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Eröffnung und Begründung der Forderung nach der konkreten Utopie  

von Bene am 31.5.2000 in den Singener Werkstätten  -  ehemals utopie2000.com 

Bene lebt und arbeitet in Rielasingen am westlichen Bodensee, versucht sich an einem evolutionären Kunstbegriff und tritt für eine verbindliche Avantgarde ein.


 

Guten Abend !

Wir haben keine Zeit zu verlieren und das ist mindestens im doppelten Sinne gemeint. Fünf Tage für eine Aufgabe, die wir uns und Ihnen gestellt haben, zu der die Singener Werkstätten eingeladen, mehr noch, zu der sie aufgefordert haben: Die Forderung nach der konkreten Utopie.

Fünf Tage sind nicht viel und die Aufgabe ist groß. Wer etwas fordert, der soll es auch begründen.

Dass die Realität immer unmöglicher wird, ist eine der zentralen Thesen der Singener Werkstätten, und hier beginnt schon die Zumutung. Gewiss, die Realität ist da, das ist faktisch bewiesen, das macht sie ja gerade aus. Die spannende Frage jeder Realität aber lautet: "Wie lange ist sie?". In einer Welt, die solange wir sie zurückverfolgen können, immerfort dem Wandel unterlag, kann es viele Zustände geben, nur eben "Wie lange?"

(lange Stange fällt um) Aktion 1

Für einen kurzen Moment war es Realität, dass diese Stange aufrecht stand, aber der Moment dauerte nicht lange, der Zustand war offensichtlich instabil, die physikalischen Naturgesetze wirken aber auf stabile Zustände hin. Wobei stabil immer relativ zu verstehen ist. Was also sagt uns dieses simple Experiment für die Eingangsthese, das die Realität immer unmöglicher wird?!

(Exponentialkurven) Graphik 1

Die Phase der atemberaubenden Expansion und Beschleunigung des Menschen ist gerade 150 Jahre alt, seit etwa dem Jahre 1850 steigen die Kennkurven der Menschheit exponential an, Bevölkerungszahl, Energie- und Ressourcenverbrauch, usw.
Diese Kurven nähern sich einem quasi senkrechten Steigflug und deshalb sind sie hochgradig instabil. Hier greift der Vergleich mit der Stange. Auch diese Kurve wird sich in einen relativ stabilen Zustand begeben müssen und sie wird es tun, so oder so.

(Hinweis auf zwei Entwicklungslinien) Graphik 2

Die Aussage, daß die Realität immer unmöglicher wird, ist also keine Weigerung, sie als solche zu erkennen und anzuerkennen, sondern sie ist das Ergebnis einer Untersuchung, welche besagt, dass diese Realität immer instabiler wird, dass sie sich in einer kritischen Phase befindet.

Ein einziger, schlichter Hinweis zur Dynamik der menschlichen Exponentialfunktion: Wir werden in den ersten 20 Jahren des 21. Jahrhunderts etwa gleich viel fossile Ressourcen verbrauchen wie im gesamten 20. Jahrhundert.

Also, die in letzter Zeit vielbeschworenen Gesetze der Nachhaltigkeit beschreiben nichts anderes als relativ stabile Zustände. Sie sind insofern eine banale Erkenntnis, wenn auch ihre Umsetzung eine gewaltige Herausforderung ist. Realistisch gesehen die größte vor der die Menschheit je stand.

Die Realität wird immer unmöglicher, und deshalb muß das scheinbar Utopische - jenes Phantom, dass eigentlich unerreichbar sein sollte - ins Zentrum des Strebens rücken.

Dieses Projekt ist also im Wortsinne verrückt: Erstens, die Verdrehung von Realität und Utopie aufarbeiten, zweitens, über konkrete Utopien nachdenken, von einer langfristigen menschlichen Existenz, die funktionieren könnte. Das ist viel mehr, als man zunächst meinen könnte.

 

Man wird bei nüchterner Bestandsaufnahme und Untersuchung all unserer seltsamen Gebräuche und Verhaltensweisen eine sehr große Vielfalt feststellen. Man wird manche als vernünftig, andere als tendenziell unvernünftig, wieder andere als regelrecht blödsinnig bezeichnen. Man wird aber auch zugeben müssen, dass ein verbindlicher Masstab zur Beurteilung dieser vielfältigen Verhaltensformen des modernen Lebens fehlt.

Ganz gleich ob wir einen solchen Masstab haben oder ob wir überhaupt einen anstreben, festzustellen ist, dass fast alles, was der moderne Mensch im Laufe seines Lebens so anstellt - ganz gleich ob scheinbar vernünftig oder nicht - von einer immensen Menge fremder Energie angetrieben wird. Wir sind angetrieben von den je eigenen, persönlichen Motiven, aber immer von fremder Energie. Während bis ungefähr 1850 - also vor gerade mal 150 Jahren - alle Aktivitäten aus den frei verfügbaren Energiequellen bestritten wurden, ist mit der Entdeckung und Nutzbarmachung der fossilen Energiequellen eine Abhängigkeit entstanden, eine lustvolle Gefangenschaft.

Zu diesem Komplex erhoffen wir uns einige Hinweise vom Freitagsprogramm: Scheer, Grassl, Hennicke und Disch.

Der Volksmund sagt in einer übertriebenen Vereinfachung "So geht's nicht weiter!"

Und wo er recht hat, hat er recht: Es stellen sich zwei Fragen, nämlich "Warum geht es nicht so weiter?" und "Wie könnte es denn weitergehen?"

Das Mensch-Sein, wie wir es heute verstehen und praktizieren, entzieht sich selbst die Grundlagen und dieser Vorgang wird begleitet von einer beeindruckenden kollektiven Verdrängungsleistung.

Jeder weiss, dass wir ums Überleben nicht so weitermachen können wie bisher. Und jeder vermutet, dass wir genau das tun werden. Sachzwänge nennt man das, seit neuestem auch Globalisierung. Wir kennen viele Argumente, nicht alle - wir kennen auch die Gegen-Argumente. Es ist langweilig. Es ist unsympathisch. Immer dieser Gestus des Weltverbessers, des Kulturkritikers, Widersprechers. Man will den anderen nicht den Spass verderben. Lieber mitmachen bis zum bitteren Ende; in Optimismus machen; positiv denken; die Menschheit erscheint mir als eine Schicksalsgemeinschaft gut gelaunter Zyniker.

In Wahrheit aber sind wir alle Grüne. Wenn man die Grünen als jene Partei und ehemals Bewegung definiert, die als erste den Erhalt der Lebensgrundlagen zum zentralen Thema machten, dann sind wir deshalb alle Grüne, weil wir alle vom Erhalt dieser Lebensgrundlagen abhängig sind.

An dieser Stelle vielleicht eine kleine Anmerkung zur Entstehungsgeschichte des Programms. Es ist weniger das Ergebnis der Vorauswahl, als vielmehr das der Reaktionen. Wir hatten einige prominente Mitglieder der grünen Partei eingeladen, wie auch Mitglieder aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Gekommen sind diejenigen, die mit konkreten Utopien etwas anfangen können.

Es soll ja ums Grundsätzliche gehen, es soll in die Tiefe gedacht und diskutiert werden, es geht also um die großen Worte und Ideen.

 

Was sind denn die großen Leitideen und Leitmotive?

z.B. der Fortschritt
Der Begriff unterstellt, wir würden fortschreiten, uns von einem Ort zu einem anderen bewegen, es ist wie eine Art Fluchtreflex, je ärger die Zumutungen der Gegenwart, desto inbrünstiger die Hoffnung auf einen Fortschritt, der uns erlösen möge.

Aber die Idee eines Fortschritts der Menschheit hin auf einen ihr als Ziel gegebenen Zustand hat sich verflüchtigt und ist von der bescheidenen wie gleichermaßen übermächtigen Aufgabe ersetzt, sich um ihr bloßes Überleben sorgen zu müssen.

Statt ideale Zustände anzustreben sind die Lebensgrundlagen zu sichern, das könnte eine denkbare Umschreibung der konkreten Utopie sein. Und es wäre auch schon ein idealer Zustand, weil es die Grundlage alles weiteren ist.

Wer also meint, Fortschritt fände automatisch und ohne Ende immerzu statt, der hat das evolutionäre Spiel nicht verstanden, es kennt Sackgassen, Seitenarme, Erfolge, vorübergehende Erfolge und erfolgreiche Anpassungen.

 

Ein weiterer Zentralbegriff: Wettbewerb

Wie lange ist Wettbewerb möglich und worum kann man überhaupt konkurrieren?

Die Notwendigkeit eines langfristig orientierten Überlebensethos leuchtet verstandesmäßig durchaus ein, wird aber durch unsere fatale Programmierung auf den Wettlauf im Jetzt verhindert.

Es spricht vieles dafür, dass wir stammesgeschichtlich auf diesen Wettlauf im Jetzt programmiert sind. Seitdem die ersten Organismen die Erde besiedelten, war im Wettstreit um die Ressourcen der schnellere im Vorteil. Dazu bedarf es keines Bewußtseins. Auch diejenige Algenart, die geringfügig schneller wächst und so einer anderen Art das Licht wegnimmt, erreicht einen Vorteil und gibt diesen an die Nachkommen weiter. Unter evolutionären Bedingungen musste sich vermutlich eine fortwährende Beschleunigung ergeben, deren Scheitelpunkt wir selbst, die menschliche Spezies darstellen. Selbst wir Menschen waren für lange Zeit in so dünner Besiedlung auf dem Planeten verteilt, dass wir keinen auf Dauer zerstörerischen Einfluss ausüben konnten.

Aber auch innerhalb der menschlichen Evolution galt ja der Vorteil des Schnellen und so haben wir einen Zustand der technischen Zivilisation erreicht, der als evolutionärer Scheitelpunkt gelten muss. Glücklicher weise sind wir aber - im Gegensatz zu allen vorherigen Lebewesen in der Lage, vorausschauend zu agieren, die Folgen unseres Handelns abzuschätzen und die beschriebenen Gesetzmäßigkeiten der Beschleunigung zu erkennen. Wir sind die ersten Wesen, die das als Notwendig erkannte aus Einsicht in die Tat umsetzen können. Warum ist das so schwer? Vermutlich weil die stammesgeschichtliche Programmierung uns weit mehr beherrscht, als wir es zugeben wollen.

Wozu führt fortgesetzter Wettbewerb auf dem Niveau, welches wir erreicht haben?

Hier entlarvt gerade die sprachliche Analogie zum Sport die katastrophale Logik. Ein Wettrennen ist immer eine definierte Aktion, hin auf ein gegebenes Ziel: 100 m, 1000 m, 42 km! Ganz gleich, wieweit, ein Ziel steht fest, ist es erreicht, so kehren Ruhe und Erholung ein.

Selbstverständlich hinkt dieser Vergleich wie ja grundsätzlich alle Vergleiche, aber das Entscheidende wird klar: Ein Rennen zu laufen, das gar kein Ziel hat, in dem sich alle nur gegenseitig weiter antreiben, immer zu und immer weiter, ist eine gewohnheitsmäßige Raserei und kann nur mit der physischen und psychischen Zerstörung der Beteiligten enden. Und genau das ist der Zustand und die Logik einer Weltgesellschaft unter hochentwickelten Wettbewerbsbedingungen. Globalisierung heißt atemloses Rennen bis zum Umfallen. Die Zahl der Verlierer in diesem absurden Rennen wächst stetig und innerhalb der systemischen Bedingungen kann dies logisch auch gar nicht anders sein.

Solche Prozesse meinen wir, wenn wir davon sprechen, über das Grundsätzliche nachdenken zu wollen. Also das was unter der sichtbaren Oberfläche am Grund ist.

Die kurzfristige, tagespolitische Ebene ist bekannt: "Wettbewerbsvorteil", Standort Deutschland", "Höhere Produktivität" usw., das sind hier die Schlagworte. Wohin aber führt quasi unendlicher Wettbewerb auf immer höherem Niveau, bei immer mehr Teilnehmern, in einem begrenzten Raum?

Dazu wird sicher auch Peter Kafka im Anschluss einiges zu sagen haben.

Wachstum
Beim gegenwärtigen Tempo des Bevölkerungswachstums (ab ca. 1800, seit die Kurve steil nach oben schiesst, alle 40 Jahre eine Verdoppelung) werden wir irgendwann zwischen den Jahren 2500 und 2600 die ultimative Stehparty feiern - auf jedem Quadratmeter Landoberfläche ein Mensch! 

Es geht hier also darum, zu begreifen, warum unsere aktuelle Realität nicht funktionieren kann und nicht funktionieren wird und es geht darum, gemeinsam konkrete Utopien zu erarbeiten, die funktionieren könnten.

Ethik / Werte
Ethik steht immer im Widerspruch zum Vorteilsdenken, zum unbedingten Wahrnehmen des eigenen Vorteils. Werte, im Sinne von Normen - auch die Herkunft des Wortes verrät es, haben sich bewährt, sie sind also erprobt, was seine Zeit braucht. Unter fortwährender und beschleunigter Veränderung kann es also gar keine Werte geben. Eine im Beschleunigungsfieber liegende und den Werteverlust beklagende Gesellschaft will diesen fundamentalen Widerspruch nicht wahrhaben. Er ist unauflöslich. Aber weil man sich nicht für eines von beidem entscheiden kann, will man auch den zugrundeliegenden Widerspruch nicht wahrhaben. Die Widersprüche, an denen unsere Zivilisation krankt, sie trotzen jeder simplen Logik.

Die Substanz der Begriffe, des Denkens muß aufrichtig und gründlich untersucht sein, wenn das kollektive Handeln auf eine vernünftige Basis gestellt werden soll.

Funktioniert die Sprache überhaupt noch als Mittel der Verständigung oder ist sie im Gefolge von Pluralismus und Individualismus zum Medium des umfassenden Mißverständnis geworden?!

Auch das ist eine der beunruhigenden Fragen, die mit der Forderung nach der konkreten Utopie verbunden sind.

Die Geistes- und Wissenschaftsgeschichte zeigt zwar, dass der Mensch vernunftbegabt ist, aber von einem zwingend vernünftigen Wesen auszugehen, scheint angesichts der Tollheiten abwegig.

Der mediale Input hat sich zum Delirium forte gesteigert, die Überforderung ist chronisch geworden. Wie überhaupt auswählen unter den unendlich vielen und sich widersprechenden Informationen, wie bewerten, woran messen, wann sich besinnen. Die kollektive Raserei ist zum Leitbild der zivilisatorischen Entwicklung geworden, der Takt wird ständig erhöht, die Mhz der Computer sind Ausdruck und ein treffendes Sinnbild einer ökonomischen und technologischen Beschleunigung.

Hier will die Forderung nach der konkreten Utopie Raum zum Innehalten geben, zur Besinnung und zum gemeinsamen Nachdenken. Nehmen Sie sich bis Sonntag frei, es können bedeutende Tage werden.

Die Intellektuellen sind zum Großteil übergelaufen ins Lager der Schwarzkittel, (die Uniform der Ohnmächtigen) mit einer ausgeprägten Bereitschaft zur Ohnmacht. Notwendig und in diesem Rahmen eingefordert sind aber Willen zur Einmischung, zur Gestaltung, zur Debatte. 

Das Gehirn des Menschen steht auf dem Prüfstand der Evolution. Die Leistungen dieses Organs haben uns die aktuelle Situation eingebrockt, und nur ein annähernd richtiges, das heißt angepasstes Verhalten wird uns durch die anschwellenden Stromschnellen der nächsten hundert Jahre hindurchführen. 

Nachdem bisher soviel und immer wieder vom Denken die Rede war, liegt es nahe, einmal die Leistungsfähigkeit, die Struktur und die Grenzen des menschlichen Denkvermögens zu untersuchen. Dazu erhoffen wir uns einige Hinweise durch Lars Muckli, der morgen um 10 Uhr den Einstieg ins Tagesprogramm liefert: Wie denkt der Mensch und wieweit können wir ihm dabei folgen?

Lange Rede, kurzer Sinn:

Was hier in den nächsten fünf Tagen passiert, ist eine zwingende Notwendigkeit, die sich aus unserer eigenen Geschichte ergibt, die Geschichte der Menschheit selbst zwingt uns, innezuhalten, über Grundsätzliches nachzudenken, zur Besinnung zu kommen, wenn möglich in zentralen Fragen einen Konsens herzustellen, und dann in konkrete Aktionen zu kommen. Das Denken und Streben über die Realität hinweg, hin zu konkreten Utopien, muss und wird an vielen Orten stattfinden, weil die Realität selbst instabil wird. Soviel zur programmatischen Einstimmung. 

Ich möchte jetzt noch einige technische Hinweise zum Ablauf der nächsten fünf Tage geben: 

Hier, im Raum der konkreten Utopien ist weder Zeit noch Platz für die modernen höfische Rituale, für gesellschaftliche Höflichkeiten, Nettigkeiten, Verbeugungen und Rücksichtnahmen. Jeder ist willkommen, niemand wird bevorzugt, es gibt keine Begrüßungsdiplomatie entlang der lokalen Hackordnung. Dies ist ein Ereignis von allgemeiner menschlicher Bedeutung und es richtet sich an die Menschen im allgemeinen. Es gilt der allgemeine Relativitätssatz der Menschheitsgeschichte: Jede und jeder ist ein Hansele, jeder, selbst der vermeintlich größte und wichtigste, kann irren. Wir sind alle kosmische Staubmilben, das macht es nicht leichter, aber es gibt eine Ahnung davon, dass wir ein Schicksal teilen. 

Umso mehr Raum ist hier für Gespräche, Streitgespräche, Diskussionen in die Tiefe und dies ist auch in der Programmstruktur berücksichtigt. Nach allen Beiträgen ist ungefähr gleich viel Zeit für die Diskussion vorgesehen. Zusätzlich jeden Abend Open-End um den Tag Revue passieren zu lassen.

So wie ein Großteil der Referenten für mehrere oder gar alle Tage anwesend ist und sich bei den je anderen einbringt so ist unsere Hoffnung auch auf der Publikumsseite, dass sich eine mehrtägige, gemeinsame Inter-Aktion ergibt. Dieser Hoffnung leisten wir durch bequeme Sofas Vorschub.

Nehmen Sie sich fünf Tage Zeit, wir brauchen sie.

Alle Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik und Kultur, die in den nächsten fünf Tagen hier ihre Beiträge bringen, unterliegen vor allem dem Gebot der Verständigung. Es geht nicht ums rhetorische Ping-Pong, sondern um den Versuch, sich über zentrale Fragen zu verständigen. Es ist eine spannende Frage ob sich Menschen, bei dem Grad an Pluralität, Individualität und Komplexität, den wir erreicht haben, überhaupt noch auf etwas verständigen können, ob Sprache als solche funktioniert.

Wenn es sich bei der allgemeinen zivilisatorischen Entwicklung um eine Fehlentwicklung handelt und davon gehen wir im Rahmen dieses Ereignis aus, dann liegt die besondere Brisanz im Vermerk "allgemein". Er besagt, daß neben dem Mut zur Kritik am anderen ohne Rücksicht auf seine echte oder vermeintliche Stellung vor allem auch die Fähigkeit zur Selbstkritik gefordert ist. Im Nachdenken untersuchen wir uns selbst.

Die Forderung nach der konkreten Utopie braucht Konzentration, deshalb findet die Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse bitte nur zwischen den eigentlichen Beiträgen und ausserhalb des Zeltes statt. Rauchen, Trinken und Essen bitte rund ums Zelt, aber hier, im Utopie-Raum soll der Geistes-Hunger gestillt werden.

Während der Pausen sind am Büchertisch neben dem Eingang die aktuellen Bücher der Teilnehmer erhältlich. Dort finden sie auch Postkarten und Kunstdrucke aus einer Serie, die von den Fotokünstlern Kuhnle und Knödler aus Radolfzell kostenlos angefertigt wurde. Es ist gleichermaßen eine Vermischung von Utopie und Alltagsrealität wie auch eine Porträtreihe der Singener Werkstätten. Für diese massive Unterstützung ein aufrichtiges und öffentliches Dankeschön. Im übrigen wurden wir von einer ganzen Reihe von Menschen aus der Region mit Sachleistungen und Geldspenden unterstützt. Auch dafür sei hier gedankt. Der Erlös der Postkarten und Kunstdrucke fliesst ausschließlich in die Refinanzierung dieses Ereignis. Schließlich: Freiwillige Beiträge aus dem Publikum werden durchaus nicht abgelehnt.

Klar ist aber, die Forderung nach der konkreten Utopie kostet generell keinen Eintritt und auch die Teilnehmer verzichten auf ein Honorar. Dies ist schon eine erste konkrete Utopie, entgegen dem Trend zur restlosen Kommerzialisierung aller Lebensbereiche: Die Welt ist nicht Ware, sondern Wunder! Das Denken über die Welt muß kostenlos sein.

Auch die Singener Werkstätten - die Initiatoren und Gastgeber der nächsten fünf Tage - haben in der rund dreijährigen Vorbereitungszeit nur an der Hülle der Erkenntnisse gekratzt. Immerhin genug, um einen Satz zu formulieren, den man getrost als Vorsatz der Forderung nach der konkreten Utopie verstehen darf:

"Die Realität selbst ist unmöglich geworden, weil sie zwar verwirklicht, aber auf keinen Fall langfristig lebensfähig ist, und eine zu findende Utopie ist zwar nicht wirklich, wäre aber möglicherweise lebensfähig."

So viel zur Begründung und Erläuterung der Forderung nach der konkreten Utopie.

Den einführenden Beitrag wird jetzt Peter Kafka leisten.

 

E n d e

 

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