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3    Die Leitfossilien des homo industrialensis

 

 

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Im vorangegangenen Abschnitt wurden einige wesentliche Gründe für das lawinenartige Anwachsen der Abfälle und ihre für die Beseitigung kritischer werdende Beschaffenheit erläutert. In der Praxis fällt der Abfall jedoch nicht getrennt nach Verpackungsmaterial, Autowracks und Kunststoffen an. Hier präsentieren sich die Wohlstandsrückstände gemischter. Es ist üblich, den Abfall so einzuteilen, wie er normalerweise eingesammelt wird beziehungsweise wie er anfällt. Kenntnisse über Mengen und Zusammensetzung dieser Abfallteilströme sind wichtig, wenn man die Wirkung des Abfalls auf die Umwelt — wenn man die Methode seiner Beseitigung verstehen will.

Aus Haus und Küche

Zum Haus- und Küchenmüll zählen alle Überbleibsel menschlicher Behausungen, soweit sie in festem Aggregatzustand anfallen. Kartoffelschalen gehören ebenso dazu wie ausgediente Gebisse, nicht zu vergessen Uropas Vertiko. Es ist das, was in der Mülltonne oder auf dem Sperrmüllhaufen endet und regelmäßig oder unregelmäßig abgefahren wird. Die Abfälle von Hotels, Restaurants, Kantinen, Büros usw. fallen ebenfalls in diese Kategorie.

Die Zusammensetzung dieser Abfallstoffe ist heute genauso bunt wie die Konsumpalette der Teilnehmer am Massenwohlstand. Die Gründe für die Müllabfuhr haben sich infolge der Veränderung der Zusammen­setzung sehr weit entfernt von der ursprünglichen Zielsetzung. Ging es doch zunächst aus rein hygienischen Gründen darum, die fast ausschließlich aus vergärbaren organischen Stoffen bestehenden Abfälle (Speisereste, Küchenabfälle) von der Straße fernzuhalten. Bevor die Mülltonne eingeführt wurde, war die Gosse »Sammellinie« für allen Abfall. Die Ratten besorgten den Rest. Verstopfte Müllgefäße gab es kaum, der Dreck wurde einfach vor die Tür gekippt. Das war in den Städten bis etwa vor hundert Jahren so.

In ländlichen Gegenden sind derartige Frühformen der Entsorgung von Rückständen aus dem häuslichen Bereich oft heute noch anzutreffen.

Der Hausmüll von heute enthält so wenig vergärbare organische Substanz, daß eine akute Seuchengefahr erst nach längerer Zeit entstehen würde. Alles dreht sich vielmehr um das Müll-Volumen, die Bekämpfung der Erstickungs­gefahr. Streikt irgendwo die Müllabfuhr, quillt es aus allen Tonnen, entstehen schnell Abfallberge auf den Parkplätzen, bricht spätestens nach zehn Tagen jede heute so bezeichnete Normalform groß­städtischen Lebens zusammen.

Hausmüll

Das Anwachsen des Volumens beim Hausmüll ist es denn auch, was neben dem hohen Anteil an »Chemie« die meisten Sorgen bei Abfuhr und Beseitigung bereitet. Während das Gewicht der Abfälle aus dem häuslichen Bereich jährlich nur um etwa ein Prozent wächst, schwillt der Rauminhalt um fünf bis sechs Prozent im Jahr an. Das bedeutet, daß sich die Raummenge in etwa zehn bis zwölf Jahren verdoppelt, das Gewicht hierfür aber fünfzig bis sechzig Jahre braucht. Gewichts- und Volumenkurven des Hamburger Müllanfalls über einen Zeitraum von zehn Jahren veranschaulichen diese Entwicklung.* Dieses Leichterwerden des Mülls, das ausgesprochene Volumenwachstum, ist in erster Linie schuld an der Verstopfung der Mülltonnen und Abwurfschächte. Es treibt aber auch die Kosten der Müllabfuhr in die Höhe, denn es erzwingt mehr Sammelgefäße, mehr Müllfahrzeuge, häufigere Leerung, ein Mehr an Dienstleistungen für die Entsorgung vom Wohlstand.

Die Pro-Kopf-Zahlen des jährlichen Hausmüllanfalls (ohne Sperrmüll) liegen im großstädtischen Bereich Westeuropas (1970, Durchschnittswerte)

In einigen Städten der USA, zum Beispiel in Los Angeles, aber auch in einigen europäischen Städten, gelten heute bereits — besonders hinsichtlich des Volumens — um 200 Prozent höhere Werte. Ein Kubikmeter pro Einwohner und Jahr bedeutet, daß jeder Bewohner der Wohlstandsgesellschaft allein in seinem häuslichen Bereich zehn große Mülltonnen jährlich füllt. Babys und Ruhegeldempfänger eingeschlossen.

* Vgl. Kurven im Anhang.

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Eine Normalfamilie mit vier Köpfen füllt also jährlich mindestens vierzig Mülltonnen mit Speiseresten, Küchenabfällen, Zeitungen, Verpackungsmaterial aller Art, Heizungsrückständen, zerbrochenem Geschirr und Glas, Textilien und Gebrauchsgegenständen und sonstigen Dingen, soweit sie in die Tonne gepfercht werden können. In mittleren Städten, Kleinstädten und auf dem Lande liegen die Werte im allgemeinen um 20 bis 40 Prozent tiefer. Hierfür ist allerdings weniger die niedrige Siedlungsdichte als das üblicherweise zwischen Großstadt und Dorf bestehende Wohlstandsgefälle verantwortlich. In kleinen Randstädten von Ballungsräumen, in denen oft genug der Wohlstand besonders massiert auftritt, gelten nämlich Höchstwerte.

Daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Abfallmenge und Lebensstandard besteht, zeigt sich auch noch auf andere Weise. Aus den Villengegenden der Großstädte kommt spezifisch weit mehr als aus den Hütten der Armen. In Frankfurt am Main zum Beispiel fällt in den sogenannten »Amerikaner-Vierteln« pro Nase doppelt soviel an wie aus den übrigen Bezirken der Stadt.

Die vorstehend genannten Werte für die »Jahresproduktion« lassen noch keine Aussage über den Verlauf des Hausmüllanfalls während eines Jahres zu. Dieser Verlauf unterliegt Schwankungen von 30 Prozent um den Mittelwert. Zudem verhalten Gewichts- und Volumenanfall sich sehr unterschiedlich. Im Winter fällt mehr Müll an als im Sommer; im Mai und Oktober werden etwa die Jahresmittelwerte erreicht. Dieser Verlauf ist typisch für alle westeuropäischen Länder.*

Die Kenntnisse von der Jahreslinie des Mengenanfalls gestatten, aus dem Müllanfall im Mai oder Oktober auf die zu erwartenden Jahreswerte einer Abfallregion zu schließen. Etwa nach dem Motto: Sage mir, was du wegwirfst im Mai, so sage ich dir, wer du — der Hausmüllmenge nach — bist. Gegenüber dem Müllgewicht ist die Schwankungsbreite des Müllvolumens bedeutend kleiner. Sie beträgt nur etwa 10 Prozent um den Mittelwert. Bei der Beurteilung des Müllvolumens muß man jedoch sehr stark das Alter der Abfälle und die Art des Sammelsystems beachten. Oft wird der Müll bei der Abfuhr verdichtet, wodurch sich erhebliche Abweichungen ergeben können. Die Schwankungen des Müllanfalls übers Jahr gesehen beruhen auf den von der Jahreszeit abhängigen Lebensgewohnheiten beziehungsweise den Rückwirkungen der Lebensgewohnheiten auf die Müllzusammensetzung.

* Vgl. Kurven und Tabellen im Anhang.

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So steigt der Anteil an Verpackungsmaterialien um Weihnachten herum sprunghaft an. Spezifisch gesehen schwere Rückstände, wie sie aus Heizungsanlagen anfallen, sind natürlich auf die kalte Jahreszeit konzentriert. Im Sommer und Herbst sind dafür Obst- und Gemüseabfälle häufiger, wodurch sich auch der höhere Feuchtigkeitsgehalt in der warmen Jahreszeit erklärt.

Bezüglich der Müllzusammensetzung unterscheidet man verschiedene Analysen, je nachdem, welche Eigenschaften festgestellt werden sollen. Da die verschiedenen Möglichkeiten zur Charakterisierung der Müllzusammensetzung nicht nur für den Hausmüll, sondern auch für viele andere Abfallstoffe wichtig sind, lohnt es sich, diese Systematik zu streifen. Für den Laien am verständlichsten ist die sogenannte Sortieranalyse. Dabei wird der Müll in einige halbwegs zuverlässig definierbare Sorten meist durch Handausklauben zerlegt.* Aus diesen Tabellen erkennt man die große Schwankungsbreite der Zusammensetzung. Auffällig ist der hohe Papieranteil, der in der Bundesrepublik Deutschland im Mittel heute bereits 35 Gewichtprozent des Hausmülls ausmacht. Da der spezifische Papierverbrauch hierzulande jedoch erst ein Drittel der schwedischen und kanadischen Werte erreicht hat, ist noch eine erhebliche Steigerung zu erwarten. Allein zwischen 1960 und 1970 ist in der Bundesrepublik, zumindest im großstädtischen Bereich, eine Verdoppelung eingetreten. Auch der Gehalt an Metallen, vornehmlich Eisenschrott (Konservendosen), steigt ständig an.

Für bestimmte Müllbeseitigungsmethoden ist die Kenntnis der geometrischen Abmessungen (Korngrößen) der Bestandteile wichtig. Aufschluß hierüber gibt die sogenannte Siebanalyse. Hierbei wird der Müll in mehrere Fraktionen gesiebt. Die Korngrößen-Zusammensetzung unterliegt ebenfalls erheblichen jahreszeitlichen Schwankungen; sie ist darüber hinaus von Ort zu Ort verschieden. Annäherungsweise gilt:

Wassergehalt und Gehalt an organischen Substanzen sind weitere Eigenschaften, die für eine Einordnung der Abfälle von Wichtigkeit sind. Der Wassergehalt wird durch Austrocken bei ca. 105 Grad und Wägung des dabei eintretenden Gewichtsverlustes bestimmt.

* Typische Resultate von Sortieranalysen: siehe Anhang.

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Er schwankt beim Hausmüll zwischen 20 und 40 Prozent, die niedrigeren Werte gelten für den Winter-, die höheren Werte für den Sommermüll. Die Bestimmung des organischen Anteiles erfolgt durch Veraschung bei etwa achthundert Grad. Dabei ist der eintretende Gewichtsverlust — auch Glühverlust genannt — ein Maß für den Gehalt an vergärbaren oder brennbaren Stoffen. Der Rest entfällt auf die mineralischen Bestandteile (Glührückstand, Metalle, Glas, Tonscherben, Steine usw.). Der Glühverlust beträgt 40 bis 60 Prozent des getrockneten Mülls. Er unterliegt nicht den gleichen jahreszeitlichen Schwankungen wie Wassergehalt oder Mengenanfall. Eine gewisse Zunahme des Gehaltes an organischer Substanz ist in der Zeit von Juli bis Oktober festzustellen (Gemüse- und Obstabfälle).

Für die Verbrennung ist besonders der sogenannte Heizwert des Mülls von Bedeutung. Der Heizwert gibt an, welche Wärmeenergie chemisch gebunden im Abfall vorhanden ist, das heißt beim Verbrennen freigesetzt werden kann. Der Heizwert — auch Verbrennungswärme genannt — schwankt beim Hausmüll zwischen 1000 und 2500 Kilokalorien pro Kilogramm (1970). Der Heizwert unterliegt infolge der großen Streubreite des Wassergehaltes über das Jahr ebenfalls erheblichen Schwankungen. Er ist darüber hinaus von Ort zu Ort sehr verschieden. Die besonders im großstädtischen Bereich anzutreffenden Müllheizwerte von mehr als 1500 Kilokalorien pro Kilogramm bedeuten, daß der Abfall ein Brennstoff ist, dessen Verbrennungswärme der von Naturbraunkohle gleichkommt. Dieser relativ hohe Energiegehalt führt häufig dazu, die Verbrennung der Abfälle als die optimale Beseitigungsmethode anzusehen. Das ist jedoch nur mit Einschränkung berechtigt, wie später noch erläutert werden soll.

Schließlich ist auch die chemische Analyse ein Mittel, die Müllzusammensetzung zu beurteilen. Wegen der großen Heterogenität der Zusammensetzung ist es jedoch sehr schwer, dem Müllberg repräsentative Proben zu entnehmen. Bei der chemischen Analyse werden meist nur wenige Gramm untersucht. Hierdurch wird das Ergebnis von der Probennahme in einem solchen Umfang beeinflußt, daß die Aussagefähigkeit der chemischen Analyse sehr beschränkt ist.*

Der Hausmüll weist von allen Abfallarten die größten Schwankungen in der Menge und in der Zusammensetzung auf. Jahreszeit, Lebensstandard und Lebensgewohnheiten der Bevölkerung bestimmen seine Eigenschaften entscheidend. Deshalb ist es wichtig, eingehende Untersuchungen über die Zusammensetzung und deren voraussichtliche Entwicklung an den Anfang jeder kontrollierten Abfallbeseitigung zu stellen.

* Beispiel einer chemischen Analyse: siehe Anhang.

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So kann man beispielsweise aufgrund der Tatsache, daß der Papierverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland erst hundert Kilogramm pro Kopf und Jahr erreicht, aus anderen Ländern aber wesentlich höhere Werte bekannt sind, schließen, daß noch eine bedeutende Steigerung des Papieranfalls im Hausmüll zu erwarten ist.

Das Fehlen von Heizungsanlagen in Neapel wird den dortigen Müll auch dann noch vom Kopenhagener Müll unterscheiden, wenn hier alles auf Fernheizung umgestellt ist und keine Hausbrandasche mehr im Müll enthalten sein wird. Die stets im Wandel begriffenen Konsumgewohnheiten lassen auch die Hausmüllzusammensetzung nicht zur Konstanten werden. Plötzlich tauchen ganz neue Bestandteile im Müll auf, andere verschwinden. Die Einwegflasche aus Glas hat den Glasanteil anschwellen lassen, die Halbleitertechnik den Anfall an Trockenbatterien von Transistorradios und mechanischem Spielzeug.

Sperrmüll

Sperrmüll ist nicht durch bestimmte auch nur annähernd definierbare Eigenschaften gekennzeichnet wie Hausmüll. Er umfaßt alle Abfälle, die aufgrund ihrer Sperrigkeit nicht den normalen Abfallweg gehen können. Kurz: alles, was größer ist als die Mülltonne. Zunächst hat man diesem Abfall keine Beachtung geschenkt. Die Gemeinden sahen es nicht als ihre Aufgabe an, die Bürger von Altmöbeln, Radioapparaten, Matratzen und dergleichen zu befreien.

Das Problem war auch zunächst gar keines. Bis Mitte der fünfziger Jahre wurden solche Abfälle, wenn sie überhaupt anfielen, in Kellern und Speichern gehortet. Man wußte nie, wozu man sie noch gebrauchen konnte. Die Notzeit der Kriegs- und Nachkriegsjahre war noch nicht vergessen. Ein Teil wanderte zunächst sicher auch in die heimischen Öfen, da die Zentralheizung erst ab Ende der fünfziger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland auf breiter Basis eingeführt wurde.

Mit zunehmendem Wohlstand und nach Abklingen der »Freß-« und »Bekleidungswelle« brach die »Teak-Zeit« aus. Nicht nur die Bürger der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch anderer Wohlstands­gesellschaften verfielen der Sucht des »Schöner Wohnen«. Die Möbelindustrie, die bis dahin Möbel auf handwerklicher Basis herstellte, und eigentlich gar keine war, mauserte sich rasch zur Fließbandherstellung. Es begann die Zeit, da man an jedem Waldrand in Großstädten beziehungsweise in Großstadtnähe auf einer gepolsterten Bank Platz nehmen konnte, auch wenn kein Fremdenverkehrsverein tätig gewesen war.

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Daher sahen sich die Gemeinden ab Anfang 1960 gezwungen, ihren Müll-Service auf das Abholen von Sperrmüll auszudehnen.

Der Sperrmüllanfall ist beachtlich. Er kann in Großstädten bereits einen Anteil von zwanzig Gewichtsprozent des normalen Hausmülls erreichen. Da es sich um eine verhältnismäßig neue Sparte der »Müllforschung« handelt, liegt kaum statistisches Material vor. Die Steigerungsraten beim Sperrmüll sind hoch. Sie dürften bei mindestens zehn Prozent pro Jahr liegen. Das bedeutet Verdoppelung des Sperrmüllanfalls in sieben Jahren, den vierfachen Anfall in vierzehn bis fünfzehn Jahren.

Zusammensetzung und Eigenschaften des Sperrmülls sind grundverschieden vom Hausmüll. Rasch vergärbare, organische Stoffe sind so gut wie nicht vorhanden, Feuchtigkeit fehlt auch. Holz, Blech und Textilien (Matratzen, Teppiche) überwiegen vorläufig noch. Der Anteil von voluminösen Verpackungen ist ebenfalls nicht zu übersehen. Meist wird der ausgediente Kühlschrank in der Verpackung des neu installierten vor die Tür gestellt.

In Zukunft muß mit einem wesentlichen Ansteigen des Kunststoffanteils auch im Sperrmüll gerechnet werden. Nicht nur als Blechersatz, sondern auch als Substitution für Holz und Naturfasern. Dem Sperrmüll ist daher ganz besondere Beachtung zu schenken, da jede gewöhnliche Müllkippe rasch an ihm ersticken würde. Die Zeit ist nicht mehr fern, wo er statt einmal pro Monat einmal pro Woche abgeholt werden muß, sofern nicht dem Konsummißbrauch ein Ende bereitet wird. Der Sperrmüll ist noch mehr eine Frage des Lebensstandards als der Hausmüll. Da alle Zukunftsforscher sich darin einig sind, daß sich zumindest auf der nördlichen Halbkugel der Wohlstand noch um einiges mehr anheben wird, muß man befürchten, daß die Lebensdauer von sperrigen Gebrauchsgegenständen noch weiter zurückgeht. Wohin auch sonst mit dem Wohlstand?

Die bis jetzt vorherrschende Art der Einsammlung dieser Abfälle hat eine neue Kategorie von Müllwerkern auf den Plan gebracht: die Sperrmüllfledderer. Sie kommen im Schutz der Dunkelheit, durchstöbern Kisten und Kasten, verladen auf den mitgebrachten Lieferwagen, was brauchbar erscheint, und hinterlassen ein schlimmes Durcheinander. Wo der Wohlstand richtig durchgreift, schafft er gewissermaßen Edelsperrmüll. Schon soll es chic geworden sein, sich mit aufgearbeiteten Altmöbeln einzurichten. Leider ist diese Art der Sperrmüllbeseitigung nicht sehr effektiv. Sie verschiebt das Problem sicher nur für kurze Zeit.

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Was Industrie außerdem produziert

Daß die Industrie auch feste Abfallstoffe in ungeahnten Mengen mit oft giftiger Zusammensetzung als Nebenprodukte hervorbringt, ist viel weniger bekannt als die von ihr stammenden Luft- und Wasserverschmutzungen. Allein in der Bundesrepublik Deutschland entfallen auf diesen Dreck zwanzig Millionen Tonnen im Jahr, von Volumen mindestens ebensoviel wie der Hausmüllberg. Zu den Industrieabfällen zählen viele verschiedene Rückstände in fester und flüssiger Form, zum Teil harmloser, zum Teil sehr giftiger Natur. Es ist daher unmöglich, für diesen Teil des Abfallberges allgemeingültige Angaben über Mengenanfall und Eigenschaften zu machen.

Bestimmte Industrien können an ihrem Standort mehr Abfälle hervorbringen, als die Mitarbeiter und Anwohner an Hausmüll produzieren. In Leverkusen (Bayer-Werke) ist dies der Fall und auch in Wolfsburg (VW). Es besteht daher keinerlei Zusammenhang zwischen Industriemüll- und Hausmüllanfall. Die Industrieabfälle müssen vielmehr von Fall zu Fall auf Menge und Zusammensetzung untersucht werden. Von Bedeutung sind dabei vor allem solche Abfälle, die selbst nach Aufbereitung keiner Weiterverwendung oder Regenerierung zugeführt werden können. Auf Blechabfälle von Stanzereien beispielsweise oder konzentriert anfallende Papierabfälle trifft dies nicht zu. Industrieabfälle, deren Beseitigung schwierig sein kann, sind dagegen:

Lederreste von Schuhfabriken und sonstigen lederverarbeitenden Industrien, Obst- und Gemüseabfälle von Konservenfabriken, Fehlchargen aus der chemischen Industrie, Haare und Hautfetzen aus Gerbereien, pasteuse Abfälle aus Farben- und Lackfabriken, Schlämme aus Neutralisationsanlagen, Formsand aus Gießereien, Tabakstaub der Zigarettenindustrie, nicht regenerierfähige Abfälle der gummiverarbeitenden Industrie, Abfälle der verschiedenen Hersteller und Verarbeiter von Kunststoffen, Schlämme aus der Reinigung industrieller Abwässer, zum Beispiel von chemischen Fabriken, Färbereien, Wäschereien, Brauereien, Papierfabriken usw.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Es sind über dreihundert verschiedene Arten von Industrieabfällen bekannt. Der Versuch, für die wichtigsten Industriezweige eine Abfall-Systematik zu erarbeiten, ist bisher gescheitert.

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Die zweifellos bestehenden Zusammenhänge zwischen Ausstoß, Beschäftigtenzahl und anderen kennzeichnenden Größen einer Industrie einerseits und dem Abfallanfall andererseits sind komplex und noch keineswegs erforscht. Industrieabfälle sind daher die großen Unbekannten im Müllberg, und zwar sowohl was die Mengen als auch was die Eigenschaften angeht. Die abfallintensiven Industrien geben meist nur ungern Auskunft, weil sie befürchten, daß am Ende jeder Aufklärungsaktion eine höhere Rechnung für die Abfallbeseitigung präsentiert wird.

Wenn der Preis für Sammlung und Vernichtung der Abfälle niedrig gehalten wird, weil die verantwortlichen Stellen so weitsichtig sind, daß eine Beseitigung unter Kontrolle wichtiger ist als eine vordergründige Kostendeckung, so tun sich erstaunlich viele Schleusen auf. Plötzlich wird man gewahr, daß schon jahrelang Tausende von Tonnen irgendwohin gefahren oder auf dem Werksgelände irgendwie untergebuttert wurden.

Industrieabfälle zählen zu den gefährlichsten Rückständen, weil sie Schadstoffe in konzentrierter Form enthalten. Im Hausmüll vermischen sich die Überbleibsel des Wohlstandes. Meist überwiegen heute noch die harmlosen Bestandteile. Bei Produktionsbetrieben ergibt sich dagegen selten ein — abfalltechnisch gesehen schadloser — Füllstoff zum Verdünnen. Große und abfallintensive Industrieunternehmen unterhalten bereits selbständige Abteilungen, die sich mit der Beseitigung der Rückstände beschäftigen. Es ist jedoch nicht immer Vorsorge für die Umwelt oder gar Image-Pflege, sondern meist geht es darum, die Erstickungsgefahr zu bekämpfen. Die Hüttenwerke zum Beispiel haben mehr als hundert Jahre ihre Abfälle auf Halde gekippt. Da pro Tonne Stahl bis zu 150 Kilogramm nicht verwertbarer Reststoffe anfallen, sind jene Randgebirge um die Hüttenwerke entstanden, die oft genug als mißverstandene Wahrzeichen des Gewerbefleißes angesehen werden. Dafür ist kein Platz mehr vorhanden. Also muß man neue Wege für die Beseitigung finden.

Die anfallenden Industriemüllmengen sind im Verhältnis zu den Hausmüllmengen einer Abfallregion oft auch dann noch erheblich, wenn keine potentiellen Großunternehmen am Platz tätig sind. So wurde im Jahre 1970 in einem dünnbesiedelten Gebiet der Bundesrepublik von etwa 600 Quadratkilometer Fläche, das von 120.000 Einwohnern bewohnt wird, eine Gesamtabfallmenge von über 100.000 Tonnen im Jahr festgestellt. Man hatte aufgrund der Erfahrungswerte nur mit 30 bis 40 Prozent dieses Wertes gerechnet. Die Fehlbeurteilung ging auf eine Unterschätzung der ortsansässigen kleineren und mittleren Industrien zurück. Man muß heute damit rechnen, daß der Industriemüllanfall mindestens die gleichen Mengen wie der Hausmüll erreicht. Das gilt für überregionale Betrachtungen. Danach fallen in Industrieländern ca. 300 Kilogramm pro Kopf und Jahr an.

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Es muß nicht immer Salatöl sein

Als man vor gut hundert Jahren in Texas daranging, Mineralöl zu verarbeiten, hatte das zunächst nur Auswirkungen auf den Absatz der bis dahin vorherrschenden tierischen Öle. Der Walfang ging zurück, aber die Lampen brannten mit dem neuen Öl auch gut. Daß die Verwendung der Mineralöle eines Tages zu einem brisanten Thema der Abfallbeseitigung werden sollte, wußten die Rockefeller und Konsorten noch nicht. Aus den vier Prozent Anteil, den das Mineralöl um die Jahrhundertwende an der Deckung des Energiebedarfs unseres Planeten hatte und der mit rund zwanzig Millionen Tonnen gedeckt werden konnte, sind inzwischen fünfzig Prozent Anteil und mehr als zweitausend Millionen Tonnen pro Jahr geworden.

Die andauernde Haltbarkeit bestimmter Mineralölprodukte war freilich schon den Alten bekannt. Verstand man doch sowohl in Persien als auch später im römischen Weltreich, Badeanlagen mit natürlichem Bitumen* abzudichten. Inzwischen treiben die Abkömmlinge des Mineralöles nicht nur Flugzeuge, Eisenbahnen und Autos an, sie schmieren auch die Antriebsmaschinen dazu und werden als sogenannte Schneidöle benötigt, Metallteile dieser Maschinerien herzustellen. Sie heizen unsere Wohnungen und sind oft genug die Basis der chemischen Produkte, deren wir uns täglich bedienen. Mineralölprodukte stellen neben Kunststoffen direkt und indirekt die größte Gefahr für unsere Umwelt dar. Direkt als Verbrennungsgase aus Automobilen und Feuerungen aller Art, indirekt als verbrauchte Schmier-, Schneid- und sonstige öle (Altöle) der verschiedensten Herkunft. Die einen verpesten die Luft, die anderen die Gewässer. Für diese beiden Komponenten der Folgen des Mineralöleinsatzes gibt es zumindest in einigen Ländern — darunter in der Bundesrepublik Deutschland — bereits gesetzliche Vorschriften über den um-weltschonenden Einsatz.

 

* Klebende, zähe Kohlenwasserstoffe, vorwiegend natürliche und künstliche Abdünstungsreste von Erdölen.

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Die Gefahr für die Volksgesundheit, die von Rauchgasen mit Schwefel und Kohlenoxyd-Anteilen oder mineralölverseuchten Gewässern ausgehen können, sind so offensichtlich, daß der Gesetzgeber sich hier gegen volkswirtschaftliche Interessen oder die mächtige Lobby der internationalen Mineralölkonzerne gestellt hat. Dennoch ist damit das »Problem Altöl«, zum Themenkreis dieses Buches gehörend, noch nicht gelöst. Der bisher begangene Weg, das Altöl unter Kontrolle zu bringen, kann jedoch als beispielhaft auch für die Beseitigung anderer Abfälle angesehen werden. Schon das lohnt eine nähere Beschäftigung damit.

Die Mengen, in denen das Altöl anfällt, sind nicht zuverlässig bekannt. Das genauer festzustellen, scheitert schon an der Definition des Begriffes »Altöl«. Die Problematik der Mengenbestimmung kann man auch an folgendem Beispiel aus der Bundesrepublik deutlich machen:

Der Mineralölwirtschaftsverband gibt hierzulande den Absatz importierter und im Inland hergestellter Schmieröle und Schmiermittel mit etwa einer Million Tonnen pro Jahr (1968) an. Man muß davon ausgehen, daß ein großer Teil hiervon als sogenanntes Altöl irgendwo ankommt. Denn beim Betrieb von Automotoren oder beim sonstigen Einsatz von Mineralölprodukten zum Schmieren usw. werden derartige Produkte nur etwa zur Hälfte verbraucht, das heißt verbrannt oder verdampft. Dazu kommen noch Unmengen anderer Mineralölabfälle, beispielsweise aus den sogenannten Benzinabscheidern der Tankstellen und aus den Heizöllagertanks. Diese Rückstände enthalten oft einen hohen Anteil Wasser. Nach einer groben Schätzung entfallen auf derartige mineralölhaltige Abfälle etwa 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Man muß also damit rechnen, daß jährlich mindestens zwei Millionen Tonnen »gebrauchte flüssige Mineralölprodukte«, ferner mineralölhaltige Rückstände aus Lager-, Betriebs- und Transportbehältern (Altöldefinition aus dem Gesetz über die wirtschaftliche Sicherung der Altölbeseitigung vom 23. Dezember 1968) in der Bundesrepublik anfallen.

Aufbereitet oder vernichtet wird nur ein Bruchteil davon. 1968 waren es gerade 200 000 Tonnen pro Jahr. In maßgeblichen Kommentaren zum Altöl-Gesetz und in zahlreichen Veröffentlichungen taucht jedoch immer wieder die Behauptung auf, der Gesamtanfall in der Bundesrepublik übersteige 400 000 Tonnen pro Jahr nicht. Wo bleiben die 1,2 bis 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr, die sonst noch anfallen? Werden sie nicht registriert, weil die mineralölhaltigen Rückstände zum Teil über 90 Prozent Wasser enthalten? Oder zählt man die Einzelpartien unter 500 Kilogramm pro Jahr nicht mit, weil im Altöl-Gesetz die sogenannte Nachweispflicht über den Verbleib des Altöls erst dann gefordert wird, wenn jährlich mindestens 500 Kilogramm pro Erzeuger anfallen?

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Produzieren die Tausenden von kleinen und kleinsten Autowerkstätten nicht auch Altöl? Auch wenn es unter 500 Kilogramm pro Jahr ist? Für die Umwelt, die geschützt werden soll, ist das Altöl das gleiche Problem — ob es unter die Begriffsbestimmung des Gesetzes fällt oder nicht. Was geschieht mit dem Altöl aus Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen auf dem Lande? So versteht man, warum ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber den offiziellen Altölzahlen angebracht ist. Wenn in allen amtlichen und halbamtlichen Verlautbarungen von 6,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr die Rede ist (das sind bei 60 Millionen Einwohnern für die Bundesrepublik Deutschland etwa 400.000 Tonnen pro Jahr), so muß man für eine realistische Einschätzung unterstellen, daß der tatsächliche Anfall rund dreimal so hoch ist.

Eine Schweizer Müllverbrennung hat eine Zusatzeinrichtung für die Altölverbrennung geschaffen, die aufgrund offizieller Zahlen, nämlich etwa sechs Kilogramm pro angeschlossenem Einwohner und Jahr, dimensioniert wurde. Nach der Inbetriebnahme wunderte man sich, daß der tatsächliche Anfall ein Vielfaches davon ausmachte. Da tauchte plötzlich eine Parfümeriefabrik auf, die ihre unbrauchbar gewordenen Lösungsmittel — hochexplosive Stoffe — nunmehr legal loswerden wollte. Da hatten plötzlich die vielen Autowerkstätten keine Lust mehr, ihre Altöle in einem alten Benzinfaß bei Anbruch der Dunkelheit »himmelwärts« zu beseitigen. Da waren kluge Stadtväter so schlau, die Anlieferung von Altölen nicht mit einer Gebühr zu belegen, was oft genug noch der Fall ist, sondern die verantwortungsbewußten Dreckerzeuger wurden öffentlich gelobt. Nur auf diese Weise gelingt es, auch die Reste aus der Teermaschine des Straßenbauers unter Kontrolle zu bringen. Gleichgültig, ob sechs oder achtzehn Kilogramm je Einwohner und Jahr, die Mengen nehmen auch hier gewaltig zu. Die jährlichen Steigerungsraten liegen bei drei bis vier Prozent pro Jahr.

Motorisierung, Mineralöleinsatz für Heizzwecke und Stromerzeugung sind die Hauptträger der Altölflut. Bei der Motorisierung ist ein Ende der Zunahme zumindest in den westlichen Industrieländern zu erwarten, so daß der damit im Zusammenhang stehende Altölanfall ab 1980 etwa konstant bleiben wird. Bei Heizöl ist die Entwicklung nicht so klar vorauszusehen. In der Bundesrepublik Deutschland machen sich Erdgas und Nachtstrom bereits deutlich als Konkurrenten bemerkbar. Dazu kommt die Einflußnahme von Seiten »Reinhaltung der Luft«, die einer hemmungslosen Ausbreitung im Wege steht.

Die Atomkraft, die ihr eigenes Abfallproblem hat, wird in Zukunft auch als »Ölbremse«, vor allem bei der Stromerzeugung, spürbar sein. Dennoch muß damit gerechnet werden, daß die bei der Tankreinigung anfallenden Rückstände ebenso zunehmen wie die ölverseuchte Erde von Ölunfällen aller Art.

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Die Zusammensetzung von Altölen ist je nach ihrer Herkunft sehr verschieden. Sofern sie kein Wasser enthalten, bestehen die Altöle überwiegend aus Kohlenwasserstoffen mit hohem Heizwert. Die Verbrennungswärme liegt dann im allgemeinen bei 10.000 Kilokalorien pro Kilogramm, das ist etwa fünf- bis sechsmal soviel wie bei Hausmüll. Dabei ist das Raumgewicht mit 700 bis 900 Kilogramm pro Kubikmeter drei- bis viermal höher als bei Hausmüll. Ein Volumenproblem stellt Altöl daher nicht dar.

Unterstellt man pro Kopf und Jahr einen Anfall von 15 bis 18 Kilogramm, so sind das gerade zwei normale Eimer voll, während allein der Hausmüllanfall fünfzigmal höher liegt. Oft enthalten die Altöle jedoch einen großen Teil Fremdstoffe in fester und flüssiger Form. Es handelt sich dabei um Wasser, oft auch um Sand oder Textilfasern. Daher ist eine Aufbereitung der Altöle vor ihrer Beseitigung fast immer erforderlich. Für die echte Beseitigung — auf die später noch näher eingegangen wird — kommt vorläufig nur die Verbrennung in Frage. Das steht im Gegensatz zum Hausmüll und den meisten anderen Abfallqualitäten, die auch geordnet abgelagert oder kompostiert werden können — allerdings können nicht unerhebliche Altölmengen nach Aufbereitung wieder verwendet werden.

Während Altöle mineralischer Herkunft biologisch kaum oder nur unverhältnismäßig langsam abgebaut werden und deshalb bei unkontrollierter Beseitigung eine ernste Gefahr für Boden und Grundwasser darstellen, sind Abfallstoffe mit vegetabilen oder tierischer ölen und Fetten weitaus harmloser. Sie fallen dazu in geringeren Mengen an und stellen kein den mineralölhaltigen Abfallstoffen vergleichbares Problem dar. Tierische und pflanzliche Rückstandsprodukte entstehen vor allem in der Nahrungsmittelindustrie. Sie werden selten vernichtet, sondern zu Futterstoffen verarbeitet oder anderweitig regeneriert.

Nach steigendem Fremdstoff — vor allem Wassergehalt — geordnet, unterscheidet man folgende wichtige Vertreter auf der Altölskala: Maschinenöle und Motorenöle, die zu Schmier- und Kühlzwecken in den verschiedenartigsten Maschinen eingesetzt werden. Sie enthalten Zusätze (Additive), die dem Öl bestimmte Eigenschaften wie Erhöhung der Schmierwirkung bei hohen Temperaturen, Alterungsbeständigkeit oder korro-sionshemmende Wirkungen verleihen sollen. Durch diese Additive, die zwar oft nur in Spuren vorhanden sind, wird die »Unnatürlichkeit« der Altöle potenziert — sie werden gewissermaßen zu Kunststoffen.

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Auf die verbrauchten Maschinen-und Motorenöle entfallen mindestens fünfzig Prozent aller Altöle. Dazu zählen in erster Linie die Automotoren- und Autogetriebeöle, die Getriebeöle aus Werkzeugmaschinen, Öle aus Flugmotoren und Kraftwerksturbinen und dergleichen mehr. Der Wasseranteil dieser Altöle ist gering. Ihr Mengenanfall liegt in der Bundesrepublik Deutschland bei 0,4 Millionen Tonnen pro Jahr total (1968), was etwa 6,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr entspricht.

Ebenfalls wasserfrei sind die in der Elektrotechnik für die Isolation und Kühlzwecke angewendeten Öle: Transformatoren und Schalteröle. Sie enthalten Zusätze, die den Flammpunkt erhöhen. Mengenmäßig fallen hiervon 25 000 bis 30 000 Tonnen pro Jahr in der Bundesrepublik an. In anderen Industrieländern dürften ähnliche Werte erreicht werden. Teeröle aus Kokereien: In Zeiten von Mineralölknappheit waren diese Rückstände ein begehrter Brennstoff. Heute sind sie lästige Abfälle. Ihr Mengenanfall ist unbekannt. Sie sind weitgehend wasserfrei.

Lösungsmittel und Farbrückstände der Reinigungsbetriebe, Farben- und Lackfabriken, aus der Parfümerieherstellung, aus Druckereien und zahlreichen anderen Produktionsbetrieben: Auch hier sind die Mengen nicht bekannt. Es handelt sich meist um leicht entflammbare Kohlenwasserstoffe, deren unkontrollierte Beseitigung neben Verunreinigungsproblemen auch noch Explosionsgefahren mit sich bringen. Emulsionen für Metallverarbeitung: Beim Zerspanen von Metallen werden sogenannte Bohr- und Schneideöle für Schmier- und Kühlzwecke eingesetzt. Da sie teuer sind, werden sie häufig wiedergewonnen und gelangen so nur zum Teil auf den Altölmarkt. Vor allem große Fertigungsbetriebe freien für die Rückgewinnung dieser Emulsionen einen erhebli-ien Aufwand. Dennoch fallen jährlich allein schon statistisch o 000 bis 25 000 Tonnen davon in der Bundesrepublik an. Der erhebliche Anteil, der unkontrolliert zumeist mit dem Ab-vasser beseitigt wird, ist noch nicht erfaßt, ückstände aus der Tankreinigung: Hierbei geht es um ölhaltige Schlämme mit einem gewissen Wasseranteil aus den Millionen von fest eingebauten und in Form von Tankfahrzeugen umherfahrenden Öltanks. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sind 2,5 Millionen Tanks (1968) registriert. Man rechnet mit einem Anfall von etwa einem Liter Tankrückstand pro Einwohner und Jahr. Das sind 50.000 bis 60.000 Tonnen pro Jahr allein in der Bundesrepublik Deutschland. Rückstände aus Öl- und Benzinabscheidern: Jede Garage, jede Tankstelle, jede Autowerkstatt hat in der Abwassersammelleitung einen sogenannten Abscheider, der aufschwimmende Mineralölprodukte zurückhält.

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Die Trennung von Wasser und ölhaltigen Rückständen gelingt zwar nicht vollkommen, aber es fallen auf diese Weise doch beachtliche Mengen eines Gemisches an, das zu neunzig und mehr Prozent aus Wasser und verschiedenen Feststoffen besteht, dessen Rest aber als mineralölhaltig einzustufen ist. Von derartigen Rückständen werden allein statistisch Mengen bis zu 150 000 Tonnen pro Jahr (1968) in der Bundesrepublik registriert. Die nicht erfaßten Mengen müssen aber erheblich höher liegen, wenn sie allein auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg jährlich 25 000 bis 30 000 Tonnen von rund zwei Millionen Einwohnern betragen.

Dem Wassergehalt nach an letzter Stelle stehen die bei der Reinigung von Tankschiffen anfallenden mineralölhaltigen Abwässer (Wassergehalt bis zu 99 Prozent). Ihr Mineralölanteil ist eigentlich kein Altöl, sondern zumeist Rohöl.* Altöle sind wegen ihres im Vergleich zum Hausmüll und Autowracks kleinen Volumens keine ins Auge fallenden Abfallsorten. Zum Müllberg im engeren Sinne des Wortes können sie schon deshalb nicht beitragen, weil sie flüssig sind. Um so höher ist die Dunkelziffer ihres Anfalls und ihrer trotz Altöl-Gesetz oft noch unkontrollierten Beseitigung. Die bekannten Auswirkungen der Ölverschmutzung an den Meeresküsten (Ölpest) lassen erahnen, was derartige Produkte im Erdreich oder im Grundwasser anrichten können.

Schrott bei jeder Geschwindigkeit

Vom Auto als einem der Hauptträger der Abfallflut war schon die Rede, die Komponente »Altöl« der Umweltgefahren-Palette »Automobilismus« ist abgehandelt. Wie sind aber die Autowracks selbst und die Altreifen abfalltechnisch einzuordnen? Über die Zahl der anfallenden Autowracks gibt es zuverlässiges statistisches Material. Das hängt in erster Linie mit dem für Kraftfahrzeuge in allen Ländern bestehenden Registrierungszwang zusammen. Die Fahrzeughalter melden daher zum überwiegenden Teil ihre ausgedienten Wagen selbst ab, schon um Steuern und Versicherungen zu sparen. Es bleibt jedoch noch eine Reihe von »wild« abgestoßenen Fahrzeugen übrig, bei denen der Schrottwert die Abmeldekosten unterschreitet.

* Weitere Angaben über Airöle siehe Anhang.

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In New York trennen sich beispielsweise jährlich auf diese Weise 50.000 Autobesitzer von ihrem fahrbaren Untersatz. In der Bundesrepublik liegen die vergleichbaren Werte bedeutend niedriger. Hierzulande rechnet man mit maximal 50.000 bis 60.000 einfach stehengelassenen Autoruinen.

Insgesamt fallen in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit etwa eine Million Altautos an. Bis 1980 wird ein Anstieg auf 1,6 bis 1,8 Millionen Wracks pro Jahr erwartet. Danach rechnet man mit konstanten Werten. Ähnlich spezifische Zahlen sind auch aus anderen westlichen Industrieländern bekannt. Diese Zahlen berücksichtigen Pkw und kleinere Lastwagen (Kombis). Ausgediente Lastkraftwagen treten demgegenüber zahlenmäßig so weit zurück, daß sie keine Beseitigungsprobleme aufwerfen.

Im Durchschnitt enthält jedes Autowrack 500 bis 600 Kilogramm Stahlschrott. Dazu kommen 150 Kilogramm Nichteisenmetalle, Kunststoffe, Altreifen, Textilien, Glas usw. Trotz weiter ansteigendem Kunststoffanteil ist nicht damit zu rechnen, daß der Stahl als dominierender Werkstoff in den nächsten zwanzig Jahren verdrängt werden wird. Das hier und da auf einer Automobilschau auftauchende Kunststoffauto wird vorläufig eine Einzelerscheinung bleiben. Die Entwicklung des Autoschrottanfalls in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1968 und 1970 verdeutlicht folgende Tabelle.

 

Autowrack- und Autoschrottanfall bis 1980 in der Bundesrepublik Deutschland

Autowrack  in 1000 Stück    Autoschrott  in 1000 Tonnen

1968   718  359,0

1969  850  425,0

1970  968   484,0

1971  1083  541,5

1972   1131   565,5

1973  1199   599,5

1974  1371  685,5

1975  1356  678,0

1976   1469  734,5

1977   1524   762,0

1978  1584  792,0

1979    1627   813,5

1980    1617   808,5

Quelle: Beseitigung von Autowracks. Bericht des Battelle-Instituts, Frankfurt, im Auftrag des Bundesministers für Gesundheitswesen, Oktober 1968.

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Der Fremdstoffanteil von 20 bis 25 Prozent des Gesamtgewichtes erschwert die Beseitigung der Autowracks ganz außerordentlich. Denn reiner Stahlschrott ist ein begehrtes Rohmaterial, geeignet — weil teuer genug —, das Anwachsen unübersehbarer Autohalden zu verhindern. Ein paar Prozent Kupfer im Autoschrott machen es beim Wiedereinschmelzen erforderlich, große Mengen reinen Schrottes zuzumischen. Und ein paar Prozent Kupfer sind immer da. Sie kommen von den Wicklungen der Anlasser, Scheibenwischermotoren und anderen Gegenständen der Autoelektrik. Dazu kommen aber noch eine Reihe von anderen Metallen, die für das Einschmelzen kritisch sind.

Bei der Wiederverwendung des Autoschrottes in der Hüttenindustrie sind übrigens die Kunststoffe nicht unbedingt schädlich, obgleich sie als Ballaststoffe angesehen werden müssen. Sie werden im großen Schmelztiegel restlos verbrannt.

Etwa 40 Millionen Tonnen Rohstahl werden jährlich in der Bundesrepublik Deutschland erzeugt. Davon gehen 2 bis 3 Millionen Tonnen in die Automobilindustrie und ihre Zulieferer, die damit zu einem der größten Abnehmer der Hüttenwerke geworden sind. Eine Million Autowracks (1970) bedeuten jedoch nur ca. 0,6 Millionen Tonnen Autoschrott jährlich, das heißt etwa 15 bis 20 Prozent dieser Menge als Schrottrückfluß. Maximal! Wo bleibt der Rest? Er wird vorläufig noch »im Markt« gespeichert!

Noch übersteigt die Produktion den Altautoanfall um das. Doppelte. Der Export ist weitaus größer als der Import. Gespeichert wird auch auf allein 2500 Autofriedhöfen in der Bundesrepublik. Berge von Autowracks als sichtbares Volumenproblem, so wie die Hausmüllpyramiden, beginnen also erst zu wachsen.

Immerhin ist das Autowrack bei 600 Kilogramm Durchschnittsgewicht und etwa 5 Kubikmeter »umbautem Raum« vor seiner Zerstörung spezifisch sogar leichter als Hausmüll. Bei einem Anfall von 1,6 Millionen Wracks wird der sichtbare Teil des Berges rund 8 Millionen Kubikmeter hoch sein, das sind mehr als zehn Prozent des heutigen Hausmüllberges. 8 Millionen Kubikmeter: das entspricht allein aus der Bundesrepublik jährlich einer Schrottsäule von der Höhe des Eiffelturms bei doppelt so großer Grundfläche. Da auch in Zukunft aufbereiteter Autoschrott, das heißt von Nichteisenmetallen und anderen Fremdstoffen befreite Reste ehemals fahrbarer Statussymbole, teurer sein wird als Schrott anderer Herkunft, erledigt sich das Altauto-Problem leider nicht von selbst. Die Halden werden wachsen, wenn nicht eine Subvention das Herabschleusen der Autoschrottpreise ermöglicht.

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Die Technologie der Autowrackverarbeitung wird heute besser als bei den meisten anderen Abfällen menschlicher Zivilisation beherrscht. Ihre Anwendung könnte durch die Schaffung von Großanlagen wesentlich verbilligt werden. Die Entwicklung muß in diese Richtung getrieben werden! Das Einschmelzen ist für die Beseitigung der Autowracks der einzig richtige Weg, hat Stahl doch ein spezifisches Gewicht von fast 8000 Kilogramm je Kubikmeter. Das ist siebzigmal mehr als der von Autoschrott. Zehn Autoleichen schmelzen von fünfzig Kubikmeter Raumanspruch auf ein Klümpchen von knapp einem Kubikmeter Inhalt zusammen.

Altreifen

Die Altreifen haben ihr Profil verloren, sie greifen nicht mehr auf der Fahrbahn. Auf dem Abfallberg jedoch erweisen sie sich noch als sehr zählebig. Dabei sind die Autoreifen — abfalltechnisch gesehen — schon ein Problem, bevor sie überhaupt weggeworfen werden. Während sie ihr Profil verlieren — abrasiert auf den Pisten —, teilen sie sich in feinster Verteilung ihrer Umwelt mit; wirbeln in die Luft, fallen in die Rinnen, überziehen straßennahe Natur mit einem Hauch aus Kautschuk und Ruß.

Ruß ist aber ein höchst gefährlicher Stoff. Der erste, bewußt erkannte Zivilisationskrebs, der chimney Cancer der englischen Schornsteinfeger, geht nämlich — wie man heute weiß — allein auf Ruß zurück. Die Ruß- und Gummihersteller sagen zwar, daß ihr Produkt harmlos sei. Ist das aber genügend Schutz? Sagen nicht auch manchmal die Pillenhersteller, Nebenwirkungen seien unbekannt, bis Tausende von Krüppeln aufgrund von ebensolchen Nebenwirkungen in die Welt gesetzt werden?

Hier interessiert nicht so sehr die Luftverschmutzungskomponente der Altreifen, sondern die feste Substanz der Gummiringe, deren Zahl leider ständig zunimmt. Man rechnet im Durchschnitt mit zwei abgefahrenen Pneus pro Wagen und Jahr. Bei einem Bestand von etwa 15 Millionen Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland sind dies jetzt schon 30 Millionen Stück jährlich. Bis zum Jahre 1980 wird ein Anstieg auf 40 Millionen jährlich erwartet.

Der Kraftfahrzeugbestand in der ganzen Welt liegt heute (1970) bei zweihundert Millionen Stück. Er wird sich innerhalb der nächsten zehn Jahre mit Sicherheit verdoppeln, denn die Produktionskapazität beträgt heute bereits 30 Millionen Wagen pro Jahr, und der Nachholbedarf, besonders in Osteuropa und dem Teil der Entwicklungsländer, die an der Schwelle zur Industrialisierung stehen, ist immens.

Eine entsprechende Zunahme des Altreifenanteils ist zu erwarten, so daß langfristig mit mindestens einer halben Milliarde Altreifen pro Jahr auf diesem Planeten gerechnet werden muß.

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Obgleich Reifen zu über neunzig Prozent aus organischer Substanz bestehen (Kautschuk und Ruß), ist ihre »natürliche Beseitigung« nahezu unmöglich. Denn die Vulkanisation hat die Reifen für die Mikroorganismen »unappetitlich« gemacht. Zwar können Wind und Wetter und vor allem die Sonneneinstrahlung den Reifen zerstören. Dieser Prozeß dauert jedoch Jahre und kommt daher für eine Beseitigung nicht in Betracht. Die Regenerierung der Reifen, beispielsweise durch Aufvulkanisieren neuer Laufflächen usw., scheidet ebenfalls praktisch aus, da die so präparierten Altreifen nicht mehr den heutigen Anforderungen an die Fahrsicherheit genügen.

Es hat im Moment den Anschein, als ob für die Beherrschung des Altreifenproblems allein die Verbrennung in Frage kommt.

Das durchschnittliche Gewicht eines Altreifens liegt bei etwa 10 Kilogramm. Deshalb entspricht der heutige Altreifenanfall in der Bundesrepublik Deutschland von etwa 30 bis 35 Millionen Stück einer Menge von 300 000 bis 350.000 Tonnen pro Jahr. Diese Menge nimmt sich gegenüber den 15 Millionen Tonnen Hausmüll der gleichen Abfallregion zwar klein aus, ist aber dennoch nicht zu übersehen.

Die Behandlung der Altreifen wird durch einige Ingredienzen erschwert. Die Reifen enthalten Drahtringe, die die mechanische Zerstörung — die wiederum für die Verbrennung erforderlich ist — sehr aufwendig machen. In zunehmendem Maß werden darüber hinaus statt Naturfasern für die Gewebeeinlagen Kunstfasern verwendet. Auch der Schwefelgehalt des Gummis, der bis zu zwei Gewichtprozent erreicht, erleichtert die Beseitigung nicht. Durch diesen Schwefelgehalt entspricht der Altreifen bei Beseitigung durch Verbrennung im Hinblick auf die dabei entstehenden Rauchgase den sogenannten schweren Heizölen, deren Einsatz in weiten Teilen der Welt strengen Vorschriften unterliegt, da sie zur Luftverschmutzung einen erheblichen Beitrag leisten (Schwefeldioxyd-Emissionen).

Ausgediente Autos und abgefahrene Autoreifen stellen also eine nicht zu übersehende Komponente des Abfallberges dar. Ihre Beseitigung unter Kontrolle muß daher ebenso ernsthaft betrieben werden wie die aller übrigen Wohlstandsreste.

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Wohlstandsmüll flüssig

Es wurde bereits zu Anfang darauf hingewiesen, daß zahlreiche Ereignisse es vermocht haben, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die drohende Verschmutzung der Gewässer hinzuweisen. Nicht nur die im Vordergrund des Interesses stehenden Binnengewässer, sondern neuerdings auch die Ozeane werden kritisch überwacht, seitdem Ölpest und Giftgasgranaten dort neben allem sonstigen Dreck angeschwemmt und herausgezogen werden. Da andererseits Wasser nicht nur zu Aufrechterhaltung menschlichen Lebens, sondern für die allermeisten technischen Verfahren, die Energieerzeugung usw. von ausschlaggebender Bedeutung ist und durch kaum einen anderen Stoff ersetzt werden kann, muß sich der notwendige Gewässerschutz zwangsläufig darauf beschränken, die verwendeten Wässer zu klären, das heißt die in ihnen enthaltenen Schadstoffe vor der Zurückleitung herauszunehmen. Hierfür sind eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, die jeden gewünschten Reinheitsgrad, allerdings bei steigenden Kosten, ermöglichen. Beispielsweise wird sogar aus der Jauche einiger zentraleuropäischer Flüsse Trinkwasser für stromabwärts gelegene Verbraucher gemacht, ohne daß hiergegen hygienische Bedenken bestehen. Die Notwendigkeit einer umfassenden Abwasserreinigung wurde im übrigen schon vor mehr als fünfzig Jahren erkannt, als in den industriellen Ballungsgebieten, vor allen Dingen im Ruhrgebiet, Schwierigkeiten drohten.

Die bei der Reinigung häuslicher und industrieller Abwässer anfallenden Schlämme, die die Giftstoffe also in konzentrierter Form enthalten, werden in der überwiegenden Zahl aller Fälle heute noch völlig unkontrolliert beseitigt. Sie stellen gewissermaßen den flüssigen Wohlstandsmüll dar. Es ist ein Widerspruch in sich, wenn das Abwasser irgendeines Industriebetriebes mit großem Aufwand — wie der Fachmann sagt »vollbiologisch« — gereinigt wird, der dabei anfallende Schlamm jedoch — einige hundert Meter weiter unkontrolliert beseitigt — das Grundwasser verseucht.

Die Behandlung der Klärschlämme aus kommunalen und industriellen Abwässern steht erst am Anfang. Die auftretenden Mengen und Eigenschaften dieser Abfallprodukte sind halbwegs zuverlässig nur für den kommunalen Bereich bekannt. Bei der Industrie ist auch hier die Dunkelziffer besonders groß.

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Kommunaler Klärschlamm

Hierunter sind alle Rückstände, die bei der Reinigung städtischer Abwässer anfallen, zu verstehen. Menge und Zusammensetzung dieser Abfallstoffe hängen wesentlich von der Art der Abwassersammlung und den Methoden der Abwasserreinigung ab.

Bezüglich der Abwassersammlung unterscheidet man zwei Arten von Kanalisationssystem: die Mischkanalisation und die Trennkanalisation. Bei der ersteren werden Schmutzwässer aus den Haushaltungen, Abwässer des Gewerbes und der Industrie, soweit sie an die Kanalisationsnetze angeschlossen sind, zusammen mit dem Regenwasser in ein und demselben Rohrleitungsnetz gesammelt, wegtransportiert und gegebenenfalls gereinigt. Bei der Trennkanalisation werden Regen und Schmutzwasser getrennt erfaßt. Dabei wird Regenwasser im allgemeinen ungereinigt in den Vorfluter, das heißt in das nächstgelegene offene Gewässer abgeführt, weil Regenwasser so gut wie frei ist von schädlichen Bestandteilen. Die vom Regenwasser mitgeführten Feststoffe — in erster Linie Sand und Geröll — werden bereits in den Beruhigungszonen des Kanalisationssystems ausgeschieden. Bei Mischkanalisationssystemen läßt es sich jedoch nicht vermeiden, daß auch diese an und für sich harmlosen Feststoffe in die Rückstände aus dem Schmutzwasser gelangen.

Im Hinblick auf die Behandlung, das heißt die Reinigung der Abwässer unterscheidet man eine Reihe von verschiedenen Verfahren. Es würde zu weit führen, den vorliegenden Beitrag auf eine Erläuterung dieser Methoden auszuweiten. Zum besseren Verständnis sei lediglich folgendes erläutert: Bei der sogenannten mechanischen Reinigung — ein Verfahren, das bei der Reinigung kommunaler Abwässer heute leider noch überwiegt — werden in sogenannten Rechenbauwerken großstückige Verunreinigungen zurückgehalten. Im übrigen ergießt sich das gesamte Abwasser in den Vorfluter.

Bei der nächst höheren Reinigungsstufe, die heute erst auf vierzig Prozent der Abwassermengen angewendet wird (BRD, in den meisten anderen Ländern noch weniger), werden in großen Absetzbecken Schwebestoffe aus dem Abwasser herausgenommen. Der Grad der Reinigung wird so weit getrieben, daß die verbleibenden Schmutzstoffe für ihren weiteren Abbau den im Vorfluter enthaltenen Sauerstoff auf keinen Fall völlig aufbrauchen. Eine derartige Abwasserbehandlung nennt man »teilbiologisch«. Sie gibt den tierischen und pflanzlichen Lebewesen im Vorfluter wenigstens ein Minimum an Überlebenschance.

Zufriedenstellende Verhältnisse werden jedoch erst bei der

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sogenannten Vollbiologischen Reinigung erreicht. Hierbei wird zusätzlich, meist in Verbindung mit einer umfangreichen Belüftung, der Restsauerstoffbedarf so weit verringert, daß diese Abwässer keinerlei Gefahr mehr für die Lebewesen der Gewässer darstellen, in denen die gereinigten Abwässer eingeleitet werden.

Die bei der Reinigung kommunaler Abwässer anfallenden Schlämme haben folgendes gemeinsam: sehr hoher Wasseranteil, bis 95 Prozent, geringe jahreszeitliche Schwankungen des Mengenanfalls und der Zusammen­setzung. Der Mengenanfall beträgt etwa 400 bis 500 Kilogramm je Einwohner und Jahr. Das ist vom Gewicht her gesehen immerhin die doppelte Menge, wie dem derzeitigen Hausmüllanfall entspricht. Da das spezifische Volumen jedoch vier- bis fünfmal kleiner ist und es sich bei den Klärschlämmen vom Aggregatzustand her gesehen um flüssige Abfälle handelt, treten diese Abfallstoffe weitaus weniger in Erscheinung. Um den Hausmüll einer Millionenstadt abzufahren, sind täglich Hunderte von Fahrzeugen unterwegs; der Klärschlamm der gleichen Abfallgemeinschaft dagegen kann durch eine relativ dünne Rohrleitung weggepumpt werden. Interessant ist auch die Tatsache, daß der kommunale Klärschlamm pro Kopf mengenmäßig kaum zunimmt und sich hierdurch grundsätzlich vom Müllanfall unterscheidet. Steigender Lebensstandard schlägt also durch bis zur Mülltonne — dort sogar sehr spürbar —, in der Kanalisation jedoch höchstens im Hinblick auf die Abwassermengen, nicht jedoch auf die von diesem Abwasser mittransportierten Feststoffe. Das ist eine bemerkenswerte Erscheinung, die beweist, daß die über Magen und Darm produzierten Abfälle wegen der veränderten Lebensgewohnheiten der Zusammensetzung nach zwar beeinflußt werden können, der Menge nach aber eine »natürliche« Begrenzung haben. Die Aufnahmefähigkeit des Organismus für Nahrungsmittel ist eben auch bei der Anlage von noch so vielen Fettpolstern begrenzt. Deshalb muß sich der Massenwohlstand in erster Linie an nicht verzehrbaren Gütern austoben beziehungsweise dorthin manipuliert werden. Der kommunale Klärschlamm stellt ein Gemisch von Wasser und Feststoffen dar. Die Korngröße der Feststoffe ist so gering, daß sie mit dem Wasser eine Dispersion bilden. Hierdurch gelingt es nur mit erheblichem Aufwand, das den Feststoffen an-laftende Wasser abzutrennen.

Der kommunale Klärschlamm hat eine ähnliche Konsistenz wie Joghurt. Sein Mengenanfall entspricht in der Bundesrepublik Deutschland etwa 400 Millionen Joghurtbechern am Tag, 150 Milliarden im Jahr. Auch im Joghurt beträgt der Wassergehalt über neunzig Prozent.

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Neben dem Wassergehalt werden die Eigenschaften des kommunalen Klärschlamms, besonders im Hinblick auf seine ordnungsgemäße Beseitigung, durch Feststoffgehalt, organische Substanz des Feststoffgehaltes, Gehalt an Nährstoffen, Heizwert der Feststoffe, das sogenannte C/N-Verhältnis* und die biologische Beschaffenheit charakterisiert.

Der Feststoffgehalt von kommunalem Klärschlamm schwankt zwischen zwei und zwölf Prozent. Produziert der Mensch jährlich 400 Kilogramm Schlamm, so sind davon höchstens 45 Kilogramm Feststoffe. Der Feststoff­gehalt wird durch Trocknung des Schlamms bis zur sogenannten Gewichtskonstanz bestimmt.

Die Feststoffe des Klärschlamms enthalten eine Reihe von Bestandteilen. Abfalltechnisch besonders interessant ist davon die sogenannte organische Substanz. Der Gehalt an organischer Substanz entspricht in erster Näherung dem Teil des Klärschlamms, der biochemisch abbaubar ist. Die organische Substanz wird ähnlich wie beim Hausmüll durch den sogenannten Glühversuch festgestellt. Hierbei werden die gesamten Feststoffe bei einer Temperatur von etwa 800 Grad Celsius verbrannt, wobei die eintretende Gewichtsverminderung (der Glühverlust) in etwa der organischen Substanz gleichgesetzt werden kann.

Der Anteil der organischen Substanz an den Feststoffen des kommunalen Klärschlamms hängt sehr davon ab, ob der Schlamm bereits ausgefault ist (sogenannter Faulschlamm) oder ob es sich um Frischschlamm handelt. Bei Faulschlamm beträgt die organische Substanz etwa fünfzig Prozent der Feststoffmenge, bei Frischschlamm kann sie bis auf achtzig Prozent ansteigen. Der restliche Teil der Feststoffe besteht aus mineralischen, das heißt im Hinblick auf biologische Beeinflußbarkeit weitgehend neutraler Substanz. Allerdings können von diesen mineralischen Bestandteilen wichtige, für die Beseitigung sogar entscheidende Eigenschaften des Klärschlamms bestimmt werden.

Häuslicher Abwasserschlamm enthält eine Reihe von Nährstoffen, die ihn als Boden Verbesserungsmittel wertvoll machen. Es handelt sich um Stickstoff-, Phosphor- und Kaliumverbindungen. Sie machen zusammen­genommen bei Frischschlamm etwa sechs bis acht Gewichtprozent aus. Der Nährwert des Abwasserschlamms für die Bodenverbesserung wird außerdem noch von einigen in geringer Konzentration vorliegenden Spurenstoffen bestimmt.

* Verhältnis von Kohlenstoff- zu Stickstoffverbindungen.

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Besonders für die Beseitigung des Schlamms durch Verbrennen ist — ähnlich wie beim Müll — die chemisch gebundene Energie, das heißt der sogenannte Heizwert, wichtig. Er beträgt bei den Feststoffen des Abwasserschlamms 4000 bis 5000 Kilokalorien pro Kilogramm (Frischschlamm) beziehungsweise 3000 bis 4000 Kilokalorien pro Kilogramm (Faulschlamm). Die Feststoffe des Abwasserschlammes haben damit einen rund doppelt so hohen Heizwert wie Hausmüll. Die Abfallbeseitigungsmethode »Kompostierung«, auf die später noch ausführlich eingegangen wird, ist besonders für Klärschlamm geeignet. Die Kompostierbarkeit der Klärschlämme wird u. a. durch das Verhältnis von Kohlenstoff- zu Stickstoffverbindungen, das C/N-Verhältnis, bestimmt. Dieses C/N-Verhältnis schwankt zwischen fünf bis zehn bei Frischschlamm und sieben bis elf bei Faulschlamm. Bei diesen Werten ist bereits berücksichtigt, daß bei der Kompostierung etwa ein Drittel der organischen Substanz biologisch so weit resistent ist, daß ein echter Abbau nicht erfolgt.

Die biologische Beschaffenheit der Klärschlämme ist für jede Form der Beseitigung von entscheidender Bedeutung. Die kommunalen Klärschlämme enthalten ein Konzentrat patho-gener Keime. Salmonellen- und Tuberkel-Bakterien lassen sich ebenso häufig nachweisen wie Milzbrandspuren. Das erscheint nicht weiter verwunderlich, wenn man berücksichtigt, daß bereits im tausendstel Teil eines Liters Abwasser etwa eine Million Keime enthalten sind. Auch wenn hiervon neunzig Prozent als nicht schädlich eingestuft werden können, erklären sie doch das große gesundheitliche Gefahrenmoment, das häusliche Klärschlämme darstellen. Diese Eigenschaften der im häuslichen Abwasser enthaltenen Keime sind es, die Epidemien, zum Beispiel die großen Choleraseuchen im vorigen Jahrhundert, verursachten.

Hinsichtlich der mikrobiologischen Faktoren sind allerdings im Gegensatz zu den übrigen Eigenschaften der kommunalen Klärschlämme kaum allgemeingültige Zahlen bekannt.

Zum besseren Verständnis soll der Begriff Faul- und Frischschlamm erläutert werden. Der bei den verschiedenen Methoden der Reinigung kommunaler Abwässer anfallende Schlamm — Frischschlamm — wird heute überwiegend in sogenannten Trockenbeeten von dem ihm anhaftenden Wasser getrennt. Dabei wird das Wasser durch Verdunsten ausgeschieden. Um die Geruchsbelästigungen bei diesem Verfahren so gering wie möglich zu halten, ist es erforderlich, den Teil der organischen Substanz zu stabilisieren (auszufaulen), der besonders leicht abgebaut werden kann. Das geschieht in sogenannten Faulräumen, wo ein Teil der organischen Substanz unter Luftabschluß biologisch abgebaut wird.

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Das Endprodukt einer solchen Behandlung heißt Faulschlamm. Bei der Faulung wird ein Gasgemisch gebildet, das zu sechzig bis siebzig Prozent aus Methan und zu dreißig bis vierzig Prozent aus Kohlendioxyd besteht. Die mit diesem Gas abgeführten Bestandteile erklären die unterschiedliche Zusammensetzung der Feststoffe bei Frisch- und Faulschlamm. Für andere Beseitigungsmethoden ist die Ausfaulung des Klärschlammes, die einen erheblichen Aufwand erforderlich macht, nicht unbedingt notwendig. Beispielsweise für die Verbrennung ist der Frischschlamm allein schon wegen seines höheren Heizwertes (höhere organische Substanz) besser geeignet als der Faulschlamm.

Obgleich die Abwasserreinigung heute erst den geringsten Teil der kommunalen Abwässer erfaßt, ist der mit ihr in Verbindung stehende Klärschlammanfall beträchtlich. Da langfristig mit Rücksicht auf die erforderliche Vermeidung von Gewässerverschmutzungen eine Reinigung sämtlicher Abwässer erzwungen wird, ist der hierbei anfallende Schlamm für die Abfallbeseitigung auch von wachsender Bedeutung. Allein in der Bundesrepublik Deutschland sind bei Erfassung aller kommunaler Abwässer dann jährlich 30 Millionen Kubikmeter Klärschlamm — das entspricht der Hälfte des heutigen Müllberges — zu beseitigen. (Ein vielleicht noch anschaulicheres Beispiel: Allein der Hamburger Abwasserstrom ist in Trockenzeiten bereits jetzt der größte »Nebenfluß« der Elbe...) Vom Gewicht her würden diese Schlammassen den Hausmüllanfall sogar um das Doppelte übertreffen. Daher ist der Klärschlamm, auch wenn er wegen seiner flüssigen Form keinen weithin sichtbaren Anteil zur Abfall-Lawine beiträgt, nicht weniger ernst zu nehmen als andere Abfallkategorien. Im Gegensatz zu diesen hat der häusliche Klärschlamm eine »natürliche Ursache« und ist nicht ausschließlich das Produkt eines mißverstandenen Wohlstandes.

Industrieller Abwasserschlamm

Industrie und Gewerbe verbrauchen allein in der Bundesrepublik mehr als zwölf Milliarden Kubikmeter Wasser (1970). Nachdem sich der Wasserverbrauch der Industrie in den letzten fünfzehn Jahren verdoppelt hat, ist der Zuwachs nunmehr langsamer geworden. Die steigenden Kosten der Wasserversorgung zwingen die Industrie in immer höherem Maße zur Wiederverwendung, das heißt zur Installatiorj in sich geschlossener Wasserkreisläufe. Der Wasserbedarf der Industrie wird im allgemeinen auf folgende vier Hauptabnehmergruppen aufgeteilt:

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Der dominierende Kühlwasseranteil ist abfalltechnisch gesehen nicht ganz so harmlos, wie es auf den ersten Blick erscheint. Zwar wird das Wasser bei Verwendung als Kühlmedium im allgemeinen nicht verschmutzt, es wird dafür jedoch so weit erwärmt, daß es andere Probleme hervorruft. Wasserfachleute haben errechnet, daß die geplanten Atomkraftwerke, die von schweizerischen, französischen, deutschen und holländischen Elektrizitäts­versorgungs­unternehmen am Rhein geplant sind, die mittlere Temperatur des Stromes um mehr als zehn Grad anheben werden. Hierdurch erhöht sich der Wasserverlust durch Verdunstung erheblich, und die Konzentration an schädlichen Stoffen steigt. Die Schmutzstoffe, die die Ausrottung der Gewässerfauna bereits vermochten, werden bei Warmbadtemperaturen auch die Flora im Wasser und an den Ufern vernichten. Denn Pflanzen, die in lauwarmer Chemietunke sprießen, sind im System von Herrn Linne unbekannt.

Das von der Industrie für Produktion und Belegschaft verbrauchte Wasser wird bei seiner Verwendung zum überwiegenden Teil verschmutzt. Das so entstehende Abwasser führt hochgiftige Stoffe mit sich. Dieser Schmutzwasseranfall der Industrie beträgt etwa drei Milliarden Kubikmeter pro Jahr (BRD 1970) und entspricht damit ungefähr dem Anfall kommunalen Abwassers der gleichen Region. Während jedoch bei den häuslichen Abwässern der überwiegende Teil, das sind ungefähr 65 Prozent, ungereinigt oder lediglich mechanisch gereinigt abgeleitet werden, reinigt die Industrie ihr Schmutzwasser bereits zu 80 Prozent.

Die vom industriellen Schmutzwasser mitgeführten Schlammmengen sind nicht so zuverlässig bekannt wie die Klärschlammengen aus dem kommunalen Bereich. Man rechnet doch damit, daß der Verschmutzungsgrad etwa gleich hoch t, so daß auch hier 400 bis 500 Kilogramm Klärschlamm pro pf und Jahr angesetzt werden können. In der Bundesrepu-ik Deutschland würden somit 30 Millionen Tonnen Klärlamm aus der Industrie und 30 Millionen Tonnen Klärlamm aus den Haushaltungen bei Reinigung aller Abwäs-~t anfallen.

Während der kommunale Klärschlamm, sofern 'cht industrielle Abwässer mit verarbeitet werden, weitge-end gleich zusammengesetzt ist, unterscheiden sich die indu-

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striellen Abwässer je nach Produktionsverfahren erheblich.

Es ist daher nicht möglich, auch nur halbwegs zuverlässige Angaben über die Eigenschaften dieser Schlämme zu machen. Für die kontrollierte Beseitigung der industriellen Abwasserschlämme kommt nur die geordnete Ablagerung oder die Verbrennung in Betracht. Die Kompostierung oder der Einsatz für eine Bodenverbesserung scheiden meist aus. Besonders störend wirkt sich der unter Umständen hohe Anteil an Metallsalzen aus.

Aus den genannten Gründen sind für die Klärschlämme aus industriellen Abwässern keine Angaben über Wassergehalt, Stickstoffgehalt, Glühverlust (organische Substanz), Heizwert usw. möglich. Hier muß von Fall zu Fall, oft mit erheblichem experimentellem Aufwand, die Zusammensetzung bestimmt werden. Über die Feststoffmengen der Abwässer einiger charakteristischer Industriezweige gibt folgende Tabelle Aufschluß :

Über die bedeutendsten industriellen Wasserverbraucher, die chemische Industrie, die Mineralölraffinerien und die metallverarbeitende Industrie, liegen keinerlei zuverlässige Daten vor. Gerade diese Industriezweige sind es aber, die die gefährlichsten Abwasserschlämme verursachen. Bei der metallverarbeitenden Industrie beispielsweise fallen bei der Abwasserreinigung sogenannte Neutralisationsschlämme in großer Menge an. Ein Teil dieser Produkte ist wasserlöslich und gelangt bei unkontrollierter Ablagerung mit dem Regenwasser in das Grundwasser und verursacht dort Vergiftungen. Die Schlämme, die bei der Reinigung industriellen Abwassers anfallen, enthalten fast ohne Ausnahme gefährliche Stoffe. Bei den Bemühungen, die Abfallbeseitigung unter Kontrolle zu bringen, können sie deshalb nicht ausgespart bleiben. Dagegen spricht schon allein ihr Mengenanteil von 25 bis 30 Prozent am Gesamtaufkommen aller festen und flüssigen Abfallstoffe.

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Atommüll

Die Nutzbarmachung der Atomkernenergie für friedliche und weniger friedliche Zwecke erbringt auch radioaktive Abfälle. Im Gegensatz zu allen übrigen Abfallstoffen ist die Gefährlichkeit radioaktiver Abwässer oder radioaktiven Mülls jedenfalls von der friedlichen Anwendung der Kernenergie her von vornherein bekannt gewesen. Eine unkontrollierte Beseitigung hat hier eigentlich nie stattgefunden. Der Umgang mit derartigen Abfallprodukten ist in den meisten Ländern gesetzlich geregelt. In der Bundesrepublik Deutschland gilt hierfür die »Erste Strahlenschutz-Verordnung«, die im Jahre 1960 erlassen wurde. Darin heißt es unter anderem (§ 42):

»Abfälle, die radioaktive Stoffe mit Halbwertzeiten bis zu hundert Tagen enthalten, dürfen wie gewöhnliche Abfälle behandelt werden, wenn die Radioaktivität der in den Abfallmengen enthaltenen radioaktiven Stoffe nicht mehr als das Zehnfache der in Anlage 1 festgelegten Werte beträgt und innerhalb von drei Tagen nicht mehr als zehn solcher Abfallmengen abgegeben werden. Feste Abfälle, die radioaktive Stoffe mit Halbwertzeiten von mehr als hundert Tagen enthalten, sind als gewöhnliche Abfälle zu behandeln, wenn deren mittlere spezifische Radioaktivität vor der Abgabe zehn Mikrocurie je Kubikmeter nicht überschreitet.«

Damit ist eine klare Definition der kritischen Schwellwerte der Radioaktivität gegeben. Merkwürdigerweise wird die Gefährlichkeit nur geringfügig radioaktiv kontaminierter Abwässer aus Atomforschungszentren oder Atomkraftwerken vielfach zu hoch bewertet. Wahrscheinlich liegt hier eine völlig unberechtigte assoziative Kette Kernenergie—Atombombe vor.

Der eigentliche Atommüll, das sind die ausgebrannten Brennelemente der Atomkraftwerke, soweit sie nicht aufbereitet werden können, wird ebenfalls unter strenger Kontrolle und mit erheblichem Aufwand »beseitigt«. Bekanntlich werden hierfür strahlungssichere Behälter eingesetzt, die in stillgelegten Bergwerken deponiert oder im Meer versenkt werden.

Radioaktiv verseuchte Abfälle sowie spaltbares Material aus Atomkraftwerken, populärer Atommüll genannt, werfen bei friedlicher Nutzung der Atomkernenergie keinerlei Probleme im Sinne dieses Buches auf.

Die nach Atombomben-Versuchsserien häufig beobachtete radioaktive Verseuchung der Atmosphäre mit ihren zahlreichen Folgen hat mehr machtpolitische als abfalltechnische Aspekte. Die Anwendung der bei diesen Versuchen erprobten Bomben allerdings würde die Lösung aller übrigen Abfallprobleme überflüssig machen.

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Der letzte Dreck

Haus- und Industriemüll sowie Autowracks sind als feste, Klärschlämme aus kommunalen und industriellen Abwässern als flüssige Bestandteile die wichtigsten Vertreter der Abfall-Lawine. Daneben gibt es aber noch eine Reihe von Spezialfällen, die mengenmäßig zwar kaum ins Gewicht fallen, deshalb aber nicht weniger brisant sind. Stellvertretend für viele davon sollen hier Straßenkehricht, Marktabfälle, Stallmist von Großtierhaltungen, Schiffsmüll und Krankenhausabfälle behandelt werden.

Diese Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden, da es kaum einen Bereich menschlichen Daseins und Wirkens gibt, der nicht auch seine Abfallseite hätte. Hier soll lediglich demonstriert werden, daß auch mengenmäßig nicht ins Gewicht fallende Rückstände beachtet werden müssen. Denn auch diese Stoffe rufen bei unkontrollierter Beseitigung Umweltbelästigungen hervor.

Straßenkehricht

Alles, was bei der Reinigung von Straßenoberflächen anfällt, wird abfalltechnisch unter dem Sammelbegriff »Straßenkehricht« eingeordnet. Bevor die Automobilisierung um sich griff, war der Straßenkehricht gleichzusetzen mit dem vielzitierten Staub der Landstraße. Auch diese Komponente ist heute noch in ihm enthalten, dazu sind aber gekommen:

Schon allein wegen des im Winter im allgemeinen sehr hohen Salzgehaltes ist mit dem Kehricht nicht zu spaßen. Die Zusammensetzung dieser Abfälle läßt zum Teil erkennen, wie abfallbewußt die »Straßenanlieger« sind beziehungsweise welchen Anteil die öffentliche Sauberkeit in ihrem Bewußtsein hat. In den skandinavischen Ländern und in der Schweiz, auch in Holland, gibt es kaum »weggeworfenen Abfall« (Papierabfälle usw.) im Straßenkehricht; in der UdSSR im übrigen auch nicht. Fachleute aus den USA zeigen sich sogar immer wieder beeindruckt von der öffentlichen Sauberkeit in der Bundesrepublik, obgleich hier bereits deutlich mehr durch das Autofenster »beseitigt« wird als in den eben genannten Ländern. In der Tat: gegenüber den USA sind die Europäer geradezu Straßenhygieniker.

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In Verbindung mit dem Straßenkehricht ist es ganz interessant, einen Blick auf die historische Entwicklung der Städtereinigung zu werfen. Denn vor Einführung der Müllabfuhr und der Kanalisation endeten bekanntlich alle Abfälle in der Gosse. Sie bildeten oft genug Seuchenherde und konnten im allgemeinen nur hoch zu Roß bezwungen werden. Römer und Griechen haben nicht nur geniale Aquaedukte gebaut, sondern auch schon Entwässerungsanlagen geschaffen. Unter Kaiser Augustus wurde sogar die regelmäßige Säuberung des Abwassersystems durch curatores cloacarum vorgenommen. Die Straßenoberfläche wurde durch Abspülen gesäubert. Hierfür waren curatores viarum eingesetzt.

Diese nicht unbeachtlichen Leistungen auf dem Gebiet der Städtereinigung versanken mit dem Römischen Reich und wurden nach mehr als tausendjähriger Unterbrechung erst im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert wieder aufgegriffen. Damals ging der Schwarze Tod um, und man sah sich zu drakonischen Maßnahmen gezwungen, der schlimmsten Auswirkungen Herr zu werden. Für die Stadt Neapel wurde eine Anordnung erlassen, die Galeerenstrafe für »unkontrollierte Beseitigung« der Inhalte von Nachtgeschirren in Aussicht stellte. Im vierzehnten Jahrhundert wurde in den größeren europäischen Städten die Straßenpflasterung eingeführt. Hierdurch wurden zwar die Voraussetzungen für eine leichtere Säuberung der Straßen getroffen, ohne eine hierfür zuständige Organisation funktionierte sie jedoch nicht.

In Paris entschloß sich daher Kaiser Karl VI., einen regelmäßigen Straßenreinigungsbetrieb durchführen zu lassen. In Amsterdam wurden zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts bereits Mülleimer verteilt. Aus diesen bescheidenen Anfängen entwickelte sich nach und nach ein geordneter Straßenreinigungsbetrieb. Als Müllwerker mußten Strafgefangene herhalten. Oft war auch der Scharfrichter zuständig. Auch in Verbindung mit der halbwegs geordneten Straßenreinigung bedurfte es noch der Brachialgewalt, um die Bürger zur Anwendung der elementarsten Hygienevorschriften zu zwingen. In Berlin waren am Ende des achtzehnten Jahrhunderts die sogenannten Straßenmeister berechtigt, Straßendreck durch die Fenster der anliegenden Häuser »zurückzubefördern«, wenn hier und da auf die Urformen der Beseitigung zurückgegriffen wurde.

Einen breiten Durchbruch erzielte der Gedanke der Städtereinigung allgemein erst im neunzehnten Jahrhundert, als die Zusammenhänge zwischen Hygiene und Sterblichkeit wissenschaftlich erforscht wurden.

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Marktabfälle

Die Abfälle von Wochenmärkten werfen keine besonderen Probleme auf. Sie werden zusammen mit dem Hausmüll abgefahren und unterscheiden sich in der Zusammensetzung nicht wesentlich von diesem. Als ausgesprochen schwierig sind dagegen die Rückstände von Blumen- und Gemüsegroßmärkten anzusehen. Der Hamburger Gemüsegroßmarkt beispielsweise, dessen Einzugsbereich mehr als drei Millionen Menschen umfaßt, produziert jährlich 30.000 bis 40.000 Tonnen Abfälle der verschiedensten Zusammensetzung. Fallen bei einem Bananendampfer die Kühlanlagen auf dem Wege zwischen Südamerika und Europa aus, so entstehen unter Umständen Hunderte von Tonnen verdorbener Bananenabfälle. Kann man sich solcher Rückstände unter Umständen noch auf offener See entledigen, so bleibt für einen Güterzug verdorbener Weintrauben nur der »landfeste«, übliche Beseitigungsweg. Auch hier verursacht der steigende Anteil an Verpackungsmaterial Probleme. Nicht nur, daß Pfirsiche und Tomaten einzeln verpackt wie Pralinen in der Schachtel ankommen, sondern daß diese Verpackungen auch noch aus Kunststoff sind, schafft Ärger. Dazu kommt die Einwegverpackung. Da die Einzelhändler ihre Waren auf dem Großmarkt abholen und bei ihren Geschäften meist keine Gelegenheit haben, sich von den Abfällen zu trennen, werden sie zum Großmarkt mit zurückgenommen. Allerdings kann durch diese Möglichkeit der Abfallsammlung wenigstens dieser Teil der Marktabfälle unter Kontrolle gehalten werden.

Typisch für die Abfälle von Gemüse- und Blumengroßmärkten ist ihr punktförmiges Auftreten. Die Einrichtungen, die ein Großmarkt heute erfordert, sind so aufwendig, daß eine Konzentration dieser Anlagen auf die Ballungsgebiete notwendig ist. So versorgen die berühmten Hallen der Stadt Paris die gesamte Ile de France (mehr als zehn Millionen Einwohner) . Dort fallen täglich 4000 Kubikmeter Obst- und Gemüsereste, Kisten und Kasten, Pappen, Kunststoff-Folien usw. an.

Massentierhaltung

Der Zug zur Konzentration, der Zwang zur Rationalisierung macht auch nicht halt bei der Aufzucht und Mast »tierischen Eiweißes«. Die Zeiten, da die Hühner fröhlich auf dem Mist scharrten, die Schweine im Koben grunzten und die Kühe ihre Spuren auf den Weiden hinterließen, neigen sich dem Ende zu. Die moderne Form heißt Massentierhaltung. Schon gibt es Rinderställe, die mit zweitausend Exemplaren besetzt sind. Sie werden nach Plan gefüttert, temperiert und entmistet. Geflügel bevölkert bereits zu Hunderttausenden solche Fleischfabriken.

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 Die Abfälle dieser Form der Tierhaltung unterscheiden sich von konventionellem Stallmist erheblich. Sie enthalten kein Stroh mehr, da die Tiere mit einem harten Betonboden, der sich leichter reinigen läßt (System Augiasstall), vorliebnehmen müssen.

Auch die Futterzusammensetzung hat sich geändert. Der Computer hat bestimmt, daß Hormone und Vitamine aus der Chemiefabrik optimaler sind als solche, die auf die Einverleibung von Heu, Kartoffelschalen und Sonnenstrahlen zurückgehen. Der Kot derartiger Massentierhaltungen kann daher kaum so beseitigt werden wie üblicher Stallmist. Dagegen spricht vor allen Dingen sein massiertes Aufkommen in großstädtischen Zonen weitab von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Landwirte von heute ziehen ohnehin Kunstdünger aus dem Sack, der von der Maschine verteilt werden kann, jedem anderen Produkt — auch wenn es noch so guten Nährwert für den Boden darstellt — vor.

Daß damit ein weiterer, riesiger und unvorstellbarer Gefahrenherd heraufbeschworen wird — darauf kann hier nur kurz verwiesen werden.

Das sinnlose »Vollpumpen« von Schlachtvieh mit — zum Beispiel — Antibiotika und schilddrüsenaktiven Hormonen hat Folgen, von deren Ausmaß wir uns noch kaum eine Vorstellung machen können und die eine ähnliche schleichende Bedrohung darstellen wie die Folgen der unbedenklichen Umweltverpestung. Eine Umweltgefahr neuer Dimension — doch das nur am Rande. . .

Die Ablagerung solchen Massentierhaltungs-Dunges verursacht nach amerikanischen Untersuchungen übermäßige Verschmutzungen der Grundwasserströme durch Nitrate, Massenvermehrung von schädlichen Insekten und Eutrophierung der Gewässer. Das verwundert nicht, denn zehntausend Schweine produzieren so viel Abwasser wie dreißigtausend Menschen.

Schiffsmüll

Die Seeleute und die von ihnen beförderten Wohlstandsbürger haben auch ihren Müllberg. Selbst wenn keine Autos und Altreifen während der Seefahrt abgenutzt und weggeworfen werden; was da aber an Verpackungsmaterialien und sonstigen Abfällen über Bord geht, verschwindet leider auch nicht spurlos. Daß Schiffe nahrhafte Spuren im Wasser hinterlassen, ist den Möwen schon lange bekannt, begleiten sie doch jedes aus- und einlaufende Schiff weit hinaus von oder bis zu der offenen See. So lange es sich um organische Abfälle handelt, ist das Reinigungsvermögen der Ozeane groß genug, um mit dieser Dreckspur fertig zu werden. Flaschen und andere Gegenstände trotzen aber allen natürlichen Reinigungseinrichtungen des Meeres.

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Auf einigen dicht befahrenen Fährrouten sahen sich die Aufsichtsbehörden daher bereits gezwungen, die Außenbordmüllkippe zu verbieten. Leider funktioniert dieses Verfahren beziehungsweise die Kontrolle allenfalls in küstennahen Gewässern, wie beispielsweise auf den vielen Fährverbindungen der dänischen Inselwelt. Wer hätte auf Nord- oder Ostseefahrten noch nicht den »Smutje« mit dem Mülleimer an der Reling gesehen! Werden allerdings Drei- und Zwölf-Meilen-Zonen verlassen, zeigt sich auch hier wieder die totale Unfähigkeit der Menschen, Probleme international auch nur anzupacken geschweige denn zu lösen. Diese Art von Schiffsmüll ist jedoch noch harmlos gegen das unkontrollierte Ablassen verbrauchter Maschinenöle oder ölhaltiger Wasser, die bei der Reinigung der Tanks von Tankschiffen anfallen. Es entstehen stinkende und schmierende Öllachen, deren Beständigkeit so groß ist, daß sie nach Hunderten von Kilometern Trift sämtliches pflanzliche und tierische Leben an den ihnen in den Weg kommenden Küsten auslöschen können.

Wie so oft, ist auch hier die Menschheit erst eingeschritten, als kommerzielle Interessen in Gefahr waren. So lange nur einige Millionen Seevögel und Seehunde — tödlich — betroffen waren, war man nur allzu leicht zu einem Achselzucken bereit. Erst als einige zahlungskräftige Kurgäste den Ärger ölverschmierter Strände mit der vorzeitigen Abreise quittierten, wurden Gegenmaßnahmen eingeleitet.

Krankenhausabfälle

Hierbei handelt es sich — ähnlich wie beim Atommüll — um Abfälle, die immer eine halbwegs angemessene Behandlung erfahren haben. Jedenfalls, so lange es einen ordnungsgemäßen Krankenhausbetrieb gibt — das ist etwa hundert Jahre der Fall —, hat man die seuchenhygienischen Gefahren, die von derartigen »Produkten« ausgehen können, nicht außer acht gelassen. In den meisten Ländern ist die Verbrennung dieser Abfälle auf dem Krankenhausgelände vorgeschrieben. Bedauerlicherweise wird nicht die gleiche Sorgfalt bei der Beseitigung der Abfälle von Arztpraxen aufgewendet. Die dort anfallenden Rückstände werden meist mit dem Hausmüll beseitigt. Verstärkte Schwierigkeiten bereiten die Krankenhausabfälle wegen der zunehmenden Verwendung von Einwegprodukten. Bettwäsche, Geschirr usw. aus Papier und Plastik sind im Kommen. Dadurch wird die Abfallentsorgung von Krankenanstalten langsam, aber sicher auch zu einem Volumenproblem.

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Abfallbilanz

Nach der Analyse des Abfallberges tut man gut daran, den ganzen Haufen zusammen zu betrachten. Leider kann eine solche Abfallbilanz nicht weltweit aufgemacht werden. Hierfür fehlt es an zuverlässigen Unterlagen. Das gilt strenggenommen auch für die Bundesrepublik Deutschland, obgleich hier wie in anderen Industrieländern bereits eine gewisse Abfallstatistik betrieben wird. Demnach machen feste und flüssige Rückstände menschlicher Zivilisation in der Bundesrepublik Deutschland heute und in zehn Jahren folgenden erdrückenden »Berg« aus:

 t: Tonnen, a: Jahr, m3: Kubikmeter

  1970     1980  
  gesamt  pro Kopf   gesamt pro Kopf
  t/a  kg/a     t/a    kg/a
Hausmüll

18,0 Mio

 300 23,0 Mio 350
Industriemüll

18,0 Mio

300 23,0 Mio 400

Mineralölhaltige Abfälle

 0,9 Mio 15 1,3 Mio 20

Kommunale und industrielle
Klärschlämme bei Reinigung
aller Abwässer

48,0 Mio 800 60,0 Mio 900

Autoschrott

0,6 Mio 10 0,8 Mio  15

Summe   t/a

  85,5 Mio    1.425  108,0 Mio    1.685
Summe in m3/a ca. 200,0 Mio ca. 3,0  ca. 260,0 Mio    ca. 4,0

Man muß sich vor Augen halten, daß 1425 Kilogramm Abfall das Zwanzigfache des Lebendgewichtes jenes Durchschnittsbürgers darstellen, der hier einen statistischen Durchschnitt repräsentiert. Nur ein Bruchteil hiervon — nämlich 100 Kilogramm — sind lebensnotwendig. Der Rest entfällt auf manipulierten Massenkonsum.

Aber nicht genug mit fast einhundert Millionen Tonnen pro Jahr der Kategorie fest und flüssig. Den Schornsteinen und Auspufftöpfen entströmen noch mal 20 Millionen Tonnen im Jahr gas- und staubförmiger Beitrag zum Luftraum über der Bundesrepublik. Das sind immerhin fast 350 Kilogramm pro Einwohner und Jahr.

Und da die Luft über Helgoland und im Bayerischen Wald noch relativ klar ist, ist von einem großen Teil der Bevölkerung weit mehr zu inhalieren, als die Durchschnittswerte vortäuschen, nur, um die Bilanz auszugleichen.

Schließlich sind da noch fünfzehn Milliarden Kubikmeter kommunaler und industrieller Schmutzwässer zu verkraften. Pro Kopf sind das 250 Kubikmeter im Jahr oder 250.000 Kilogramm, drei Größenordnungen mehr als Müll und sonstige Abfälle zusammen. Kein Wunder, daß man schon vor hundert Jahren daranging, das Abwasser zu reinigen. Dennoch fließen ständig mehr als die Hälfte aller Abwässer ungeklärt in Flüsse, Seen und Meere ab. Angesichts dieser Abfallflut kann man wahrlich von einer apokalyptischen Angst erfaßt werden, auch wenn die latenten Gefahren zunächst gar nicht wahrgenommen werden.

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Dr.-Ing. Hans Reimer 1971  Müllplanet Erde