Dienstbesprechung
beim Minister für Staatssicherheit

21. Protokoll, Berlin, 31. August 1989 
Zentrale des MfS, Normannenstraße, Berlin
Quelle: ZAIG, B/215,
Auszug

 

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Herausgegeben von
Stefan Wolle und Armin Mitter

 

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Genosse Minister

Wir beginnen mit der Dienstkonferenz. Die Probleme, die wir behandeln wollen, sind Euch schriftlich mitgeteilt worden, mit der Aufforderung, Euch darauf vorzubereiten. In einer treffenden und klaren Antwort wollen wir zu diesen Fragen einen gemeinsamen Standpunkt erarbeiten. Die Situation ist sehr ernst, und komplizierte Fragen stehen vor uns. Wir werden versuchen, sie gemeinsam zu lösen.

Gleichzeitig bitte ich dann, beim Auftreten der einzelnen Genossen etwas zur Lage zu sagen in ihrem Verantwortungsbereich — natürlich ausgehend von den Grundfragen, den Fragen Ruhe, Ordnung, Sicherheit und der Macht, und auch vielleicht eine Bemerkung zu machen, wie die Durchführung der angewiesenen Aufgaben erfolgt durch die 1. Bezirks- und Kreissekretäre auf Grund der Materialien, die auf Weisung des Generalsekretärs bis nach unten gegangen sind auf unserem Kanal, auf unserem Wege. Somit treten wir also in den ersten Tagesordnungspunkt ein. 

Das ist die Behandlung des 1. September.

Wir haben aus diesem Grunde besonders Euch hierher gebeten, weil diese Frage natürlich operative Maßnahmen erfordern. Wir stehen ja unmittelbar vor dem Weltfriedenstag und dem 50. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges. Nun ist die Sache so: Ich könnte dazu Ausführungen machen, aber wir können auch so verfahren, daß wir jetzt den Genossen gleich das Wort erteilen, die Schwerpunktbereiche bei diesen Ereignissen sind. Wir würden damit beginnen, daß der Vertreter von Berlin als erster spricht. Bei ihm sind drei Dinge: Kranzniederlegung, Tagung der Volkskammer und die Kundgebung im Friedrichshain mit der Übergabe der Friedensglocke durch die japanischen Vertreter.

 

Genosse Generalmajor HÄHNEL - Bezirksverwaltung Berlin 

Genosse Minister!
Ich kann berichten, daß die Bezirksverwaltung Berlin sich aus Anlaß des Weltfriedenstages und der gesellschaftlichen Höhepunkte am morgigen Tag gemeinsam mit den Kräften des Zusammenwirkens und der Berliner Parteiorganisation intensiv auf den Zeitraum vom 1. bis 3. September eingerichtet hat.
Wir haben erstens für diesen Zeitraum, abgesehen von dem gesell­schaftlichen Höhepunkt, zu dem ich dann noch im einzelnen etwas sagen möchte, uns konzentriert auf höchste Wach­samkeit und darauf, daß ein hohes Maß an Ordnung und Sicherheit im gesamten Territorium der Hauptstadt garantiert wird, da ja neben diesen zentralen Veranstaltungen eine Reihe von bedeutsamen Einzelmaßnahmen ansteht, z.B. der FDJ- und Pionierappell am Mahnmal Unter den Linden am 1. September, der Berliner Friedenslauf am 3. September, der sich über mehrere Stadtbezirke erstreckt und das Oberliga-Fußballspiel.

Zweitens: Die Maßnahmen zur Sicherung der für den 1. September geplanten staatlichen Veranstaltungen, die Kranzniederlegung der Partei- und Staatsführung, die außerordentliche Tagung der Volkskammer und die Kundgebung im Volkspark Friedrichshain mit dem Ziel der Übergabe der Friedensglocke an die Bevölkerung sind abgeschlossen. Die dazu erforderlichen Einsatzdokumente liegen vor.


Das Zusammenwirken mit der Hauptabteilung PS und den anderen zuständigen Diensteinheiten des MfS, Schutz- und Sicher­heitsorganen sowie der Berliner Parteiorganisation ist hergestellt. Die einbezogenen Sicherungskräfte und gesellschaftlichen Mitarbeiter werden im Verlaufe des heutigen Tages in ihre Aufgabenstellung eingewiesen. Entsprechende Reserven stehen zur Verfügung. Bisher liegen uns zu diesen Veranstaltungen keinerlei Informationen über Störversuche negativ-feindlicher Kräfte vor.

Drittens: Für die in den Abendstunden geplanten Andachten und anderen kirchlichen Veranstaltungen sind Überwachungsmaßnahmen im gesamten Gebiet der Hauptstadt im Zusammenwirken mit Inneres und der Volkspolizei eingeleitet. Für die vier Schwerpunktveranstaltungen in den Stadtbezirken Mitte, Pankow, Prenzlauer Berg und Treptow werden im Zusammenwirken mit Volkspolizei, Inneres und gesellschaftlichen Kräften gesonderte Sicherungseinsätze durchgeführt. Dem vom Superintendenten des Kirchenkreises Pankow beantragten sogenannten Weg des Friedens zwischen vier Pankower evangelischen und katholischen Kirchengemeinden, in denen zeitversetzt Andachten stattfinden sollen, sowie einer gleichen Absicht im Stadtteil Buch zwischen drei katholischen und evangelischen Kirchengemeinden wurde staatlicherseits nicht entsprochen.

Die Kirche hat diese Entscheidung des Staates akzeptiert. Die Überwachungsmaßnahmen werden sich bei den Schwerpunkt­veranstaltungen vordergründig darauf beziehen, keinerlei öffentlichkeitswirksame demonstrative oder gar feindlich-negative Handlungen zu dulden. Zur Verhinderung evtl. Aktivitäten stehen staatlicherseits Ansprechpartner der Abteilung Inneres und für weitergehende Maßnahmen ausreichend Sicherungskräfte der Bezirksverwaltung und der Volkspolizei sowie entsprechende Reserven zur Verfügung.

Darüber hinaus kommen gesellschaftliche Kräfte zum Einsatz, die in der Lage sind, disziplinierend auf Teilnehmer der kirchlichen Veranstaltungen einzuwirken. Konkrete Hinweise auf feindlich-negative Aktivitäten im Zusammenhang mit den kirchlichen Veranstaltungen liegen uns nicht vor. In den Gesprächen mit den kirchenleitenden Vertretern ist die staatliche Erwartungshaltung klar dargelegt worden. Dabei wurde von den Kirchenvertretern betont, daß es sich um rein religiöse Veranstaltungen handelt, und zugesagt, daß keinerlei Provokation gegen den Staat beabsichtigt ist.

Für die Veranstaltung der Übergabe mit der Friedensglocke - sie wird also eine Größenordnung annehmen von 7500 Teilnehmern. An der Veranstaltung teilnehmen werden die Mitglieder des Politbüros, Genosse Horst SINDERMANN und Genosse Günther SCHABOWSKI. Es handelt sich bei den Kundgebungsteilnehmern um ausgewählte Vertreter der Parteiorganisationen der territorialen Kreisleitung und der Kreisleitung der zentralen Staatsorgane. Die Partei hat ausreichend Parteiordner zur Sicherung dieser Veranstaltung darüber hinaus noch zur Verfügung gestellt. 

 

Genosse Minister
Wie schätzt Ihr die Lage im allgemeinen ein? Und was ist mit unseren Materialien geschehen, die über die Bezirksebene bis zu den Kreissekretären
gegangen sind? Wird damit gearbeitet? Zeigen sich irgendwelche Tendenzen des Wiedereinstellens, des Zurückweichens usw.?

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Genosse Generalmajor HÄHNEL
Ich darf vielleicht kurz voranstellen, die Lage bei den Kräften des politischen Untergrundes und anderer feindlicher Gruppierungen ist im Moment etwa durch zwei Charakteristiken darstellbar.

Erstens meine ich, daß die geplanten Provokationen am 7. Juni und am 7. Juli Neue Grünstraße/Alexanderplatz und die daraufhin von uns eingeleiteten disziplinierenden Maßnahmen ganz sicher ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Das trifft auch zu auf die im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Volksrepublik China durchgeführten Gegenmaßnahmen von uns. Wir schätzen ein, daß wir doch Hauptträger dieser feindlichen Bestrebungen mit unseren Maßnahmen getroffen haben und daß selbst kirchenleitende Kräfte im Augenblick bemüht sind, durch keinerlei öffentlichkeitswirksame Maßnahmen irgendwie das Verhältnis Staat-Kirche weiter zu beeinträchtigen.

Natürlich räume ich ein, daß die Urlaubsperiode sicherlich gewissen Einfluß auf diese Lageentwicklung genommen hat. Ungeachtet dessen ist die Wirksamkeit dieser Gruppen im kirchlichen Raum vorhanden. Wir haben uns bemüht, die Qualität, insbesondere der inoffiziellen Arbeit, zu verbessern und durch gezielte Vorgangsarbeit in Absprachen und konkreten Festlegungen mit dem Leiter der Hauptabteilung XX intensiv weiter diese Entwicklung zu beobachten.

Die zweite Tendenz, die sich abzeichnet, ist charakterisiert durch die Bemühungen der Kräfte um EPPELMANN, BÖTTGER und zielt in die Richtung ab, eigenständige Zusammenschlüsse zu schaffen auf DDR-Ebene, ungeachtet, wie sie sich am Ende nennen mögen. Ein solcher erster Versuch wurde ja durch MECKEL auf dem bekannten Menschrechtsseminar am vergangenen Wochenende in der Golgathagemeinde vorgetragen mit Hinweis auf die Bildung der sogenannten Initiativgruppe zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei. Diese Bestrebungen werden bei EPPELMANN laut in Interviews, die er fortgesetzt den Westmedien gibt.

Wir sind darauf eingestellt. Heute wird konkret zu dieser Absicht MECKELs ein Gespräch stattfinden zwischen dem Staatsapparat und dem Pfarrer HILSBERG, der ja Verantwortlicher der Gemeinde Golgatha ist. Auf Grund einer Aussprache, die im Staatssekretariat für Kirchenfragen stattgefunden hat, hat sich die Kirche bereiterklärt, daß HILSBERG von sich aus gewillt ist, den Hergang der Dinge zu schildern und bereit ist, dem Staatsapparat das Pamphlet, diese 5 Seiten des Entwurfs der Initiative, zu übergeben. Das Ergebnis wird uns heute Abend möglicherweise vorliegen.

Ich hatte die Gelegenheit, auf der Grundlage Ihrer zentralen Information, Genosse Minister, und der von uns daraus formulierten Information für den Genossen Günther SCHABOWSKI, vor allen Kreissekretären Berlins und dem Sekretariat der Bezirksleitung – die Sitzung wurde vom Genossen Helmut MÜLLER persönlich geleitet – die Möglichkeit, den Genossen konkrete Hinweise über die Lage zu geben, sowohl was die Gruppierungen anbetrifft, ihre Aktivitäten, Absichten und Ziele, als auch die Druckmaterialien, und über unsere Arbeit zur Eindämmung und Verhinderung der Herstellung und Verbreitung solchen Materials. Ich glaube, diese Beratung war sehr nützlich.

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Aus allen Kreissekretariaten sind Bemühungen erkennbar. Wir haben außerdem noch den Kreissekretären konkrete Personen und Materialien über die Gruppierungen gegeben, soweit es ihre Kreise betrifft, damit man wirklich in der Lage ist, am Mann und am Gegenstand zu arbeiten. 

Genosse Minister
Ich möchte wissen, wie die Auswirkungen sind? 

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Genosse Minister, die Zeit ist natürlich relativ kurz gewesen, in der sich das vollzogen hat, das war etwa im Juli. 

Genosse Minister
Im Juni haben wir das schon gegeben. Bis Ende Juni, Anfang Juli sollte es übergeben werden. Juli, August - 2 Monate; da müßte sich doch irgendwas tun oder müßte etwas sichtbar werden, was man einschätzen kann. Ist die Partei mobilisiert? Ich will nicht hören „der Erste Kreissekretär hat es entgegengenommen", aber sind nun die Genossen informiert und wie stellen sie sich dazu. Die Hauptfrage ist die Aktivität der Avantgarde der Partei. 

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Wir schätzen ein, daß das natürlich noch nicht die genügende Breite erreicht hat, die wir uns erhoffen. 

Genosse Minister
Ist es denn wesentlich? 

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Sagen wir ganz ehrlich. Wir hatten vorher eine Arbeitsgruppe, die heute noch existiert, wo die wichtigsten Abteilungsleiter in der BL zusammengefaßt sind und wo wir Genossen, die in den gesellschaftlichen Bereichen arbeiten, wo sie Rechenschaft ablegen, Aufträge entgegennehmen und da hat sich in verschiedenen Gruppierungen - wie z.B. Umweltbibliothek, jetzt beginnt man mit der Gruppierung „Arche" - schon etwas getan. Es sind sichtbare Auseinandersetzungen geführt worden. Ich kann aber jetzt unter dem Strich über mögliche Wenden und Erfolge beim besten Willen noch keine objektive Erklärung abgeben. Da muß man wirklich noch etwas Geduld haben, aber wir nehmen an, daß etwas in Bewegung gekommen ist durch unsere Information. Auf jeden Fall ist sie mit offenen Ohren aufgenommen worden. 

Genosse Minister
Und wie ist es in den Betrieben, wie sieht es in den Betrieben aus, wie ist die
Stimmung?

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Das ist natürlich eine ganz komplizierte Frage, Genosse Minister, im Augenblick.

Genosse Minister
Das ist eine sehr einfache Frage. Das ist eine Frage der Macht, weiter nichts. 

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Hauptschwerpunkt der Stimmung in der Bevölkerung sind die Vorgänge mit dem ungesetzlichen Verlassen über die Volksrepublik Ungarn und die Besetzung der diplomatischen Vertretung durch Bürger unseres Landes. Viele Stimmen ehrlicher Besorgnis kommen hoch, die da sagen, was gedenkt die Führung des Staates zu unternehmen, um dieser Sache Einhalt zu gebieten. 

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Man befürwortet vom Grund her ganz konkret und in vielen Stimmen unsere Haltung zu den Besetzungen in den Vertretungen, bejaht diese Haltung, sagt aber, die Inkonsequenz bestünde darin, daß man zwar Straffreiheit garantiert, das wird befürwortet, man aber diese Leute dann doch über kurz oder lang aus der Staatsbürger­schaft entläßt. Das ermutigt immer wieder Bürger zu solchen Handlungen, und solche Stimmen gibt es auch im Apparat Inneres, die sich ja mit den Kräften bei Genehmigungsangelegenheiten auseinanderzusetzen haben.

 

Genosse Minister
Wie ist denn also, wenn Du das so sagst, was könnten denn die Mitarbeiter, Kollegen oder wie ich sie nennen will, oder Genossen tun, um darauf einzuwirken, daß es sich nicht wiederholt die Sache? 

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Das ist eine komplizierte und schwierige Frage, Genosse Minister. 

Genosse Minister
Das ist die Hauptfrage. 

 

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Ich muß Ihnen sagen, so objektiv wie sich das Bild abzeichnet, leider hört ein großer Teil der Bevölkerung die Medien­nachrichten der Westsender bzw. ist davon beeinflußt; glaubt man leider auch den Motiven, die in Interviews die DDR-Bürger gegenüber dem Feind äußern, und die Auseinandersetzung ist sehr hart. Aber es gibt sogar bis zur Toleranzschwelle Meinungen unter der Bevölkerung, die sagen, na gut, also die Gründe, die der Mann angab für seine Handlungsweise, erscheinen uns verständlich angesichts bestimmter Mängel, die wir selber im Alltag feststellen. Natürlich bemüht sich die Parteiorganisation intensiv, dagegenzuhalten. Das ist unbestritten und ich muß der Berliner Parteiorganisation hier wirklich eine Menge Aktivitäten nachsagen, aber das wird wahrscheinlich nicht erschöpfend sein. Und was wir auch feststellen, ist, daß wir zu wenig in der Agitation offensiv vorgehen und mit unseren positiven Pfunden wuchern.
Also für die ganzen sozialpolitischen Maßnahmen, unsere Ergebnisse auf dem Wohnungsbau, ökonomische Ergebnisse, die sich wirklich sehen lassen können. Die werden ungenügend gewürdigt aber auch z.T. als selbstverständlich angesehen von der Bevölkerung. 

 

Genosse Minister
Warum, also sie anerkennen die Vorzüge des Sozialismus und alles, was der Sozialismus bietet an Vorzügen, aber trotzdem wollen sie dann weg, weil, das betrachten sie als Selbstverständlichkeit und gehen darüber hinweg und kommen dann mit allen möglichen anderen Gründen, die sie vorschieben; deshalb wollen sie weg. Wie ist da die Auswirkung, wie sind da die Auswirkungen unserer Arbeit? Ich meine nicht unserer Staatssicherheit bloß, sondern die politische Einwirkung. Wir wollen ja hier etwas finden und wollen suchen und finden, was wir vorschlagen können, was noch verbessert werden muß. 

Genosse Generalmajor HÄHNEL
Das beschränkt sich im Großen und Ganzen auf ein paar Kernprobleme, wie wir das erarbeiten konnten, das ist vor allem die gesamte Palette der Versorgungsprobleme, das ist die Palette der Durchsetzung der Prinzipien der Leistungsgesellschaft, daß wirklich jeder gefordert wird und nur das bekommen sollte, was er wirklich ehrlich erarbeitet hat. Das ist die gesamte Palette der

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Mängel im Bereich der Dienstleistungen. Das sind zum Teil noch bestehende Ärgernisse bei der Lösung von Wohnungs­problemen, also ganz persönliche Anliegen und natürlich auch Querelen, was die Unkontinuität des Produktions­ablaufes in den verschiedensten Bereichen der Industrie betrifft und wo nicht immer sofort eine Abhilfe möglich ist.

Und ein Problem stand natürlich auch noch im Vordergrund bei der Meinungsbildung der Bevölkerung: man ist doch erschreckt über die Masse der jungen Leute, die sich jetzt entschlossen haben, unser Land zu verlassen, und daß man Überlegungen dahingehend anstellt, wo bestehen denn die größten Defizite in der Bildungspolitik und in der politischen Ausprägung. 

 

Genosse Minister
Da müßte die FDJ aktiv werden, wenn so viel junge Leute weggehen; die sind doch, die stehen doch daneben. Es ist doch keine isolierte Masse, die da weggeht, die ist doch mittendrin in der Bevölkerung, geht aus der Bevölkerung raus weg.

Naja, gut, danke. Es ist natürlich schwer. Wollen wir mal den Dresdner hören, was der sagt. Das ist der Genosse Anders, Dresden.

 

1. Stellvertreter des Leiters der BV Dresden, Gen. Oberst ANDERS 
Genosse Minister, Genossen Generale, Genossen Offiziere! 

 

Genosse Minister
Ich möchte natürlich diesen ersten Tagesordnungspunkt, aber es ergeben sich
das läßt sich nicht trennen, deshalb die Ausführungen des Berliner Vertreters überall die Fragen, die wir eigentlich behandeln wollen. Aber ich möchte aufmerksam machen: Man muß natürlich auch deutlich sagen, daß man die und die Maßnahmen getroffen hat zur Sicherung, damit am 1. September nichts passiert. Bekanntlich ist in Dresden allerhand vorgekommen. 

 

Genosse Oberst ANDERS
Ich möchte davon ausgehen, daß zu den staatlichen Veranstaltungen, der Höhepunkt ist die Friedenskundgebung in Görlitz/Zgorzelec, wo ca. 3- bis 500 polnische Bürger teilnehmen werden, und in der Stadt Dresden Ehrungen an Gedenkstätten, daß abgestimmte Maßnahmen mit der SED-Bezirksleitung und durch unser Organ mit der Volkspolizei getroffen wurden. Wir haben auf dieser staatlichen Seite im Moment keine offenen Fragen, so daß wir davon ausgehen, daß der Ablauf ordentlich gewährleistet werden wird.

Durch die Kirche, die Landeskirche Sachsen, sind eine Reihe Veranstaltungen in einer Vielzahl von Kirchen, besonders in der Stadt Dresden, vorgesehen, wo durch eine zeitversetzte Gebetskette, wie sie es nennen, von Kirche zu einer anderen Kirche in den jeweiligen Stadtbezirken — es handelt sich dabei in der Regel um zwei, drei Kirchen — Gottesdienste durchgeführt werden.

Eine besondere Beachtung muß finden, daß von der bekannten Lucaskirche sie befindet sich ca. 800 m entfernt von der Schumann-Gedenkstätte des antifaschistischen Widerstandskampfes der Antrag gestellt wurde, daß ca. 70 bis 100 Personen ein Blumengebinde niederlegen wollen. Diesem Anliegen wurde stattgegeben. Wir haben gedeckte Maßnahmen, gedeckte Sicherung. Auch mit der Leitung der Gedenkstätte sind mit dem zuständigen Pfarrer die entsprechenden Vereinbarungen oder Absprachen getroffen worden, so daß wir aus staatlicher Sicht - das findet abends gegen 20.30 Uhr statt — dort eine besondere Aufmerksamkeit hineinlegen.

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Es gibt also dazu konkrete Maßnahmen, die darauf aufbauen, daß wir in jeder Kirche einen Vertreter des Staates von der Abt. Inneres beauftragt haben, der mit dem jeweiligen Partner der Kirche, mit dem Pfaffen bereits jetzt Gespräche geführt hat, Festlegungen getroffen hat und ein sogenannter Ansprechpartner ist, wenn im Falle irgendwelcher Provokationen oder Plakatierungen Vorkommnisse in Erscheinung treten. Dann wird erst in erster Linie durch diese staatliche Seite Einfluß genommen. Es ist untersagt, daß irgendwelche Plakatierungen oder Märsche erfolgen; dazu hat es auf allen Ebenen mit der Landeskirchenleitung und auch . mit den jeweiligen Pfarrern ausführliche Gespräche gegeben und auch Zusicherungen, so daß wir gegenwärtig keinerlei Informationen oder Anhalte haben, wonach negativ-feindliche Aktivitäten bekannt wurden.

Es gibt bei uns die bekannte Untergrundgruppe „Wolfspelz". Sie tagt heute und will sich damit beschäftigen, welche Maßnahmen ihrerseits evtl. dort noch zu treffen sind. Im Moment haben sie für morgen keine Aktivitäten festgelegt — ich sage zu dieser Gruppe noch etwas —, so daß ich einschätzen kann, daß auch in den Kreisen — Schwerpunkt ist dabei noch Meißen, Coswig und Dippoldiswalde — alle Voraussetzungen unsererseits getroffen wurden, um diese Aktivitäten in oder an der Kirche oder in unmittelbarer Umgebung unter Kontrolle zu halten und bei Auftreten auch zu verhindern.

Einen Gedanken zur Umsetzung Ihrer Weisung, Genosse Minister.

Auch bei uns wurde dieses Material durch den 1. Sekretär der Bezirksleitung und auch mit dem Ratsvorsitzenden umgesetzt in der Form, daß alle 1. Kreissekretäre persönlich dazu aufgefordert/eingewiesen wurden, daß heute eine Beratung des 1. Sekretärs darüber stattfindet, wie abgerechnet werden muß. Ich habe darüber gestern nochmals mit Gen. Modrow beraten, daß es darauf ankommt, daß der Rücklauf, das Ergebnis dieser Festlegung auch beim Ersten wieder auf den Tisch kommen muß. Wir schätzen ein, es ist in die Breite gegangen, es ist auch bis in die Organisationen oder Betriebe vorgedrungen, aber die Umsetzung vor Ort — das wird auch durch unsere operativen Mitarbeiter bestätigt oder festgestellt — ist sehr unterschiedlich, und dort müssen wir den Schwerpunkt darauf legen, daß mit diesen Personen gearbeitet wird. Ich kann hier berichten - aus der Lage bei uns - das betrifft Gittersee.

Ich darf hier nochmals unterstreichen, daß der nächste Gottesdienst - entsprechend der Kirchenplanung - am Sonntag, den 3. September wiederum stattfindet, daß wir große Aktivitäten entwickelt haben in den letzten Wochen, um dem Einhalt zu gebieten. Das ist durch die staatlichen Gespräche noch nicht gelungen. Aber seit dem Auftreten des Staatssekretärs, Genossen Nendel, — das wurde nun auch in der Presse veröffentlicht; dort mußten wir mächtig nachschieben, daß nun endlich mal in der Öffentlichkeit geschrieben wird - das hat Wirkung erzielt. Das hat auch Reaktion unter den Pfaffen erzeugt. Sie sind in widersprüchliche Gedanken gekommen, und wir haben jetzt die Zusicherung, die wir natürlich immer sehr vorsichtig beurteilen müssen, daß am Sonntag in der Kirche gesagt werden soll, dies ist der letzte Bittgottesdienst, da mit dem Auftreten des Genossen Nendel eine Reihe Antworten staatlicherseits den Kirchen Gemeindemitgliedern gegeben wurden und daß auf ihren Wunsch hin das weitere Gespräch mit allen Dresdner Sups verlegt worden ist nach dem Gespräch, was der Staatssekretär Löffler und Nendel am 7. in Dresden mit der Kirchenleitung, an der Spitze Bischof Hempel, und allen anderen Sups führen wird.

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Das ist also gegenwärtig bei uns eine sehr kritische Reaktion auch der Bevölkerung, die zu einem nicht geringen Teil nicht das notwendige Verständnis für den Bau dieses Werkes aufgebracht hat, und wo die Überzeugung, die Argumentation nicht ausreichend bisher umgesetzt wurde.

Der Leiter der Verwaltung, Genosse Bohm, hat wiederholt schriftlich und auch persönlich zu diesen Forderungen Stellung genommen, und wir haben jetzt erreicht, daß auch das Wohngebiet, dort, wo dieser Gottesdienst stattfindet und wo im Nachhinein - ja am letzten Bittgottesdienst war es so - versucht wurde, eine sogenannte Ansammlung im Sitzen vor dem Werk zu organisieren, die wir verhindern konnten.

Wir rechnen damit und sind vorbereitet, daß erneut ein Teil dieser Personen versuchen wird, das Werk zu besichtigen oder dort provokative Handlungen durchzuführen. Wir haben im Zusammenhang mit den durchgeführten Maßnahmen vom 6. August alle identifizierten bekannten negativ bis feindlichen Personen aufgelistet, haben die auf diesem Wege über die Bezirksleitung und Kreisleitungen an den Mann gebracht, also in die Betriebe, um mit ihnen allen das politische und staatliche Gespräch darüber zu führen, daß sie überzeugt werden und Abstand nehmen von ihren Handlungen, was dieses Werk betrifft.

Eine Bemerkung möchte ich noch tun. Bei uns gibt es gegenwärtig ein Drittel der Stadt, das durch Privatinitiativen fernsehmäßig verkabelt wurde und damit das Satellitenfernsehen sieht. Zwei Drittel sehen es nicht, und das führt frühmorgens in der Stadt, in den Betrieben natürlich zu vielen Diskussionen, wo dann die, die es nicht sehen, immer die Frage stellen, was ist denn nun, wer hat denn nun recht, oder was hast du nun für Argumente, und der andere zweifelt an diesen oder jenen Erscheinungen. Damit müssen wir uns auch politisch schneller in der Öffentlichkeit auseinandersetzen. Das ist auch die Orientierung, die der 1. Bezirkssekretär dort erneut gegeben hat. Wir selber haben dazu konkrete Festlegungen getroffen, um in politischer Hinsicht unsere Genossen so auszurichten, daß sie nicht nur über das reden, was auf einem anderen Kanal kommt, sondern über die Dinge, die auch durch uns in der Presse, wie jetzt in der „Jungen Welt", oder auch in örtlichen Kommentaren sichtbar wurden.

 

Genosse Minister
Aber bis dahin hatten sie überhaupt keinen Empfang, einen ganz schwachen Empfang?

Genosse Oberst ANDERS
Wir hatten in Dresden keinen, nur auf ein paar Höhenzügen, wo das von Berlin aus zu empfangen war. 

Genosse Minister
Nun habt Ihr einen besseren Empfang, einen normalen. Das muß man auch mal sehen. Der Sozialismus ist so gut; da verlangen sie immer mehr und mehr. So ist die Sache.

Ich denke immer daran, als wir erlebten, ich konnte auch keine Bananen essen und kaufen, nicht, weil es keine gab, sondern weil wir kein Geld hatten, sie zu kaufen. Ich meine, das soll man nicht so schlechthin nehmen; das soll man ideologisch nehmen, die Einwirkung auf die Menschen.

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Genosse Oberst ANDERS
Die Lage wird bei uns auch noch gekennzeichnet durch einen enormen Reisestrom über die Grenzübergangsstellen mit dem Schwerpunkt Bad Schandau/Eisenbahn und Zinnwald/Straße. Wir haben dort verstärkt durch den Einsatz von Zöllnern und unseren Mitarbeitern, auch besonders unserer gesamten Abteilung IX, allein seit dem 5. August 300 Aussetzungen und damit Prüfungshandlungen durchgeführt, wo 60% mit Ergebnissen des Nachweises von negativ-feindlichen Handlungen erarbeitet wurden. Das sind weit über 100 Ermittlungsverfahren, und im Moment hält dieser Strom weiter an. Wir haben dort alles organisiert und sind in der Beratung. Wir müssen uns die, die heute noch den Antrag stellen oder schon gestellt haben, gründlicher ansehen, damit wir wissen, der ist im Besitz eines Visums, das ist kein Antragsteller, dann haben wir keinen Grund, ihm vielleicht Visa nicht zu geben oder zu entziehen. Aber dann müssen wir ihn an der Grenze kontrollieren. Und die Ergebnisse, die wir haben, zeigen eigentlich, daß wir dort über ihn was finden, was Anhalte sind, um ihn nicht rauszulassen. Und das ist sicher eine Maßnahme, die wir bei uns eingeleitet haben, daß kein Antragsteller oder auch anderer bekannter Vogel rausfährt, ohne daß wir das nochmal geprüft haben und daß dann gezielt eine Ausreisefahndung mit Zollkontrolle an der Güst eingeleitet wurde.

 

Genosse Minister
Danke. Der Genosse aus Erfurt bitte mal.

Genosse Generalmajor SCHWARZ
Genosse Generaloberst, liebe Genossen!
Ich glaube, daß man mit Recht sagen kann, daß die Lage bei uns im Bezirk sehr stabil ist, natürlich ebenfalls gekennzeichnet durch die Probleme, die bereits durch Genossen Hähnel hier dargelegt worden sind. Ausgehend von einer erweiterten Sekretariatssitzung vor drei Wochen hat der 1. Sekretär eigentlich eine sehr große politisch-ideologische Offensive gestartet. Es waren alle Kreissekretäre eingeladen. Das Material, was wir zur Verfügung gestellt haben, ist ausgewertet worden. Es ist ausgewertet worden, was der Generalsekretär in dieser Politbürositzung sagte, und letztendlich eine Information, die ich an den 1. Sekretär gegeben habe im Zusammenhang mit den ganzen Problemen des Verbleibens von Bürgern des Bezirkes in der BRD.

Ich muß sagen, man kann das natürlich gar nicht so ohne weiteres auf einen Nenner bringen, es sind ja vielschichtige Ursachen, Ursachen, die - meines Erachtens nach - eine ganze Palette von Problemen beinhalten, wie Versorgungsfragen, Dienstleistungs­fragen, die ohne Zweifel stehen, Fragen, die natürlich auch oftmals viele tausend Kleinigkeiten berühren, z.B. Autoersatzteile. Wir sind der Sache nachgegangen und haben festgestellt, daß es vielleicht gar nicht mal an Autoersatzteilen mangelt, obwohl eine ganze Reihe einfach nicht da sind, aber es hat sich natürlich herausgestellt, daß auch eine ganze Reihe von Autoersatzteilen durch die Schlosser selbst, durch die Angehörigen der Betriebe schon unter der Hand gehandelt werden, wo der normale Mensch praktisch nicht rankommt, wo also Westgeld verlangt wird und sonstige Geschichten; also solche Dinge, die die Menschen verärgern.

Ich muß dazu sagen, diese Information ist bei meinem 1. Sekretär nicht nur auf Positives gestoßen. Es gab ein paar Dinge, wo er nicht mit einverstanden war, und trotzdem hat er sie ausgewertet und hat sie also in Reih' und Glied gebracht.

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Ein zweites Problem, was gegenwärtig für die Lage charakterisierend ist, sind die Maßnahmen, auf die wir uns vorbereitet haben zum 1.9. Ich sehe hier keine besonderen Schwerpunkte. Wir haben eigentlich im Grunde genommen Stationsgottesdienste, ähnlich wie sie eben vom Genossen Anders gesagt worden sind, wo also ein sogenannter stiller Weg ohne Kerzen, ohne Kreuze, Plakate oder sonstigen Dingen von Kirche zu Kirche gegangen wird, jeder Gottesdienst ca. 20 Minuten in Anspruch nimmt, und sie finden alle relativ am späten Abend statt.

Schwerpunkt sehe ich noch in Weimar, wo wir eine sogenannte türkische Nacht haben. Das sind vor allen Dingen die Vertreter, die damals bei der Kirchenbesetzung besonders aktiv waren um diese Gruppierung eines Pfarrers KRANZ, die dort also ein ganzes Nachtprogramm abwickeln wollen.

Ich glaube, ein zweites Problem, worauf wir uns vorbereiten müssen, da sind wir mit der Hauptabteilung XX sehr aktiv im Gespräch, ist die bevorstehende Bundessynode jetzt im September in Eisenach. Die ersten Informationen, die wir von den inoffiziellen Mitarbeitern haben, bringen zum Ausdruck, daß eine Reihe von leitenden, kirchenleitenden Leuten bis zu den Vorsitzenden des Bundes, also Bischof LEICH, keine richtige Position beziehen wollen. Deswegen auch sein Wunsch, gegenwärtig noch ein Spitzengespräch vor dieser Synode zu machen. Er ist ein alter Taktiker und beabsichtigt eigentlich, ausgehend von diesem Spitzengespräch, sich dann so hinzustellen - das kann positiv sein, muß aber auch nicht, diese Absicht muß noch ein bißchen abgeklärt werden - hinzustellen und zu sagen, naja, das ist eigentlich alles besprochen worden in diesem Gespräch. Deswegen möchten wir keine Veröffentlichung.

Genosse Mittig und Genosse Kienberg kennen die Information. Wie gesagt, wir müssen wahrscheinlich dranbleiben, sonst kann diese Synode ganz stark mobilisierend auf feindlich-negative Kräfte wirken.

Es gibt im Moment noch keine Papiere, keine Dokumente, die vorbereitet werden. Aber man muß dazu sagen, in der Beziehung halte ich unter den gegenwärtigen Bedingungen den Bischof LEICH nicht für berechenbar. Das sehe ich als den Schwerpunkt, auf den wir uns konzentrieren müssen, um bis zum 15.9., bis zur Eröffnung der Synode, die wahren Absichten aller Beteiligten, vor allen Dingen der kirchenleitenden Kräfte des Bundes, herauszuarbeiten, um rechtzeitig Einfluß zu nehmen und auch die Situation und die Lage auch auf diesem Gebiet voll zu beherrschen. 

Genosse Minister
Du kennst den neuesten Stand nicht, wie das gemacht wird mit LEICH, daß der Löffler mit ihm spricht. Da soll er mit ihm alles besprechen. Das andere Gespräch wird dann also später. 

Genosse Generalmajor SCHWARZ
Aufgeschoben. Das sind eigentlich im wesentlichen Probleme, die ich hier zur Lage zu sagen hätte.

Genosse Minister
Und wie viele hauen von Dir ab aus Erfurt?

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Genosse Generalmajor SCHWARZ
Über die Ungarische Volksrepublik bis zum heutigen Tage 355, vorrangig Jugendliche. Natürlich möchte ich auch dazu sagen. Genosse Minister, es sind eine Reihe von jungen Menschen weggegangen, um die es eigentlich nicht schade ist; viele, die ohne Arbeitsrechtsverhältnis sind, die also bei den Kreisdienststellen und vor allen Dingen noch mehr bei der Kriminalpolizei bekannt sind. Leider sind ein paar Jugendliche dabei, die aus gutem Elternhaus sind — bis zum Mitarbeiter

 

Genosse Minister
Und wie ist die Stimmung in den Betrieben? 

Genosse Generalmajor SCHWARZ
Dort, wo wir die Hauptkraft oder wo die Parteiorganisation die Hauptkraft konzentriert, würde ich sagen, ist sie sehr gut. In dem Kombinat Umformtechnik z.B. oder in den Kombinaten Mikroelektronik. Da hat sich diese Aktion, die Übergabe des 32-Mikroprozessors, positiv ausgewirkt. Natürlich gibt es dort auch Probleme, die mit Umweltschutzfragen zusammenhängen, aber ich habe da einen ganz vernünftigen Weg — glaube ich — eingeschlagen. Wir arbeiten mit dem Generaldirektor direkt zusammen und haben manche Probleme aufgegriffen und das Verständnis des Generaldirektors gefunden, wo er selbst Probleme umsetzt, und ich glaube, dieser Weg scheint mir eigentlich sehr gut und brauchbar zu sein. 

 

Genosse Minister
Gut, danke. Genosse aus Gera. Ist der Genosse Leiter da? Genosse Dangrieß. 

Genosse Oberst DANGRIESS
Genosse Minister!
Bezogen auf die erste Fragestellung der Maßnahmen zur Sicherung der Veranstaltung zum 1.9. kann ich hier ausführen, daß es gravierende Veranstaltungen staatlicher Art nicht gibt, die im Bezirk zu sichern sind; daß es allerdings eine Reihe geplanter Aktivitäten der Kirche gibt, die uns bekannt geworden sind, insbesondere ausgehend von der evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, wonach alle Pfarrämter aufgefordert wurden, in die Gottesdienste um den 1.9. herum Fürbitten einzubinden, einzuordnen, und zweitens — angeregt durch die 3. Vollversammlung der ökumenischen Versammlung der Kirchen der DDR im April 89 in Dresden — sollen sogenannte <ökumenische Friedenspfade> organisiert werden in Jena und Gera.

Wir haben die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Es existiert bei uns eine Bezirkskoordinierungsgruppe für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes, wo wir mit verankert sind. Nach erfolgter Absprache mit dem 1. Sekretär der Bezirksleitung wurde mit den zuständigen Amtsträgern, insbesondere in Jena und Gera, dort, wo solcherart Aktivitäten geplant sind, gesprochen; es wurden staatliche Auflagen erteilt; es wurde die Zusage gegeben, sich daran halten zu wollen.

Parallel zu diesen staatlichen Maßnahmen wurde in operativen Kontaktgesprächen mit unmittelbar verantwortlichen Pfarrern festgestellt, daß von deren Seite kein Interesse an Aktionen besteht, die staatlicher Erwartungshaltung zuwiderlaufen könnten. Wir haben die notwendigen Maßnahmen eingeleitet durch die IM in kirchenleitenden Schlüsselpositionen auf der Ebene der

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Visitationsbezirke und Superintendenturen sowie unter kirchlichen Amtsträgern an der Basis, unsere Auflagen noch mit zu untermauern, mit denen es möglich ist, zu korrespondieren, damit auch sie ihren Einfluß geltend machen auf den reaktionären Teil, der uns personifiziert bekannt ist. Alle Maßnahmen wurden in Abstimmung mit der Hauptabteilung XX/4 vorbereitet und durchgeführt.

Im Ergebnis der eingeleiteten Maßnahmen liegen zu diesen Dingen bisher keinerlei Hinweise auf den Mißbrauch der kirchlichen Veranstaltungen für politische Provokationen vor. Weiterhin halten wir das selbstverständlich unter politisch-operativer Kontrolle. Das zu den Maßnahmen, die insbesondere zum 1.9. eingeleitet worden sind.

Zu den Problemen Ihrer Weisungen bezüglich der Informationsübergabe an die Partei zur Lage, insbesondere im politischen Untergrund, sind im Verlaufe des Jahres - nicht erst, nachdem diese konkrete Weisung erging - ständig Informationen an den 1. Sekretär gegangen, die dann nochmal eine Zusammenfassung erfahren haben, wie Sie das festgelegt hatten.

Durch den 1. Sekretär wurden auch vorher schon Beratungen durchgeführt mit den zuständigen 1. Kreissekretären, wo Schwerpunkte sind, insbesondere in Jena. Dort sind sehr konsequente Forderungen von ihm erteilt worden – auch an die dort angesiedelten Kreisorganisationen der Partei, z.B. die Universitätskreisparteiorganisation. Dort wurde mit Nachdruck verlangt – auch von dem zuständigen Sekretär –, sich stärker darum zu kümmern, daß die Parteiarbeit im Territorium angekurbelt wird und diesen negativ-feindlichen Tendenzen und Aktivitäten, die zu verzeichnen sind, auf die wir aufmerksam gemacht haben, konsequent entgegengewirkt wird.

Ich muß dazu sagen, daß das sehr detailliert unsererseits erfolgt ist, wo welche Gruppierungen existent sind, von denen Gefahren ausgehen können, daß allerdings die Reaktion darauf bezüglich erforderlicher Aktivitäten, die auch von dem 1. Sekretär festgeschrieben worden sind, daß die Reaktion darauf unterschiedlicher Art ist, also die Mobilisierung auch gesellschaftlicher Kräfte und der Parteiorganisation im jeweiligen Territorium doch von unterschiedlicher Art ist. Das macht erforderlich, daß wir immer wieder mit Nachdruck auch darauf verweisen müssen, welche Probleme wo noch anstehen und zu lösen sind, und vor allen Dingen darauf aufmerksam machen müssen, daß das gesamte Entgegenwirken einen Prozeßcharakter tragen muß und nicht eine einmalige Sache ist.

Und das fällt natürlich nicht selten einigen Genossen nicht nur schlechthin schwer, sondern es ist sichtbar, daß es doch daran mangelt bezüglich der Wahrnehmung ihrer Verantwortung, und dort können wir immer nur mit Beispiel operieren, feststellen und sagen, so ist die Lage, Genossen. Vor allen Dingen müssen wir aufpassen, daß wir nicht den „Schwarzen Peter" zugeschoben bekommen in allen Fragen. Nicht selten ist es auch so, das muß man hier sagen, daß den Informationen gegenüber es auch Vorbehalte dahingehend gibt, man sucht nicht selten in erster Linie nach den Urhebern, nach den Quellen, ehe man sich daran macht, etwas zu verändern, so wie es eigentlich richtigerweise auch festgeschrieben ist und festgelegt worden ist. Also ich kann das so einschätzen, daß von der Bezirksleitung, von dem 1. Sekretär, mit der notwendigen Konsequenz gefordert wird, aber daß natürlich die Umsetzungsfragen nicht in jedem Falle den Erfordernissen entsprechen.

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Das ist auch analog zu sehen und zu verzeichnen, was die Wirksamkeit des Staatsapparates betrifft. Wenn ich das mal beispielhaft hier anführen darf, wir haben auf die Lage, insbesondere, was den gesamten Zurückdrängungsprozeß bzw. die Bewältigung der Probleme im Zusammenhang mit den Antragstellungen auf Übersiedlung betrifft, immer und ständig wieder darauf aufmerksam gemacht, daß die Abteilungen Innere Angelegenheiten zu verstärken sind. Das wird von der Partei auch so getragen und gefordert, aber die Umsetzung läßt maßgeblich zu wünschen übrig. Und selbst dort, wo wir Hilfe geleistet haben, indem wir auch Genossen dorthin mit abgestellt haben, und weiter runter in die Territorien, setzt sich das nach unserem Dafürhalten nicht in genügendem Maße fort.

Wir müssen sagen und so einschätzen, daß eigentlich dort, wenn die Abteilung Inneres im ausreichenden Maße durch gute Genossen und qualifizierte Leute stark gemacht sind, der Prozeß ja beginnen muß. Und wenn dort es lediglich schon zu einer formalen Entgegennahme dieser Anträge kommt mit der Maßgabe, sie erhalten Bescheid, und in einem halben Jahr bekommen sie eine Antwort, dann ist das völlig unzureichend. Dort ist eigentlich schon eine Möglichkeit vorhanden, die wir uns völlig vergeben, ihre Motive kennenzulernen, mit ihnen die Gespräche so zu führen, daß wir auch kennenlernen, was im Detail sie bewegt, und nicht nur globale Fragestellungen, die nicht selten dort enthalten sind und gravierend im Räume stehen wie Unfreiheit, keine Reisemöglichkeit, sondern weiter in die Tiefe zu gehen. Das verschenken wir uns.

Demzufolge ist auch die Kommunikation zu den Betrieben und Einrichtungen zwar formal existent, aber nicht vom Detail her so ausgeprägt, wie es eigentlich sein müßte. Das muß man ganz einfach konstatieren. Das vielleicht mal zur Lage, Genösse Minister, auch was die Gesuchsschreibung betrifft und wie der Staatsapparat da reagiert. 

 

Genosse Minister
Wie schätzt Ihr die Gesamtlage ein? 

 

Genosse Oberst DANGRIESS
Genosse Minister, ich würde sagen, natürlich ist die Gesamtlage stabil. Aber diese Tendenzen im gesamten Diskussions­geschehen, die da betreffen die Ungarnprobleme, die maßgeblichen Verbleiber, die hohe Anzahl der Verbleiber, das stimmt einerseits doch viele auch progressive Kräfte nachdenklich, vor allem auch im Hinblick auf die Konsequenzen.

 

Genosse Minister
Ist es so, daß morgen der 17. Juni ausbricht? 

 

Genosse Oberst DANGRIESS
Der ist morgen nicht, der wird nicht stattfinden, dafür sind wir ja auch da.

Genosse Minister
Du verstehst den Sinn? 

 

Genosse Oberst DANGRIESS
Ja, ich verstehe. -
Man muß sicherlich auf diese Aspekte aufmerksam machen, die im Diskussionsgeschehen doch eine maßgebliche Rolle spielen.

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Was wird nun dagegen unternommen? Also ist eine stark ausgeprägte Erwartungshaltung doch zu verzeichnen unter breiten Bevölkerungskreisen, und alle diese Probleme, die auch von den Vorgängern hier angesprochen worden sind, die die Versorgungslage betreffen, die sind natürlich nicht unmaßgeblich in diesem Zusammenhang mit zu sehen, nicht dergestalt, daß man nun von einem ausgesprochenen Pessimismus reden kann, aber daß man doch von einer allgemeinen Unzufriedenheit unter der Bevölkerung sprechen muß. In dieser An und Weise ist unsererseits auch die Information vom Grundtenor her angelegt, die an die Parteiführung im Bezirk ergangen ist.

 

Genosse Minister
Dankeschön. Dann Genosse Manfred Hummitzsch. 

Genosse Generalleutnant HUMMITZSCH
Genosse Minister, Genossen Generäle und Offiziere!

Zuerst eine Bemerkung zu Aktivitäten anläßlich Weltfriedenstag, morgen 1. September bzw. in den darauffolgenden Tagen. Es gibt bei uns zwei Veranstaltungen; eine Veranstaltung, die durchgeführt wird unter der Regie DFD, Nationale Front, Gewerkschaften — eine Demonstration der Frauen und jungen Mädchen. Anwesend ist die Genossin Lange, Referentin ist die Genossin Thiele. Es gibt zu dieser Veranstaltung, die im Clara-Zetkin-Park durchgeführt wird, umfangreiche Sicherungs­maßnahmen. Es gibt keine Hinweise auf Störungen. Die Lagebeurteilung ist so, daß wir dort auch nichts erwarten. Die kirchlichen Aktivitäten erstrecken sich auf eine Personenbewegung am Stadtrand, im Stadtgebiet Südwest zwischen drei Kirchen, wo auf dem Gelände eines Betriebes, GISAG-Kombinat, dort noch Räumlichkeiten bzw. Baracken existieren, wo ausländische Arbeitskräfte in der Zeit des Faschismus dort untergebracht waren, Verbrechen vorgenommen wurden, dort ein Blumengebinde niedergelegt wird. Die Kirche wurde belehrt.
Die teilnehmenden Personenkreise – wir schätzen ein, daß sie nicht zu den Kräften des Untergrundes gehören, wie das an den anderen Schwerpunktkirchen bei uns der Fall ist. Von der Seite aus erwarten wir nichts.
Genosse Minister, wenn Sie gestatten, die Messeproblematik jetzt schon zu berühren oder? 

 

Genosse Minister
Nein, das machen wir nachher.

 

Genosse Generalleutnant HUMMITZSCH

Was die von Ihnen gestellte Frage anbetrifft, der ausgelösten Aktivitäten aufgrund unseres Materials – das war nämlich so: Wir hatten aufgrund der Lageentwicklung in unserem Bezirk in den letzten Monaten einen entsprechenden Vorlauf, da wir bereits vor der Übergabe des Materials aus der Lage her gezwungen waren, den zuständigen Kreisorganisationen der Partei auch Listen von Namen dieser relevanten Personen zu übergeben. Sie sehen ja Genossen Schumann. Wir hatten erreicht. Genosse Minister, das ist Ihnen bekannt, daß daraufhin zwei Beschlüsse des Sekretariats der Bezirksleitung gefaßt wurden auf der Grundlage dieses Materials, das allen Kreisorganisationen zugestellt wurde, wo auch eine ganze Reihe Aktivitäten entwickelt wurde. Wir haben dann befehlsgemäß bis 30.6. das umfangreiche Material übergeben an den amtierenden 2. Sekretär der Bezirksleitung und die 1. Sekretäre der Kreisleitungen, Stadtleitungen, Stadtbezirksleitungen. 

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Ähnlich wie die Genossen das vor mir eingeschätzt haben wurde in einer Beratung mit den 1. Sekretären eine Auswertung vorgenommen, auf die Bedeutung des Materials hingewiesen. Das hat sich nach unten bis zu den Kreissekretariaten und der Anleitung der Parteisekretäre fortgesetzt.

Die Wirkungen sind außerordentlich differenziert. Von Aktivitäten in den Bereichen, wo starke Parteiorganisationen bestehen, als auch – ich muß es so einschätzen – bis hin nur zur Kenntnisnahme. Es ist vorgesehen, nach den Tagen der Leipziger Herbstmesse, daß vor dem Sekretariat der Bezirksleitung, Kreissekretariate über die Verwirklichung der vorhandenen Beschlüsse des Sekretariats der Bezirksleitung und über die Aktivitäten zu den übergebenen Materialien berichtet wird.

Ich beurteile das so, Genosse Minister. Das ist ein Anfang. Wir sind noch weit, weit davon entfernt, daß die gesamte Partei geschlossen und einheitlich hier in die Offensive geht. Alles andere wäre Augenauswischerei. Es ist unbedingt notwendig, daß wir hier dranbleiben und daß wir die übergebenen Informationen auch aktuell ergänzen und präzisieren. Nicht, daß wir jetzt davon ausgehen, wir haben das Material übergeben, in unseren Aktivitäten nachlassen. Auf keinen Fall erlaubt die Lage das.

Was die Gesamtstimmung anbetrifft, so wie das hier bereits dargestellt wurde, ich kann das also hier genauso einschätzen: Die Stimmung ist mies. Es gibt umfangreiche Diskussionen über alle berechtigten und unberechtigten Probleme, die es gibt, und was uns hierbei besonders bewegt, es gibt solche miese Stimmungen auch innerhalb der Parteiorganisation. Wir haben zwar erreicht mit den Mitgliederversammlungen, die im August durchgeführt wurden auf Beschluß des Sekretariats, Kommunist sein, heißt kämpfen und verändern. Das hat eine sehr gute Resonanz gezeigt. Es wurde mehr diskutiert, und die Versammlungen gingen länger als bisher. Es ist eine gewisse Bewegung entstanden. Aber so, wie wir die Partei uns vorstellen, daß sie in die Offensive geht und sich offensivwürdig mit den Dingen auseinandersetzt, das ist im Moment aus meiner Sicht jedenfalls nicht erreicht, und das Sekretariat sieht das genauso.

Es gab eine Beratung mit den 1. Sekretären vergangene Woche, die der 2. Sekretär – Genosse Schumann ist ja bekanntlich leider erkrankt, der uns im Moment auch tatsächlich sehr fehlt – leitete. Das war sehr konstruktiv, sehr offen, eigentlich so, wie es lange nicht war, wo wir das jahrelang nicht kannten, wo die Lage doch viel viel nüchterner eingeschätzt wurde als wie bisher die allgemeine Volkstrommelei, die fehlte, sondern es wurde auch ganz offen die Problematik angesprochen, Antragsteller und die Entwicklung des ungesetzlichen Verlassens der DDR, Ungarnereignisse usw. usf.

Ansonsten, was die Frage der Macht betrifft. Genosse Minister, wir haben die Sache fest in der Hand, sie ist stabil. Wir haben auch nicht eine solche Situation, wie wir das aus der Vergangenheit kennen, aber es ist außerordentlich hohe Wachsamkeit erforderlich und differenziert territorial sehr unterschiedlich und objektmäßig. Es ist tatsächlich so, daß aus einer zufällig entstandenen Situation hier und da auch ein Funke genügt, um etwas in Bewegung zu bringen.

Wir dürfen nichts unterschätzen, müssen jeder - auch der kleinsten - Sache nachgehen, und allein mit einer Information nur an die Führung der Partei ist auch nichts abgetan. Da müssen wir vor Ort selbst aktiv werden.

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Wenn Sie gestatten, die Bemerkung zur Messe. Hier konzentrieren wir uns zur Leipziger Herbstmesse auf folgende Schwerpunkte: Zuerst auf den zuverlässigen Schutz und die Sicherheit der Repräsentanten und ihre Teilnahme an den Hauptveranstaltungen einschließlich der Protokollwege, Hauptveranstaltung im Gewandhaus und der Messerundgang. Da sind wir jetzt dabei, gemeinsam mit den Genossen der Hauptabteilung PS die letzten Präzisierungen vorzunehmen. Da gibt es keine Hinweise auf Störungen oder Provokationen.

Wir konzentrieren uns weiter auf den möglichen Besuch von Persönlichkeiten aus dem nichtsozialistischen Ausland. Im Moment steht noch der Besuch Momper. Da sind wir dabei, sobald uns das Programm übergeben wird, die Details zu präzisieren. Der Besuch von Kiechle, des Landwirtschaftsministers, ist nach den gestrigen Informationen abgesagt, und er wird die Leipziger Messe nicht besuchen.

Das dritte Problem – und in der Rang- und Reihenfolge vorrangiger Schwerpunkt – sind die Aktivitäten des politischen Untergrundes und der reaktionären Kirchenkräfte. Da hat die absolute Priorität das bekannte Montagsgebet am 4.9. Die Lage ist so, Genosse Minister, nachdem jetzt acht Wochen Pause war — und wir dort außer ein paar unbedeutenden Einzelbewegungen im Vorfeld der Kirche, die wir unter Kontrolle hatten – findet jetzt zur Messe am 4.9., 17.00 Uhr, das erste Mal wieder dieses operativ relevante „Friedensgebet" statt.

Alle Bemühungen, die unternommen wurden bis hin zum Staatssekretär für Kirchenfragen, mit den leitenden Kirchenorganen zu einer Verständigung zu kommen, daß eine zeitliche Verlagerung bzw. ein Aussetzen dieser Veranstaltungen während der Messe erreicht werden sollte, sind ohne Ergebnis. Die Kirche hat schriftlich erklärt gegenüber dem Oberbürgermeister – ein Gespräch mit dem Kirchenvorstand durch Genossen Löffler steht noch aus, da verspreche ich mir aber gar nichts davon – sie werden dieses „Friedensgebet" durchführen, sie sind nicht in der Lage, es abzusetzen. Es ist eine traditionelle kirchliche Veranstaltung; sie wollen im Gespräch bleiben, sie sind bereit zu diesem Gespräch, aber in bezug auf eine Verlegung des Termins sind sie nicht ansprechbar.

Wir rechnen mit einer außerordentlich hohen Beteiligung. Vorliegende Einzelhinweise gehen in die Richtung, also traditionell werden wir uns als Antragsteller dort wieder versammeln. Es gibt eine gewisse Erwartungshaltung, was sich dort tun könnte. Man spekuliert wieder mit Berichterstattungen der westlichen Journalisten. Es gibt aus unserem Nachbarbezirk Halle noch nicht endgültig überprüfte Hinweise auf angebliche Flugblätter, die orientieren, im Anschluß an das „Friedensgebet" zur Bezirksleitung zu demonstrieren. Da sollen Verbindungen bestehen zu diesen Organisatoren dieser „Friedensgebete".

Wir schätzen die Sache so ein, diese „Friedensgebete" brauchte man nicht mehr zu organisieren, das ist seit Monaten ein solches traditionelles Treffen dieser Leute, da braucht man keine Flugblätter, da braucht man auch keine anderen Aktivitäten. Die Leute gehen völlig selbständig dorthin.

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Die „Friedensgebete" verlaufen inhaltlich innerhalb der Kirche relativ harmlos, möchte ich sagen. Es gibt seitens der kirchlichen Amtsträger keine Aufwiegelei, wie wir das am Anfang hatten. Aber die Kirche schließt nach Ende der Veranstaltung die Türen, und was auf ihrem Vorplatz oder bei uns im konzentrierten Stadtzentrum geschieht, ist nicht in ihrer Verantwortung. Das ist ihr erklärter Standpunkt.

Wir haben, Genosse Minister, gemeinsam mit der Volkspolizei und in Absprache mit Genossen Generaloberst Mittig vorige Woche alle Maßnahmen festgelegt. Es gibt Hinweise auf journalistische Aktivitäten aus dem Reuterbüro, daß man hingehen will, um zu sehen, was sich dort tut. Es gibt viele Erwartungshaltungen. Wir erwarten auch Neugierige, die dort hinziehen, um zu sehen, was tut sich in der Stadt. Die Lage wird kompliziert sein, aber ich denke, wir beherrschen sie. Ende

 

Genosse Minister
Danke, dann wollen wir hören. Es ist alles. Dann hören wir den Leiter Potsdam.

 

Genosse Generalmajor SCHICKART

Genosse Minister! Genossen!
Ich kann einschätzen, die staatliche Sicherheit im Bezirk ist gewährleistet. Die Gesamtlage im Bezirk ist stabil. Sie wird natürlich durch einige negative Probleme beeinflußt, die hier wiederholt angesprochen worden sind. Das bezieht sich einmal auch auf die Frage der Ausreisen, die ständig im Steigen begriffen sind. Das heißt, daß dort keine Wende erreicht werden konnte. Im Gegenteil, daß wir ein Ansteigen haben und die Rückgewinnung äußerst gering ist.

Das sind zweitens Probleme, die sich aus der Nichtrückkehr von Reisen nach der BRD und Westberlin ergeben, und das sind besonders auch drittens Probleme, die gegenwärtig schwer in der Diskussion unter der Bevölkerung sind, der Aufenthalt von DDR-Bürgern in Ungarn. Hier gibt es teilweise sehr progressive Meinungen, die zum Inhalt haben, daß hier die Partei- und Staatsführung hart durchgreifen und nicht wieder den Weg nach der BRD und Westberlin aufmachen sollte. Also, hier gibt es einen großen Teil von Standpunkten der Bevölkerung, die sagen, so kann es doch nicht weitergehen. Besonders auch betrifft das Personen, die in Ungarn sind, aus der medizinischen Intelligenz, die die Patienten im Stich lassen, und solche Diskussionen gibt es im umfangreichen Maße.

Das sind natürlich auch besonders Probleme, die sich im Bezirk in den vergangenen Wochen und Monaten zeigten, in Form von Erscheinungen der Untergrundtätigkeit unter dem Dach der Kirche, wobei wir einschätzen, daß eine ganze Reihe von Gruppierungen, die wir hatten, zerschlagen werden konnten bzw. wesentliche Einschränkungen erfahren haben in ihrer Wirksamkeit.

Wir können gegenwärtig sagen, wir haben diese Personenbewegung relativ gut im Griff und haben gemeinsam mit der Bezirksleitung, mit der Partei, Maßnahmen abgestimmt und festgelegt, ein arbeitsteiliges Vorgehen festgeschrieben, und wir schätzen ein, daß auch auf der Grundlage der übergebenen Informationen, die vor den 1. Kreissekretären ausgewertet wurde mit einer konkreten Aufgabenstellung, hier erste Ergebnisse erreicht werden konnten.

Einschätzen möchte ich natürlich auch, daß die ersten Ergebnisse noch nicht das eigentliche Ergebnis darstellen und wir unbedingt, und das ist feststellbar, täglich sachverhalts- und personenbezogen an diesen Problemen dranbleiben müssen und immer wieder vorstellig werden, um gemeinsame Maßnahmen mit der Bezirksleitung einzuleiten, abzustimmen und festzulegen.

Sachverhalts- und personenbezogen sind wir bereits in einigen Kreisen sehr gut vorangekommen. Grundsätzlich kann ich einschätzen, daß die durch uns übergebene Information generell von allen Funktionären akzeptiert wurde und auch, wie ich bereits einschätzte, einige Kreissekretäre gute Aktivitäten entwickelt haben.

Hinsichtlich des 1.9., Genosse Minister, gibt es bei uns im Bezirk solche Informationen, daß besonders in den Kreisen Neuruppin, Neubrandenburg und den Kreisen Nauen und Staaken öffentliche Gedenkmärsche durchgeführt werden sollen. Wir haben das durch geeignete Maßnahmen, auch auf der Grundlage konkret erarbeiteter Parteiinformationen, jetzt soweit im Griff, so daß wir einschätzen können, daß diese Gedenkmärsche nicht stattfinden.

Ein Problem, das noch stand bis heute, war, daß im Kreis Nauen ein Pfarrer im Gottesdienst am 27. August 1989 aufgerufen hatte, am 1. September einen Schweigemarsch in Berlin durchzuführen. Wir haben gestern, am 30. August, gemeinsam mit der Kreisleitung Maßnahmen durchgeführt, mit dem Gemeindekirchenrat Aussprachen geführt, mit dem Pfarrer Aussprachen geführt, so daß wir einschätzen, daß wir im Ergebnis dieser Maßnahmen diesen geplanten Schweigemarsch verhindern können. Es gibt gegenwärtig keine Anzeichen, daß dieses Problem noch aktuell ist.

Soweit, Genosse Minister, meine Ausführungen zu den aktuellen Problemen. 

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