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4.  Die Symbolik des Hakenkreuzes  

 

 

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Wir haben früher besprochen, warum der Faschismus als ein Problem der Massen und nicht allein als ein Problem der Persön­lichkeit Hitlers oder der objektiven Rolle der nationalsozialistischen Partei zu betrachten ist. Wir haben dargelegt, wie es kommen kann, dass die proletarisierte Masse sich einer erzreaktionären Partei derart stürmisch zuwenden kann. 

Um nun schrittweise und sicher zu den praktischen Konsequenzen vorzudringen, die sich daraus für die sexualpolitische Arbeit ergeben, ist es zunächst notwendig, sich den Mitteln der Symbolik zuzuwenden, mit denen die Nationalsozialisten die revolutionären Strukturen der Massen in die reaktionären Fesseln legen und deren Mechanik ihnen nicht bewusst ist.

In der SA vereinigte der Nationalsozialismus sehr bald zu einem großen Teile dumpf revolutionär gesinnte, aber gleichzeitig autoritär eingestellte Arbeiter, zum größten Teil Arbeitslose und Jugendliche ohne politische Erfahrung. Aus diesem Grunde ist die Propaganda widerspruchsvoll, je nach der Schichte anders. Das haben wir zum Teil bereits gezeigt. Nur in der Handhabung des mystischen Fühlens der Masse ist sie konsequent und eindeutig.

Aus Gesprächen mit nationalsozialistischen Parteigängern und besonders Mitgliedern der SA geht eindeutig hervor, dass die revolutionäre Einkleidung des Nationalsozialismus der entscheidende Faktor in der Gewinnung dieser Massen war. Man hörte Nationalsozialisten leugnen, dass Hitler das Kapital vertrete. Man hörte SA-Leute Hitler auf das schwerste drohen, wenn er die Sache der „Revolution" verraten sollte. Man hörte von SA-Leuten, Hitler sei der deutsche Lenin. Was von der Sozialdemokratie und den liberalen Mittelparteien zum Nationalsozialismus überging, sind durchwegs revolutionierte Massen, die früher unpolitisch oder politisch unklar waren. Was von der kommunistischen Partei überlief, waren oft proletarisch-revolutionär eingestellte Elemente, die viele der widerspruchsvollen politischen Massnahmen der KPD nicht zu erfassen vermochten, zum Teil solche, denen das äussere Gepräge der Partei Hitlers, der militärische Charakter, die Kraftäusserungen u.s.f. den Blick trübten.

Unter den symbolischen Mitteln der Propaganda fällt zunächst das Fahnensymbol auf.

"Wir sind das Heer vom Hakenkreuz 
Hebt hoch die roten Fahnen, 
Der deutschen Arbeit wollen wir 
Den Weg zur Freiheit bahnen."

Dieser Text ist seinem Gefühlsgehalt nach unzweideutig revolutionär. Die Nationalsozialisten benützen auch bewusst kommunistische Melodien, die sie mit anderen Texten singen lassen. Dazu passen politische Formulierungen, wie man sie in den Zeitungen Hitlers zu hunderten findet, etwa folgende:

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„Das politische Bürgertum ist eben im Begriff von der Bühne der historischen Gestaltung abzutreten. An seine Stelle rückt der bis heute unterdrückte Stand des schaffenden Volkes der Faust und der Stirne, des Arbeitertums, um seine geschichtliche Mission zu erfüllen."

In der geschickt zusammengesetzten Flagge kommt der subjektiv-affektive Charakter der Ideologie der nationalsozialistischen Massen völlig zur Geltung. Hitler schreibt über die Flagge:

„Als nationale Sozialisten sehen wir in unserer Flagge unser Programm. Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken unserer Bewegung, im Weiss den nationalistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich auch mit ihm den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und ewig antisemitisch sein wird." („Kampf", S. 557).

Dass das Rot und das Weiss an die widersprüchliche Struktur des kleinbürgerlichen Menschen anklingen muss, ergibt sich nach dem früheren von selbst. Unklar ist bis jetzt die Rolle, die das Hakenkreuz im Gefühlsleben spielt. Warum ist dieses Symbol derart zur Provokation von dunklen Gefühlen geeignet? Hitler sagt, es sei ein Symbol des Antisemitismus. Das ist nun das Hakenkreuz erst sehr spät geworden. Und im Übrigen bleibt die Frage nach dem affektiven Gehalt des Antisemitismus bestehen. Einen Teil konnten wir aus dem irrationalen Gehalt der Rassetheorie als einer affektiv ablehnenden Bewertung des Schmutzig-sexuell-sinnlichen bereits erklären. Hier steht der Jude

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und der Neger auf einer Stufe in der Vorstellung des Nationalisten, des deutschen ebenso wie des amerikanischen. Nach authentischen Berichten spielt sich der Rassekampf in Amerika gegen den Neger überwiegend auf dem Boden der sexuellen Abwehr ab: der Neger ist als das sinnliche Schwein aufgefasst, das weisse Frauen vergewaltigt. Und Hitler schreibt über die farbige Besatzung des Rheinlandes:

„Nur in Frankreich besteht heute mehr denn je eine innige Übereinstimmung zwischen den Absichten der Börse, den sie tragenden Juden und den Wünschen einer chauvinistisch eingestellten nationalen Staats­kunst. Allein gerade in dieser Tatsache liegt eine immense Gefahr für Deutschland. Gerade aus diesem Grunde ist und bleibt Frankreich der weitaus furchtbarste Feind. Dieses an sich immer mehr der Vernegerung anheimfallende Volk bedeutet in seiner Bindung an die Ziele der jüdischen Weltbeherrschung eine lauernde Gefahr für den Bestand der weissen Rasse Europas. Denn die Verpestung durch Negerblut am Rhein im Herzen Europas entspricht ebenso sehr der sadistischperversen Rachsucht dieses chauvinistischen Erbfeindes unseres Volkes, wie der eisig-kalten Überlegung des Juden, auf diesem Wege die Bastardierung des europäischen Kontinents im Mittelpunkte zu beginnen und der weissen Rasse durch Infizierung mit niederem Menschentum die Grundlagen zu einer selbstherrlichen Existenz zu entziehen." (1. c. S. 704-705).

Wir müssen uns energisch darin üben, auf das, was der Gegner sagt, genau zu hören und es nicht als Blödsinn oder Schwindel abzutun. Wir verstehen jetzt besser den Gefühlsgehalt dieser Theorie, die wie ein Verfolgungswahn anmutet, wenn man sie zusammen mit der Theorie von der Vergiftung des Volkskörpers betrachtet. 

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Auch das Hakenkreuz hat einen Gefühlsgehalt, der an das tiefste Gefühlsleben zu rühren geeignet ist, allerdings tragikomisch ganz anders, als sich's Hitler träumen lässt.

Zunächst wurde das Hakenkreuz auch bei Semiten gefunden und zwar im Myrtenhof der Alhambra zu Granada. Herta Heinrich fand es an der Synagogenruine von Edd-Dikke in Ost-Jordanland am Genezarethsee. Hier hatte es folgende Form:1)

 

 

Das Hakenkreuz wird oft mit einer Raute zusammen gefunden, jenes als Symbol des männlichen, dieses des weiblichen Prinzips. Percy Gardner fand es bei den Griechen unter der Bezeichnung Hemera als Sonnensymbol, was wieder männliches Prinzip bedeutet? Löwenthai beschreibt ein Hakenkreuz aus den 14. Jahrhundert im Altartuch in Maria zur Wiese in Soest, und zwar ist hier das Hakenkreuz mit Voiva und Doppelkreuz ausgestattet. Hier erscheint das Hakenkreuz als Symbol des Gewitterhimmels, die Raute als Symbol der fruchtbaren Erde. 

 

1)  Herta Heinrich: Hakenkreuz, Vierklee und Granatapfel. (Zeitschrift f. Sexualwissenschaft, 1930. S. 43).
2)  Sämtliche Angaben nach Löwenthal, John: Zur Hakenkreuzsymbolik. (Zeitschrift f. Sexualwissenschaft 1930, S. 44).

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Smigorski fand das Hakenkreuz in Form des indischen Svastia-Kreuzes als viergerich-teter Blitz mit drei Punkten an jedem Schenkel wie folgt:

 

Lichtenberg fand Hakenkreuze mit einem Kopf an der Stelle der drei Punkte. Das Hakenkreuz ist also ursprünglich ein Sexualsymbol, das im Laufe der Zeit verschiedene Bedeutungen annahm, unter anderem später auch das eines Mühlrades, also als Symbol der Arbeit. Da Arbeit und Geschlechtlichkeit ursprünglich gefühlsmässig dasselbe waren, erklärt sich der Fund von Bilmans und Pengerots auf der Mitra des heiligen Thomas Beckett aus indogermanischer Urzeit: ein Hakenkreuz mit folgender Inschrift :

„Heil dir Erde, der Menschen Mutter, 
sei du wachsend in Gottes Umarmung, 
Frucht gefüllet den Menschen zum Nutzen."

Hier ist die Fruchtbarkeit geschlechtlich dargestellt als Geschlechtsakt der Mutter-Erde mit Gott-Vater. Altindische Lexikographen nennen nach Zelenin sowohl Hahn wie auch Wollüstling svastikas, d. h. Hakenkreuz, nach dem Geschlechtstrieb.

Betrachten wir jetzt noch einmal die Hakenkreuze auf voriger Seite, so enthüllen sie sich uns als die Darstellung zweier ineinander geschlungener menschlicher Gestalten, schematisiert, aber in der ursprünglichen Form deutlich als solche zu erkennen. Das linke Hakenkreuz stellt einen Geschlechtsakt in liegender, das andere in stehender Stellung dar.

Diese Wirkung des Hakenkreuzes auf das unbewusste Gefühlsleben ist natürlich nicht Ursache, sondern bloß mächtiges Hilfsmittel des Erfolges der faschistischen Massenpropaganda. Stichprobenhafte Versuche mit Personen verschiedenen Alters, Geschlechts und sozialer Stellung haben ergeben, dass nur wenige den Sinn des Hakenkreuzes nicht erkennen; die meisten erraten ihn bei längerer Betrachtung früher oder später. Es ist also anzunehmen, dass dieses Symbol, das zwei ineinander­geschlungene Gestalten darstellt, auf tiefe, unbewusste Schichten des Seelischen einen grossen Reiz ausübt, der umso stärker ausfallen muss, je unbefriedigter, unbewusst oder bewusst sexuell sehnsüchtiger der Betreffende ist. 

Wird das Symbol noch dazu als Sinnbild von Ehrenhaftigkeit und Treue präsentiert, so trägt es auch den abwehrenden Strebungen des moralischen Ich Rechnung und kann umso leichter akzeptiert werden. Er* wäre durchaus falsch, aus diesen Tatsachen etwa die Praxis abzuleiten, die Wirkung des Symbols durch laute, massenmäßige Enthüllung seines sexuellen Sinnes zu entwerten, denn erstens wollen wir ja den Geschlechtsakt nicht entwerten, zweitens aber würden wir wahrscheinlich vorwiegend Ablehnung erfahren, weil sich die moralische Verhüllung als Widerstand gegen die Annahme unserer Versuche auswirken würde. Der Weg der sexual­politischen Arbeit ist ein anderer.

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*  (d-2005:)  "Er" im Original.  Besser "Es"?

 

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