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Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon  

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Solovjev Solovjeff Solovjef Solowjow Solowjoff Solovyev Solowjew Solov'ev

 

SOLOV'EV, Vladimir Sergeevic; 
russischer Religionsphilosoph, 
* 16. Januar 1853 in Moskau, † 31. Juli 1900 in Uskoe bei Moskau.

 

S. entstammte einer Moskauer Gelehrtenfamilie. Der Großvater war orthodoxer Geistlicher, der Vater Professor für russische Geschichte. Seine Mutter war mit dem ukrainischen Mystiker und Theologen G. Skovoroda verwandt.

In der Schulzeit wird bei ihm die asketische Frömmigkeit durch den Materialismus verdrängt. Über die Beschäftigung mit Spinoza und Schopenhauer fand er zu einem philosophisch vertieften Glauben zurück.

Von der naturwissenschaftlichen zur historisch-philologischen Fakultät wechselnd studierte er zugleich an der Moskauer Geistlichen Akademie (1873/74). Ost und West suchte er zu vereinen, formlosen Inhalt und inhaltlose Form, logische Vollkommenheit und geistliche Kontemplation. Als Ziel sprach er von der »vollkommenen inneren Einheit der geistigen Welt«.

Am 24. November 1874 verteidigte er glänzend seine Dissertation und wurde noch im selben Jahr Dozent. Er hielt philosophische Vorlesungen. Im Sommer 1875 wurde er für ein Jahr nach London ans British Museum beurlaubt. Er beschäftigte sich dort mit indischer, gnostischer und mittelalterlicher Philosophie (bes. Mystik, Kabbala, Sophialehre). Sein Denken kreist um die Sophia (göttliche Weisheit) als personhafter Verkörperung des göttlichen Urgrundes der Welt in weiblicher Gestalt, deren er auch in mystischer Erfahrung teilhaftig wird.

Als Neunjähriger bei der Liturgiefeier etwa und im British Museum hat er entsprechende Visionen, die sein System bekräftigen (»Dieser dem religiösen Gefühl unserer Vorfahren offenbarten, dieser wahrhaft nationalen und absolut universalen Idee müssen wir jetzt einen rationalen Ausdruck verleihen. Es handelt sich darum, das lebendige Wort zu formulieren, welches das alte Rußland empfangen und welches das neue Rußland der Welt zu sagen hat«). In der »christlichen Politik« soll sich die Fleischwerdung der Sophia alsdann vollziehen.

Die vollständigste Darstellung seines Systems lieferte er 1878 mit seinen »Vorlesungen über das Gottmenschtum« in Sankt Petersburg. Dostoevskij war deren regelmäßiger Hörer (gelegentlich auch Tolstoi). Am 6. April 1880 promovierte er mit der »Kritik der abstrakten Prinzipien« zum Doktor (entspricht in Rußland der Habilitation). 

Dem Ideal der freien Theokratie in praktischer Abzielung auf die menschlichen Pflichten geht er sodann in den »Geistlichen Grundlagen des Lebens« (1884) nach. 1881 trat S. für die Begnadigung der Mörder des Zaren Alexander II.(*) ein. Auf den daraufhin erfolgenden Verweis der Behörden hin reichte S. seinen Abschied ein und dachte angesichts der »stummen Unterordnung der Kirche unter die weltliche Macht« neu über die konfessionelle Frage nach.

Universale Kirchenvereinigung und energischer Widerstand gegen die Forderungen des Staates fand er nun im zuvor von ihm verurteilten »römischen Prinzip« und bekannte sich als Glied der Russischen Orthodoxen Kirche zum Papst. Eine Konversion war das nicht.

In der berühmten »Erzählung vom Antichrist« ist es dann nur ein Häuflein katholischer, orthodoxer und evangelischer Christen, die »an einem hochgelegenen und einsamen Ort« bei Jericho zusammenfinden im Anblick der vom Antichrist initiierten Großkirche. Der Antichrist ist das Symbol der wissentlichen Ablehnung des Guten, die eben nicht einfach nur Unkenntnis zur Ursache hat.

1896 empfängt er von einem unierten Priester das Sakrament (danach nie wieder von einem römisch-katholischen, vor seinem Tod von einem russisch-orthodoxen). Entkräftet und an einem schweren Nierenleiden erkrankt erschien er am 15. Juli 1900 beim Fürsten Sergej Trubeckoj (einem Freund) in Uskoe, empfing die heiligen Gaben vom dortigen Dorfpriester und starb 16 Tage nach seiner Ankunft. Beigesetzt wurde er an der Seite seines Vaters im Novo-Devicij-Kloster in Moskau.

 

 

(*) OD, 2007: Also Lenins Bruder (glaube ich). - Darf ich spekulieren, daß es keinen Bolschewismus gegeben hätte, hätte man auf Solowjew gehört? - Schließlich hing Lenins Wille zur Macht psychologisch eng mit dem Mord am Bruder zusammen.

 


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