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3.

 

 

 

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»Seine moderne Garderobe, sein gepflegtes Äußeres und seine ausdrucksstarke hochdeutsche Sprache hinterlassen einen angenehmen Eindruck. Aufgrund seines Aussehens fällt es ihm auch relativ leicht, Kontakte zu weiblichen Personen herzustellen.« So rühmt der ansonsten trockene »Auskunftsbericht« der Abteilung XV der MfS-Bezirksverwaltung den Schauspieler und Intendanten Roland X., vom MfS als Mitarbeiter geworben am 14. Dezember 1956 und seither unter dem Decknamen »Victor«* geführt.

Wer würde in dem unauffällig gekleideten Rentner mit den beherrschten Gesichtszügen und flinken Augen, den wir dann zur vereinbarten Zeit am verabredeten Treffpunkt in B. treffen, einen der zynischsten Protagonisten im Rollenfach des Romeos vermuten?

Wir gehen durch das kleine hübsche Städtchen B., in dem der MfS-Mitarbeiter von 1964 bis 1986 als Theaterintendant fungierte, die meiste Zeit jedenfalls, wenn ihn nicht größere konspirative Aufgaben im In- und Ausland oder auch Spitzeldienste in nächster Umgebung von seinen künstlerischen Aufgaben ablenkten.

Mit sichtlichem Vergnügen präsentiert er sich vor der Fassade des Theaters, wo wir einige Einstellungen mit ihm drehen. Wir wollen für den Westdeutschen Rundfunk über das tapfere Überleben dieses kleinen Theaters berichten und dabei nicht versäumen, auch dessen langjährigen Leiter Roland X. vorzustellen. Der hatte sich als Drehort für unser Interview das Theaterfoyer gewünscht. Doch die jetzige Theaterleitung bat uns herzlich, von dieser Idee Abstand zu nehmen. Man will den Mann, von dem man lange vor der Wende schon wußte, daß er im Nebenjob Major in bezahlten Diensten des Ministeriums für Staatssicherheit war, offenbar endgültig aus dem Hause haben.

* Deckname geändert


Das Interview findet deshalb in einem Hotel am Marktplatz des Städtchens statt. X. spricht gern und ausgiebig von seinem großen Engagement für das Theater in B., stellt seinen Kampf um die Qualität und die inhaltliche Unbestechlichkeit seiner Spielpläne heraus. Er rühmt sich seiner Zivilcourage im Einsatz für Kollegen, die in Schwierigkeiten gekommen waren.

Auf die Frage, ob er jemals in der DDR für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet, also über andere DDR-Bürger Informationen gesammelt und weitergegeben habe, antwortet er entrüstet mit »Nein!«.

Als ihn die Interviewerin fragt, warum er sich eigentlich nicht mit der Darstellung auf der Bühne begnügte, sondern auch im realen Leben einst die Rolle des Romeo gespielt habe, folgt zunächst verblüfftes Schweigen. Nun sagt Roland X. einige wenige Sätze, in denen die Worte »Vertrauen zu den Genossen der Stasi« und »sehr eng mit General Wolf zusammengearbeitet« vorkommen. Dann bricht er das Interview ab, nicht ohne wiederholt »das ist unfair, Ihr Vorgehen ist unfair« gesagt zu haben.

Wenige Tage nach diesen Filmaufnahmen erreicht den WDR ein Schreiben von Roland X., in dem er jede Veröffentlichung der Aufnahmen verbietet und bei Zuwiderhandlung droht, sein Anwalt Dr. Matthias Prinz (der Prominentenanwalt in Sachen Medienrecht) werde Klage erheben.

Außerdem fordert er eine Entschuldigung von der Interviewerin.

Nur wer so viel Chuzpe hat, ist für Jobs geeignet, die Roland X., ohne mit der Wimper zu zucken, ausübte. Er hat nicht nur Frauen im kapitalistischen Feindesland, sondern auf Befehl der Stasi auch DDR-Bürgerinnen zwecks Abschöpfung beschlafen. Er hat Berufskollegen bespitzelt, sie als »politisch-ideologisch aufgeweicht«, als Alkoholiker oder als Homosexuelle diffamiert.

Für all das nahm er Geld, Autos und Auszeichnungen. Pech für ihn, daß die Wende just zu dem Zeitpunkt kam, als er das Rentenalter erreichte und in Kürze die längst mit dem MfS ausgehandelte Pension von 1500 Mark hätte kassieren können, eine glänzende Altersversorgung für DDR-Verhältnisse. All das läßt sich in seiner Stasi-Akte nachlesen, die unversehrt geblieben ist und der Gauck-Behörde vorliegt.

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Roland X. wurde in einem kleinen Dorf im heutigen Polen geboren und als halbes Kind noch in den letzten Kriegstagen an die Front geschickt. Er geriet in englische Gefangenschaft, wurde aber 1946 entlassen. Ein Jahr später begann er mit dem Schauspielstudium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in Rostock, später wechselt er nach Berlin. 1950 heiratet er. Nach seinem Studienabschluß erhält X. Engagements an verschiedenen Theatern der DDR, zunächst als Schauspieler, dann auch als Spielleiter und Oberspielleiter. 1958 wechselt er zum Theater von B.

Das MfS war schon zwei Jahre zuvor an ihn herangetreten. Da arbeitete er noch als Schauspieler am Hans-Otto-Theater in Potsdam. Er nimmt den angebotenen Nebenjob als Inoffizieller Stasi-Mitarbeiter sofort an. Zunächst erledigt »Victor« einige Aufträge innerhalb der DDR, danach wird er zu »intensiven Regimestudien«, wie es in seinem MfS-Auskunftsbericht heißt, ins »Operationsgebiet Bundesrepublik« geschickt. Er bereist das Land und verschafft sich unter anderem in Bremen, Hamburg und Lübeck »Regimekenntnisse«. Also das typische Test- und Trainingsverfahren für einen zukünftigen »Kundschafter«.

Inzwischen Mitglied des Theaters von B. geworden, erhält er eines Tages Besuch von dem Genossen Hauptmann Gotthold Sch., der dann bis 1984 Roland X.' Führungsoffizier sein wird. Gotthold Sch. ist Mitarbeiter der Abteilung XV bei der zuständigen MfS-Bezirksverwaltung, die immer nach talentierten Romeos sucht. Sch. offeriert dem jetzt 31 Jahre alten Schauspieler und inoffiziellen Stasi-Genossen, der seine ersten Tests im »Operationsgebiet« offenbar zur großen Zufriedenheit seiner Führungsstelle erledigt hat, einen ganz besonderen Auftrag: »Victor« soll zusammen mit ihm, dem Führungsoffizier Sch., »zwei interessante Damen für das MfS betreuen«. X. stimmt zu.

Die beiden Männer fahren nach Plauen. Ziel ist eines der zahlreichen konspirativen Häuser der Stasi. Unterwegs rückt Gotthold Sch. mit Einzelheiten über den neuen Einsatz seines IM heraus. Die Zielpersonen seien zwei Damen aus dem Westen.

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Die eine heiße »Emmi«* und sei eine wertvolle Quelle des MfS, sie arbeite in der Fernschreibzentrale eines Bonner Ministeriums und spioniere dort für die HVA. Ihre Anwerbung war einst ebenfalls mit Hilfe eines Romeos erfolgt.

»Victors« Auftrag sei es, zu »Emmi« und ihrer Freundin »Mimmi«*, die sie begleitet, an diesem Wochenende »freundschaftliche« Beziehungen aufzubauen. Im Klartext: X. soll die beiden Damen als »Gigolo« betreuen.

Die Begegnung in Plauen verläuft äußerst zufriedenstellend.

Die Männer und Frauen treffen sich noch einige Male in diesem MfS-Objekt. Einmal spendiert das MfS den beiden Damen und ihrem Begleiter X. sogar eine 14tägige Urlaubsreise ins österreichische Dachsteingebirge. Die Zentrale läßt dafür immerhin 5.000 DM springen. Mit von der Partie ist diesmal auch »Emmis« Kurier H., der offenbar auch als ihr Romeo fungiert. Auch jetzt hat X. nichts weiter zu tun, als die Damen auftragsgemäß zu beglücken.

Die Frauen kennen die wahre Identität ihrer Freunde nicht. Sie glauben, es handle sich um Mitarbeiter des dänischen Geheimdienstes, und zweifeln offenbar keine Sekunde an dieser Legende, obwohl die Treffen mit den Männern so oft auf dem Boden der DDR stattgefunden haben.

X. macht seine Sache sehr gut. Im Herbst 1961 eröffnet ihm Führungsoffizier Gotthold Sch., daß all dies nur das Vorgeplänkel für seinen eigentlichen Auftrag gewesen sei. X. soll nun unter Einsatz seiner bewährten erotischen Kräfte eine Frau anwerben, an der schon drei andere Romeos gescheitert sind. Aus den Gesprächen mit »Emmi« wußte man, daß auch deren jüngere Schwester Margarete F. ein äußerst interessantes Romeo-Objekt sein könnte. Doch bisher waren alle entsprechenden Versuche gescheitert.

Margarete F. war damals 22 Jahre alt. Nach ihrer Ausbildung hatte sie sich längere Zeit im Ausland aufgehalten, um Sprachen zu lernen. Jetzt ist sie als Fremdsprachenassistentin im Bundesverteidigungs­ministerium angestellt und arbeitet bei der NATO in Fontainebleau bei Paris. Sie träumt von einem Mann und von Kindern, aber sie ist scheu, ängstlich und gehemmt. Die äußerst strenge katholische Erziehung hat tiefe Spuren hinterlassen.

 

* Deckname geändert

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Eines Tages erzählt ihr »Emmi« von einem Mann, der genau der Richtige für Margarete sein könnte, von »Nils Hansen« *, einem Dänen, der aber sehr gut deutsch spreche. Ein seriöser, interessanter Mann, der durchaus für eine Heirat mit der Schwester in Frage komme. Man könne sich in Wien mit ihm treffen, wo sie, »Emmi«, demnächst ohnehin ein Wochenende verbringe. Margarete solle doch einfach mitkommen.

»Nils Hansen« ist niemand anderer als Roland X., den vermutlich nun der Ehrgeiz packt, die spröde Frau, an der drei andere Männer scheiterten, im Sturm zu erobern. Ihre eigene Schwester wird ihm dabei behilflich sein.

Welche Motive »Emmi« dazu treiben, Margarete ans Messer eines fremden Nachrichtendienstes, wenn auch vermeintlich des dänischen, zu liefern, ist schwer zu sagen. Sie entstammt der gleichen erzkonservativen Familie, litt sicher ebenso unter Reglementierungen und Verboten wie die Schwester. Doch sie konnte sich offenbar erfolgreicher emanzipieren. »Emmi« ist mit einem Beamten verheiratet, aber sie erliegt hin und wieder den Verlockungen des Ehebruchs. Auf ihren Reisen in die DDR findet sie die Liebesabenteuer, die sie sucht, und ahnt vermutlich nicht, daß diese Vergnügungen — vielleicht als verbrämte Bezahlung für ihre Spionagedienste — von den HVA-Strategen minutiös geplant werden. Oder sie ignoriert, jung und erlebnishungrig, wie sie ist, mit aller Kraft die Wahrheit und zahlt still den Preis dafür.

Ob »Nils Hansen« ihr einfach als Mann so gut gefiel, daß sie ihn ihrer Schwester zum Geschenk machen wollte, oder ob sie eine enge Genossin in ihrer eigenen komplizierten Lebenswelt suchte und deshalb die Schwester Margarete, mit der sie ein sehr inniges Verhältnis verband, mitverstricken wollte, kann man heute nicht mehr klären. »Emmi«, die viele Jahre später zusammen mit ihrer Schwester angeklagt wurde, starb vor Verfahrensbeginn im Februar 1996.

 

* Deckname geändert

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Im Herbst 1961 ist es soweit. Der Coup beginnt. X. fährt nach Wien und trifft, wie verabredet, in einem Hotel in der Innenstadt »Emmi« und ihre Schwester Margarete. »Nils Hansen« stellt sich als dänischer Journalist und Freund der Schwester vor. Er ist höflich und zurückhaltend, aber sehr aufmerksam Margarete gegenüber. Und er beschert der jungen Frau wunderschöne, abwechslungsreiche Tage in der ihr unbekannten Stadt. Man besichtigt den Stephansdom, diverse Museen, die Spanische Reitschule, geht in die berühmte Konditorei Dehmel und besucht das Burgtheater. Überall zeigt sich »Nils Hansen« als gebildeter, interessanter, charmanter Mann. An einem Abend gehen sie tanzen. Es kommt zu ersten, vorsichtigen Zärtlichkeiten. Da aber sagt ihm Margarete, sie sei sehr streng katholisch eingestellt und außereheliche Sexualität komme für sie niemals in Frage. Er bedrängt sie nicht, doch er bittet um ein baldiges Wiedersehen. Sechs Wochen später treffen sie sich wieder. Auch in Wien. Nun erreicht er sein Ziel. Er ist ihr erster Mann.

Um sie über ihre religiösen Skrupel hinwegzutrösten, verlobt er sich »heimlich« mit ihr und verspricht, sie in spätestens zwei Jahren zu heiraten. Als er ihre Bindung auf diese Art gefestigt hat, »gesteht« ihr »Nils Hansen«, er sei in Wahrheit nicht Journalist, sondern arbeite für den dänischen Nachrichtendienst. Und er bittet sie um ihre Unterstützung. Dänemark, so X., sei ein kleiner NATO-Staat und werde von den »großen« Mitgliedsstaaten ständig um Informationen betrogen. Das aber könne für den Weltfrieden bedrohlich werden, denn die Großmächte versuchten auf diese Weise, nur ihre eigenen Interessen durchzusetzen, ohne daß die anderen Mitgliedsstaaten - aus Mangel an Informationen - korrigierend einschreiten könnten. Ob Margarete nicht bereit sei, die Informationslücken auffüllen zu helfen, indem sie ihm ab und zu Hintergrundmaterial aus ihrem Arbeitsbereich mitbringe?

Margarete F. glaubt ihm die Geschichte und läßt sich darauf ein. Sie wird niemals bereit sein, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, oder auch nur einen Pfennig Geld annehmen. Was sie ab jetzt tut, das tut sie nur aus Liebe zu »Nils Hansen«. Vom MfS bekommt sie den Decknamen »Tulpe«*. Roland X. hält sich zu Margaretes Freude nun häufig in Paris auf.

 

* Deckname geändert

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Sie liefert ihrem Verlobten regelmäßig mündliche Berichte über Vorgänge und Hintergründe in ihrer Abteilung, denn sie weigert sich, schriftlich niedergelegte Informationen mitzunehmen, zu kopieren oder zu fotografieren. Sie berichtet über Logistikfragen aus den Bereichen der Marine und des Heeres auf NATO-Ebene, über laufende Übungen wie FAL-LEX und später WINTEX/CIMEX. Roland X. macht sich während ihrer Ausführungen Notizen, die er dann auswendig lernt. Als Schauspieler beherrscht er diese Technik perfekt. Danach vernichtet er seine Notizen und fährt in die DDR zurück. Dort legt er die auswendig gelernten Informationen wiederum schriftlich nieder. Erst später erklärt sich Margarete doch bereit, Schriftdokumente mitzubringen.

Aufgrund dieses zeitintensiven Einsatzes bei Margarete F. kündigt Roland X. in Übereinstimmung mit seiner Führungsstelle die Position als Oberspielleiter am Theater von B. und wird jetzt hauptamtlicher MfS-Mitarbeiter. Er bringt es immerhin bis zum Rang eines Majors.

Doch mit der Zeit wird die junge Frau immer bedrückter. Sie leidet unter einem doppelten Gewissenskonflikt. Auch wenn sie »Nils Hansen« die Geschichte mit dem dänischen Geheimdienst glaubt, so weiß sie doch, daß jeder Verrat interner Informationen, die Weitergabe geheimer Dokumente streng verboten ist, und sie fühlt sich schuldig. Aber noch weit mehr belasten sie ihre Schuldgefühle wegen des außerehelichen Geschlechtsverkehrs, eine Todsünde nach Auffassung der katholischen Kirche. Wenn sie jetzt stirbt, ohne gebeichtet zu haben, wird sie auf ewig verdammt sein.

Weihnachten und Neujahr 1962/63 verbringt das Paar einige Urlaubstage in der Schweiz. Sie offenbart dem Geliebten ihre Bedrängnis und sagt ihm, sie müsse unbedingt zur Beichte.

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Roland X. reagiert äußerst geistesgegenwärtig. Er gibt sich verständnisvoll und schlägt ihr vor, die Beichte in Kopenhagen abzulegen. Das könne man mit einem Besuch bei seiner Mutter verbinden, die dort lebe und die zukünftige Schwiegertochter endlich kennenlernen wolle. Außerdem könne sie dann auch den Chef seines Nachrichtendienstes treffen, der sie sicherlich davon überzeugen werde, was für eine wichtige Arbeit sie leiste. Sie stimmt zu.

All das meldet IM »Victor« schleunigst seinem Führungsoffizier. Nach einigen Wochen erhält er die Erlaubnis, eine entsprechende Aktion in Kopenhagen durchzuführen. Nun laufen die Vorbereitungen bei seiner Führungsstelle auf Hochtouren.

In der dänischen Hauptstadt sucht man geeignete Darsteller für die Mutter und den General des dänischen Nachrichtendienstes. Man besetzt die beiden Rollen mit deutschen Emigranten, die in Dänemark geblieben waren und Mitglieder der hiesigen KP sind. Dann wird »Nils Hansen« nach Kopenhagen geschickt. Fünf Wochen hat er Zeit für die Vorbereitung des Schmierenstücks: Er treibt »Regimestudien«, damit er überzeugend als Bürger Kopenhagens auftreten kann, und belegt Intensivkurse in Dänisch. Er mietet zwei Häuser an, eines für seine »Mutter«, das zweite für den angeblichen dänischen General. X. findet im protestantischen Kopenhagen auch eine kleine katholische Kirche, die natürlich über das wichtigste Requisit verfügt: einen Beichtstuhl. Als Pfarrer fliegt man »Emmis« »Kurier« Karl-Heinz H. ein, den Margarete nicht kennt. Man hat ihm zuvor einen theologisch-katholischen Schnellkurs verpaßt und einige Brocken Dänisch beigebracht. An einem Werktag im Sommer 1963 beginnt die Show.

 

Margarete F. betritt die Kirche und offenbart dem vermeintlichen Priester die große Schuld, die sie auf sich geladen habe: den Verrat ihr anvertrauter Unterlagen, vor allem aber den Verstoß gegen das sechste Gebot, ihre sündige Liebe zu »Nils Hansen«, ihrem Verlobten. Der falsche Pfarrer reagiert weisungsgemäß. Die Kirche könne diese beiden Verfehlungen zwar nicht billigen, aber Margarete F.s Beweggründe seien doch jeweils ehrenhaft. Er rate ihr von einer Offenbarung gegenüber den Behörden ab, denn sie tue alles in bester Absicht und im Sinne des Weltfriedens. Und ihre Unkeuschheit sei zwar eine Sünde, die jedoch in Anbetracht ihrer aufrichtigen Liebe und der geplanten Heirat nicht allzusehr ins Gewicht falle. Dann erteilt er ihr Absolution. Margarete F. verläßt die Kirche froh und erleichtert.

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Am Nachmittag dann Kaffeeklatsch bei der »Mutter« des Verlobten. Auch hier schöne Stunden. Wie verabredet trifft sie auch den »General«, der ihr seine große Wertschätzung ausspricht und ihr versichert, daß sie nichts Böses tue, sondern ganz im Gegenteil ausschließlich für die Erhaltung des Friedens arbeite. Danach reist sie wieder zurück nach Paris und spioniert weiter.

 

Roland X. aber fährt von Kopenhagen aus nach Ostberlin. Sein Romeo-Einsatz bei Margarete F. wird längst nicht mehr von der Bezirksverwaltung geführt, sondern ist an die Abteilung XII der HVA in Ostberlin übergeben worden, die für die Belange NATO und EG zuständig ist. In der Normannenstraße wird er von General Markus Wolf persönlich empfangen. Es folgt ein großer Festakt für den Beischläfer in Stasi-Diensten Roland X. 

Für seine Operation in Kopenhagen erhält er aus der Hand des HVA-Chefs die Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Silber und eine Fotokamera. Diese Auszeichnung offenbart Markus Wolfs Gefallen an solchen zynischen Inszenierungen. Woher weiß er sonst von Roland X.? Der HVA-Chef konnte unmöglich über jeden einzelnen Kundschafter informiert sein, und daß er bereits zuvor in persönlichem Kontakt mit einem kleinen Schauspieler und Spielleiter aus der Provinz stand, ist unwahrscheinlich. Er muß ein ganz besonderes Interesse an Romeo-Einsätzen gehabt haben und deshalb auch über jedes Detail dieser Fälle informiert worden sein. Wolf hat Roland X. nicht für den spionagetechnischen Ertrag seiner Quelle ausgezeichnet, denn der war nachweislich sehr gering. Sogar die HVA-Abteilung VII, zuständig für die Auswertung aller ausgespähten Informationen, plädierte aus diesem Grund mehrfach (vergeblich) für die Abschaltung von »Tulpe«. General Wolf würdigt seinen Romeo ausdrücklich für das Kopenhagener Spektakel und läßt sich jede Einzelheit des Schmierenstücks ausführlich berichten. Roland X. ist jetzt ganz oben.

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1964, nachdem er drei Jahre im Einsatz bei Margarete F. war, entscheidet er sich, wieder nach B. und ans Theater zurückzukehren. Zwei Jahre zuvor hatte er sich scheiden lassen, und jetzt will er eine andere Frau heiraten. Die Führungsstelle genehmigt seinen Ausstieg nur unter der Bedingung, daß er seinen Romeo-Auftrag an einen von der HVA bestimmten Nachfolger weitergibt. Er stellt Margarete F. seinen Nachfolger persönlich vor, der ebenfalls Mitarbeiter des dänischen Geheimdienstes sei. Natürlich preist er ihn nicht als neuen Bettgenossen an, sondern nur als Empfänger der für Dänemark so wichtigen Informationen aus der NATO. Er selber müsse Margarete F. leider vorübergehend verlassen, denn seine Zentrale habe ihn zu einem wichtigen und gefährlichen Einsatz in Vietnam abkommandiert.

Auch dem zweiten Romeo von Margarete F. gelingt es, eine intime Beziehung mit ihr einzugehen, und auch er verspricht ihr die Ehe. Sie spioniert weiter. Von 1987 bis zur Wende wird sie von einem dritten Agenten abgeschöpft. Bis heute kennt Margarete F. die Identität dieser beiden Romeos nicht. Fünfundzwanzig Jahre lang, vom Ende der Beziehung mit Roland X. im Jahr 1964 bis zum Zusammenbruch der DDR, hat sie mit zwei männlichen Phantomen gelebt. Sie ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Zurück ins Jahr 1964. Roland X. läßt sich nach seiner Rückkehr nach B. von seiner hauptamtlichen Position für das MfS wieder entpflichten. Sein neuer Hauptberuf ist vermutlich das Bonbon für seine Verdienste an der »unsichtbaren Front«: Er bekommt j etzt den Intendantenposten am Theater von B. Ein Jahr später wird er Mitglied der SED.

In unserem Interview hat Roland X. vor laufender Kamera bestritten, nach seinem Einsatz vom Boden der DDR aus jemals für das MfS gearbeitet zu haben. Und in seinen Aussagen anläßlich der Enttarnung von Margarete F. im Jahr 1991 behauptete er, »zu keiner Zeit Spitzeldienste« innerhalb der DDR geleistet zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Roland X. hat bis zur Wende für das MfS gearbeitet.

Nach seiner Rückkehr 1964 war er zunächst als nebenberuflicher IM tätig, und von 1968 bis 1971 ließ er sich vom MfS wiederum als hauptamtlicher Mitarbeiter einstellen und bezahlen. Sein letztes Honorar dafür erhielt er nachweislich am 17. November 1989.

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Die Quittung ist auf eine Summe von 300 Mark für »meinen operativen Einsatz« ausgestellt und mit »Victor« unterschrieben. Daneben war Roland X. von 1964 bis 1968 und von 1972 bis 1986 Intendant des Theaters.

Was hat er nun für das MfS über das hinaus getan, wozu jeder Führungskader den staatlichen Organen gegenüber verpflichtet war, wenn er seinen Job behalten wollte? Roland X. hat über Jahre hinweg eigene Inoffizielle Mitarbeiter instruiert, die er zum Teil selbst anwarb oder von seiner Führungsstelle zugewiesen bekam.

Aber damit begnügte er sich nicht. Er praktizierte seine im »Operationsgebiet« gewonnenen Romeo-Erfahrungen im eigenen Land weiter und wurde von seiner Führungsstelle als Romeo auf DDR-Bürgerinnen angesetzt, um sie zu Spitzeldiensten zu bewegen. Seine Akte weist aus, daß er zum Beispiel Ende Juni 1971 von seinem Führungsoffizier den Auftrag erhält, »den Kontakt zu der Y. (Name von der Gauck-Behörde geschwärzt) aufzunehmen, den bestehenden Kontakt zu festigen und auszubauen«. Ziel der HVA ist es, diese gesellschaftlich sehr exponierte junge Frau, die Kontakte zu politisch aufmüpfigen, unliebsamen Kreisen unterhält, wieder auf Linie zu bringen und sie dann ihrerseits zur Bespitzelung bestimmter Personenkreise zu bewegen. Der erfahrene Romeo braucht nicht lange, um diese Anweisung erfolgreich in die Tat umzusetzen. Schon wenige Tage später, am verregneten Nachmittag des 3. Juli 1971, trifft er sich mit der Frau in ihrem Bungalow, und dort »wurde enger persönlicher Kontakt hergestellt«, wie es im kurz danach verfaßten Treffbericht des zuständigen MfS-Hauptmanns Böhm heißt.

Eine Reittour, die das MfS bezahlt (»für Benzinkosten, Versicherung für 2 Reitpferde, Bezahlung der Reitpferde wurden dem IM 200 Mark übergeben«), soll diesen Kontakt weiter stabilisieren. Der Schlachtplan des Hauptmann Böhm sieht folgendermaßen aus: »In Absprache mit dem Leiter der BV wurde festgelegt, daß der IM im Anschluß an diese Reitpartie mit der Y. zu einem Bungalow nach E. fährt, diesen Bungalow als sein Eigentum ausgibt und sich mit der Y dort vergnügt.«

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Um es kurz zu machen: Die Rechung geht auf. In Kürze steht die Zielperson in Diensten des MfS. Diese Frau mit dem Decknamen »Rubin I«* wird Roland X. bis zur Wende betreuen.

Aber mit solcherlei Fremdaufträgen begnügt sich der zum zweiten Mal verheiratete IM Roland X. nicht. Er preist seinem Führungsoffizier eigene Freundinnen an. Am 18. Oktober 1970 schlägt er gleich zwei Frauen als geeignete Romeo-Opfer der Ostversion vor. Die erste ist eine langjährige Freundin: »Ich kenne sie schon seit 1958 und habe seit dieser Zeit in Abständen zu ihr intime Beziehungen. Sie sagte mir, daß sie auch meinetwegen nie geheiratet hätte, obwohl ich mich mit ihr in den letzten Jahren kaum getroffen habe. Aber die Verbindung zu ihr habe ich irgendwann immer wieder aufgenommen, weil sie ein wirklich hingebungsvolles, liebendes Mädchen ist.« 

Welche Eigenschaften die Freundin, die ihn über alles liebt, zu einem erfolgreichen Stasi-Aushorch-Instrument machen könnten, in welcher Art sie eventuell erotisch zu steuern oder gar für einen Einsatz als »Julia« zu gebrauchen ist, legt er in seinem Bericht ausführlich dar: 

»Ich habe immer wieder festgestellt, daß sie sehr kontaktfreudig und auch in der Lage ist, bestimmte Dinge von Menschen zu erfahren, mit denen sie zusammenkommt, die ihr einiges erzählen und sich ihr offenbaren. Ich glaube, daß dies vor allem durch ihre natürliche Art, sich zu geben, und auch ihre kameradschaftliche Art hervorgerufen wird. (...) Ich glaube, wenn ich sie überzeugen würde, die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit wären absolut bei ihr gegeben, einmal von ihrer Intelligenz, vom Alter, von der Wirkung auf Männer und auch von der Ehrlichkeit her uns gegenüber. Erotisch hat sie auch eine sehr starke Ausstrahlung. Bei ihr kommt es vor allen Dingen darauf an, daß man sie ein wenig, nicht zuviel, unter Alkohol setzt, dann ist sie sehr aktiv und verlangt viel Zärtlichkeit und Liebe und ist dann auch sehr wild und fordernd und auch ausdauernd.«

 

* Deckname geändert

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Eine andere intime Freundin bietet er dem MfS an, weil sie Kontakte zu Dissidentenkreisen hat: »In ihrem Wesen ist sie grazil und anschmiegsam. Vor drei Jahren war hier im Kreistheater B. die Eva-Maria Hagen als Gast tätig. Die Z. (die Frau, um die es geht) hat sich dieser Eva-Maria Hagen angeschlossen. Wie sie mir erzählte, war sie auch des öfteren bei der Eva-Maria Hagen und dem Biermann in Berlin (vier Jahre später wird Wolf Biermann ausgebürgert, d. Verf.). Sie ist sehr lebenslustig, lebenshungrig und möchte gerne etwas erleben, aber in ihrem Ort gibt es kaum dergleichen. Sie ist immer dankbar für eine Einladung gewesen und freut sich, wenn sie einmal ausgehen kann. Sie ist sehr zutraulich, kann jedoch auch sehr verschwiegen sein. Seit ungefähr einem halben Jahr habe ich intime Beziehungen zu Z. Ich möchte nur sagen, daß ihre Gefühle und die Art, wie sie mit einem Mann umgeht, sehr anziehend.ist und sie durchaus alle Möglichkeiten hat, einen Mann zu begeistern und zu verwöhnen. Ich bin überzeugt, daß Z. bereit wäre, wenn wir sie aus dieser Enge herausholen würden und ihr auch einiges bieten könnten. Sie ist bereit und aufgeschlossen und in dieser Beziehung, so glaube ich, auch beeinflußbar.«

 

Warum tut ein Mann das ohne Not oder Nötigung? Das ist das Gebaren eines Zuhälters, der seine »Pferdchen« verkauft, nachdem er sie zuvor ausprobiert und zugerichtet hat. Will er vor seinen Oberen mit seiner Potenz prahlen, haßt oder verachtet er Frauen, vor allem solche, die ihn gern haben, die ihn gar lieben? Oder will er sich mit diesen Offerten freikaufen von den Konsequenzen einiger Verhaltensweisen, die ihm seine Führung übel ankreidet? Oder ist es alles zusammen? Jedenfalls vermerkt ein umfangreicher »Auskunftsbericht«, den die MfS-Bezirksverwaltung über ihn erstellt hat, daß der Genosse X. mehrfach negativ aufgefallen ist. Man kreidet ihm nicht nur an, daß er »in der Abrechnung von Operativgeldern unehrlich war«, sondern noch weit Schlimmeres: »Der IM ist gegenüber anderen Frauen zugänglich gewesen. Diese moralischen Verfehlungen wurden auch im Wohngebiet bekannt. In dieser Richtung ist der IM auch heute noch zu kontrollieren, zumal seine bisherige operative Aufgabenstellung seinen Einsatz an Frauen erforderte.« Über die Absurdität dieser »Moral« muß man kein Wort verlieren. Daß sein Einsatz »an« Frauen stattfindet, kann man nicht besser ausdrücken.

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Möglicherweise hat Roland X. diese seine »Verfehlungen«, deren Konsequenzen für seine Position nicht absehbar waren, in einen konspirativen Erfolg verwandeln wollen, indem er sein sexuelles Privatvergnügen quasi als operative Recherche ausgibt, um damit neue IMs anzuwerben. Der Erfolg gibt ihm jedenfalls in allem recht. Im Laufe der Jahre geht ein warmer Medaillenregen über ihn nieder. Er ist nicht nur Besitzer jener von Markus Wolf verliehenen Verdienstmedaille in Silber, sondern er bekommt auch die Verdienstmedaille in Gold, dann die Medaille für treue Dienste in Silber, die Verdienstmedaille der NVA in Bronze, und schließlich verleiht ihm Erich Mielke persönlich die Medaille der Waffenbrüderschaft in Gold.

Irgend jemand hat dann ihm Jahr 1972 den Mut, dem Stasi-Mann und Intendanten einen anonymen Brief zu schicken mit den Worten: »Spitzel, wann schlägt Dein Gewissen?« Auch dieses Schreiben ist in seiner Akte ordentlich abgeheftet.

In der Tat beliefert Roland X. das MfS auch mit Informationen über Kollegen seines Theaters. Bei einem Treffen am 17. Dezember 1972 in der Zeit zwischen 13.30 bis 15.00 Uhr, so schreibt der Führungsoffizier Hauptmann B. in seinem niedergelegten »Treffbericht«, sagt IM und Intendant Roland X. über den damaligen Oberspielleiter des Theaters in B.: »N. zersetzt das Schauspielkollektiv und ist offensichtlich politisch-ideologisch aufgeweicht.«

 

1986 scheidet Roland X. als Intendant aus dem Theater aus. Die Hintergründe sind undurchsichtig, es scheint so gravierende interne Querelen um seine Person gegeben zu haben, daß man den verdienten Genossen Intendanten nicht mehr halten konnte oder wollte. Er inszeniert fortan als freier Regisseur an verschiedenen anderen Bühnen und beliefert die Stasi weiterhin mit umfassenden Berichten über seine Mitarbeiter, vor allem mit diffamierenden Anschuldigungen gegen seine Nachfolger. In seinem »Bericht über den Intendanten des Theaters von B.«, datiert vom 5. Januar 1987, heißt es: 

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»V ist homosexuell und holt sich u. a. seine Gäste aus Berlin aus diesem Umfeld, wie NN und einige junge Schauspieler. (...) Außerdem muß festgestellt werden, daß V in der Zeit seines Hierseins allen Kollegen auffällt durch seinen starken Alkoholkonsum. Es besteht der Verdacht, daß er vom Alkohol abhängig ist.« 

Dann kolportiert er die angebliche Kollegenmeinung, ihr Intendant sei labil und habe eine »fragwürdige politisch-ideologische Haltung«. Und macht ihn auch noch als gefährlichen Verschwörer aus, weil er bislang keinen endgültigen Spielplan vorgelegt habe: »Die Kollegen äußerten den Verdacht, daß der V. ein Geheimkonzept habe.«

Auch den Nachfolger dieses Mannes, der die Intendanz im Juli 1987 übernimmt, schwärzt er an. Die Bandabschrift seines Berichts vom 10. April 1989 umfaßt 14 eng getippte Seiten und ist eine einzige Anklage wegen angeblicher professioneller, politischer und persönlicher Unfähigkeit des derzeitigen Intendanten.

Roland X. war nicht nur ein Romeo, er war ein Spitzel reinsten Wassers, und er hat gut verdient dabei. In seiner Akte finden sich viele Quittungsbelege über Geldbeträge für die »Erfüllung operativer Aufgaben«. Nach seinem Ausscheiden als Intendant des Theaters bekommt er ab dem 1. März 1987 vom MfS ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 300 Mark. Und das erhält er auch für die »Beschaffung von Informationen im sehr sensiblen Bereich der Kunst und Kultur«, allerdings mit der Auflage (auch sein Führungsoffizier kennt offenbar seinen Pappenheimer), sich nicht persönlich »in die Belange des Kreistheaters von B. einzumischen«.

Wie hoch sein Beischlaflohn für die Gewinnung von Margarete F. für Spionagedienste gewesen ist, läßt sich nicht mehr eruieren, denn auch seine HVA-Akte ist leider nicht mehr auffindbar.

Die prägendsten Eigenschaften von Roland X. waren wohl seine über alle Maßen ausgeprägte Eitelkeit und seine Wichtigtuerei. Bekannten gegenüber hatte er stolz seine Majorsuniform vorgeführt und damit geprotzt, er wäre »20 Jahre operativ als Mitarbeiter des MfS in der BRD tätig gewesen«. Er gab bei Bedarf sogar Einzelheiten zum besten. Natürlich erhält er — als all dies offenbar wird — schärfste Rügen von MfS-Kadern wegen seines »dekonspirativen Verhaltens«. In einem demütigen Selbstbezichtigungs­schreiben, datiert vom 18. März 1982, leistet der prahlerische Major und IM kleinlaut Abbitte.

Im Jahr 1991 werden Margarete F. und Roland X. enttarnt — möglicherweise von einem Überläufer der ehemaligen Bezirksverwaltung, der jetzt sein Schäfchen ins Trockene bringen will. Das Verfahren wird nur gegen Margarete F. eröffnet, die ihren dritten Romeo bis 1989 mit Material versorgt hat. Roland X.' Delikt ist längst verjährt. Doch er wird als Zeuge zum Prozeß gegen sein früheres Opfer vor das Oberlandesgericht nach Düsseldorf geladen und sagt aus, welche geheimen Informationen die Frau aus Liebe zu ihm vor vielen Jahren an die DDR verraten hatte. 

Margarete F. wird am 15. Oktober wegen geheimdienstlicher Tätigkeit zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Auch sie muß die Kosten des Verfahrens tragen, wozu auch das Zeugengeld, die Reisekosten und die Spesen für ihren ehemaligen Romeo Roland X. gehören, und sie verliert durch ihre Verurteilung einen Teil ihrer Altersversorgung. Heute lebt sie auf Sozialhilfeniveau.

Roland X. aber, wenn er auch mit einer nicht ganz so großen Rente wie erwartet auskommen muß, lebt zufrieden in B. Das heißt, vielleicht ist er doch nicht so ganz zufrieden, wie es ihm in seinen Augen vielleicht zustünde. Unser Interview, das ihn so sehr kränkte, beendete er mit den Worten:  

»Das ist für mich Vergangenheit, und ich habe nach der Wende sehr viel darunter leiden müssen. Ich bin nicht mehr bereit, darüber zu diskutieren.«

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