Kunst & Kultur im verschwundenen Sowjetreich 

 

 Wladimir Wyssozki 

 

 

 

Rebell, Anarchist, Barde, Volkssänger, Liedermacher, Gitarrenlyriker, Untergrund-Sänger-Poet, 
Theaterschauspieler, Filmschauspieler

 

 

"Ich sterbe, ohne jemals 
wirklich frei gewesen zu sein."  
(W. W.) 

Wladimir Wyssozki - Auf einem Moskauer Hinterhof (aus dem DDR-Buch)   =  Vladimir Vyssozki

Wikipedia.Autor  *1938 in Moskau bis 1980 (42)

DNB.Autor  (44)

Bing.Autor    Goog.Autor   

Vladimir-Vysotsky.de  deutsch
mit Musik, gute Textübertragungen 

Vysotsky.com  HOME der Wyssozki-Foundation  

 

detopia:

Kommbuch 

Pankowbuch    W.htm 

Sterbejahr    Sterbejahr-K  

 

 

 

 

Lied am Mikrofon

 

Wladimir Wyssozki: Der letzte Auftritt des Barden - MDZ (mdz-moskau.eu) 

 

detopia:

Jerofejew    Malzew    Udo Wildemann    Nurejew   Schalamow    Bukowski   Sablin   Tarkowski    Biermann    Rachowski   Schlingensief  

Zusätzliche Strophe (1972) von Wyssozki zum Lied <Wolfsjagd> (1969) 

 

"Ich bin sehr oft zu Gast bei hohen Tieren, 
Vor denen ich die <Wolfsjagd> singen soll. 
 (...) 
Dann holt er eine Flasche, wird spendabel, 
Die Gläser klingen: <Prost! Mal ehrlich nun, 
Du meinst doch mich, meinst uns, mit der Parabel, 
Was haben Wölfe denn damit zu tun?>" 

 

Nachruf 2008 MDR mit wichtigen biografischen Angaben   

 

Wolodja, Wladimir lernte in Eberswalde bei Berlin das Klavierspielen. # Sein Vater war ein (Nachrichten-) Oberst (nach dem Krieg); wird als "Intellektueller" charakterisiert.

 

Vielleicht der größte Liedermacher des 20. Jahrhunderts  - so wird es gesagt. Aber auf jeden Fall ganz schön groß - egal ob größer oder kleiner als seine Kollegen, wie: Woodie Guthrie, Bob Dylan, F.-J. Degenhardt aus Deutschland.

Gerhard Schöne aus Ostdeutschland ist für mich ebenfalls ein Vergleich, weil er sich an  unerhörte Themen und Liedperspektiven herantraute. 

 

 Musik: Jak-Junkers 

 

        

 Vlady-Buch

(detopia-2012)
den kinofilm 2011 <wyssozki - danke für mein leben>  ist ein "kgb-kommerz-machwerk", auch wenn damit geworben wird, dass das drehbuch von seinem Sohn Nikita geschrieben wurde - und im abspann der realitätsbezug behauptet wird.

 

www:

wyssozki.de   Webseite zum Kinofilm 2011  

Wolfsjagd bei youtube mit deutscher Übertragung 

Filmaufnahmen mit/ von Wyss. 

Lied von der Erde (2018) 

 

 

 

 

 

 

Zerreißt mir nicht meine silbernen Saiten.... 

Wladimir Wyssozki 

Buch 1989 DDR 

100 Lieder und Gedichte

Zweisprachig mit Fotos, Noten und einer Schallplatte 

Melodija, Moskau, 1986/87  

 

 

Single Audio Seite 1    

  • Er ist aus der Schlacht nicht gekommen   

  • ...

  • ...

Single Audio  Seite 2    

  • Die Prophetin Kassandra  

  • Abschied (Schiffe) 

  • Krimi  

"Ich habe für drei Kinder und meine Mutter zu sorgen, habe ein großes Haus mit fünfzehn Zimmern; da ich viel arbeite, verdiene ich ordentlich für meinen Lebensunterhalt, ich liebe meinen Beruf, den ich seit meinem zehnten Lebensjahr ausübe, mein Leben ist, alles in allem, angenehm. 

Du hast zwei Kinder, eine geschiedene Frau, die du unterstützt, ein Zimmer von neun Quadratmetern bei deiner Mutter, du verdienst 150 Rubel im Monat, was allenfalls für den Kauf von zwei Paar guten Schuhen reicht. 

Du arbeitest wie ein Besessener, vergötterst deinen Beruf, kannst nicht aus deinem Land hinaus. Dein Leben ist sehr schwierig. Unsere beiden Leben miteinander verschmolzen, ergeben etwas Hybrides, etwas, das sich nicht leben läßt."

Marina Vlady an Wyssozki 

Lied des Sängers am Mikrophon

Im Rampenlicht, für alle sichtbar, klar, 
Das Übliche, ich nehme die Gitarre 
Und tret ans Mikro wie an den Altar, 
Nein, heute eher wie an eine Knarre.

Ich weiß, daß dieses Mikro mich nicht mag. 
Ich sah schon manchen, wenn ich sang, erschrecken.
Doch dieses Mikro bringt sie an den Tag, 
Die leisen Lügen, die in Liedern stecken.

Scheinwerfer mir in die Augen glotzen, 
Blenden mich, sehe nichts, ist zum Kotzen, 
Boxt mich das Rampenlicht, läuft der Schweiß, 
Es ist heiß, so heiß!

Die Mikrobestie, scharf wie ein Schakal, 
Ist nicht zu täuschen, wenn ich mal falsch singe. 
Ob gut, ob schlecht, dem Mikro ist's egal, 
Obwohl ich stets das Letzte aus mir wringe.

Ich müßte wechseln Tonart, Harmonie, 
Denn heute bin ich ganz besonders heiser, 
Doch täuschte ich das Mikro damit nie, 
Verstellte ich die Stimme, tiefer, leiser.

Scheinwerfer mir in die Augen glotzen, 
Blenden mich, sehe nichts, ist zum Kotzen, 
Boxt mich das Rampenlicht, läuft der Schweiß, 
Es ist heiß, so heiß!  

Lied des Sängers am Mikrophon 

1971/72

Schreibweise auch:
Wyssotzki Wissozki Vyssozki Vyssotzki Vyssozky usw 

 

www:

https://reinholdandert.wordpress.com/

reinholdandert.de  mit Wyssozki-Programm 
steintafel.de   CD-Versand mit 2 dt wyss Platten
reller-rezensionen vlady-eine_liebe_welten  rezension

wikipedia  Bulat_Okudschawa 

wikipedia   Samisdat#Magnitisdat 

 

         

 

 

 

"In den 70er-Jahren wirkten 
Wyssozkis heisere, dramatische Lieder 
wie Verzweiflungsschreie, 
die aus der Erstarrung der Breshnew-Ära 
herausbrachen.

 

 

Katja Lebedjewa 
 in: Russische Gitarrenlyrik in der Opposition

 

   

 

 

 

Aufgewachsen waren diese jungen Leute auf den staubigen Nachkriegshöfen, in Evakuierungsheimen, Erziehungs­kolonien und unter der Aufsicht von Großmüttern und Nachbarn. Sie kannten die Härte des Lebens besser als die Strenge der Erziehung. Ihre Väter verloren sie zweimal: im Krieg und nach dem XX. Parteitag.

Die Verwahrlosung dieser Generation wurde zu einem Thema der Literatur, zur Stimmung von Liedern. 

Die aufklaffenden geographischen Räume zwischen Sibirien, dem Neuland und dem Hohen Norden saugten die angeborene Rastlosigkeit in sich auf. Doch die Zügellosigkeit dieser Jugend, im Gegensatz zu den vorangegangenen Generationen, irritierte die Erwachsenen. 

">Macht nichts<, tröstete sich eine Lehrerin. >Das wird nicht lange dauern. Nach euch wird wieder eine zuverlässige Generation kommen. Ihr seid doch alle vor meinen Augen groß geworden. Klasse eins bis sieben ist bereits ruhig.<"  

(Wladimir Makanin, Mit aller Kraft.)   (S. 509) 

 

 

Tonbandliteratur 

 

Daß ein Tonbandgerät zum Vervielfältigungsgerät von Literatur werden könnte, haben seine Erfinder wohl kaum vermutet. Ebensowenig dachten daran die Moskauer »Halbstarken«, die Anfang der sechziger Jahre zur Gitarre griffen und sich in selbstgemachten Liedern ihren angestauten Zorn von der Kehle sangen. Doch aus der zufälligen Begegnung des einen mit dem anderen entstand eine eigenartige Gattung, die »Tonbandliteratur«. Man wollte sie nicht zur Kunst rechnen und schob das Novum den Soziologen zu.

Diese Lieder hatten wenig gemein mit der gängigen Berufsestrade, dem englischen Pop, dem französischen Chanson oder gar mit dem »Oktoberklub« und der hierzulande aufkommenden Hootenanny-Bewegung. Auch ihre Gitarren waren andere, mit sieben Saiten, und Bluejeans gehörten damals noch nicht unbedingt dazu.

 

 

Audio Kassette Seite 1  

 

 

 

 

 

 

Nebelhorn-LP 1990 

.... Wyssozki... 

"eingedeutscht" 

 

 

 

 

 

 

 

  • wladimir wyssotzkij: lieder vom krieg

  • 'jak' - jagdflugzeug

  • spähtrupp im kampf

  • sie sind acht, wir sind zwei

  • testpilot

  • wir flogen auf - wie enten

  • sterne

  • brände

  • so geschah es - die männer gingen fort

  • lied vom ende des krieges

  • lied vom gefallenen freund

  • über meinen spieß

  • der brief

  • längst sind die geschütze verstummt

  • und im krieg ist es wie im krieg

  • massengräber

  • der gipfel

  • vladimir vissotzki über seine lieder 

 

  Die Wolfsjagd  

Nachdichtung mit neuer Musik

Gruppe Wildemann 

1989

 

 


Andere Übersetzung:

 

Losgerannt - und so schnell wir nur konnten! Doch wie gestern hat man mich erneut längst umzingelt an sämtlichen Fronten bei dem Treiben, das alle erfreut.

Hinter Fichten hervor ragen Läufe, dort verbergen sich Jäger im Wald, auf dem Schnee überschlagen sich Wölfe, wie ein lebendes Ziel abgeknallt.

Ja, jetzt ist Wolfsjagd angesagt, sie jagen heute die grauen Räuber, gleich ob Mutter oder Kind, die Treiber schreien laut und furchtbar jault die Meute, Blut auf dem Schnee - und rote Lappen dort im Wind.

Nicht sehr fair ist das Spiel mit den Wölfen dieser Jäger - doch kümmert sie's nicht. Und sie wissen sich sehr wohl zu helfen, daß so leicht ihnen keiner entwischt.

Was ein Wolf ist, bewahrt Traditionen! Damals haben als Welpen wir blind den Befehl mit der Milch eingesogen: Respektiert diese Lappen im Wind!

Ja, jetzt ist Wolfsjagd angesagt, sie jagen heute die grauen Räuber, gleich ob Mutter oder Kind, die Treiber schreien laut und furchtbar jault die Meute, Blut auf dem Schnee - und rote Lappen dort im Wind.

Wehrhaft sind wir im Grund und verwegen. Aber, Führer, vielleicht weißt es du: Warum eilen wir Kugeln entgegen, statt zu brechen das alte Tabu?

Doch er kann nicht - das Wolfsein verpflichtet! Und so ist es mit mir wohl vorbei: Denn der Jägersmann, der mich gesichtet, hebt die Büchse und lächelt dabei.

Ja, jetzt ist Wolfsjagd angesagt, sie jagen heute die grauen Räuber, gleich ob Mutter oder Kind, die Treiber schreien laut und furchtbar jault die Meute, Blut auf dem Schnee - und rote Lappen dort im Wind.

Doch die Lebensgier siegte. Ich querte diese Lappen - und war endlich frei, während freudig ich hinter mir hörte noch der Jäger erstauntes Geschrei.

Losgerannt - und so schnell wir nur konnten, aber anders als gestern ging's aus: Zwar versperrte man mir alle Fronten, doch man ging ohne Beute nach Haus.

Ja, jetzt ist Wolfsjagd angesagt, sie jagen heute die grauen Räuber, gleich ob Mutter oder Kind, die Treiber schreien laut und furchtbar jault die Meute, Blut auf dem Schnee - und rote Lappen dort im Wind.

 


 

Die Wolfsjagd

Vor schweißnasser Kraft reißen singend die Sehnen,
Ist dasselbe wie gestern und den Tag davor, -
Sie haben mich wieder in ihrem umfähnten Kessel
Und hetzten mich lechzend zum wehenden Tor!

Hinter stämmigen Bäumen lauern Gewehre,
Von Schatten verborgen die Jäger steh'n dort, -
Auf dem Schnee - das agonische Treiben der Wölfe,
Zum lebenden Ziele geworden winseln sie in einem fort.

   Das ist die Wolfsjagd; die Jagd auf Wölfe -
   Die grauen Räuber, lautlos und schnell!
   Mordlüstern und gereizt bellen der Treiber, -
   Der Schnee trieft blutend über das weiße Fell.

Das ungleiche Spiel - es tobt weiter und weiter,
Die Mörder sind ruhig, mache lächeln sogar -
Die Lappen begrenzen rotwehend die Freiheit,
Das Winseln wird still, fast unhörbar und rar. 

Der Wolf ist stets der Tradition verhaftet, -
Als blinder Welpe schon sog's aus der Milch:
Nicht hinter die Fahnen! Nicht dahinter!
Das Unbekannte - wie ein schwarzer Kelch. 

Refrain

Wir fletschen die Zähne und spannen die Sehnen -
Warum diese Flucht, blind uns'rem Leitwolfe nach?
Sie knallen uns ab, doch anstatt uns zu wehren,
Ertragen wir stur diese blutige Schmach.

Nein, - wir können, wir dürfen nicht anders!
Und nun läuft die Zeit auch für mich:
Der Jäger hebt an, es durchzückt seine Glieder, -
Die Züge erkalten, nachdem fast ein Lächeln entwich.

Refrain

Abgestreift ist das dumme Gehorsam, -
Denn die Freiheit gebietet mir: Spring!
Und hinter mir - ihre wütenden Rufe -
Bin wohl der erste, der durch die Lappen ging!..

Vor schweißnasser Kraft reißen singend die Sehnen,
Doch nichts ist wie gestern und den Tag davor,
Sie haben mich wieder in ihrem umfähnten Kessel -
Nur schnelle ich diesmal meiner Freiheit empor!

Refrain

1968

 

Reinhold Andert

Das Leben ist schön 

Audio 2006  

 

Den Zeitungsartikel kann man speichern. 
Er ist dann lesbar.

 

  • wladimir wyssotzkij:    wir drehen die erde   

  • lyrisches lied

  • die bergsteigerin

  • moskau - odessa

  • haus aus kristall

  • null sieben

  • die giraffe

  • lied von der seelenwanderung

  • schwarzes gold

  • kalte gegenden, kalte gegenden

  • es ist noch nicht abend

  • weisser walzer

  • das lied vom freund

  • wir drehen die erde

  • alarmtrommeln - über die neue zeit

  • lied von der erde

  • er kam nicht aus der schlacht zurück

  • morgengymnastik

  • abschied von den bergen

  • erschießung des echos in den bergen

  • die söhne ziehen in den kampf

  • hinauf

  • im finstern

  • schwarze kittel

  • der boxer

  • störche 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jurij Malzew (1980) über W. Wyssozki:

 

Genau so verfuhr man auch mit einem anderen populären Liedermacher, mit Wladimir Wyssozkij. Doch während Okudshawa immer er selbst bleibt und seinen Stil und seine Thematik nicht verändert, sind Wyssozkijs in der Sowjetunion offiziell veröffentlichte Lieder ganz offenkundig pro forma geschriebene Auftragsarbeiten und unterscheiden sich kraß von seinen illegalen Liedern, die ihm Ruhm gebracht haben, denn im Unterschied zu dem melancholischen Okudshawa, den man nur da und dort ein wenig korrigieren muß, damit er auch offiziell akzeptabel wird, sind Wyssozkijs Lieder innerhalb der staatlich zugelassenen Kunst völlig undenkbar. 

Die Helden seiner Lieder sind Ausgestoßene, Menschen von ganz unten, deren Existenz verpfuscht ist, die am Leben zerbrochen sind: Prostituierte, Diebe, Säufer, Spieler, unbehauste Vagabunden, Häftlinge, die für nichts und wieder nichts ins Gefängnis gekommen sind, wie zum Beispiel jener Unglückliche, der im Zugabteil einem Mitreisenden sein Herz ausschüttete, ohne zu ahnen, daß sein Gegenüber ein Spitzel war (»Das Lied vom Reisegefährten«), oder jener andere Verzweifelte, den man ins Irrenhaus gesperrt hat (»Das Lied vom Irrenhaus«). 

Wyssozkij läßt seine Figuren selbst sprechen und vermag mit großer Meisterschaft die Ausdrucksweise, die Intonation, die Psychologie dieser Menschen wiederzugeben.

Die Tollkühnheit des Verzweifelten in ausweglosen Situationen, aufrechte Festigkeit und düsterer Galgenhumor, Zuversicht im Unglück und energischer Ton — all das drückt sich in Wyssozkijs Liedern aus und verleiht ihnen eine Anziehungskraft, die besonders auf die Jugend wirkt. 

Selbst in den Liedern, wo Wyssozkij von Müdigkeit und allumfassender Enttäuschung singt, spüren wir keine Klagen, keine trauernde Melancholie, sondern eher etwas wie eine verbissene Anspannung:

 

»Ich bin es leid, bin es satt, bin es müde,
Ah, wie ist mir das Singen und Spielen verhaßt!
Ich will wie ein Unterseeboot auf den Grund gehn, 
So tief, daß ich nicht mehr zu peilen bin.« 

 

Wyssozkij ist wohl der nach seinen Themen und musikalischen Formen vielseitigste Liedermacher. Weit bekannt sind seine höchst geistvollen satirischen Lieder, in denen er unerschrocken zu politischen Fragen Stellung nimmt (»Der Valuta-Shop«, »Antisemiten«, »Das Lied von den Ausreisenden und Zurückkehrenden« und andere); interessant sind seine Märchenlieder (»Das Märchen vom wilden Eber«, »Vom Leibhaftigen« usw.). In einigen seiner Lieder, wie in »Tichorezkaja«, »Lied vom neutralen Streifen« oder »Fröste«, erreicht der Lyriker Wyssozkij die Höhen wahrhaft großer Dichtkunst. 

 

 

 

Wyssozki: Der frühe Abgang eines Idols

aktuell.ru/rukul0010/morenews.php?iditem=495 

 

 

Moskau. 25.7.2005. Vor 25 Jahren starb der legendäre Liedermacher, Dichter und Schauspieler Wladimir Wyssozki. Sein Tod erschütterte die Ex-UdSSR. Die Beisetzung geriet zur ersten spontanen Protestkundgebung des Landes.

 

 

Am liebsten hätten die Behörden den Liebling Aller heimlich beigesetzt oder bei einer Leichenschau für eine Woche auf Eis gelegt, bis zum Ende der Moskauer Olympischen Spiele. Doch was mit Wyssozki zu tun hatte, sprach sich immer im Nu herum. 

Bald standen mindestens 40.000 Menschen am Taganka-Platz vor dem gleichnamigen Theater. Die Schlange jener, die Abschied vom Verstorbenen nehmen wollten, zog sich unten am Moskwa-Ufer fast bis zum Kreml hin. Der plötzliche Tod des russischen Idols stellte die wegen der Afghanistan-Invasion boykottierten Olympischen Spiele in den Schatten. 

Im Juli 1980 wurde die gleißende Sonne gelegentlich von Gewitterwolken verdeckt. Rund um Moskau goss es in Strömen. Zum ersten Mal setzten die Behörden Flugzeuge ein, um schönes Wetter über dem Olympia-Stadion zu „machen“. Die Stadt hinterließ einen gespenstischen Eindruck. Es gab mehr Polizei als Sportler und Olympia-Gäste. Seltsame Geschichten geisterten durch Moskau. Das Olympische Feuer über dem Halbrund des Lenin-Stadions Luschniki wurde als eine Art antike Fackel zu Ehren des verstorbenen Künstlers empfunden. Wyssozki war ja auch eine Figur von antiker Größe gewesen.

Vergleiche wie „russischer Wolf Biermann“ treffen nicht den Kern. Furchtlos, frei inmitten der Unfreiheit war „Wolodja des ganzen Wolkes“ (so der Dichter Andrej Wosnessenski über Wyssozki) auch noch mit einer berühmten Filmdiva verheiratet. Marina Vladi war für die Sowjetmenschen die französische Schauspielerin schlechthin, der unerreichbare Inbegriff der freien westlichen Welt.

„Wolfsjagd“ für Leonid Breschnjew

Wenn eine Festnahme durch den KGB bevorstand, fand sich selbst bei der „Firma“ immer jemand, der Wyssozki beizeiten warnte. Schließlich bestellte der Generalsekretär Leonid Breschnjew, der sich die berühmte „Wolfsjagd“ anhören wollte, den Barden zu sich nach Hause. 

 

„Ein Lied über mich“ soll der Parteichef begeistert gesagt haben. Dann tranken die beiden einen Cognac miteinander. Jeder Sowjetmensch hatte eben seinen eigenen Wyssozki, den er liebte. 

 

Mit Brecht hatte es angefangen

Der Gründer des Theaters an der Taganka, Juri Ljubimow brauchte 1964 einen Song-Interpreten für seine erste Aufführung (Bert Brechts „Ein guter Mensch von Sezuan“). Wyssozki passte die Rolle wie angegossen. Bald ging man eigens wegen ihm ins Taganka-Theater. Studenten standen rund um die Uhr sich gegenseitig ablösend nach Karten an.

Wenn heute jemand sagt, Wyssozki sei zwar ein genialer Dichter, aber ein mittelmäßiger Schauspieler gewesen, ist dies unwahr. Sein Hamlet hielt den Raum in Atem. „Lärm verstummt, ich trat hinaus zur Bühne“, intonierte er zur Gitarre und fast hörbare Stille breitete sich aus. In den Worten „Abba, Vater, so es möglich wäre, gib, dass dieser Kelch vorüber geht“ ahnte er das eigene Schicksal voraus.

Ein sehr russischer Tod
Er starb mit 42 Jahren viel zu früh. Es war ein sehr russischer Tod. Die Kehlblutung war auf jahrelangen unmäßigen Alkoholgenuss und ständige Überanstrengung beim Singen zurückzuführen. Freunde legten ihn mit einer schwarzen Jeans und einem schwarzen Pullover bekleidet in den Sarg. Seine Witwe Marina Vladi hatte das Kostüm, in dem er den Hamlet gespielt hatte, aus Paris mitgebracht. 
Daran und an vieles andere mehr erinnerte man sich am Montag russlandweit in Gedenkveranstaltungen, zu denen Zeitzeugen, aber auch junge Menschen kamen.

Viel Unangenehmemes blieb ihm erspart
Hätte Wolodja die passenden Worte auch für das neue Zeitalter Russlands gefunden? Immer wieder wurde diese Frage gestellt. Eine Antwort darauf gibt es kaum. 
Das Taganka-Theater lebte nach seinem Tod noch jahrelang, es war aber nicht mehr das Taganka Wyssozkis. Das alte Schauspielerteam spaltete sich. Die einen blieben beim „Meister“ Ljubimow. Andere gingen zu Wyssozkis Jugendfreund Nikolai Gubenko. Beide spielen heute vor halbleeren Häusern. 

Die Zeit hat nur Wyssozki verschont. Für die Russen bleibt er immer jung.


 

 

 

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Vladimir Vyssozki