in den Tiefen der Ozeane. In jüngster Zeit haben zwei Projekte — das Deep Sea Drilling Project und das Ocean Drilling Program — aus dem Schlick und Sand, der sich am Meeresgrund anhäuft, eine Fülle von Informationen zutage gefördert. 

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Wissenschaftler haben herausgefunden, dass unzählige Miniaturaufzeichnungen von Temperatur, Salzgehalt und anderen Umweltverhältnissen in dem vertikalen Kilometer — oder mehr — Gestein voller Fossilien vergraben sind, das ihre Bohrer durchschnitten. Wenn man weiß, wie man die Aufzeichnungen lesen muss, kann man die in ihnen kodierte Klimageschichte unseres Planeten wie die Rolle eines Pianolas ablaufen lassen. Und wie bei Pianolas entstehen die fesselndsten Rhythmen und Melodien, wenn die richtigen Maschinen mit den Informationen aus den Bohrkernen gefüttert werden.

Die wichtigsten Aufzeichnungen haben die Form von Sauerstoff- und Kohlenstoffisotopen. Isotope sind Atome desselben Elements, die sich in ihrer Neutronenzahl unterscheiden. Vom Sauerstoff gibt es zwei stabile Isotope, 16-O und 18-O. Fast 99,8 Prozent allen Sauerstoffs auf der Erde sind 16-O. Das viel seltenere 18-O hat zwei zusätzliche Neutronen, dadurch ist es schwerer und verdampft nicht so leicht. Wenn sich die Ozeane erwärmen, verdampft viel 16-O, und im Meerwasser verbleibt relativ viel 18-O. Da Meeresorganismen ihre Schalen aus CO2 aufbauen, untersuchen die Wissenschaftler bestimmte Schalenfossilien auf das Verhältnis von 16-O zu 18-O und ermitteln auf diese Weise die Temperatur in der Vergangenheit. Schwieriger wird die Interpretation, wenn man es mit Eiszeiten zu tun hat, denn dann speichern Gletscher das verdampfte 16-O im Eis an den Polen, was zu einem besonders verzerrten Verhältnis führt. Das bedeutet, dass die Geochemiker wissen müssen, ob ihre Proben aus einer Eiszeit stammen oder nicht, wenn sie die damalige Temperatur akkurat angeben wollen.

Zwei Kohlenstoffisotopen — 12C und 13C — spüren sie auch nach, und diese lassen auf die Zirkulation im Ozean schließen. Pflanzen verarbeiten lieber das leichtere Isotop 12C, wenn sie Sonnenlicht und CO2 in Nahrung umwandeln, und bei Planktonblüten werden daher große Mengen 12C in die Ozeane eingebracht. Wenn diese Ozeane stratifiziert sind (wie heute), sodass oben wärmere Wasserschichten liegen und weiter unten in der Tiefe eiskalte, kann das Wasser nicht zirkulieren; wenn dann das Plankton stirbt und absinkt, nimmt es das 12C mit sich, sodass die Oberflächenschichten relativ 13C-reich sind. Doch wo kaltes Ozeanwasser aus der Tiefe nach oben wallt, nimmt es das 12C mit sich. Wenn also der einstige Ozean weniger stratifiziert war als der von heute, gab es viel 12C in den Skeletten der dicht unter der Oberfläche lebenden Spezies. Zu anderen Indikatoren früherer Klimate zählen das Vorhandensein tropischer Arten, Wachstumsringe von Korallen und so weiter; nimmt man solche Indikatoren und die Isotopenuntersuchungen zusammen, lassen sich daraus ganz hervorragend detaillierte Daten rekonstruieren.

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Im Jahr 2001 machten sich James Zachos von der University of California in Santa Cruz und seine Kollegen an eine großartige und ehrgeizige Synthese.44 Mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Techniken analysierten sie ozeanische Bohrkernproben auf der ganzen Welt und versuchten, die Geschichte unseres Klimas im Lauf der letzten 65 Millionen Jahre nachzuerzählen. Die Arbeit wurde zu einem späten Triumph für Milankovic, denn die meisten Klimatrends, die Zachos und seine Kollegen feststellten, waren von seinen Zyklen geprägt, auch wenn das Öffnen und Schließen von Meereswegen und die Auffaltung von Gebirgen ebenfalls erhebliche Einflüsse ausübten. Diese kosmologischen und geologischen Faktoren konnten jedoch drei Veränderungen nicht erklären, die die Autoren »klimatische Aberrationen« nannten.

Zu diesen Abweichungen kam es vor 55, 34 und 23 Millionen Jahren, und sie markieren wichtige geologische Abgrenzungen: zwischen Paläozen und Eozän, Eozän und Oligozän sowie Oligozän und Miozän. Da es sich bei den letzten beiden Einschnitten um Zeiten abrupter Abkühlung handelte, in denen die Gletscher für 400.000 beziehungsweise für 200.000 Jahre vorrückten, und da niedrige und abnehmende Mengen von Treibhausgasen für sie typisch waren, sind sie für unsere heutige Situation weniger relevant und werden hier nicht weiter diskutiert.

Die älteste klimatische Aberration, die vor 55 Millionen Jahren, hat mit unserer gegenwärtigen Lage mehr zu tun, denn damals heizte sich die Erde abrupt um 5 bis 10 °C auf. Bis zum November 2003 wussten wir im Detail nur wenig über dieses Ereignis, denn die dafür entscheidenden paar Meter Sedimente schienen in der Schichtenfolge zu fehlen. Dann förderte das Ocean Drilling Program drei Bohrkerne vom Shatsky-Rücken (32°N, 158°O) zutage, einem Gebirge, das über zwei Kilometer tief im Nordpazifik liegt. 200 Meter unter dem Meeresboden traf der Bohrer auf eine 25 Zentimeter dicke Schlickschicht, deren Analyse Erstaunliches ergab.45)

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Als Erstes stellten die Forscher fest, dass die Schicht auf einem Abschnitt des Meeresbodens lag, der von Säure weggefressen worden war — ein überzeugender Beweis, dass die Ozeane übersäuert waren. Das ist ein Trend, den wir auch heute beobachten und zu dem es kommt, wenn CO2 in großen Mengen vom Meerwasser absorbiert wird. Es überrascht nicht, dass das Leben in den Tiefen des Ozeans davon gründlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Foraminiferen sind winzige Meereskreaturen, die in der ozeanischen Nahrungskette eine wichtige Rolle spielen. Da ihre Schalen gut fossilisieren und leicht zu identifizieren sind, liefern sie oft die besten Anhaltspunkte, wie klimatische Veränderungen ein Ökosystem beeinflussten. Vergleiche zwischen Foraminiferen aus den Schichten über und unter den von Säure zerfressenen Ablagerungen zeigen, dass es in den Ozeantiefen zu einem massiven Artensterben kam. Es scheint plausibel, dass das gesamte Ökosystem der Tiefsee, von den winzigen Spezies am unteren Ende der Nahrungskette bis zu den bizarren Tiefseefischen, Haien und Kalmaren an der Spitze, einen schweren Schock erhielt. Auch die Oberflächenschichten des Ozeans waren betroffen, wie das Aufkommen neuer Typen von Foraminiferen bezeugt, die die Küsten und das offene Meer bevölkerten.

An Land gibt es in dieser Periode Anzeichen für abrupte Veränderungen der Regenfälle und für die Ausbildung eines Niederschlagsmusters, das dem ähnelt, was wir heute im Amazonasbecken sehen, wo der von Pflanzen ausgeschwitzte Wasserdampf die Hauptquelle für Regen ist.46 Wirklich typisch für diese Zeit und die Veränderungen bei den Landlebewesen ist aber eine Reihe von Migrationen, im Rahmen derer die Fauna und Flora Asiens nach Nordamerika und Europa vordrangen, sich etablierten und dann viele der dort seit langem angestammten Kreaturen aussterben ließen.

Vor 55 Millionen Jahren waren Nordamerika, Asien und Europa durch Landbrücken verbunden (oder fast verbunden), die auf Höhe des nördlichen Polarkreises lagen, und die plötzliche Erwärmung öffnete diese Migrationsrouten für kurze Zeit vielen Wärme liebenden Spezies. Mit das Bemerkenswerteste an den Veränderungen ist, dass sie so schnell erfolgten: Das Einsetzen der Erwärmung scheint sich lediglich in Jahrzehnten oder Jahrhunderten vollzogen zu haben. Was war der Grund? Im Jahr 2004 fand man heraus, dass schwindelerregende 1500 bis 3000 Gigatonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre eingebracht worden sein mussten. 

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Aus geologischer Sicht ereignete sich die Freisetzung »augenblicklich«, das heißt, sie kam so schnell, dass sich ihre Dauer nicht aus den Sedimenten ablesen lässt. Vielleicht hat sie nur Jahrzehnte oder Jahre gedauert, und in dieser Zeit stieg die Atmosphärenkonzentration von CO2 von rund 500 Teilen pro Million (doppelt so viel wie in den letzten 10.000 Jahren) auf rund 2000 Teile pro Million.

Norwegische Wissenschaftler haben jüngst eine Struktur identifiziert, die einen Hinweis liefert, wo das Gas hergekommen ist.47 Ihnen fiel auf, dass in den 55 Millionen Jahre alten Sedimenten aus dem nördlichen und zentralen Atlantik überhaupt keine Carbonate zu finden sind, was darauf hinweist, dass der Ozean hier viel mehr versauert war als anderenorts; und das lässt darauf schließen, dass das Gas in der Nähe seinen Ursprung hatte. Als sie seismische Daten vom Meeresgrund vor Norwegen untersuchten, entdeckten sie mehrere kraterähnliche Strukturen von bis zu 100 Kilometern Durchmesser, die aus der Tiefe der Erde bis zu den Sedimentschichten hochragen, welche vor 55 Millionen Jahren gebildet wurden. An der Basis dieser Strukturen lagen schmale Bänder vulkanischen Gesteins, die durch die Erdkruste nach oben gedrückt worden waren.

Setzt man diese Puzzlestücke zusammen, wurde der Klimawandel vor 55 Millionen Jahren nach Ansicht der Norweger von einem gigantischen, mit Naturgas betriebenen Äquivalent eines Grillfestes angeheizt. Der Brennstoff für das Ereignis lagerte in einer der gigantischsten Ansammlungen von Kohlenwasser­stoffen — meist in Form von Methan —, die wir kennen. Zum größten Teil bestand der Vorrat aus fossilen Brennstoffen, die in Sedimenten eingelagert waren, ein Teil davon mag aber auch in Form von Clathraten vorgelegen haben, einer eisigen, methanreichen Substanz, die auf dem Meeresboden noch immer reichlich vorhanden ist. Brennstoff ist jedoch ohne Zündung nutzlos, und diese langen Magmabänder lieferten den Funken. Wir können uns vorstellen, wie die Erdkruste knirschte, als sich die heißen Zungen geschmolzenen Gesteins ihren Weg in Richtung des Brennstoffes bahnten. Höchstwahr­scheinlich brannte er nicht, sondern erhitzte sich, expandierte und stieg dann schnell zur Oberfläche empor. Als er den Meeresboden erreichte, muss es zu einer massiven Tiefseeexplosion gekommen sein, deren Ausmaß die Welt noch nicht gesehen hatte.48) Der größte Teil des Methans gelangte jedoch nicht in die Atmosphäre.

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Stattdessen reagierte das Gas mit dem Sauerstoff im Meerwasser (wurde »kalt verbrannt«), sodass nur das CO2 an die Oberfläche gelangte. Da es in den Tiefen des Ozeans nun an Sauerstoff mangelte, hatte das Leben dort einen schweren Stand. Als dann das CO2 auch noch das Tiefenwasser versauern ließ, war eine ganze Kavalkade von Kreaturen, von denen wir die meisten niemals kennen werden, zum Aussterben verdammt. In der Tat häufen sich die Beweise dafür, dass viele der Tiefseelebewesen, die es noch heute gibt, sich erst nach dieser Zeit entwickelten.49

Aber diese Forschungsbefunde sind so neu, dass die Details alles andere als geklärt sind. Es kann sein, dass beim Aufreißen des Meeresbodens vor Norwegen nur ein Teil des Gases freigesetzt wurde, das unseren Planeten schmoren ließ, und dass aufgrund einer positiven Rückkopplung an anderen Stellen immer mehr Gas aus Clathraten freigesetzt wurde, als die Ozeane sich aufheizten, was zur thermalen Katastrophe führte. Wie auch immer, die Erde brauchte 20.000 Jahre, bis sie all den zusätzlichen Kohlenstoff wieder absorbieren konnte, der offensichtlich von einer Blüte des Oberflächenplanktons aufgenommen wurde.

Weil das Massensterben vor 55 Millionen Jahren von einem rapiden Anstieg von Treibhausgasen verursacht wurde, bietet es die beste Parallele zu unserer gegenwärtigen Situation. Es gibt aber bedeutende Unterschiede, was heißt, dass die Ereignisse, die wir und unsere Kinder erleben werden, keine schlichte Wiederholung jener längst vergangenen Zeit sein werden. Am wichtigsten ist der Umstand, dass sich die Erde jetzt seit Millionen Jahren in einer »Kühlhaus«-Phase befindet, während sie vor 55 Millionen Jahren schon bereits sehr warm war und das CO2-Niveau rund doppelt so hoch lag wie heute. Damals gab es keine Eiskappen und vermutlich weniger an Kälte angepasste Spezies — sicherlich keine, die Narwalen oder Eisbären vergleichbar wären.

Auch kannte diese wärmere Welt wahrscheinlich nicht die wunderbaren, stratifizierten Schichten des Lebens, die wir heute auf den Bergen und in den Tiefen des Meeres finden. 

Folglich droht unsere moderne Erde im Fall einer rapiden Erwärmung viel mehr zu verlieren als die vor 55 Millionen Jahren. Damals schloss die Erwärmung eine geologische Epoche ab, während wir mit unseren Aktivitäten eine gesamte Ära beenden könnten.

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