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2.  Aus meiner Stasi-Akte

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Hauptabteilung XX                den 29.4.1975
Gefertigt: 20 Exemplare        10. Exemplar

Information
über negative und feindliche Aktivitäten von Personen aus dem kulturellen Bereich

Es kann eingeschätzt werden, daß es gelungen ist, die vom VIII. Parteitag beschlossene kulturpolitische Konzeption im kulturellen und künstlerischen Leben der DDR durchzusetzen. Die gesellschaftliche Verantwortung der Schriftsteller und Künstler hat sich weiter erhöht.

In den einzelnen Künstlerbereichen ist es — wenn auch mit unterschiedlichem Niveau — gelungen, Kunstwerke zu schaffen, die sich ideologisch und künstlerisch auf der Höhe des VIII. Parteitages befinden. Bei einigen Künstlern und Schriftstellern zeigen sich jedoch ideologische Unsicherheiten, die aus unausgereiften, wissenschaftlich ungenügend begründeten weltanschaulichen Auffassungen resultieren. Es gibt auch Handlungen, die sich gegen die Grundpositionen der Rolle und Politik unserer Partei und unseres sozialistischen Staates richten.

Dabei ist seit Ende des Jahres 1974 festzustellen, daß negative und feindliche Personen unter Ausnutzung legaler Möglichkeiten verstärkt versuchen, massenwirksam zu werden und ihre Öffentlichkeitsbasis im DDR-Maßstab zu erweitern. Zu diesen Personen gehört der Schriftsteller

H e y m, Stefan geb. am: 10.4.1913

der als ehemaliger Emigrant Anfang der fünfziger Jahre aus den USA in die DDR übersiedelte. Seine politische Entwicklung verlief negativ. Es ist einzuschätzen, daß er heute eine die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR und den real existierenden Sozialismus überhaupt ablehnende feindliche politische Einstellung hat.

Heym unterhält eine Vielzahl von Verbindungen in das kapitalistische Ausland und besonders in die BRD, wo seine Bücher ebenfalls verlegt werden. Dabei handelt es sich um Werke, die eine negative bis feindliche Aussage zum Inhalt haben und nicht in der DDR veröffentlicht wurden (»Fünf Tage im Juni« - eine nicht unserer gesellschaftlichen Entwicklung entsprechende literarische Gestaltung des 17. Juni 1953).

Seine Bücher »König David Bericht« und »Die Schmähschrift« lassen ebenfalls fragwürdige Positionen erkennen. Sie finden vor allem Verbreitung unter Intellektuellen, Künstlern und studentischen Kreisen, die Heym in erster Linie auch ansprechen will.

Heym greift in seinen Arbeiten die politische Macht der Arbeiterklasse an und fordert einen Führungsanspruch für Intellektuelle und Künstler.

Heym trat Ende 1974 mit massiven Angriffen gegen die Kulturpolitik unserer Partei auf. Er forderte die Abschaffung einer angeblich in der DDR existierenden Zensur und eigene Verlage und Massenmedien für Künstler, um dieser angeblichen Zensur ausweichen zu können. Seine feindlichen und negativen Aktivitäten stimmt er mit anderen, ähnlich- oder gleichgesinnten Personen (Jurek BECKER, Klaus SCHLESINGER) ab.

Bei der Taktik seines Vorgehens ist zu beachten, daß er versucht, die Staatsorgane der DDR unter Druck zu setzen, indem er vollendete Tatsachen zur Durchsetzung von Forderungen schafft bzw. zu schaffen versucht. Seine Absicht dabei ist es, zu erreichen, daß die entsprechenden Organe seinen provokatorischen Forderungen nachkommen, um »Skandale« zu vermeiden. (Z. B. gab Heym für eine Lesereise in die BRD den einladenden Institutionen bindende Zusagen und wandte sich erst dann an das Ministerium für Kultur wegen des notwendigen Visums; ausgehend von der Überlegung, daß eine Ablehnung seiner Ausreise vom Gegner propagandistisch ausgenutzt werden könnte und die DDR das vermeiden möchte.)

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Am 11.3.1975 hielt Heym in Berlin-Köpenick im Kulturzentrum Schloßinsel eine Lesung aus seiner Erzählung »Wachsmuth-Syndrom«. Veranstalter war die Abteilung Kultur des Stadtbezirkes. Beim vertraglichen Abschluß der Lesung gab Heym nicht an, was er lesen wolle, womit sich der Veranstalter zufriedengab. (Im Falle des »Wachsmuth-Syndroms« handelt es sich um eine Erzählung ohne vordergründige negative oder feindliche Aussage.)

Heym forderte jedoch vom Veranstalter einen größeren als den vorgesehenen Raum mit der Androhung, es gäbe einen Skandal, wenn interessierte Personen keinen Zutritt erhalten könnten und die VP einschreiten müßte. Er schreckte in diesem Zusammenhang nicht vor gezielten Lügen zurück, indem er mit »Anrufen von Betrieben« argumentierte, wonach von interessierten Personen bereits gekaufte Karten zurückgegeben werden müßten, da die Raumkapazität nicht ausreiche. Heym erreichte damit die Bereitstellung eines größeren Raumes, der schließlich nicht vollständig ausgelastet wurde.

Operativ wurde bekannt, daß Heym auch weiterhin beabsichtigt, Lesungen mit anschließender Diskussion in der DDR durchzuführen. Er will damit eine größere Popularität erreichen, publikums- und öffentlichkeitswirksam werden, um von dieser Position aus Forderungen, sein Buch »Fünf Tage im Juni« in der DDR zu veröffentlichen, zu stellen. In der operativen Arbeit ist zu beachten, daß Heym kein sog. Leseverbot in der DDR hat.

Betriebe, staatliche und gesellschaftliche Institutionen handeln bei Einladungen an Heym zu Lesungen teilweise aus Unkenntnis über dessen Person und politische Haltung und gehen nur davon aus, daß er ein bekannter Schriftsteller ist.

Bei Bekanntwerden von Lesungen des Heym sind sofort die Kreis- bzw. Bezirksleitungen der Partei zu informieren, um durch eine koordinierte Vorbereitung seitens Partei- und Staatsorgane Möglichkeiten für ein offensives Auftreten gegen Heym zu sichern, falls dieser bei seinen Lesungen negativ/ feindlich auftritt. Durch das MfS sind auf inoffizieller Basis operative Maßnahmen einzuleiten, um die Kontrolle des Heym und der gesamten Veranstaltungen zu gewährleisten.

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Einige Gedanken zu

Wolf, Christa 
geb. am 12.3.1929

gehört zu einer Gruppe in der Sektion Literatur der Akademie der Künste der DDR, die mehr oder weniger offen eine Theorie des Aufzeigens angeblich wunder Punkte als Aufgabe des Schriftstellers verkündet.

Kleinbürgerlich-abstrakter Humanismus, ein subjektivistischer Alleinanspruch auf absolute Wahrheit führen bei ihr zu einer Verabsolutierung des kritischen Elements in der Kunst, wobei sie nicht von den Positionen des sozialistischen Realismus und den Errungenschaften unseres Staates ausgeht.

Ähnliche Positionen vertritt der Lyriker

Kunze, Rainer 
geb. am 16.8.1939

der durch westliche Massenmedien hochgespielt wird und dessen Bedeutung als Vertreter einer »wahren DDR-Lyrik« durch die Mitgliedschaft in der Bayrischen Akademie der Schönen Künste aufgewertet werden sollte.

Im »Haus der jungen Talente« in der Hauptstadt der DDR läuft seit mehreren Monaten eine Veranstaltungsreihe »Eintopp« unter der Leitung von

Wegener, Bettina
geb. am 4.11.1947
freiberufliche Sängerin
Ehefrau des negativ bekannten Schriftstellers
Klaus Schlesinger.

Für Lesungen in dieser Veranstaltungsreihe hatte sie auch H e y m und Jurek B e c k e r  gewonnen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe kam es mehrfach zu negativen bis feindlichen Aussagen in den Vorträgen durch die Wegener selbst bzw. durch von ihr verpflichtete Personen. Dabei gelang es positiven Kräften nicht immer, Zustimmung und Sympathiebekundungen des vorwiegend jugendlichen Publikums für solche negativen Aussagen abzublocken bzw. zurückzudrängen.

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Die Wegener arbeitet eng mit

P a n n a c h, Gerulf 
geb. am 24.6.1948 
freiberuflicher Sänger und Texter

und 

Fuchs, Jürgen
geb. am 19.12.1950
Psychologiestudent an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
betätigt sich als Lyriker und Erzähler

zusammen. Sie nutzen öffentliche Beat-Abende, Lyrikabende, literarisch-musikalische Veranstaltungen in Klubhäusern, Jugend- und Studentenklubs oder anderen Veranstaltungsräumen zur Verbreitung negativen und feindlichen Gedankengutes in Liedern, Gedichten und Erzählungen aus.

Alle drei Personen traten am 7.2.75 in Bad Köstritz/Gera auf. In ihren Vorträgen diffamierten sie die DDR und griffen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR in einer derart massiven und aggressiven Weise an, daß eine geplante zweite Veranstaltung am 8.2.75 auf der Grundlage eingeleiteter op. Maßnahmen durch die zuständigen staatlichen Organe verhindert werden mußte.

Ihre Vorträge richteten sich insbesondere gegen 
- die Staatsorgane der DDR 
- die sozialistischen Schutz- und Sicherheitsorgane
- gewählte Volksvertreter und die sozialistische Demokratie
- Vertreter von Massenorganisationen (FDJ).

Die Wegener, Pannach und Fuchs unterhalten enge Verbindungen zu Biermann.

Sie beabsichtigen, besonders im Rahmen von Hochschulveranstaltungen (Universitätswochen u. ä.) auch weiterhin aufzutreten. Überlegungen gibt es ihrerseits zu Auftritten bei kirchlichen Veranstaltungen, Kulturveranstaltungen verschiedener Art, Ausstellungen u. a. Zusammenkünften von Personen.

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Bei Fuchs, Jürgen (Mitglied der SED) ist zu beachten, daß er versucht, seine Absichten mit Aktivitäten in der FDJ-Arbeit der Universität Jena zu tarnen.

Pannach, Gerulf, einem exmatrikulierten Studenten der Karl-Marx-Universität Leipzig und häufigen Texter der Klaus-Renft-Combo, wurde durch die Abt. Kultur beim Rat des Bezirkes Leipzig aufgrund seines negativ/feindlichen Auftretens der Berufsausweis entzogen und Auftritte als Kapellensänger nur befristet und mit Genehmigung der Abt. Kultur gestattet. Pannach trat ohne Genehmigung am 4.3. und 5.3.75 in der Hauptstadt in einer Veranstaltung »Beat im Metropol« (»Metropol-Theater«) und in Karl-Marx-Stadt an der Technischen Hochschule auf. Er benutzte dazu Konzerte der Klaus-Renft-Combo, die ihm durch Spielpausen ein Auftreten ermöglichte und dabei betonte, daß Pannach zwar »Auftrittsverbot« habe, die Combo sich jedoch mit ihm solidarisiere.

Bei der Veranstaltung in Karl-Marx-Stadt trat ein namentlich noch nicht bekannter angeblich juristischer Berater der Klaus-Renft-Combo auf und untersagte Mitschnitte der Veranstaltung. Pannach trug mit Gitarre eigene und Lieder von Wolf Biermann und Kurt B a r t s c h vor. Darunter befanden sich das »Che-Guevara-Lied« und »Die Ballade vom Kameramann« von Biermann. 

Seine eigenen Lieder richteten sich (»Lied über den 1. Mai«, »Überholen ohne einzuholen«) besonders gegen die Maifeiern in der DDR, zu denen die Menschen auf die Straße getrieben, mit Alkohol »versorgt« würden, während die Ideen von Marx und Engels verraten worden seien. In der DDR würden Idioten zu Idolen gemacht; das sei »DDR-Konkret«.

Durch das Bundessekretariat des Kulturbundes der DDR wurden mit Schreiben vom 14.2.1975 alle 1. Sekretäre der Bezirksleitungen des Kulturbundes vom Vorkommnis in Bad Köstritz in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß die Personen Wegener, Pannach und Fuchs im Kulturbund künftig nicht mehr auftreten können.

Am 21.3.1975 informierte der Minister für Kultur alle Mitglieder der Räte und Leiter der Abteilungen Kultur der Räte der Bezirke über das Auftreten des Pannach. Er bestätigte das Auftrittsverbot für Pannach und beauftragte alle Leiter, einen Auftritt von Pannach mit oder ohne Renft-Combo nicht zuzulassen.

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Durch die Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst der DDR erfolgte mit der Renft-Combo eine Aussprache. In ihrem Ergebnis wurde dem Leiter der Combo eindeutig zu verstehen gegeben, daß ein Auftreten mit Pannach Konsequenzen für das weitere Bestehen der Combo nach sich ziehen werde.

 

Zur Verhinderung weiterer derartiger negativer bzw. feindlicher Aktivitäten dieser und anderer Personen sind folgende Maßnahmen durchzusetzen:

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Rückgabetermin: 30.12.1975 
an Hauptabteilung XX/AIG 

 

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Berlin, den 1.12.1978

 Information

 

1. Am 17.10.1978 wurde am PZA Leipzig eine Grobsendung (postalisch nicht nachweisbar) festgestellt, die von der Pressestelle der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH Stuttgart, 7 Stuttgart, Neckarstraße 121
an Herrn
Erich Loest

zum Versand gebracht wurde. Der Inhalt dieser Sendung besteht aus 5 Rezensionsblättern zu dem vom Empfänger verfaßten Roman »Es geht seinen Gang«. Sie beinhalten Hetze und Verleumdung gegen die DDR.

Am 3.11.1978 wurde diese Sendung dem Leiter des Büros des Ministers für Kultur, Genossen Werner, durch den Stellvertreter des Leiters der Zollverwaltung, Genossen Inspekteur Arndt, zur Kenntnis und Übermittlung eines Standpunktes übergeben (vgl. Anlage l). Die Antwort liegt noch nicht vor. Die Sendung steht bis zur Herbeiführung einer abschließenden Entscheidung unter Verfügungsverbot.

 

2. Am 17.11.1978 wurde am PZA Leipzig eine weitere Grobsendung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH, 7 Stuttgart, Neckarstraße 121, an Herrn Erich Loest festgestellt. Diese Sendung beinhaltet

1 Rezension des »Spandauer Volksblattes« v. 1.10.78 
1 Rezension der »Gemeinsamen Zeitung der katholischen Arbeitnehmer Bewegung Köln« 11/78 und 
1 Manuskript vom Süddeutschen Rundfunk.

Die Rezensionen beinhalten Hetze und Verleumdungen gegen die DDR. Die Sendung ist im Original als Anlage 2 beigefügt. Sie befindet sich gleichfalls bis zur Herbeiführung einer abschließenden Entscheidung unter Verfügungsverbot und könnte je nach Erfordernis ohne Benachrichtigung eingezogen oder dem Genossen Werner im Ministerium für Kultur ebenfalls zur Abstimmung zugeleitet werden.

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3. Am 17.11.1978 wurde am PZA Leipzig

1 Paketsendung (Nr. 208), (postalisch nachweisbar)

an Herrn Erich Loest festgestellt. Absender dieser Sendung ist:

Mohr
45 Osnabrück
Natruperstr. 8

In dieser Sendung sind 19 Fotografien enthalten, die alle auf der Rückseite den Stempelaufdruck »Copyright Stern Hamburg 1 Foto: Meffert« tragen. Diese Bilder enthalten Aufnahmen von Erich Loest in Leipzig und ältere Familienfotos. Die Aufnahmen von Erich Loest in Leipzig lassen u. a. darauf schließen, daß er sich in Begleitung eines BRD-Bürgers befindet. Diese Aufnahmen sind als Anlage 3 beigefügt. Die Sendung befindet sich ebenfalls unter Verfügungsverbot.

 

4. Am heutigen Tage ist der Journalist der Zeitung »Stern«

Winfried Maaß geb. 31.10.1928 wohnhaft: in Hamburg Bantschowstraße 26

über das GZA Bornholmer Straße mit einem gelben BMW (Mietwagen) - Kennzeichen M-UV 3348 - eingereist. Er führte ein Manuskript von 20 Seiten zu dem Buch von Erich Loest »Es geht seinen Gang« mit, das er dem Verfasser in Leipzig persönlich überbringen will. Dieses Manuskript soll im »Stern« veröffentlicht werden. Am Grenzzollamt wurde das Manuskript dokumentiert und dem Journalisten die Einfuhr in die DDR gestattet. Der Film ist als Anlage 4 beigefügt.

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