Sherwin B. Nuland 

Wie wir sterben

Ein Ende in Würde? 

How we die 

 

 

1993 Alfred Knopf, New York 

1994 Kindler, 5 Auflagen

1995 Bertelsmann-Club

1996 Knaur-Taschenbuch

1999 Bechtermünz-Verlag, Augsburg

2007 Knaur-MensSana

Sherwin B. Nuland (1993) Wie wir sterben - Ein Ende in Würde?  How We Die  US-National-Book-Award  

1993  400 Seiten

DNB.Buch  *1930

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Psychobuch

Nuland-2007

Roland Schulz 2018   
Timothy Quill 

Klappetext: Über den Tod ist vieles geschrieben worden, aber es gibt nur wenig Verläßliches darüber, wie wir sterben. Die meisten von uns werden ihrem Tod hinter den Mauern eines Krankenhauses begegnen, auch wenn dies nicht unbedingt einen guten Tod verspricht. Der Chirurg und Medizinhistoriker Sherwin Nuland zeigt in seinem Buch, auf welche Weise bestimmte Krank­heiten uns das Leben nehmen, und beschreibt die grausame biologische und klinische Realität. Doch er entwirft kein Horrorgemälde, sondern er entmythologisiert das Sterben und hilft uns, die Furcht vor dem Unbekannten zu überwinden. Nulands Blick auf den Tod ist hart, ernst und klar, aber auch voller Mitgefühl und Hoffnung. 

Inhalt

    Dank (9)   Einleitung (15)

  Epilog (386)     Register (395-400)


Für meine Brüder Harvey Nuland und Vittorio Ferrero

US-National-Book-Award 

Übersetzung von E. Heinemann und B. Tiffert


"... der Tod hat Zehntausende von Türen, durch die ein Mensch abgehen kann."
 (John Webster 1612 in <Die Herzogin von Malfi>)


Hinweis des Verfassers: 
 
Mit Ausnahme von Robert DeMatteis sind die Namen aller Patienten und ihrer Angehörigen aus Diskretion geändert worden. 
Hinter der im achten Kapitel auftauchenden »Dr. Mary Defoe« stehen drei junge Ärztinnen des Yale New Haven Hospital.

1   Das erdrosselte Herz  (21)

2   Eine Pumpe, die plötzlich aussetzt  (46)

3   Unser Leben währet siebzig Jahre  (79)  <Babe>

4   Wege alter Menschen in den Tod  (109)

5   Die Alzheimersche Krankheit   (144)

6   Mord und Seelenfrieden   (184)

7   Unfälle, Selbstmord und Sterbehilfe  (214) 

8   Ein Fall von Aids  (248)  <Ismael>

9   Das Leben eines Virus und der Tod eines Menschen (273)

10  Die Bösartigkeit des Krebses  (303)

11  Krebspatient und Hoffnung   (329)  Harvey Nuland

12  Was wir lernen können (357) 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Lesebericht von Björn Berg
  Berliner-Lesezeichen.de   Ausgabe 1/1997 

Es wird Schindluder getrieben mit dem Sterben. Auf Leinwand und Bühne, im Buch wie im Leben. Weil wir schlecht mit dem Sterben umgehen, leben wir schlecht. Wir tun so, als seien wir tausend Jahre da, obwohl unser Dasein nur wenige Jahrzehnte währt. Täglich im Bewußtsein des Todes zu leben würde bedeuten, täglich bewußter zu leben. Der Tod wäre dann nicht die Tragödie. Er wäre Teil des Lebens. In dem wäre das Sterben nicht so schrecklich, wie es schrecklich gemacht wird.

„Niederschmetternd“ nennt der Arzt Sherwin B. Nuland das Sterben. Nicht den Tod. Der Professor der Yale University brachte zu Papier, was ihm an Niederschmetterndem in Familie und Praxis widerfuhr. Nuland ist nicht genötigt, mit geheucheltem Mitleid zu handeln. Spricht er darüber, „Wie wir sterben“, spricht er von Erlebnissen, die zu Erfahrungen wurden. Der Mediziner weiß, daß nur weiß, wer fühlt. Gefühle, die zu den Lebensgeschichten gehören, haben Vorrang in den Schilderungen des Autors vom Sterben.

Sterbezeit ist Gefühlszeit, ist starke, bestärkende Zeit bestärkender, starker gefühlsmäßiger Bindungen und Beziehungen. Für den lebens-sterbens-erfahrenen Arzt ist der Sterbende fühlender und gescheiter, der gescheitere Fühlende. Seine Sterbens-Lebens-Signale sind leise. Deshalb werden sie von den eiligen Lebenden kaum wahrgenommen. Die Unfähigkeiten der Agilen, Dynamischen, Vorwärtsdrängenden und Verdrängenden machen für alle schwer, was alle für sich nicht schwer wollen: das Sterben. 

Der fühlend-mitfühlende Nuland erklärt den Tod nicht zum Feind des Lebens. Der Feind des Lebens heißt Krankheit. Der Krimi jeden Lebens ist der lebenslange Kampf gegen Krankheit. Der so denkende und dementsprechend konkret und konsequent handelnde Arzt scheut die ständige Korrespondenz mit dem Sterben nicht. Er teilt nicht die Sucht seiner Kollegen, Leben um des Lebens willen zu halten. Er kennt die Miseren und Mängel der Mediziner, denen der Respekt vor dem Sterben abhanden gekommen ist. Er mißbilligt die Haltung der Mediziner, die handeln, als würden sie den Tod überwinden.

Sherwin B. Nulands Schrift ist klüger, redlicher, persönlicher als andere, weil er nicht über das Sterben, sondern vom Sterben spricht. Er verzichtet nicht darauf, Fall-Beispiele zu zitieren. Er nutzte diese Methode der Wissensvermittlung und -verbreitung, um soviel wie möglich von der Lebensgeschichte zu berichten, die eine Sterbensgeschichte erst verständlich macht.

Sich dem Sterben zu stellen bedeutet für Nuland, sich vorrangig um das „lange Vorstadium des Sterbens“ zu kümmern. Der Autor wird zum Erzähler, wenn er schildert, wie die Lebenskraft seiner Großmutter versiegte. Die autobiographischen Äußerungen fassen am direktesten und deutlichsten zusammen, was dem Arzt wichtiger wurde als alle Fachkenntnisse.

Es ist die Lebenskenntnis, die zum Bekenntnis führt, daß jedes Sterben so persönlich ist wie die Biographie. Das zu wissen und zu berücksichtigen heißt, wie der Autor sagt, „das Sterben zu entmythologisieren“. Heißt auch, das Sterben eine Erfahrung sein zu lassen, die alle Menschen miteinander verbindet. Das gute, große Gefühl des Miteinanders schürt Nuland mit jeder Seite seines Buches. Indem er dem Sterben die Anonymität nimmt, mindert er die Ängste vor dem Sterben. „Ein Ende in Würde?“, wie der Untertitel fragt, wird möglich, wenn mit Würde, also mit Respekt vor dem Ende, mit der Respektierung endenden Lebens Leben beschlossen wird.

Nuland nennt das Sterben beim Namen. Er bannt und verbannt es nicht. Sterben ist nichts Schandbares. Schandbar ist, wie wir schlimmem Sterben Vorschub leisten. Sherwin B. Nuland treibt mit dem Sterben kein Schindluder.  #

 

 

 

 

Ein Lesebericht von Eberhard Fromm
   berliner-lesezeichen.de  Ausgabe 5/1997 

Die Literatur über das Sterben hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Das hängt sicher mit dem Anwachsen mitteilenswerter Erfahrungen im Rahmen der Hospizbewegung zusammen. Andere Ursachen sind in dem Bedürfnis vieler Angehöriger zu suchen, das Sterben eines Verwandten - insbesondere im Zusammenhang mit Krebs oder Aids - zu beschreiben, um dieses Leid zu verarbeiten. Auch neue Ergebnisse der Geriatrie bilden eine Quelle der anwachsenden Literatur zum Sterben.

Der Verfasser des vorliegenden Buches ist nicht nur ein erfahrener Medziner und langjähriger Hochschullehrer - er lehrt Chirurgie und Medizingeschichte an der Yale University in den USA -, sondern auch ein erfolgreicher Autor. Wenn er seinem Buch einen Untertitel gibt, in dem er das Ende in Würde mit einem Fragezeichen versieht, dann ist das mehr als eine Geste, die vielleicht neugierig machen soll.

Nuland sieht den „würdigen Tod“ als Bestandteil eines Mythos vom Sterben an. 

Da er als Arzt nur sehr selten Würde beim Sterben erlebt hat, stellt er sich mit diesem Buch die Aufgabe, das Sterben zu entmythologisieren; und das heißt eben, ein Ende in Würde in Zweifel zu ziehen. Stattdessen will er die verschiedenen Wege zeigen, auf denen der Mensch sterben kann und dabei seinen ganz eigenen Tod findet.

In zwölf Kapiteln beschreibt er häufige Krankheiten, die gemeinsame Merkmale enthalten, die repäsentativ für lebensendende Prozesse sind: der Infarkt, die Alzheimersche Krankheit, Aids und Krebs. Er setzt sich aber auch mit Problemen des Unfalls, des Mordes, des Freitods und der Sterbehilfe auseinander.

In zwei Kapiteln (III. Unser Leben währet siebzig Jahre, IV. Wege alter Menschen in den Tod) widmet sich der Autor erfreulicherweise recht ausführlich dem altersbedingten, dem „normalen“ Sterben. Er polemisiert ein wenig mit den Bestimmungen, wonach jeder Mensch an einer benennbaren Krankheit zu sterben habe, wonach es also ungesetzlich wäre, einfach an Altersschwäche zu sterben.

Die Abfolge von Tod und Leben hat für Nuland nichts Pathologisches, „vielmehr ist sie geradezu das Gegenteil des Kranken.“ Er analysiert beispielsweise detailliert Berichte von 23 Obduktionen an Verstorbenen, die 84 Jahre und älter geworden waren, und kommt anhand dieser Fallstudie zu der Feststellung, daß hochbetagte Menschen nicht an irgendwelchen Krankheiten sterben, sondern dem altersbedingten Schwund an Körpersubstanz und Lebenskraft erliegen.

Das Buch von Nuland lebt von einer faktenreichen Information über die biologischen und medizinischen Prozesse, wie sie sich beim Sterben vollziehen.

Diese bereits verständlich geschriebenen Informationen werden in ihrer Aussagekraft häufig dadurch erhöht, daß sie verwoben sind mit Beispielen aus der ärztlichen Praxis des Autors, aber auch aus der Literatur. Immer wieder wird der Leser dann zu Wertungen, Feststellungen, Überlegungen oder Verallgemeinerungen geführt, zu Haltepunkten im erzählenden Text, wo er für sich die Frage des Buches - „Sterben in Würde?“ - neu beantworten kann.

Man wird mit dem Prozeß des Sterbens in seinen verschiedenen Möglichkeiten und Abläufen bekannt gemacht, sachlich und doch nicht distanziert, weil man über dieses Thema wohl schwerlich mit Distanz schreiben kann, ist es doch eine alle Menschen verbindende Erfahrung.

Man muß nicht immer mit Positionen des Autors übereinstimmen, so wenn er recht abrupt den Freitod als das fast immer Falscheste, was man tun kann, definiert. Andererseits nimmt man ihm auch harte Worte ab, da sie Ergebnis einer überzeugenden Argumentation sind, so wenn er feststellt, daß es bei der Alzheimerschen Krankheit kein Sterben in Würde geben könne, denn sie sei ein Willkürakt der Natur und treffe den Kranken in seinem ganzen Menschsein.

Im abschließenden Kapitel „Was wir lernen können“ macht der Autor nachdrücklich auf die heute vorherrschende Ächtung des Todes durch die Gesellschaft und eine fehlende Kultur des Sterbens aufmerksam. Während in den USA 1949 erst rund 50 Prozent der Menschen in Krankenhäusern starben, sind es heute 80 Prozent. Dabei sei nachweislich die häusliche Betreuung Sterbender entscheidend für einen humaneren Tod. Nuland fordert, daß „der Sterbende im Drama des Todes als Hauptfigur wieder ganz in den Mittelpunkt rücken“ muß.

Seine Antwort auf die durchgängig gestellte Frage nach dem Sterben in Würde lautet abschließend: „Ein Sterben in Würde ist am ehesten dann möglich, wenn ihm ein würdevolles Leben vorangegangen ist. Diese Hoffnung - die beständigste von allen - steht allen Menschen offen.“

 

 

 

 

 

 

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Sherwin B. Nuland (1993) Wie wir sterben - Ein Ende in Würde?