81    Start    Weiter

Teil 8     Rückblicke in die Zukunft

1.   Die Kolumbusfalle

Ein Funk-Essay im WDR, Februar 1992

311-321

Titelsprecher  

Erstes Kapitel: der Triumph des Christoph Columbus - einst und jetzt.

Dröhnender Orgelsatz (nicht darunterziehen!), einige Takte 

Kommentator   

Fresko in einer barocken Klosterkirche Süddeutschlands: ein allegorisches Schiff, den Rundformen spanischer Galleonen nachempfunden, strebt mit prallgefüllten Segeln dem neuen Strande zu. Das Hauptsegel trägt ein riesiges Kreuzzeichen; unter ihm sind Schulter an Schulter fromme Mönche und stählerne Eroberer versammelt, die erwartungs- und verheißungsvoll dem verheißenen Land entgegensehen. Sie bringen das Heil, zweifellos: von Engeln geblasene Winde - unwiderstehliche - treiben sie an, und links am Bildrand, im Westen also, warten großäugige nackte Naturkinder mit Federkronen; warten sehnsüchtig auf die frohe Botschaft der Erlösung.

Ein paar Finsterlinge mit Fledermausflügeln, groteske Teufel, versuchen vergebens, die Landung zu verhindern, stemmen sich gegen den siegreichen Bug, entschwinden schnaubend in Dunst und stinkendem Gewölk. Das Neue Land, so sichtbarlich der Christenheit angeboten, wird zum neuen, planetarischen Triumph des wahren Glaubens ...

Zitator eins    

Menschen mögen sich täuschen; doch das, was zählt, ist die Wirklichkeit der neuen Völker, die nun einen Teil der Familie der Gotteskinder bilden. Das ist das Wichtigste. Christus wurde verkündet, und aus diesem Kontinent der Hoffnung hebt sich die Opfergabe des Glaubens empor - des Glaubens jener, die einst »Nicht-Völker« gewesen sind und jetzt Gottesvolk sind.

Orgelsatz wie oben, etwa 15 sec. stehen und ausklingen lassen, kein Fade-out!

Kommentator 

1893 wurde in Chicago die sogenannte Kolumbus-Weltausstellung eröffnet. An sich war sie für 1892 vorgesehen, aber das unerwartete Ausmaß des Angebots sprengte den Zeitplan.

In einem Park am Michigansee waren auf einer Fläche von 2,7 Millionen Quadratmetern weit über hundert Gebäude errichtet worden, einige von imposanter Größe. Gehwege, Kanäle und Lagunen verbanden sie, Gondeln und kleine Dampfer standen zur Verfügung. Die Gesamtkosten beliefen sich auf (damals atemberaubende) dreißig Millionen Dollar.

Kolumbus selbst kam dabei keineswegs zu kurz: er erhielt einige Statuen, Spanien baute das historische Kloster La Räbida etwas originalgetreu nach, und im See ankerten die maßstäblichen Kopien der drei Schiffe. (Besonders authentisch waren sie nicht.) Der wahre Zweck der Ausstellung aber war die Präsentation dessen, was aus den Fahrten des Kolumbus erwachsen war: die Exponate aus den Bereichen industrielle Fertigung, Kunst, Maschinenbau, Landwirtschaft, Transportwesen, Bergbau, Elektrizität, Gartenbau, Forstwirtschaft und Fischfang. Der Besucher sollte davon überzeugt werden, daß ...

Zitator eins 

... alle Wunder der Welt und die Werke aller Meister der Kunst und der Erfindung hier versammelt sind, damit wir uns daran erfreuen und daraus lernen - ein wahres Panorama der Möglichkeiten menschlicher Erfindungskraft und unablässigen Bemühens.

312/313

Kommentator 

Am 1. Mai 1893 war es dann so weit: Präsident Cleveland hielt die Eröffnungsrede vor einer Menge von etwa 300000 Menschen, und um punkt zwölf Uhr mittags drückte er eine goldene Telegraphentaste mit Elfenbeineinlage. Damit setzte er Tausende von Zahnrädern, Riemen und Rädern in Gang, die den Strom zum Antrieb der zahllosen Maschinen lieferten.

Zitator eins 

Im selben Augenblick brach das Publikum in tosenden Beifall aus; das Orchester schmetterte das Hal-leluja; die Räder der großen Eüis-Maschine in der Maschinenhalle begannen sich zu drehen; die elektrischen Springbrunnen in der Lagune ließen ihre Wasser in die Lüfte schießen; die Schiffe auf dem See schössen Salven; die Glok-ken in der Halle der Fabrikanten und im Deutschen Haus läuteten fröhlich. Über unseren Köpfen entfalteten sich die Fahnen an den Masten vor der Plattform ...

Händeis Halleluja, evtl. mit Salvenschüssen

Kommentator An einem Sonntagvormittag im Oktober 1991 stachen drei Schiffe, Nachbildungen der ersten Kolumbusflotte, von Huelva, Südspanien, aus in See. Statisten in mittelalterlichen Kostümen mimten Abschied, und der dreiundzwanzigjährige Thronfolger Felipe hielt eine Ansprache, in der es unter anderem hieß:

Zitator eins (anderer Raum) Heute können wir uns unser tägliches Leben gar nicht vorstellen ohne die Tomate, den Mais oder den Tabak.

Kommentator Die Nachbauten sind vollgestopft mit Funk, Radar und Hilfsmotoren, mit Eisschränken, Duschkabinen und Spülklosetts - schwimmende Disneyland-Objekte. Sie sind auf Tournee durch die besseren Häfen der Neuen Welt, gedacht als (so Prinz Felipe) ...

313/314

zitator eins (anderer Raum) ... Symbole unseres Bemühens, die iberoamerikanische Gemeinschaft zu stärken. Musik-Akzent, evtl. aus der >Neuen Welt< von Dvorak -oder ein parfümiert >spanisches< Ding, Bolero od. dgl.

Kommentator Am 12. Oktober 1992 wird Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. in Santo Domingo ein Kreuz in die Erde stoßen - ungefähr dort, wo dies vor fünfhundert Jahren ein genuesischer Abenteurer tat. Die Behörden werden dafür sorgen, daß dies ungestört durch lästige Gegen-Demonstrationen vonstatten geht. Ob eine Gegenkundgebung im benachbarten Haiti möglich sein wird, hängt wohl davon ab, ob die Rückkehr des linkskatholischen Präsidenten Aristide bis dahin geglückt ist.

zitator eins Christus wurde verkündet, und aus diesem Kontinent der Hoffnung hebt sich die Opfergabe des Glaubens empor - des Glaubens jener, die einst >Nicht-Völker< gewesen sind und jetzt Gottesvolk sind. Einige Takte der triumphalen Orgelmusik des Anfangs

autor Aber sehen wir von solchen Posen und Festakten, von solch gestelltem oder aufrichtigem Enthusiasmus ab, verehrte Hörer. Stellen wir vielmehr fest, daß der größte, der wahrhaft planetarische Triumph des Christobal Colon genau richtig zum Halbtausendjahres-Jubiläum eingetreten ist - sein endgültiger Sieg sind die Ereignisse der letzten drei Jahre in Europa.

Vergegenwärtigen wir uns, wie Europa zu seiner Zeit aussah - wie es in Raum und Zeit saß. Es war ein zerrissenes, von unendlichen Düsternissen überschattetes Gebil-

314/315


de. Eine Heimat der Not war es immer gewesen, seit über tausend Jahren. Hunger, Krieg, Seuchen - die sogenannten apokalyptischen Reiter hatten es nie verlassen. Seine Staaten waren noch kaum organisiert; dort, wo sie es waren, handelte es sich um winzige Gebilde, um Städte, die guten Handel trieben und Manufakturen hatten, um ein paar Landstriche am Rand der See. Die Getreidepreise (und Brot war das entscheidende Nahrungsmittel) schwankten in aller Regel um den Punkt, wo die Mehrheit der Bevölkerung gerade noch über dem Verhungern existieren konnte; die regelmäßigen Mißernten sorgten dafür, daß immer wieder verhungert wurde. (Nach der großen Pest im 14. Jahrhundert ging es den Armen wesentlich besser - das heißt, den Armen, die übriggeblieben waren. Es war wohl zuviel verlangt in dunkler Zeit, den systematischen Zusammenhang zuerkennen ...)

Das fünfzehnte Jahrhundert in Europa - Huizinga hat es beschrieben in seinem unsterblichen Buch HERBST DES MITTELALTERS. Nicht nur die materiellen Bedingungen waren fürchterlich - die Spiritualität des Hochmittelalters, die das Abendland geformt und zusammengehalten hatte, war dahin. Die römische Kirche, durch die Avignon-Epoche und das darauffolgende Schisma moralisch und politisch diskreditiert, war zu einem trockenen juristischen Apparat der Heilsverwaltung zusammengeschnurrt, an dem alle Reformversuche scheiterten. Die Frömmigkeit, ortlos geworden in solcher Welt, formierte sich zu hellen und dunklen Strömungen, zu halbrevolutionären Orden, zu Geißlerzügen, zu versteckten Oasen der Innerlichkeit. Die Kriegführung hatte jeden ritterlichen Komment verloren (wenn sie ihn je gehabt hatte); blutgierige, beutesüchtige Feiglinge waren es zumeist, die sich unter irgendeinem Condottiere zusammentaten, um Herren zu dienen, die ihnen im Grunde völlig gleichgültig waren. Stießen sie auf einen Gegner, den ein geistliches Band zusammenhielt (wie etwa die Hussiten), waren sie hilflos und rannten. Dafür verstanden sie es vorzüglich, die Bevölkerung zu kujonieren.

315/317

Ihre Grausamkeit entsprach aufs genaueste der der Bevölkerung selbst. Festliche Ereignisse waren allemal die Hinrichtungen - Wenn irgendmöglich, stundenlange Hinrichtungen, mit exquisiter Folter verbunden. Auch die Hexenjagden begannen erst jetzt wirklich allgemein zu werden - Jagden, die keineswegs nur von der geistlichen und weltlichen Obrigkeit veranstaltet wurden, sondern auf einem tiefen Fundament abergläubischer Nächstenfurcht gegründet waren.

Doch worum es hier in erster Linie geht, ist die politische Situation. Sie war äußerst bedrohlich. Nichts, gar nichts hatte Europa den Großreichen Asiens entgegenzusetzen, die, wenn sie nicht mit Wesentlicherem beschäftigt waren, in Abständen über die großen Ebenen einfielen. Die Mongolen im 13. Jahrhundert, die Seldschuken im 14., die ottomanischen Türken im 15.: sie wischten das Aufgebot des Abendlandes sozusagen mit der linken Hand vom Schlachtfeld. Den letzten ärmlichen Puffer, das tausendjährige By-zanz, hatte abendländische Habgier und Kurzsichtigkeit selbst beseitigt - seit der Eroberung Konstantinopels durch katholische Kreuzfahrer 1204 konnte es sich nicht mehr erholen und wurde 1453 von den Osmanen erstürmt.

Und dahinter stand, wenn man nur einmal den eurozen-trischen Standpunkt aufgibt, eine fernöstliche Welt, deren Dimensionen und deren Organisationgrad in Europa kaum erahnt wurden. Cathay, Cipango - China also und Japan, das waren die mythischen Stichworte, die seit Marco Polo abendländisches Fernweh - und abendländischen Erwerbssinn heraufriefen. Es waren die Stichworte, die auch dem hartnäckigen und wirren Genuesen Cristoforo Colombo vorschwebten.

Wie berechtigt abendländisches Minderwertigkeitsgefühl damals war, das beweist die erste gelungene Reise des Por-

316


tugiesen Vasco da Gama nach Indien 1485. Die Portugiesen erschienen in Audienz vor dem Herrscher von Kalkutta, sie hatten mitgebracht an Gastgeschenken, was am Tejo als gut und teuer galt. Der Raja verhöhnte sie, weigerte sich in gespieltem oder echtem Zorn, derartiges Zeug anzunehmen, das ihm keine dienstbare Provinz und kein Freundschaft suchender Nachbar je anzubieten gewagt hätten.

Portugal war eben kaum mehr als ein Bezirksamt am Atlantik. Spanien war von der Reconquista erschöpft, von Anarchie zerrissen, durch die Judenvertreibung seiner besten Mittelklasse beraubt. England war erst im Kommen, Frankreich in langes Ringen mit dem Deutschen Reich und Spanien verstrickt.

Drei Dinge gab es, auf welche dieses ärmliche, zerrissene Europa setzen konnte. Erstens seinen Vorsprung in der Hochseeschiffahrt, zweitens seinen Vorsprung in der Waffentechnik - und drittens einen unerhört hohen Grad individueller Bravour, der aus den feudalen Jahrhunderten stammte.

Mit diesen drei Werkzeugen wurde die neue atlantische Welt geschaffen. Das Monopol der Hochseeschiffahrt, von den Westeuropäern jahrhundertelang gehalten, und das Monopol der Kanonen, die hinter den Brüstungen der Schiffe standen, veränderten die Welt - und zwar fast über Nacht.

Aus den paar ärmlichen Bezirksämtern, die Europas westliche Küsten säumen - England-Schottland, die Niederlande, Spanien, Frankreich, Portugal - wurden die Herrscher der Welt. Die Kraft zur Veränderung, von der sie profitierten, war nicht so sehr das Gold der Azteken und der Inkas, sondern der Silberberg von Potosi in Bolivien. Aus seinen Adern (und den Knochen der dort zerstampften Indios) rann das Lebensblut des aufsteigenden industriellen Kapitalismus. Von da an gibt es, wie der Amerikaner Hans Koning schreibt, siegreiche und geschlagene Nationen. Mit dem Ende des sogenannten kolonialen Zeitalters geht das

317


nicht zuende, im Gegenteil: mit dem atlantisch-pazifischen System der High-Tech-Produktion und Finanzherrschaft (Stichworte sind Währungsfonds und Weltbank) hat diese Herrschaftswelt erst ihre volle Reife erreicht. G-7, das ist das bescheidene neue Stichwort.

Jahrhundertelang versuchten verschiedene Gegner, dieses System aufzubrechen. Zuletzt waren es die mitteleuropäischen Kaiserreiche 1914, dann die faschistisch-totalitäre Koalition von 1939.

Vor allem aber war es der Ostblock, der unter der Führung einer rivalisierenden Supermacht, der Sowjetunion, dem eu-ratlantischen Herrschaftsnetz entgegentrat. Noch vor zehn Jahren hat es ein Non-Konformist wie Rudolf Bahro, fern von aller marxistischen Dogmatik, als die historische Aufgabe der Sowjetunion bezeichnet, mit ihrer Macht den Widerstand der Unterentwickelten (lies: der Geschlagenen) gegen die Metropolen (lies: die Sieger) zu decken. Und folgerichtig betrachtete er den Einmarsch der UdSSR in Afghanistan als den letzten paradoxen Schritt in den historischen Widersinn.

Heute ist das vorbei. Mit der Hineinnahme der UdSSR in den Internationalen Währungsfonds war imgrunde ihre historische Rolle zuende. Es bleibt abzuwarten, ob es gelingen wird, Mittel- und Osteuropa auf die Seite der Sieger herüberzuziehen, oder ob sie in den Morast der Dreiviertelwelt abgleiten werden. Wo wird die neue Grenze gezogen? An der Oder? Am Bug? Am Ural? Auf jeden Fall: es wird nicht mehr die Grenze zwischen zwei rivalisierenden Machtgebilden sein, sondern einfach eine sanitäre, eine hygienische Grenze - zwischen denen, deren Los es ist, unterzugehen, und zwar laufend unterzugehen, und denen, die droben im Lichte leben.

So oder so: Kolumbus und die Seinen haben gesiegt, das See-Ungeheuer Leviathan hat das Kontinental-Ungeheuer Behemoth geschlagen, und das ist, wenn man es im großen

318


Überblick sieht, das Resultat der letzten fünfhundert Jahre Geschichte. Es bestätigt das Urteil, das schon 1776 der nüchterne Schotte Adam Smith gefällt hat:

zitator eins Die Entdeckung Amerikas und die Entdek-kung einer Durchfahrt nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung herum sind die beiden größten und wichtigsten Ereignisse, die in der Geschichte der Menschheit verzeichnet sind.

Eine einsame indianische Flöte (peruanische Pansflöte od. dgl.), mit atmendem Schweigen

 *  *  * 

Titelsprecher Zweites Kapitel: Widerspruch, einst und jetzt.

zitator zwei Aus einer Stellungnahme des Nationalen Rats der Kirchen Christi in den USA:

Diese sogenannte Entdeckung war eine Invasion und Kolonisation ... Für die Nachfahren dieses Genozids, der Sklaverei, des Ökozids und der rücksichtslosen Ausbeutung der Naturschätze ist ein Jubelfest nicht die passende Begehung dieses Jahrestages. Begehen wir ein Jahr der Reue und der Reflexion, statt eines Jahres der Feier.

zitatorin eins Aus der Erklärung von Quito, Juli 1990:

Wir, die Indianer Amerikas, haben nie unseren dauernden Kampf gegen die Bedingungen der Unterdrückung, der Diskriminierung und der Ausbeutung aufgegeben, die uns durch die europäische Invasion ins Land unserer Ahnen auferlegt wurden ...

Wir verweigern deshalb kategorisch die Feier der fünf Jahrhunderte. Vielmehr ist es unsere feste Verpflichtung,

319


dieses Datum zum Anlaß zu nehmen, unsere Einigkeit und unseren kontinentalen Kampf für unsere Befreiung zu verstärken.

zitator zwei Aus dem Aufsatz des Abbe Guillaume Reynal von 1787 zum Thema »War die Entdeckung Amerikas Segen oder Fluch für die Menschheit?«

... Die kühnen Abenteuer eines Vasco da Gama und eines Kolumbus weckten eine fanatische Begeisterung für die Entdeckung von Kontinenten, die man erobern, von Inseln, die man verheeren und von Menschen, die man zerstören, unterwerfen und umbringen konnte ... Ein neuer Menschenschlag von ungewöhnlichen Wilden wächst heran, Männer, die viele Länder durchreisen und sich schließlich keinem zugehörig fühlen ... die ihre Heimat ohne Bedauern verlassen und ungeduldig wieder hinausdrängen, wenn sie zurückkehren, um sich auf Kosten von Kraft und Gesundheit Reichtümer erwerben zu können ... Die unstillbare Begierde nach Gold hat dazu den niederträchtigsten und abscheulichsten Handel begründet, den Sklavenhandel... Und durch die neuen Reichtümer in der Heimat und in Amerika ist die Maschinerie der Beherrschung riesengroß geworden, da die armen Staaten gezwungen sind, unter dem Joch der Unterdrückung und endlosen Kriegen zu schmachten, während die von den indischen Schätzen ständig erneuerten europäischen Staaten den Erdball verwüsten und mit Blut besudeln ...

Halten wir inne und stellen wir uns vor, in einer Zeit zu leben, in der Amerika und Indien unbekannt waren. Nehmen wir an, daß ich mich mit folgenden Worten an die grausamsten unter den Europäern wende: Es gibt Gebiete, die Euch reiche Erze, gute Kleidung und köstliche Eßwaren schenken werden. Aber lest diese Geschichte und seht, zu welchem Preis euch diese Entdeckung versprochen wird. Wollt ihr, daß sie geschehe? Man muß sich vorstellen, daß es ein Wesen gibt, das teuflisch genug ist, diese Frage zu bejahen! Denken wir daran, daß es keinen einzigen Augenblick in der Geschichte geben wird, da meine Frage nicht dieselbe Gültigkeit hat...

320/321

ZITATORIN zwei Aus der Resolution der Fünften Generalversammlung des Weltrates der indianischen Völker: Wir verwerfen die linguistische Repression, die in folgenden Ausdrücken steckt:

- Entdeckung: die legitimen Entdecker jedes Landes sind seine ursprünglichen Bewohner;

- Begegnung zweier Welten: Zunächst handelt es sich nicht nur um die Begegnung zweier Welten, sondern um den Zusammenfluß mehrerer Kulturen, zum Beispiel der afrikanischen Präsenz. Aber diese sogenannte Begegnung war von vornherein verfälscht durch die Auferlegung von absolut ungleichen und widrigen Bedingungen, durch eine Dynamik der Invasion und der Ausbeutung, die heute in die imperialistische Herrschaft übergeht;

- Integration in die Zivilisation: hier wird Zivilisation« im Singular verstanden, und dies ist eine Art, die Würde anderer Völker und Zivilisationen zu leugnen oder anzugreifen;

- Primitive: ein rassistischer und kolonialistischer Ausdruck, der die Komplexität und den ganzheitlichen Charakter unserer Auffassungen vom Kosmos und unserer kollektiven Lebensweise zu leugnen versucht. Der diskriminierende Gebrauch von >primitiv< ist verbunden mit dem von >Wil-den< und >Barbaren<, im Gegensatz zu den sogenannten Zivilisierten« ...

 

Zitator zwei  

Aus den Berichten des Bartolome de Las Casas: Die Neugeborenen starben früh, denn die Mütter hatten wegen des Hungers und der Arbeit keine Milch in den Brüsten ... Manche Mütter ertränkten ihre Kinder vor 

321

#

 

www.detopia.de     ^^^^