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11. Mit Wasserdampf ins Weltall: 

Raumfahrt und Umweltverschmutzung 

 

 

 

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Aus den Erklärungen der Umweltgefahren des Luftverkehrs lassen sich die hauptsächlichen Umweltgefahren der Raumfahrt unmittelbar ableiten. So sind Raketen für die hochgelegenen Schichten der Atmosphäre oberhalb 20 km die einzigen direkten Luftverschmutzer, ja die einzige direkte Einflußnahme durch den Menschen überhaupt. Es gab auf dem Gebiet der Umweltbelastung durch Raketen schon einige einzelne grund­legende Forschungsprojekte, deren Ergebnisse sind bisher jedoch nur einem sehr kleinen, eingeweihten Experten­kreis bekannt. 

Im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Technologie wurde im Jahre 1989 an der Technischen Universität München von mehreren Einzelexperten ein zusammenfassender Bericht unter dem Titel <Umweltbeeinflussung durch die Raumfahrt> veröffentlicht, der die bisher bekannten Gefahren zusammen­faßt. Wieder einmal wird deutlich, daß das Wissen um die chemischen und physikalischen Vorgänge in unserer Lufthülle nach wie vor sehr lückenhaft ist. Die vorliegenden Ergebnisse sind jedoch zum Teil erschreckend — Grund genug, diese hier kurz vorzustellen.

Es gibt sicherlich viele, die während einer Fernsehübertragung eines Raketenstarts gedacht haben: "Das müssen doch gigantische Abgasmengen sein, die dort ausgepustet werden!" Und tatsächlich: Es sind gigantische Abgasmengen, und je höher die Rakete steigt, umso drastischer und gefährlicher ist die Wirkung der Emissionen auf die Erdatmosphäre. Aber fangen wir beim Start an:

 

Raketenstart in Qualm und Dampf

 

Erinnern Sie sich noch an die Bilder von dem unglückseligen Start der amerikanischen Raumfähre Challenger, die kurz nach dem Start explodiert war? Eine riesige Wolke reinen Wasserdampfes war vor dem blauen Himmel zu sehen, ebenso die beiden unversehrten Starthilferaketen, die noch in wilden Zick-Zack-Bahnen herumschwirrten.

Durch beides werden die grundsätzlich verwendeten Raketenantriebe repräsentiert: der flüssige Wasserstoffantrieb sowie der Feststoffantrieb. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Für den Start eines Space Shuttles von der Art des Challengers sind in dem großen Außentank 1.541.000 Liter flüssiger Wasserstoff und 573.000 Liter flüssiger Sauerstoff nötig — beides zusammen rund 720 Tonnen hochexplosiven Treibstoffes. Beide Stoffe verbrennen zusammen beim Start zu Wasser, das als Wasserdampf ausgestoßen wird. Zusätzlich wird molekularer Wasserstoff (H2) ausgestoßen.

Um für den Start des Space Shuttle genügend Schub zu erzeugen, sind seitlich des großen Flüssig­treib­stoff­tanks zusätzlich zwei Hilfsraketen installiert. Diese beiden Edelstahlhülsen sind jeweils mit 503,5 Tonnen festem Raketenbrennstoff gefüllt. Dieser setzt sich zusammen aus 16 Prozent reinem Aluminiumpulver, 70 Prozent Ammoniumperchlorat (als Oxidator, chemische Formel: NH4ClO4) sowie einem Rest Eisenoxid zur Kontrolle der Verbrennungsrate. Anders als der Wasserstoffantrieb läßt sich dieser Feststoffantrieb (in Fachkreisen auch "booster" genannt) nicht mehr abstellen, wenn er erst einmal brennt. Das bedeutet, daß der Start nach der Zündung dieser Feststoffantriebe in jedem Fall erfolgen muß.

Die Zusatzantriebe beschleunigen das Raumfahrzeug bis in eine Höhe von ca. 50 km und werden danach abgestoßen. Sie werden nicht nur beim Space Shuttle verwendet, sondern zumeist auch bei der europäischen Transportrakete Ariane. Außerdem werden diverse Forschungs- und militärische Raketen mit den genannten Feststoffen betrieben. Auch die z.T. schon ausgedienten Trägerraketen wie Delta, Scout oder Titan verfügen über einen solchen Antrieb. Ebenso sollen zukünftige Großprojekte mit solchen Feststoffantrieben ausgerüstet werden.

Der Grund für diese ausführliche Erwähnung der Feststoff-Booster liegt darin, daß sich in ihnen eine gehörige Portion Umweltgefährdung verbirgt. Bei der Verbrennung des Treibstoffgemisches werden nämlich im Höhenbereich von 0 bis 50 Kilometern überwiegend folgende Verbindungen ausgestoßen (festgestellt am Düsenausgang):

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Zusätzlich zu den am Düsenausgang festgestellten Stoffen wird es aufgrund der sehr hohen Verbrennungs­temperaturen zur Bildung von erheblichen Mengen an Stickoxiden kommen.

Ganz besonders problematisch ist die Emission der Chlor-Verbindungen in diese hohen Atmosphären­schichten, denn, wie mittlerweile bekannt ist, wirkt atomares Chlor — wenn es erst einmal aus seinen ursprünglichen chemischen Verbindungen herausgelöst ist — zwischen 15 und 50 Kilometern Höhe als Katalysator bei der Zerstörung der Ozonschicht. Durch immer wieder zyklisch auftretende chemische Reaktionen wird Ozon abgebaut und in normalen zweiatomigen Sauerstoff überführt. Es ist also durchaus denkbar, ja wahrscheinlich, daß Raketenstarts mit Feststoffraketen an dem weltweiten Ozonabbau beteiligt sind.

Vor diesem Hintergrund muß es uns erschaudern lassen, was die amerikanische Weltraumorganisation NASA ursprünglich im Space-Shuttle-Programm geplant hatte. Dort waren nämlich die zwei ersten Flüge für 1978 geplant, ein Jahr später sollten es bereits 11 Flüge sein. Bis 1984 sollte die Anzahl der Shuttle-Starts kontinuierlich auf 60 pro Jahr gesteigert werden und bei diesem Wert in den Folgejahren konstant gehalten werden. Letzteres hätte bedeutet, daß jedes Jahr mehrere hundert Tonnen Salzsäure HCl ausgestoßen worden wären.

Mittlerweile wissen wir, daß die Zahl der Shuttle-Starts bei weitem nicht so hoch liegt wie erwartet, woran Anlaufschwierigkeiten und nicht zuletzt das Challenger-Unglück beteiligt waren. Da von den Amerikanern derzeit jedoch Planungen für eine Weltraumstation im Gange sind, ist damit zu rechnen, daß beim Anlaufen der Bauphase die Zahl der Shuttle-Flüge sprunghaft steigen wird.

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Europas Ariane funktioniert etwas anders  

 

Außer dem Space Shuttle gibt es bekanntlich ja noch eine erhebliche Zahl weiterer Raketenstarts. Das als europäisches Gemeinschafts­projekt laufende Trägersystem Ariane ist grundsätzlich anders angetrieben als das Space Shuttle. In den ersten beiden Antriebsstufen, die bis etwa einhundert Kilometer Höhe führen, kommt eine spezielle Treibstoffmischung zum Einsatz. 

Der Treibstoff mit der Bezeichnung UH25 setzt sich zusammen aus den chemischen Verbindungen Dimethylhydrazin (Anteil 75%; chemische Formel: H2N; N(CH3)2, gilt als sehr stark giftig und krebserzeugend und darf — welch eine Ironie — nach Transportvorschriften nicht per Flugzeug transportiert werden!) sowie Hydrazinhydrat (Anteil 25%, chemische Formel: N2H4 x H2O).

Zusätzlich zu diesem Treibstoff wird als Oxidationsmittel der Stoff N2O4 benötigt.

Bei der Verbrennung dieses Treibstoffgemisches besteht das Abgas am Düsenaustritt aus Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2), Wasserstoff (H2), Wasserdampf (H2O) und Stickstoff (N2). Zumeist werden bei der Ariane die zusätzlichen Booster für den Start auch mit diesem Treibstoffgemisch betrieben — es kommt in diesem Fall also zu keinen Chlor-Emissionen. Allerdings wird bei bestimmten Startanforderungen auch auf die oben erwähnte Art und Weise auf Feststoffbooster für den Start zurückgegriffen — mit den erwähnten Folgen.

Wie wirken die Emissionen aus Raketen in den einzelnen Stockwerken der Atmosphäre?

Doch gehen wir systematisch vor und betrachten die Emissionen von Raketen in den einzelnen Schichten der Atmosphäre. Wie schon im Kapitel über die Klimawirkung von Flugzeugen erwähnt, können Schadstoffe je nach Höhe der Emission völlig unterschiedliche Wirkungen haben (Beispiel Wasserdampf: in Erdbodennähe bedeutungslos, in 10 km Höhe ein gefährlicher Schadstoff).

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a) Troposphäre:

In der untersten Schicht der Atmosphäre, der Luft, in der wir leben, ist beim Start einer Großrakete die Bildung einer Bodenwolke typisch, die aus den Abgasen der ersten 15 bis 25 Sekunden des Starts besteht. Diese stabile Wolke hat die Forscher schon zu mannigfaltigen Untersuchungen angeregt mit dem Ergebnis, daß die wichtigsten Schadstoffe, Chlorwasserstoff (HCl) und Aluminiumoxid (Al2O3), aus den Emissionen der Feststoffraketen stammen. In der ersten Startphase eines Space Shuttles werden pro Sekunde ca. 2 Tonnen Chlorwasserstoff und 3 Tonnen Aluminiumoxid emittiert. Mit der Bodenwolke werden diese Substanzen in die Umgebung verteilt.

Uns allen ist sicherlich noch die wässerige Lösung des Chlorwasserstoffs aus der Schule als Salzsäure bekannt. Logischerweise beinhaltet diese Bodenwolke auch hohe Säurekonzentrationen. Bei Messungen konnten in der Abgaswolke eines Space Shuttles ph-Werte bis herunter zu 0,5 nachgewiesen werden. Es verwundert nicht, daß in Florida schon als unmittelbare Folge dieser Starts Schäden an Orangen-, Zitronen- und Avocado-Plantagen eindeutig nachgewiesen werden konnten. Auch die tierische und menschliche Gesundheit wird durch diese starke Säure gefährdet.

Allerdings handelt es sich hierbei, und das soll keine Bagatellisierung sein, eher um lokale und regionale Umweltprobleme. Unerforscht, weil möglicherweise unterschätzt, ist die Rolle, die diese Säureemission bei einem Transport über eine größere Entfernung hinaus beim sauren Regen spielt. Auch wird vermutet, daß die massiven Wasserdampf- und Aluminiumoxidemissionen einen Einfluß auf das Wettergeschehen haben können. Daher gibt es Empfehlungen, solche Starts bei bestimmten Wetterlagen besser zu verschieben, da man möglicherweise mit nachteiligen Wettereffekten wie Gewitteraktivität, Dunst- und Nebelbildung oder Starkwindentwicklung bis hin zu einer Einwirkung auf Hurricans rechnen muß.

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Gänzlich unerforscht ist bisher auch das Problemfeld der Bildung von Stickoxiden sowohl bei flüssigen wie auch bei festen Raketenantrieben. Es kann keine Zweifel darüber geben, daß sich aufgrund der sehr hohen Temperaturen große Mengen an Stickoxiden bilden, die selber giftig für Mensch und Natur sind und zudem als Vorläufersubstanz für noch giftigere Verbindungen wie Ozon oder Peroxyacylnitrat (PAN) gelten. Gerade letztere Verbindungen können sich über größere Entfernungen ausbreiten, so daß der Einwirkungsbereich von Raketenstarts weit über den Nahbereich hinaus gehen kann. Aufgrund der noch relativ geringen Anzahl an Startplätzen für Großraketen bleiben die Umweltprobleme in der untersten Atmophärenschicht jedoch noch einigermaßen begrenzt und werden zumeist von anderen Schadstoffen überdeckt.

b) Stratosphäre:

Dies sieht in der Stratosphäre allerdings völlig anders aus! Dort haben die Chloremissionen globale Folgen, denn vor allem das aus den Düsen ausgestoßene HCl wird durch die starke Sonneneinstrahlung zerlegt. Die so entstandenen Chlor-Radikale sind identisch mit denjenigen Chlorradikalen aus den FCKW und tragen somit zum Ozonabbau bei, bei dem sie als Katalysator in der zyklischen Abbaureaktion wirken — was soviel bedeutet, daß das Chloratom bei der Zerstörung des Ozons nicht eine neue, stabile Verbindung eingeht und somit sein zerstörerisches Werk fortsetzen kann.

Allein bei jedem Shuttle-Start werden ca. 100 Tonnen Chlorwasserstoff aus den Feststoff-Boostern in die Stratosphäre ausgestoßen. In den Jahren 1974/75 wurden in den USA Modellrechnungen durchgeführt, wie hoch die Ozonabbaurate für eine Startfrequenz von 50 Shuttle-Flügen pro Jahr wäre. Man kam damals auf globale Ozonabbauraten zwischen 0,2 und 0,7 Prozent — diese Zahlen sind durch neuere Erkenntnisse wahrscheinlich jedoch nach oben zu korrigieren. So ist z.B. fraglich, inwieweit die Ansammlung von Chloratomen, die in der Stratosphäre eine extrem lange Verweildauer haben, den heutigen Erkenntnissen entsprechend berücksichtigt wurde. Damals gab es allgemein ein wesentlich geringeres Wissen um die zerstörerische Wirkung von Chlor auf die Ozonschicht. So hatte man seinerzeit noch keine Vermutungen darüber, daß sich wenige Jahre später über der Antarktis im jährlichen Rhythmus ein gigantisches Ozonloch auftun würde. Eine Anpassung der damaligen Modellrechnung an heutige Erkenntnisse würde also möglicherweise andere Ergebnisse liefern.

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Aber auch andere Emissionen aus dem Feststoff-Booster sorgen in der Stratosphäre für Probleme: Vor allem der Ausstoß von Aluminiumoxid Al2O3 ist zumindest problematisch, ebenso der Eintrag von Wasserdampf sowie die Bildung von Stickoxiden.

Durch den Eintrag von Aluminiumoxid wird in der Stratosphäre die Anzahl der Aerosolteilchen drastisch erhöht. Diese Aerosolteilchen dienen in der Stratosphäre als Kondensationskerne für die Bildung von Eiskernen. Modellrechnungen belegen, daß sich bei 52 Shuttles-Starts im Jahr die Anzahl der stratosphärischen Eiskerne verdoppeln würde. Dies würde eine Rückwirkung auf die Bildung von hochgelegenen Cirrus-Wolken haben, die, wie im Kapitel über Klimagefährdungen durch hochfliegende Flugzeuge beschrieben, eine drastische Verstärkung des Treibhauseffektes bewirken. Zudem gibt es bisher lediglich begründete Vermutungen darüber, daß der Ausstoß der Aluminiumoxid-Partikel die Bildung von Chloroxidradikalen fördert und somit aktiv in die Ozonzerstörung eingreift. Hierzu gibt es bisher allerdings noch keinerlei veröffentlichte Forschungsergebnisse.

Zudem gibt es noch Hinweise auf eine weitere Problematik, die durch den Wiedereintritt der Raumfahrzeuge in tiefere Atmosphärenschichten entsteht. Durch bestimmte gasdynamische Effekte, hervorgerufen durch den Verdichtungsstoß beim Wiedereintritt, kommt es zu einem Zerfall von Sauerstoff- (O2) und Ozon-(O3)-Molekülen. Es wird in der Fachliteratur bisher davon ausgegangen, daß dieser Ozonabbau kurzzeitig ist, da hier keine zyklische Abbaureaktion vorhanden ist, sondern vielmehr nur durch einen einmaligen Effekt ein Abbau stattfindet. Dieser Vorgang ist bisher wissenschaftlich so gut wie gar nicht untersucht, erste grobe Abschätzungen der Größenordnung dieser Ozonabbaureaktion reden von einer "unmeßbar" kleinen Abnahme des Ozon-Gehaltes, die sich im Bereich von höchstens Promille-Anteilen des gesamten Ozon-Gehaltes bewegen sollen. Da anders als durch die FCKW die natürlichen Gleichgewichtsreaktionen nicht nachhaltig gestört werden, wird davon ausgegangen, daß nach ca. einem Tag das ursprüngliche Gleichgewicht wiederhergestellt ist.

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Probleme könnten möglicherweise jedoch auftreten, wenn viele Flüge in relativ kurzer Taktfolge (wöchentlich oder kürzere Abstände) auf der gleichen Strecke stattfinden, wie dies z.B. beim Hyperschall-Flugverkehr geplant ist. Es kann in diesem Fall zum sogenannten "Korridor-Effekt" kommen, bei dem sich die schädigenden Einflüße nicht nur überlagern, sondern sogar gegenseitig verstärken könnten.

 

Doch gehen wir bei unserer Betrachtung der Folgen der Abgasemissionen auf die Erdatmosphäre noch eine Etage höher, in die

c) Mesosphäre:

Auch hier hört sich das bisher durch Forschung Bekannte zumeist noch sehr vage an — und wird an dieser Stelle entsprechend wiedergegeben. In dieser in rund 50 Kilometern Höhe beginnenden Atmosphärenschicht werden in der Fachliteratur zwei Hauptprobleme genannt (Feststoff-Booster werden in dieser Atmosphärenschicht nicht mehr betrieben):

►   Die Emission von großen Mengen an Wasserdampf soll nach Ansicht verschiedener Wissenschaftler so groß sein, daß sich im Bereich der Mesopause (zwischen Mesosphäre und Ionosphäre in rund 90 km Höhe gelegen, absolutes Temperaturminimum der Atmosphäre mit durchschnittlich rund — 90° C) Eiswolken bilden können. Auch bringen offensichtlich die massiven Wasserdampfemissionen in der Mesosphäre möglicherweise die seit Jahrmillionen eingespielte Chemie dieser Atmosphärenschicht gründlich durcheinander, eine Auswirkung auf die Ozonphotochemie wird nicht ausgeschlossen.

►   Außerdem tritt im Bereich der Mesosphäre ein aus den tiefergelegenen Atmosphärenschichten bisher nicht bekanntes Phänomen beim Wiedereintritt von Raumflugkörpern auf: Es findet im Bereich der Mesosphäre (bedingt durch die extrem hohe Geschwindigkeit verbunden mit dem steigenden Luftwiderstand) eine sehr starke Erhitzung der Außenfläche der Raumfahrzeuge auf. Hierdurch kommt es zu der Bildung großer Mengen von Stickstoffmonoxid (NO). Diese Produktion an NO erhöht die natürlich vorhandene Konzentration lokal um mehr als das Hundertfache, allerdings klingen diese Störungen innerhalb von 24 Stunden wieder weitgehend ab, sagen Berechnungen jedenfalls. Am höchsten ist die Produktion von Stickoxid in 70 km Höhe. Sie nimmt nach unten hin wieder deutlich ab. 

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In 50 km Höhe ist Wissenschaftlern zufolge die NO-Produktion schon wieder praktisch gleich null — gerade rechtzeitig, um nicht auch die ungefähr in dieser Höhe beginnende Ozonschicht anzugreifen, was beim NO nämlich der Fall wäre. Es gibt jedoch Hinweise darauf, daß solch eine Stickoxidproduktion auch bei den Starts von Trägerraketen erfolgt, und zwar in geringerer Höhe als beim Wiedereintritt. Genauere Angaben hierüber waren nicht aufzufinden, aber ein Einfluß auf die Ozonschicht kann wohl nicht ausgeschlossen werden. Der Einfluß der relativ kurzlebigen und keineswegs weiträumigen Erhöhung des Stickoxides auf den Bereich der Mesosphäre ist nicht bekannt.

 

 

Raketen wirbeln die Atmosphäre kräftig durcheinander

Die zuweilen zitierten Modellrechnungen gelten nur für die Shuttle-Flüge. Es muß dazu bedacht werden, daß dieses Raumflugprogramm weltweit nur eines von vielen Projekten ist. Die wahren Verhältnisse sind also noch wesentlich schlimmer. Denn neben dem Space Shuttle-Programm werden auch in den USA noch andere große Trägerraketen betrieben (z.T. nach dem Challenger-Unfall mit neuem Wind in den Segeln): Private Anbieterkonsortien bauen auf Delta-, Titan- und Atlas-Raketen, die nicht wiederverwendet werden können und somit nur für einen Start gebraucht werden können. Zudem gibt es ein sehr umfassendes Weltraumprogramm in der Sowjetunion. Westeuropa, China und Japan verfügen über und entwickeln an Großraketen, außerdem arbeiten Indien, Indonesien und Brasilien an kleineren Projekten. Bei vielen der verwendeten Raketen kommen die ganz besonders gefährlichen Feststoff-Booster zum Einsatz.

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Fazit: 

Ökologische Gesamt-Bestandsaufnahme der Raumfahrt muß kommen

 

Bei den genannten Umweltproblemen durch die Raumfahrt handelt es sich lediglich um eine Auswahl. Die Studie des Bundesministeriums für Forschung und Technologie benennt weitere Auswirkungen der Raumfahrt auf die allgemeine Umwelt, z.B. die Verteilung und Ansammlung von radioaktivem Material nach dem Verglühen von Kernreaktoren, mit denen eine ganze Anzahl von Satelliten ausgerüstet sind.

Es wird ein ganzes Bündel an Forschungsaktivitäten vorgeschlagen, die von den Autoren der Studie als nötig erachtet werden, um die Umweltschädlichkeit der Raumfahrt näher zu untersuchen. Was in diesen zahlreichen Vorschlägen jedoch völlig fehlt, ist eigentlich der wichtigste, weil übergeordnete Punkt: Eine weltweite ökologische Gesamtbilanz der Weltraumfahrt ist anzustreben. Hinsichtlich der unbestreitbaren Umweltschädlichkeit, insbesondere des Feststoff­antriebes von Raketen, ist schon jetzt Handlungsbedarf abzusehen. Dieser extrem gefährliche Feststoffantrieb sollte in internationalen Übereinkommen völlig verboten werden. 

Überdies kann auf viele Raumflüge verzichtet werden. Insbesondere militärische Satelliten sind im allgemeinen fragwürdig — wobei auch nicht verkannt werden kann, daß das "Sicherheits"denken in der Welt noch stark — zu stark — auf Kontrolle (etwa durch Aufklärungssatelliten) basiert und weit weniger auf Vertrauen. Wenn jedoch solche Satelliten für die Mächtigen die Grundlage zu einer schrittweisen Abrüstung bilden, kann man diese dann ablehnen?

Es soll hier nicht bestritten werden, daß viele Raumfahrtprojekte einen durchaus akzeptablen Sinn haben. So sind viele Kenntnisse über die Umwelt­zerstörung eben dem Einsatz der Satellitentechnik zu verdanken (man denke da nur an die anschaulichen Satellitenbilder vom antarktischen Ozonloch, das sonst nur bruchstückhaft bekannt wäre). Aber die Gewinnung solcher Erkenntnisse darf nicht um jeden Preis erfolgen.

Die Raumfahrt muß sich die Frage gefallen lassen, ob sie ihre schon vorhandenen Möglichkeiten überhaupt annähernd ausnutzt. Denn die Zahl der für diese Zwecke bereits vorhandenen Satelliten liefert eine solch große Zahl von Daten und Bildern über die Erde, daß hiervon derzeit lediglich zehn Prozent überhaupt gesichtet werden und wiederum nur insgesamt ein Prozent genauer bearbeitet wird. Welchen Sinn soll dann eine noch viel größere Masse an Satelliten und damit Datenmengen haben, wenn es niemanden gibt, der diese noch bearbeiten kann? Bevor also neue Erderkundungs-Satelliten mit Riesenaufwand und großer Umweltgefährdung ins All geschossen werden, müssen die vorhandenen Kapazitäten erst einmal besser genutzt werden.

Es kann und soll an dieser Stelle kein Patentrezept angeboten werden, ob ein Teil der Raumfahrt verzichtbar ist, und, wenn ja, welcher. Es ist aber aufgrund der Umweltgefahren durch die Raumfahrt höchste Zeit, Ziele und Vorgehen in der Raumfahrt neu zu überdenken und zu diskutieren. Es darf nicht sein, daß die langsam bekanntwerdenden Umweltgefahren weiterhin unbeachtet bleiben und weitergemacht wird wie bisher. Bis zur Gewinnung besserer Erkenntnisse ist eine Schaden/Nutzenabschätzung unter den jeweils ungünstigsten ökologischen Annahmen ("worst case") für jeden einzelnen Raketenstart zu treffen.

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www.detopia.de

Sternzeit

11.03.2019

Klimasünder Astronauten

Beruf mit viel Kohlendioxid-Ausstoß

https://www.deutschlandfunk.de/beruf-mit-viel-kohlendioxid-ausstoss-klimasuender-astronauten  2019 

Alexander Gerst hat bei seinem letzten Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation eine Botschaft „an seine Enkelkinder“ aufgenommen.

Er beklagt, dass wir die Atmosphäre mit Kohlendioxid verpesten und das Klima zum Kippen bringen.

Dabei ist der Beruf des Astronauten besonders klimaschädlich.

Von Dirk Lorenzen