Ralf Schauerhammer
und Roger A. Maduro

 

 

Ozonloch - Das
mißbrauchte Naturwunder

 

 

  

1992

 

dnb.Buch

 

detopia:

Schauerhammer Start

Anti-Öko-Besserwisser

 

 

detopia: Maduro ist von Beruf Geologe und Schauerhammer ein EDV-Mensch. Aber zusammen wissen beide über Atmosphärenchemie Bescheid?


 

Lesebericht  von Udo Leuschner

udo-leuschner.de --- re9306weber.htm  

detopia-2009: Mit Gestattung von Herrn Leuschner für detopia.

 

"Klimaerwärmung macht Freude!" verkündet eine Broschüre, die den Inhalt dieser beiden Bücher zusammenfaßt und im selben Verlag erschienen ist. Das ist keineswegs ironisch oder sarkastisch gemeint. Beide Bücher unternehmen vielmehr den ernsthaften - wenn auch nicht ernstzunehmenden - Versuch, sowohl die Zunahme des Treibhauseffekts als auch die des Ozonlochs als harmlose, ja wohltätige Erscheinung darzustellen.

Die Dr. Böttiger Verlags GmbH ist der Hausverlag einer Polit-Sekte, die vor allem unter der Bezeichnung "Europäische Arbeiter-Partei" (EAP) bekannt wurde und neuerdings als "Bürgerrechtsbewegung Solidarität" firmiert. Sie hat auch schon unter Namen wie "Club of Life", "Anti-Drogen-Koalition", "Schiller-Institut" oder "Private Akademie für humanistische Studien" ihre Netze ausgeworfen. 

Ihr Guru heißt Lyndon LaRouche und ist in den USA als rechtsradikaler Politiker bekannt. Zur Zeit hat er eine hohe Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung und Betrugs abzusitzen. Für seine Anhänger gilt er freilich als unschuldig Verfolgter und Opfer eines Komplotts.   https://de.wikipedia.org/wiki/Lyndon_LaRouche 

Das Gedankengut dieser Polit-Sekte zeichnet sich seit jeher durch bizarre Verschwörungstheorien aus, die mit "wissenschaftlicher" oder "humanistischer" Phraseologie garniert werden. So weiß die Welt inzwischen dank LaRouche, daß der Aids-Virus vom Internationalen Währungsfonds in Umlauf gebracht wurde, daß die Königin von England als "Hexe von Windsor" die Fäden weltweiter finsterer Machenschaften zieht und daß das Attentat auf den Papst gemeinsam vom Club of Rome, der anglikanischen Kirche und dem World Wildlife Fund verübt worden ist...

Warnungen vor Umweltzerstörung werden als "Ökoschwindel" diffamiert

Der LaRouche-Verein widmet sich auf seine Weise auch Energie- und Umweltfragen. Zum Beispiel nervt er realistische Anhänger der Kernenergie seit langem mit einem skurrilen Kernkraft-Kult, für den eine Zeitschrift mit dem Titel "Fusion" die pseudo-wissenschaftliche Plattform abgibt. In praktisch allen Umweltfragen vertritt er eine knallharte Wachstumsideologie. Die Warnungen vor der Gefährdung der Biosphäre - sei es der Treibhauseffekt, das Ozonloch, das Waldsterben oder die Chlorchemie - werden in den LaRouche-Publikationen als "Ökoschwindel" oder gar als "Ökofaschismus" diffamiert.

Positives Echo in Millionenauflage

Die Druckerzeugnisse dieser "Wahn-GmbH und Co. KG" - wie sie einmal ein Sektenspezialist der evangelischen Kirche genannt hat - wären keiner weiteren Beachtung wert, wenn es dem seltsamen Zirkel nicht immer wieder gelänge, arglose Gemüter zu umgarnen. Gerade manche Akademiker und Schöngeister scheinen eine Achillesferse zu haben, die sie für Irrationalismus in wissenschaftlicher und bildungsbürgerlicher Verpackung empfänglich macht. 

Zum Beispiel ließ sich der Theaterkritiker einer gutbürgerlichen Tageszeitung zeitweilig vom "Schiller-Institut" einwickeln. Ebenso gibt es immer wieder Naturwissenschaftler und Anhänger der Kernenergie, die sich im Umkreis der Zeitschrift "Fusion" in respektabler Umgebung wähnen.

Neulich fand das erste der hier genannten Bücher in der Tageszeitung "Die Welt" (11.5.93) sogar eine genauso ausführliche wie wohlwollende Besprechung: Das Hauptanliegen des "lesenswerten Buches" - so glaubte der Rezensent erkennen zu können - seien "bessere Modelle, die die Größenordnungen der Klimaveränderungen exakter bestimmen". 

Die Programmzeitschrift "Hör zu" (18.6.93) kolportierte die Thesen des Gerd R. Weber in Millionenauflage als Stellungnahme eines "Experten für Umweltfragen". Und die Betriebszeitung eines energiewirtschaftlichen Unternehmens empfahl die eingangs erwähnte Nonsens-Broschüre aus dem Dr. Böttiger-Verlag, weil diese "so manchen Weltuntergangsapostel auf den Boden der Tatsachen zurück" hole. 

Binsenweisheiten werden als Enthüllungen serviert und mit dubiosen Schlußfolgerungen versehen. Es sind also nicht nur Sektierer, die solchen "Umweltexperten" wie Gerd R. Weber ihr Ohr leihen. Es klingt ja auch so verführerisch einfach, wenn er die Harmlosigkeit der CO2-Emissionen beschreibt: 

Ergo ist es Unsinn, "Abwehrmaßnahmen gegen einen Effekt zu fordern, der Veränderungen zum Besseren hin erwarten läßt". Allenfalls könnte man erwägen, durch verstärkte Aufforstung mehr CO2 zu binden. Und überhaupt ist die ganze Aufregung um den Treibhauseffekt nur eine "Medienpsychose".

Nun läßt sich in der Tat darüber streiten, wie stark und in welcher Weise die CO2-Emissionen den Treibhauseffekt, dieser das Klima und dieses wiederum die Lebensbedingungen beeinflussen werden. Es steht auch außer Zweifel, daß der Treibhauseffekt grundsätzlich lebensnotwendig ist und größtenteils durch Wasserdampf entsteht. Selbst die Kritik an der "Medienpsychose" um den Treibhauseffekt ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, sondern fügt sich - soweit die Argumente als einigermaßen seriös gelten können - in die Kritik an medialen Vereinfachungen und Verzerrungen, wie sie beispielsweise auch der Klimatologe Christian-Dietrich Schönwiese übt (siehe die vorherige Rezension). 

Welcher Unsinn gelegentlich in den Medien verzapft wird, zeigt im übrigen gerade das positive Echo auf das vorliegende Buch...

Soweit Gerd R. Webers Thesen stimmen, trägt er aber überhaupt nichts neues vor. Neu ist lediglich, wie er Binsenweisheiten als Enthüllungen verpackt, mit dubiosen Schlußfolgerungen verquickt und das Ganze als "wissenschaftliche" Widerlegung der Warnungen vor den unkalkulierbaren Folgen einer Verstärkung des Treibhauseffekts ausgibt. 

Was partiell richtig ist oder zumindest plausibel erscheinen könnte, wird in diesem Buch nicht "sine ira et studio" abgewogen, sondern willkürlich interpretiert und eingebettet in die "Ökoschwindel"-Propaganda des LaRouche-Vereins.

Gnädigerweise möchte der Verfasser nicht gleich sämtlichen "Treibhausalarmisten", die eine Gefährdung des Erdklimas befürchten, "unbedingt schlechte Absichten oder bewußten Betrug unterstellen". Die meisten verträten ihre Thesen wahrscheinlich in gutem Glauben. Ein harter Kern habe es jedoch auf die bewußte Irreführung angelegt: 

"Wenn sie nicht bald ihre Forderungen gegen den Treibhauseffekt als Gesetz durchboxen können, wird ihr Klimabluff früher oder später durchschaut werden."

Im Unterschied zu anderen Veröffentlichungen aus dem Dunstkreis des LaRouche-Vereins mutet dieses Buch nicht auf den ersten Blick obskur an. Allzu starker Tobak wie das Wort "Ökofaschismus" wird vermieden. Die journalistische Aufbereitung des Textes verrät ein gewisses handwerkliches Geschick. Der Verfasser kennt sich auch auf dem Gebiet der Meteorologie und Klimatologie genügend aus, damit der Bocksfuß, der unter dem weißen Kittel des Wissenschaftlers hervorlugt, nicht gleich ins Auge fällt. Bei oberflächlicher Lektüre kann so der Eindruck entstehen, hier melde sich ein unerschrockener, nonkonformistischer Wissenschaftler zu Wort und verteidige - mit einem legitimen Schuß Polemik gewürzt - die wissenschaftliche Wahrheit gegen den manipulierten Geist der Zeit.

Finstere Machenschaften überall

Deutlicher kommen die Obsessionen der LaRouche-Jünger bei dem zweiten Buch zum Ausdruck, das die Warnungen vor dem Ozonloch als "Mißbrauch eines Naturwunders" darstellen möchte. Auch hier wird mit pseudo-wissenschaftlichem Brimborium nicht gespart, aber die paranoide Komponente schimmert doch durch, wenn die Bestrebungen für ein Verbot der FCKW als raffinierte Machenschaften wirtschaftlich-politischer Kreise "enthüllt" werden, die von einem Verbot der FCKW profitieren möchten.

In der Verlagswerbung liest sich das so: 

"Die beiden Forscher haben das wissenschaftlich Erkennbare an der Ozonlochhypothese sauber recherchiert. Dabei stießen sie auf ungeheuerliche Interessenverquickungen zwischen denen, die behaupten, das Ozonloch werde vom Menschen durch die Freisetzung von FCKW erzeugt, einigen Großkonzernen und skrupellosen Bevölkerungspolitikern. Für politische und wirtschaftliche Ziele wurden Forschungsdaten mit Hilfe der Medien in einer Weise vergewaltigt, wie man es bisher nicht für möglich hielt."

Auch hier sind also wieder finstere Machenschaften im Gange, für die das Ozonloch als unschuldig-mißbrauchtes Naturwunder nur den Vorwand abgibt. Es hat wenig Sinn, sich mit solchen Verschwörungsphantasien auseinanderzusetzen. Wo das Wahrnehmungssystem insgesamt verschoben und verschroben ist, richten Vernunftgründe nichts aus. Die Auseinandersetzung um Details wäre hier so sinnvoll wie ein Streit mit modernen Scholastikern, die tief in die Genforschung eindringen und eine Reihe sonstiger Hilfswissenschaften bemühen, um das Geschlecht der Engel zu bestimmen...

Wo der Konsens fehlt, hat der Nonsens leichtes Spiel

Die Kritiklosigkeit, mit der solchen Publikationen immer wieder begegnet wird, stimmt jedoch nachdenklich. Sie scheint Symptom einer Zeit zu sein, in der alle Werte und Maßstäbe nur noch relative Bedeutung haben. Auch der Konsens darüber, was unter Wissenschaft, Bildung und Aufklärung zu verstehen sei, ist offenbar abhanden gekommen. An seine Stelle ist eine Hypostasierung getreten, die das Wort für die Sache hält, den Schein für das Sein, Geschwätz für Bildung und Geklapper für Wissenschaft.

Würden sich die LaRouche-Jünger selbst nicht so bitter ernst nehmen und ihren Fanatismus ständig unter Beweis stellen, könnte man sie für postmoderne Performance-Künstler halten: Sie demonstrieren, daß selbst der größte Unsinn Akzeptanz findet, sofern er einigermaßen professionell präsentiert wird. "Anything goes" - und wenn es der pure Wahn ist...  

 

 

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