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Rundbrief  1998  

AG Lebensgemeinschaften 

Resümee, Wünsche, Perspektiven

 

 

Nachdem in den Siebzigerjahren die Lebensgemeinschaften geradezu zu den idealtypischen Königswegen Alternativer Ökonomie stilisiert worden waren, ist es um diese Formen zwischenzeitlich etwas stiller geworden. Ein häufig gehörter Slogans lautete "Gemeinsam leben, lernen, arbeiten!".

Dies darf nicht den falschen Eindruck vermitteln, es gäbe keine mehr. Im Gegenteil: Nach der deutschen Einigung 1990 hat es in den neuen Bundesländern ein Zwischenhoch gegeben, vor allem seitens jener Projekte, die mehr Grund und Boden benötigten, als vor 1990 in den alten Bundesländern aufzutreiben war. 

Mit Sicherheit gibt es nun, am Ende der Neunzigerjahre, eine knapp dreistellige Anzahl von Lebensgemeinschaften, die sich gemäß ihrer normativen Grundwerte in einer ähnlichen Weise ausdifferenziert haben, wie dies etwa in den USA seit je der Fall war: von der urchristlichen Basisgemeinde Wulfhagener Hütten bis zur kibbuz-orientierten Ökolea, vom ökologistischen Groß-Chüden bis zur basisdemokratischen Kommune Niederkaufungen.

Nicht verschwiegen kann allerdings werden, daß zum einen viele (auch viele ökonomisch erfolgreiche) Projekte es für sinnvoll angesehen haben, daß Leben von "gemeinsam arbeiten" abzukoppeln — daß zum anderen für viele Personen die Lebens­gemeinschaft als zwar wichtige langjährige Erfahrung, jedoch nicht als vorerst endgültige Perspektive, sich herausgestellt hat. Auch ist als soziale Innovation innerhalb der Lebensgemeinschaft die "Aus-Zeit" herausentwickelt worden: eine Art Langzeiturlaub von der Kommune, eine Art Sabbatical gegen lebensgemeinschaftliche Burn-Outs — ein der Formen, die (wie auch die völlig zu Recht erfolgte Abkehr von den Funktionsräumen beim Wohnen) zur Stabilisierung von Lebensgemeinschaften imstande sind.

Gleichzeitig wäre zu hinterfragen was Lebensgemeinschaft für Erfolge und Mißerfolge hinsichtlich ihrer Ausbreitung gehabt haben, ob nicht etwa (wie auch bei den israelischen Kibbuzim) die Gefahr bestünde, für die folgende Generation weniger reizvoller zu sein, wie für jene, die sich gegründet hat. Gleichzeitig indes wären die Wünsche und Perspektiven herauszuarbeiten (auch die uneingelösten), die Lebensgemeinschaften reizvoll gemacht haben, machen — und aller Voraussicht noch machen werden.

 

Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses vorliegenden Rundbriefes stehen aller Voraussicht nach folgende Diskussions­teilnehmende dieser Arbeitsgruppe fest:

Dieter Bensmann, ehemaliges Mitglied der Kommune Niederkaufungen, jetzt in Hamburg lebend, kann als einer der besten Kenner der Kommunen Deutschlands gelten. Vor kurzem hat er ein Buch zum Kommuneleben herausgegeben, zu welchem eine Vielzahl von Personen aus deutschen Lebensgemeinschaften Beiträge verfaßt haben. Er hat sich (überwiegend aus persönlichen Gründen) zu einem Leben außerhalb der Kommune entschlossen – nicht ohne seine Sympathie für diese Lebensform zu verlieren.

Peter Danglmeyer wird erfreulicherweise die Kommune Niederkaufungen vertreten. Diese besteht nunmehr seit ca. 15 Jahren; in ihr Leben ca. 50 Erwachsene und ca. 15-20 Kinder. Ökonomisch wäre sie durch einen Prozeß relativen Wohlbefindens, und sanfter, allmählicher, Expansion zu kennzeichnen, sozial durch eine Vielzahl und Vielfalt von Vernetzungen innerhalb der Region (nahe Kassel), und ach außerhalb dieser. Wie ohne dröge plenare Strukturen die basisdemokratische Willensbildung aller dort Lebender gewährleistet werden kann, bildet einen beständigen Gegenstand ihres Interesses. (Leider liegen bislang keine weiteren Zusagen von Lebensgemeinschaften vor - zumeist mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß Frankfurt/Main ihnen zu weit ab gelegen sein).

Schließlich nimmt an der Arbeitsgruppe eine Kollegin von der Finkhof e.G. teil (http.//www.finkhof.de). In diesem Kontext repräsentiert sie ein ökonomisch ebenfalls relativ erfolgreiches Projekt (Schafzucht im Allgäu), über zwei Jahrzehnte alte, und mit anschaulichen Verbindungen zu Projekte der 3. Welt (http://www.leibi.de/fishnet) - welches indes von der lebensgemeinschaftlichen Emphase der früheren Jahre weithin abgekommen ist.

Und selbstredend sind auch alle Erfahrungen, Wünsche und Perspektiven der weiteren Teilnehmenden an dieser Arbeitsgruppe gefragt. #

 

 

 

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