Notizen zur Zukunft der PDS und der Ökologischen Plattform

Parteitagsauswertung, Programmdiskussion und Perspektiven

tarantel 11  ---  Marko Ferst --- 2000

 

Die Katerstimmung nach dem Münsteraner Parteitag scheint sich zwar gelegt zu haben, doch der Einbruch war tief und wirkt nach und er ist geeignet, daß sich das 2002 zu 4,9 % statt 5,1 % rechnet. 

Wo ist die PDS zehn Jahre nach der Wende und dem Ableben ihrer Vorgängeridentität angekommen? 
Ist sie eine Partei wie jede andere, angepaßt an die herrschenden Verhältnisse?

Die Reproduktion des an der Macht-Teilhabens funktionierte zumindest besser wie der Aufbau eines alternativ-emanzipatorischen Gestus. Auch das Opponieren scheint keineswegs so selbstverständlich kritischen Geist in bezug auf unsere gesellschaftliche Entwicklung hervorgebracht zu haben. Die Kreise des Politischen sind enger gestrickt. Sie sind nicht unbedingt geeignet weiter zu sehen, sie bleiben oft genug in sich selbst befangen. Manches aus Zeiten der SED wirkt natürlich auch sozialpsychologisch nachhaltig weiter.

Ziemlich trocken seien die alten Kader in der PDS weggekommen, eine radikale Abrechnung mit dem Stalinismus habe es in der PDS nicht gegeben, wenngleich manch profundes dazu publiziert worden sei, läßt Dietmar Keller via Spiegel wissen.(1)  (1) Der Spiegel Nr. 16/2000, ab S. 24.2

Dem würde ich zustimmen, nur damit ein Muster auf den Münsteraner Parteitag zu zeichnen, hier die Reformer da die Orthodoxen, ist ganz gewiß falsch. Es war eine Dummheit auf dem Parteitag über die Fürsprache der PDS in besonderen Fällen für "humanitäre" UN-Kriegseinsätze abstimmen zu wollen, die Sache in eine solche Entscheidungs­situation hineinzutreiben.

Dennoch ist natürlich die Frage zu stellen: Wer kann denn dafür garantieren, daß dies am Ende nicht so ausgeht, wie bei den Grünen.

Die gaben sich mal weitaus pazifistischer als es die SED je war. Die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene lauerte in Wartestellung hinter dieser Abstimmung. Solange nicht konsequent von den Regierungen der westlichen Industriestaaten eine Abrüstungsspirale in Gang gesetzt wird, sollte sich eine zustimmende Mitwirkung an militärischen Interventionen für die PDS ausschließen. Ohnehin ist Deutschland noch kräftig am Anzetteln neuer Kriege über die herausragende Stellung beim Rüstungsexport eingebunden. Die Grundformel sollte lauten: Frieden schaffen ohne Waffen. Wenn man für UN-Kriegseinsätze in gewissen Fällen plädiert, dann muß man auch bereit sein, mit der Waffe in der Hand in solchen Einsätzen zu kämpfen. Das wäre ich in keinem Fall. Mir scheint, mit dem "Hintern" anderer Leute dann durchs Feuer zu gehen, ist jedenfalls nicht redlich.

Zu den drei Tagungen. Auf der ersten Tagung des 6. Parteitages konnten wir erreichen, daß die Ökologische Plattform mit in der Programmkommission vertreten ist. Auch mit Unterstützung anderer AGs u.a. wurde dies möglich. Elke Wolf nimmt dieses Amt von unserer Seite wahr, ihre Thesen waren in der tarantel Nr.10 und im ND auszugsweise abgedruckt. Mit unserer Programmtagung im Juni 2000 wurde ein weiterer Schritt getan in der Richtung, daß wir konkrete Vorschläge zur Veränderung des Programms machen können.

Auf der zweiten Tagung des 6. Parteitages in Suhl zum Europaprogramm gab es einige Anträge von uns, etwa kurz das Thema Gentechnik zu berücksichtigen. Immerhin waren wir im Vorfeld wenigstens gefragt worden, ob wir zum Umweltabschnitt etwas beisteuern wollen, was ein Fortschritt insofern war, als eine zum Wahlprogramm der Bundestagswahl von uns vorgeschlagene moderate Neufassung des Abschnitts in den Papierkorb wanderte. An der damaligen Entwurfsfassung war deutlich zu sehen, daß sie jemand geschrieben hatte, der keine Ahnung vom Stoff hat. Beim Europaprogramm gab jedoch es eine Reihe von Aussagen, die bei der BAG Internationalismus und anderen, insbesondere westlichen PDS-Verbänden auf Widerspruch stießen, etwa zur Landwirtschaft. So bildete sich auf dem Parteitag ein Ring von Einsprüchen heraus, an dem wir partiell beteiligt waren über einige wenige Anträge.

Die kritische Reflexion und Prüfung von verschiedenen Programmaterialien ist und bleibt wichtig und als Ökologische Plattform sollten wir auch künftig darauf Einfluß nehmen und klar machen, daß sozial-ökologische Reformalternativen im Zentrum politischen Geschehens stehen müssen, mit klar formulierten Rahmendaten. Wichtig ist, daß die Delegierten der Plattform auf den nächsten Parteitagen sich nicht nur als abstimmende Zuschauer begreifen, sondern per Rede und mit Anträgen, Einfluß auf das Geschehen nehmen, den Kontakt zu anderen AGs etc. suchen und konzeptionelle Ideen entwickeln, wie man mit dem Areal das Parteitage aufwerfen, am besten umgehen kann.

Der Parteitag zu Ökologie, Süd-Nord und Feminismus (die Themen sollten im Zentrum stehen), hat praktisch nicht stattgefunden. Wer sich am Montag und Dienstag danach mal quer durch die Presse gelesen hat: So gut wie kein Satz wurde dazu geschrieben, ausgenommen ND. Die AG Umwelt Brandenburg formulierte es sehr prägnant: Die Tagesordnung des Parteitages entspricht nicht der Beschlußfassung des Parteitages zum Thema Ökologie, Süd-Nord und Feminismus. Eine 4. Tagung des 6. Parteitages ist dazu anzusetzen. Dies so unmißverständlich zu formulieren ist an sich schon ein Politikum unabhängig davon, ob sich das durchsetzen läßt oder nicht. Das was in den jeweils 2 Stunden zu den Punkten gesagt wurde, war oft lohnend, aber die ganze Anlage der Sache war natürlich nicht geeignet eine strategische sozial-ökologische Reformalternative der PDS öffentlich kenntlich zu machen. Beachtenswert war auch, von den führenden Politikern der PDS war bei der Debatte, soweit ich sehen konnte, nur Lothar Bisky anwesend. Auch dies sagt viel über die Probleme der PDS aus.

Im Vorfeld des Parteitages wurde nichts unversucht gelassen, die drei Themen an den Rand zu drängen. Andre Brie wollte sie erst gar nicht behandelt wissen. Dietmar Bartsch war vom Parteivorstand beauftragt die Tagesordnung zu erarbeiten, mit den bekannten Folgen. Eine entworfene Gegenkonzeption zeigte von der Zeitaufteilung, daß ein ganzer Tag für Ökologie, Süd-Nord möglich gewesen wäre, aber das war nicht gewollt. Immerhin gibt es eine ganze Reihe von Ökoanträgen, die verabschiedet worden sind. Das liegt daran, daß diese im Anschluß an die Debatte zu den drei Themen behandelt wurden und nicht wie zu vermuten war, am Schluß des Parteitages, wo so etwas dann in aller Regel an den Parteivorstand zum Entscheid überwiesen wird. Ein Dialog wie er noch bei einem ersten Treffen zwischen Vertretern der verschiedenen Themen und dem Parteivorstand zustande zu kommen schien, wurde abgebrochen. Ein zwölfseitiger Brief von mir an den Parteivorstand, der eine sehr kritische Einschätzung gab u.a. auch mit vielen Vorschlägen, hielt man nicht mal für nötig zu beantworten.

Auf dem Parteitag wurde das Zentrum "eine Welt" zusammen mit dem dann noch zugestandenen Stand der Ökologischen Plattform in der hintersten Sackgasse der Münsterhalle untergebracht, 200 Meter entfernt von den Saaleingängen. Zufall? Zuletzt hatte Manfred Wolf an den Parteivorstand und einige Zeit später ich selbst in Briefen an das Arbeitspräsidium und den Parteirat gefordert, wenigstens das Eingangsreferat so zu gestalten, daß 15 Minuten Volker Lüderitz von Seiten des Parteivorstandes und Bruno Kern als Vorschlag der Ökologischen Plattform weitere 15 Minuten spricht. Bei dem feministischen Part auf dem Parteitag gab es zwei Einführungsbeiträge, wir erhielten Briefe von Dietmar Bartsch gezeichnet, daß dies abgelehnt werde.

Es gibt noch ein paar Dinge, die ich in diesem Zusammenhang gleich mit ansprechen will. Auf einer Zusammenkunft des Parteirates wurde von Dietmar Bartsch versucht, der Ökologischen Plattform die Hälfte ihrer Parteitagsmandate wegzukürzen. Eckehard Jänicke, der die Ökologische Plattform dort vertritt, konnte dies erfolgreich abwehren. Bartsch ist auch maßgeblich verantwortlich, daß die Stelle des ökologiepolitischen Sprechers gestrichen bleibt. Viele marginale negative Auswirkungen kann man darüber hinaus diagnostizieren, die ich hier im einzelnen nicht alle ausführen will. Im weiteren versucht er die Arbeitsgruppen und Plattformen generell in ihrer Arbeit zubeeinträchtigen. Die Berliner Zeitung hat darüber bereits geschrieben. Man kann das an den Mittelkürzungen für diese Parteigremien ablesen, aber er hat etwa der AG Bildungspolitik wissen lassen, Arbeitsgemeinschaften und Plattformen sind im Grunde unzeitgemäße Einrichtungen.

Zwar dementiert er das offiziell, aber ich fürchte Horst Bethge hat sich das nicht aus den Fingern gesogen. Generell fällt auch auf, daß Bartsch eine zentralistische Vermachtung der PDS anstrebt und ihre Pluralität zurückdrängt. Eine solche Vorgehensweise ist grundsätzlich nicht akzeptabel. Es ist festzustellen, daß die inhaltliche Arbeit aus dem Karl-Liebknecht-Haus personalstrukturell immer mehr ausgelagert wird. Im Grunde genommen wäre eine Evaluierung des innerorganisatorischen Parteiaufbaus von Nöten und davon ausgehend eine konzeptionelle Umgestaltung, bei der Inhalte wieder mehr im Vordergrund stehen. Es ist nicht verwunderlich, daß sich solche Fehlentwicklungen eingestellt haben. Wer sich die Textbeiträge von Dietmar Bartsch anschaut, dem wird die Inhaltsleere und der Schlagwortcharakter (soziale Gerechtigkeit etc.) nicht entgehen.

Und er hat am Ende nicht unerheblich das Sagen, in Sachen Personalbesetzung etc.? Nun ist es wohl in der PDS noch nicht so, daß man Parteiämter auf Lebenszeit ausübt und es gibt da noch immer eine Einrichtung, die sich Wahl nennt. Man sollte in den verschiedenen Parteigliederungen darüber nachdenken, wer jetzt oder auch später die beste Kandidatin oder der beste Kandidat für das Amt des Bundesgeschäftsführers ist. Könnte ja sein, es wäre sinnvoll, wenn man zu einem besseren Arbeitsstil und sozialem Verhalten käme, zumal die Problematik nun eine ganze Reihe von Gliederungen etc. in unterschiedlichem Maß betrifft. Der Ruf der Bundesgeschäftsführung ist ja schon lange nicht der beste, nur interessiert mich die Gerüchteküche normalerweise nicht, solange nicht Fakten auf der Matte stehen. Wenn ich das hier so klar ausdrücke, dann verbindet sich damit natürlich die vage und womöglich auch unbegründete Hoffnung, daß bestimmte nette kleine Schikanen seitens Dietmar Bartsch und Co. künftig unterbleiben.

Ich sehe wohl, daß es nicht einfach ist in führenden Funktionen eine Partei zu koordinieren, aber es könnte schon sinnvoll sein, einen Politikstil anzustreben, der nach innen nicht die Parteiarbeit nachhaltig beschädigt. Gewiß Konfliktsituationen treten immer mal wieder auf, sehr heftig offenbar in Führungsebenen in Brandenburg zuletzt und angesichts der Übertretung, die mit dem Münsteraner Parteitag zu verzeichnen war, sei nur die Überlegung beigegeben, ob es nicht sinnvoll sein kann, sich ein Instanz in der Partei zu schaffen, die man in Konfliktsituationen um Rat und eventuell um Vermittlungsmöglichkeiten ersuchen kann. Das wäre also eine völlig andere Arbeitsweise als sie die Schiedskommission wahrnimmt.

Die Programmdebatte: Man hat nicht den Eindruck sie hätte sich wirklich schon entfaltet, wird unter Umständen sehr schnell entsprechenden Ergebnissen zugeführt werden. Das kann man sich allein an der Zeitachse schon ausrechnen. Wenn 2002 das Bundestagswahlprogramm zu entwickeln ist, dann wird man vorher bereits das Parteiprogramm fertig umgestaltet haben wollen. Das setzt sehr enge zeitliche Rahmenbedingungen, wenngleich es für eine qualitative Arbeit am Programm sinnvoller wäre, sich viel mehr Zeit zu nehmen. Für uns bedeutet das, wir sollten noch in diesem Jahr, aus dem am 17.6. auf unserer Programmkonferenz erarbeiteten Material und weiteren Ideen entsprechend knappe, prägnante und sprachlich elegante Formulierungswünsche abfassen und darüber auf einer zweiten Programmkonferenz diskutieren. Im übrigen ist es sehr wichtig, daß unsere Programmarbeit auch in der Partei wahrgenommen wird. Ohnehin wird es entscheidend sein, ob uns eine offensive Lobbyarbeit für unsere Vorschläge gelingt, weil es sonst sehr leicht passieren kann, daß unsere Vorschläge in irgendeinem Aktenordner auf immer verschwinden und auf Parteitagen das per Antrag, womöglich gegen das Votum der Antragskommission durchzubringen, ist sehr unwahrscheinlich, es sei denn glückliche Umstände fügen sich beisammen.

Insofern ist eine hohe qualitative Arbeit unsererseits unbedingt erforderlich. Wichtig ist für die Programmdebatte, auch den Impuls zu nutzen, der mit der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen Studie "Reformalternativen" verbunden ist. Insbesondere im ersten Teil ist der ökologisch-soziale Gesellschaftswandel als zentrales Reformprojekt der PDS umzeichnet. Das ist gegenüber den bisherigen Diskursen in der PDS ein deutlicher Qualitätssprung. Selbstverständlich ist es notwendig mit einigen Aussagen sich kritisch auseinander zu setzen, aber das Niveau der Ausarbeitung, speziell des ersten Teiles, ist gänzlich anderer Natur, als das was üblicher Weise geboten wird. Die Lektüre ist in jedem Fall auch spannender als der 1996 zur Programmatik der PDS erschienene Band. Langfristig könnte man darüber nachdenken, angesichts der schmalen Ergebnisse, die der Münsteraner Parteitag für die Ökologie gebracht hat, ob man aus der Vielzahl der Materialien die insbesondere zu Nord-Süd und Ökologie vorhanden sind, ein völlig überarbeitetes Material entwirft. Das könnte z.B. in Form eines Leitantrages an einen Parteitag gehen, vielleicht kann man aber auch andere Formen finden.

Im Augenblick ist es allerdings sinnvoll zu versuchen, daß die Programmdebatte nicht mit einer Verschlechterung der generationenübergreifenden Fragestellungen endet und soziale Weltinnenpolitik Randthema bleibt. Generell sollte man versuchen das die Ökologie und der Nord-Süd-Part auch personell stärker im Bundesvorstand vertreten ist. Da der Vorstand immer Montags tagt, ist er eigentlich nur mit Rentnern oder bezahlten PDS-Politikern zu besetzen. Aber vielleicht könnte sich jemand vorstellen, unsere inhaltlichen Interessen im Vorstand wirksam und qualifiziert einzubringen.

 

Schon seit längerem sammle ich Material und denke über verschiedene Konzeptionen nach, wie man ein Buch zur Plattform unter Einbezug der wichtigsten Texte seit der Gründung 1994 konzipieren könnte. All dies wäre sehr aufwendig, aber wenn sich Menschen fänden, die Texte scannen und für das Manuskriptformat technisch aufbereiten könnten u.a. Arbeiten mit betreuen würden, gäbe es dafür längerfristig durchaus ein Chance.

Generell wird es für die Ökologische Plattform in Zukunft wichtiger sein, funktionsfähige Netzwerke herauszubilden in denen ganz unterschiedliche Arbeitsziele verfolgt werden. Es kann z.B. sein, daß sich eine Gruppe besonders um die Kontakte und den Austausch zur Grünen Liga und zu anderen Umweltverbänden kümmert. Ein anderes Netzwerk von Menschen ist vielleicht der unmittelbar Natur- und Artenschutz zentral, nur als Beispiel. Es scheint mir schon wichtig zu sein, daß wir aus der Vereinzelung in der Plattform, so weit das auf ehrenamtlicher Ebene sinnvoll und möglich ist, rauskommen. Dazu gehört ganz gewiß auch, daß wir in den Ländern, wenigstens im Osten, wo noch keine funktionierende AG Umwelt oder Plattform existiert, dazu kämen. Es kann ja z.B. nicht das Problem sein, wenn eine Gruppe z.B. in Sachsen-Anhalt ein regionales Treffen organisieren wollte, daß dann die Adressenliste auf Bundesebene der Plattform dafür initiatorisch mit genutzt wird.

 

Sorge getragen werden muß auch dafür, daß künftig die Bundesebene arbeitsfähig bleibt, da mehrere für den SprecherInnenrat nicht mehr kandidieren werden, daß betrifft auch mich selbst und hängt mit der Studienbelastung zusammen und anderen Faktoren. Generell muß man wohl für die Zukunft aufpassen, daß die praktische PDS-Politik keine ökologiefreie Zone wird. Ich teile die Auffassung, die Roland Schnell in der "tarantel" Nr.10 dazu geäußert hat und im Grunde findet man bei Dieter Klein dieselbe Beschreibung milder ausgedrückt, aus der Perspektive, was getan werden müßte. Wir brauchen in der Plattform eine Pluralität der Auffassungen, jedoch muß man schon darauf achten, daß das größtenteils niedrige Niveau, daß die Partei vorgibt, sich nicht übersetzt in sinkende eigene Ansprüche. Ohnehin darf man Ökologie nicht als Politikfeld betrachten, sondern sollte schon erkennen, daß wir mit einer Grundsatzkrise der menschlichen Entwicklung konfrontiert sind.

Die heutige politische Betriebsamkeit ist so blind, daß sie ihre eigenen Funktionsprinzipien über die Naturgesetze stellt. Da kommt dann hinten raus: Umweltfragen müssen bei der Finanzpolitik oder Wirtschaftspolitik usw. mit berücksichtigt werden. Natürlich zeigt die Erfahrung, das ist anachronistisch. Das damit verbundene Weltbild gehört im Grunde genommen ins Museum. Dies ist aber der Boden auf dem heute Politik funktioniert und von daher ist es notwendig sich sehr kritisch mit der heutigen Faktizität von Politik auseinanderzusetzen, was an ihren Systemstrukturen zu verändern wäre. Ein Blick nach Cottbus sei mir zuletzt noch gestattet: Für mich war schon überraschend mit welch kritischem Ansatz in Bezug auf das Parteigeschehen die designierte neue Parteivorsitzende Gabi Zimmer herangeht. Da ist z.B. folgendes Zitat: "Für die PDS muß es aber tatsächlich um andere Politikangebote gehen. Nicht nur, daß wir vielleicht ein wenig besser sparen könnten, und ein bißchen solider gestalten könnten, vielleicht weniger Fehler machen, besser verwalten würden usw. Dies kann nicht der Anspruch sein."2

(2) Disput Nr.6/2000, S.19.6

Ich finde es ausgesprochen gut, daß dieser Problembereich von ihr zunächst mal konsequenter angesprochen wird, als dies bisher zu vernehmen war. Natürlich sind das erst mal nur Setzungen. Das zeigt zumindest einen Teil der zentralen Konfliktlinien an. Mir scheint der Gegensatz zwischen Reformern und Orthodoxen zu erheblichen Anteilen künstlich verstärkt. Viel zentraler dürfte das teils verdeckte Konfliktpotential sein, daß zwischen parlamentarischer Betriebsamkeit als politischer Verfaßtheit liegt und einem kritisch-emanzipatorischen Politikverständnis, daß bis zu dissidentem Verhalten reicht. Der Riß zwischen diesen Prinzipien mag im konkreten Fall mitten durch den konkreten Menschen hindurch gehen.

 

Für die Zukunft der PDS sollte man beachten, die Gesellschaftsmaschinerie mit ihrem hohen Grad an Sachzwängen, die sich dann auch in systemkonformes Staatshandeln niederschlagen, hat gegenüber einem selbstbestimmten Parteihandeln eine extrem ungleich größere Wirkmacht. Diese faktische Überlegenheit der Gesellschaft als Megamaschine drückt den kritisch-emanzipatorische Geist an den Rand. Dazu kommt – gewiß ein spezielles Problem aller Parteien –: der Populismus greift auch in der PDS um sich. Man sagt, was gerade gerne gehört werden will. Kürzliches Beispiel: Wenn gerade in ist, Ökosteuern sind Fehl am Platz, dann wird das verbreitet und ganz nebenbei holt man sich Applaus und Fürsprache von CDU und FDP beim Statement im Parlament. Die Parlamentsrede von Gregor Gysi Anfang Juli dazu, würde ich ohne Namensnennung nicht als PDS-Rede identifiziert haben. So etwas kann ich natürlich inhaltlich nicht mittragen, so richtig manches Detail sein mag. Wie man hört, sind fast alle anderen PDS-Parlamentarier außer Eva Bulling-Schröter ähnlicher Meinung.

 


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