Von Tomasz Konicz

Bloch vs. Dschungelcamp

Worin besteht die Erbschaft einer Zeit, in der sadistische Demütigungsshows
ein begeistertes Millionenpublikum finden?

24. Januar 2013

 

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Bernd Hamm 

Währung Aufmerksamkeit 

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Müsste das Dschungelcamp allein aufgrund seiner Einschaltquoten beurteilt werden, so würde es als eine Sternstunde deutscher Fernsehkunst in die Annalen der Medienbranche eingehen. Mit rund 7,77 Millionen Zuschauern beim Start der neuen Staffel konnte die Ekelsendung einen neuen Rekordwert aufstellen, der RTL eine fette Quote von 36,5 Prozent bei der werberelevanten Altersgruppe zwischen 14 und 49 Jahren bescherte. Und es geht weiter aufwärts: Am 14. Januar konnte das Dschungelcamp sogar einen neuen Rekordwert von bis zu 8,1 Millionen Zuschauern verbuchen.

Somit ist ein Fernsehformat, bei dem die öffentliche Demütigung von Menschen zur vollendeten Perfidie gebracht wurde, Teil der bundesrepublikanischen Medien- und Alltagskultur geworden.

Die neuesten Ekelprüfungen und die korrespondierenden Zusammenbrüche der Campteilnehmer bilden einen beliebten Gesprächsstoff beim Small Talk zwischen Arbeitskollegen. In den Kommentarspalten zu den Zeitungsartikeln, die in einer regelrechten Textschwemme die Bösartigkeiten der Dschungelhölle nochmals Revue passieren lassen, finden sich reihenweise regelrechte Leistungsbeurteilungen der armen Teufel, für die das Camp die letzte Station bei ihrem Abstieg ins Prekariat oder Hartz IV darstellt. Ulf Poschardt konstatierte in der Welt gar ein Ankommen des Dschungelcamps im Mainstream der Bundesrepublik:

Der Weg in die Mitte der Gesellschaft für das einst als "Ekelfernsehen" marginalisierte Dschungelcamp war lang. 2010 wurde es noch abgesagt, weil es zu wenige Anzeigenkunden gab. In der nun aktuellen siebten Staffel verdient RTL damit nicht nur überragende Aufmerksamkeitswerte, sondern auch viel Geld mit Werbung.

Der Ekel ist somit zum massenmedialen Allgemeingut geworden, doch trügt die Aufstiegsgeschichte der anfangs "marginalisierten" Show über deren Funktion im Medienbetrieb.

Das Dschungelcamp ist deshalb so erfolgreich, weil es bestimmte Bedürfnisse bei einem immer breiter werdenden Publikum befriedigt, die zuvor in solch einer Intensität nicht präsent waren. Es ist gewissermaßen ein Produkt der "Mitte", in der sich immer stärker die Wünsche regen, andere Menschen erniedrigt, gequält, unterworfen und ausgebeutet zu sehen. Der Erfolg des Dschungelcamps verweist somit auf ein sich immer stärker aufstauendes autoritäres Potenzial in der Bevölkerung. Ohne das krisenbedingt anschwellende Bedürfnis, Menschen im Dreck kriechen zu sehen, wäre das Dschungelcamp eine Marginalie der Fernsehgeschichte geblieben.

Dabei stellt dieses Fernsehformat keine vollständige Innovation dar. Die historischen Vorläufer der heutigen Demütigungs-Shows finden sich in den 20er und 30er Jahren, als sogenannte "Tanzmarathons" in Mode kamen, bei denen die Teilnehmer mitunter wochenlang bis zur totalen Erschöpfung um ein Preisgeld gegeneinander tanzen mussten. 

[  Spielfim 1969:  wikipedia  Nur_Pferden_gibt_man_den_Gnadenschuss ]

Und es sind gerade solche Manifestationen eines kaum gezügelten Sadismus, die einen zuverlässigen Indikator für die Zunahme autoritärer und reaktionärer Einstellungen in der Gesellschaft, wie etwa der späten Weimarer Republik, liefern.

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