Elizabeth Kolbert  

Vor uns die Sintflut

Depeschen von der Klimafront

 

 

Field notes from a catastrophe.
Man, nature, and climate change

 

 

2006 im Bloomsbury Pub., New York

2006 im Berlin-Verlag

2007 im Berliner-Taschenbuch-Verlag

Elizabeth Kolbert 2006 Vor uns die Sintflut Depeschen von der Klimafront Field notes from a catastrophe. Man, nature, and climate change

2006

206 Seiten

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Klimabuch 

David Wallace 2019

 

wikipedia  Depesche

 

 

 

 

Inhalt

 

Vorwort zur deutschen Ausgabe (7)

Vorwort (11)

 

TEIL 1 Natur  (15)
1  Shishmaref, Alaska  (17)
2  Ein wärmerer Himmel 46
Unter dem Gletscher 55
4  Schmetterling und Kröte 77

 

TEIL 2 Der Mensch  (99)

5  Der Fluch über Akkad 101

6  Schwimmende Häuser 130

7  So weiter wie bisher 141

Der Tag nach Kyoto 158

9  Burlington, Vermont 182

10 Der Mensch im Anthropozän 193

 

Danksagung  204

Auswahlbibliographie und Anmerkungen  206

 


 

Klappentext

 

Tauendes Polareis, Naturkatastrophen von ungeahnten Ausmaßen, ganze Landstriche, die im Wasser versinken. Erderwärmung und Klimawandel infolge des unkontrollierten Ausstoßes von Treibhausgasen sind längst keine graue Theorie mehr - für viele Menschen sind sie bereits bittere Realität.

Elizabeth Kolbert begibt sich an die Orte, an denen die konkreten Auswirkungen des Klimawandels heute schon spürbar sind, spricht mit Wissenschaftlern und akut Betroffenen und zeichnet ein ebenso unbestechliches wie eindrückliches Bild der Lage. Sie besucht Inuit in Alaska, die umgesiedelt werden, weil das Eis ihre Häuser nicht mehr trägt, Bewohner "schwimmender Eigenheime" in den Niederlanden, Schmetterlingsforscher in England, Gletscherbeobachter in Island, vor allem aber auch zahlreiche Klimaexperten und politische Entscheidungsträger weltweit und lässt sie ihre Sicht der Dinge schildern.

 


 

perlentaucher  elizabeth-kolbert/vor-uns-die-sintflut.html

 

zu Süddeutsche Zeitung, 26.07.2006

Rezensent Alex Rühle empfiehlt diese "Depeschen von der Klimafront" allen, die den düsteren Prognosen und Warnungen von Klimaforschern misstrauen.

Denn Elizabeth Kolbert, Reporterin des "New Yorker", hat Menschen aufgesucht, die den Klimawandel bereits zu spüren bekommen - kanadische Inuit, isländische Gletscherforscher oder britische Schmetterlingsforscher. Am unheimlichsten findet Rühle an diesen Reportagen den "leisen Ton", mit dem sich die zu Wort kommenden Forscher wundern, dass ihre pessimistischen Vorhersagen von der tatsächlichen Entwicklung noch übertroffen werden.

 


zu Die Tageszeitung, 03.06.2006

Bestnoten vergibt Rezensent Manfred Kriener an die in diesem Buch versammelten "unaufgeregten Reportagen" über den Klimawandel und die daraus resultierende Erdzerstörung, die seiner Einschätzung zufolge selbst "abgebrühte Umweltveteranen" erschaudern lassen dürften.

Aus Sicht des Rezensenten ist das Buch außerdem so gut recherchiert, dass es auch Abonnenten des "Greenpeace-Magazins" auf "fast jeder Seite spannende Neuigkeiten" zu bieten hat.

Ungewöhnlich findet Kriener die Reportagen der New Yorker Journalistin vor allem deshalb, weil Elisabeth Kolbert das Phänomen jenseits der üblichen Trampelpfade beschreibt: Sie porträtiere Ozeanografen, Archäologen, Glaziologen, Ornithologen oder Perma- und Amphibienforscher und sammele auf diesem Weg erstaunliche Details zu den Folgen der Erderwärmung.

Zu den stärksten Passagen des Buches zählt für den Rezensenten in diesem Zusammenhang die Recherche zu den Folgen des Abtauens der seit 120.000 Jahren festgefrorenen Böden der Arktis.


zu Frankfurter Rundschau, 12.04.2006

Udo Scheer bemerkt angetan, dass Elisabeth Kolbert in ihren Reportagen über den Klimawandel ganz auf "apokalyptisch-reißerische Weltuntergangsprophezeiungen" verzichtet.

Die aktuelle Lage ist allerdings schon schlimm genug, wie der Rezensent den Berichten von Island, Alaska oder den Niederlanden der amerikanischen Journalistin entnimmt.

Scheer lobt die "leicht verständlichen Exkurse", mit denen Kolbert Klimazusammenhänge erklärt, und zeigt sich erschrocken darüber, welche Ausmaße der Klimawandel bereits jetzt angenommen hat. Es sei abzusehen, da ist sich der Rezensent mit der Autorin einig, welche Folgen in nicht mehr ferner Zukunft eintreffen würden, wenn nicht ein weltweites Umdenken in Sachen Klimaschutz eintritt.


Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2006

Beeindruckt und besorgt zurückgelassen haben Elizabeth Kolberts "Depeschen" aus den Krisengebieten der Klimaerwärmung den Rezensenten Hans-Jochen Uhlmann.

Präventiv verteidigt er die Autorin auch gleich gegen den Vorwurf, hier schreibe ja nur eine Journalistin und keine Expertin.

"Dieses Buch ist ernst zu nehmen", betont Ulhmann, denn Kolbert fülle mit ihrem Wissenschafts­journalismus eben jene Lücke in der Wissensvermittlung, die die Naturwissenschaft kaum zu schließen imstande sei.

Kolbert kolportiere auch neueste Theorien, die sich offizielle Gremien wegen der aufwändigen Überprüfungs­routinen innerhalb der Wissenschaft noch lange nicht in den Mund zu nehmen trauen.

Mit Kolberts Berichten von ihren Besuchen bei Forschern in Alaska, Island und Grönland aber sei man "auf dem neuesten Stand der Gefahrenkenntnis", verspricht der schließlich doch leicht alarmiert klingende Rezensent.

 

2006 dlf Lesebericht

dlf  vor-uns-die-sintflut     Von Bettina Lendzian

Bekanntlich kämpft der US-amerikanische Präsident lieber gegen den Terror als gegen drohende Klimakatastrophen, die nicht zuletzt durch die schon traditionelle Vergeudung von Energie und Ressourcen in den Vereinigten Staaten immer wahrscheinlicher werden. So wurde, während der Präsident in Asien weilte, in der vergangenen Woche weltweit publik, dass Bush im letzten Sommer vor dem Ausmaß des drohenden Hurrikan Katrina rechtzeitig und angemessen gewarnt worden war – und trotzdem nicht reagierte.

Dabei sind die Auswirkungen des Klimawandels längst weltweit sichtbar: Ob Bergschäden in Alaska, schwimmende Eigenheime in den Niederlanden oder Schmetterlinge in Nordengland – sie alle sind Zeichen der globalen Erwärmung. Die amerikanische Journalistin Elizabeth Kolbert ist an Orte gereist, an denen der Klimawandel bereits sichtbare Auswirkungen hat, und stellte ihre Beobachtungen in den Kontext der wissenschaftlichen Fakten und politischen Entwicklungen zum Thema. Zunächst als Artikelreihe im renommierten Magazin „The New Yorker“ veröffentlicht, ist „Vor uns die Sintflut“ nun auch als Buch auf Deutsch erschienen. Bettina Lendzian stellt es Ihnen vor.

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„Am 23. August 2005 bildete sich im Südosten der Bahamas ein tropisches Tiefdruckgebiet – das zwölfte der Saison. Am nächsten Tag wurde das Tief zu einem Tropensturm heraufgestuft und erhielt einen Namen – Katrina. (...) Am 29. August traf Katrina mit Windgeschwindigkeiten von über 160 Stundenkilometern und einer Sturmflut, die tiefe Breschen in die Schutzdeiche schlug, auf New Orleans. Eine Katastrophe nahm ihren Lauf ...“

Nur ein paar Wochen vor der Katrina-Katastrophe im Süden der USA hatte das Massachusetts Institute of Technology eine Studie über den Zusammenhang zwischen Wirbelstürmen und der globalen Erwärmung veröffentlicht. Ein Hurrikan bezieht seine Energie aus dem warmen Oberflächenwasser der Meere. Die meisten Klimamodelle sagen deshalb vorher, dass es mehr starke Stürme geben wird, je wärmer die Ozeane werden.

Katrina ist deshalb für die amerikanische Journalistin Elizabeth Kolbert eine weitere Warnung, die die Menschheit ernst nehmen sollte. In „Vor uns die Sintflut“ listet sie Erkenntnisse und Versäumnisse zum Klimaschutz auf. Vor allem die Weigerung der USA, mit gutem Beispiel voranzugehen und den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren, analysiert sie detailliert. Die USA produzieren fast ein Viertel aller Treibhausgase weltweit. Doch die im Kyoto-Protokoll definierten Ziele könnten sie gar nicht mehr erreichen, sagte schon 2004 Nigel Purvess vom amerikanischen Think Tank „Brooklyn Institution“.

„Es gibt keine Chance, dass die Amerikaner das Kyoto-Protokoll unterschreiben. Sogar John Kerry hat das während seiner Kampagne gesagt. Die Reduktionsziele im Kyoto-Protokoll beziehen sich auf die Jahre 2008 bis 2012, und aus wirtschaftlicher Sicht ist das schon sehr bald. Es ist für die USA mittlerweile einfach zu spät, ihre Reduktionsziele aus dem Kyoto-Vertrag zu erfüllen. "

Die Autorin zitiert Regierungssprecher und Öllobbyisten und stellt die Gegner des Klimaschutzes bloß: die Uneinsichtigen, die, nur an schnellen Profit denkend, das Offensichtliche leugnen.

Sie entlarvt die oft widersinnigen Argumente aus Wirtschaft und Politik. So macht sich der Leser leicht die nahezu weltweite Ablehnung zu eigen, die zum Beispiel Außenminister Colin Powell 2002 auf dem Klimagipfel in Johannesburg erfuhr.

„Die USA handeln, um die umweltpolitischen Herausforderungen zu meistern. Das gilt auch für den globalen Klimawandel ... (Buh-Rufe, Tumult)“

Dennoch ist Kolberts Buch mehr als eine bloße Amerika-Schelte. Sie stellt auch detailliert Pläne vor, mit denen sich Kohlenstoffemissionen verringern lassen: die so genannten „Stabilisierungspakete“ des Princeton-Professors Robert Socolow, aber auch die Bemühungen einer kleineren Stadt in Vermont. Dort, in Burlington, haben es die Einwohner durch eine Vielzahl kombinierter Maßnahmen geschafft, den US-Trend umzukehren und Strom zu sparen. Global betrachtet aber sind solche Beispiele kaum von Bedeutung.

„Allein die neuen Kohlekraftwerke in China werden (...) über ihre gesamte Nutzungsdauer etwa 25 Milliarden Tonnen Kohlenstoff ausstoßen. Anders gesagt: Chinas neue Kraftwerke würden die gesamten Emissionseinsparungen Burlingtons – in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft – in weniger als zweieinhalb Stunden zunichte machen.“

Elizabeth Kolbert geht es darum, die globalen Zusammenhänge verständlich zu machen und zu zeigen, dass die Erderwärmung längst messbare Auswirkungen hat. Zum Beispiel im kleinen Dorf Shishmaref in Alaska. Es sind nicht nur die großen Katastrophen wie Katrina, die den Klimawandel bezeugen, sondern auch dieses Haus, unter dessen Fundament ein Eiskeil geschmolzen ist.

„Gleich um die Ecke zeigte mir Romanowski ein unbewohntes Haus, das praktisch in zwei Teile gespalten war. Der Hauptteil neigte sich nach rechts und die Garage nach links. Das Haus war in den sechziger oder frühen siebziger Jahren gebaut worden. Als der Dauerfrostboden vor zehn Jahren zu schmelzen begann, mussten die Bewohner ausziehen.“

Kolbert erzählt von einem Schmetterlingsforscher in England, der die Falter immer weiter im Norden suchen muss, wohin sie den steigenden Temperaturen folgen. Sie besucht eine Forschungsstation in Grönland, wo Wissenschaftler erkunden, wie sich das Klima seit der letzten Eiszeit entwickelt hat. Und sie fährt nach Island, wo die Menschen seit Jahren nachmessen, wie der Dorf-Gletscher schmilzt. In den Niederlanden, die zu einem Viertel unter dem Meeresspiegel liegen, bereiten sich die Einwohner längst auf ein Leben mit dem Wasser vor. Schließlich prognostizieren die Wissenschaftler für die nächsten hundert Jahre einen Anstieg des Meeresspiegels um 90 cm. Wer dann kein Wasser im Keller haben will, könnte auf diese schwimmenden Eigenheime ausweichen.

„Die Amphibienhäuser sehen alle gleich aus. Sie sind hoch und schmal, mit glatten Seitenwänden und gewölbten Metalldächern, so dass sie nebeneinander aufgereihten Toastern gleichen. Jedes Haus ist an einem Metallpfosten vertäut und ruht auf mehreren hohlen Betonpontons. Falls alles so läuft, wie geplant, werden die Häuser, wenn die Maas über die Ufer tritt, auf den Fluten schaukeln und, sobald das Hochwasser zurückgeht, wieder sanft auf Land abgesetzt.“

Die Grundidee des Buches ist gut: Orte zu beschreiben, an denen sich Klimaveränderungen bereits auswirken. Doch beschäftigt sich Elizabeth Kolbert damit nicht intensiv genug. Man möchte mehr darüber erfahren, was es für die Inuit in Alaska bedeutet, ihr ganzes Dorf umsiedeln zu müssen; wie sie sich fühlen, wenn sie Atemschutzmasken tragen müssen, weil die Waldbrände sich ausdehnen. Stattdessen präsentiert Kolbert rasch wieder Zahlen, Fakten und Experten-Zitate – Informationen, die man auch in den Zeitungen liest. Was das Buch eigentlich davon abheben könnte, eine lebendige Beschreibung der betroffenen Orte und Menschen – das kommt zu kurz. Hin und her gerissen zwischen Reportageband und Sachbuch, entscheidet Kolbert sich dafür, möglichst viele Fakten zu präsentieren.

Dabei schafft sie es allerdings, die wissenschaftlichen Zusammenhänge auch Laien verständlich zu machen. So beschreibt sie sehr anschaulich, wie sich die Menschen langsam des Phänomens der Erderwärmung bewusst wurden. Dementsprechend beginnt die Zeittafel am Ende des Buches 1769, dem Jahr, in dem James Watt sich seine Dampfmaschine patentieren ließ. Sie endet 2005, als das Schmelzen des Grönland-Eisschildes sein bisheriges Maximum erreichte und – das Kyoto-Protokoll in Kraft trat.

Bis zu den ersten Klimakonferenzen aber war es ein langer Weg. Zuerst einmal musste der Mensch den Treibhauseffekt erkennen und verstehen lernen. In einem kurzen Exkurs in die Wissenschaftsgeschichte erzählt Kolbert unter anderem von dem schwedischen Chemiker Svante Arrhenius, der schon im 19. Jahrhundert die Auswirkungen von Kohlendioxid auf die Temperatur der Erde untersuchte.

„Vielleicht aufgrund des Zeitalters, in dem er lebte, oder vielleicht auch, weil er Skandinavier war, nahm er an, dass die Folgen dieser Erwärmung insgesamt der Menschheit eher zuträglich wären. In einem Vortrag vor der Schwedischen Akademie im Jahr 1895 erklärte Arrhenius, die Zunahme der atmosphärischen Konzentration von Kohlendioxid, das damals Kohlensäure genannt wurde, erlaube künftigen Generationen, „unter einem wärmeren Himmel zu leben.“

Dass dieser wärmere Himmel nun Folgen zeitigt, die der Mensch noch gar nicht absehen kann, davon ist man nach der Lektüre überzeugt. Kolbert appelliert eindringlich an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen.

„Der Mensch ist nicht das erste Geschöpf, das die Erdatmosphäre verändert; diese Auszeichnung gebührt Urbakterien, die vor etwas zwei Milliarden Jahren die Photosysthese erfanden. Aber wir sind die erste Spezies, die dies in voller Kenntnis der Konsequenzen tut.“

Bei George W. Bush ist das nicht auf Anhieb zu erkennen. Nachdem Hurrikan Katrina große Teile von New Orleans zerstört hat, sagte er:

„This is our vision for the future. In this city and beyond. We’ll not just rebuild, we’ll build higher and better.“

Wo eigentlich eine Analyse der Ursachen erfolgen sollte, danach gefragt werden sollte, wie solche Katastrophen in Zukunft verhindert werden könnten, scheint der mächtigste Mann einfach nur an seinem Weg festzuhalten. Was muss noch passieren?, fragt Elizabeth Kolbert. Die globale Erwärmung zeigt doch schon genug Auswirkungen. Wenn es erst einmal soweit ist, dass sie jeder in seinem täglichen Leben spürt, dann ist es zu spät. Wie viele Wirbelstürme brauchen die Menschen noch, um umzudenken? Dass sie kommen werden, daran zweifelt Kolbert nicht.

„Man kann gewiss nicht sagen, dass ein bestimmter Sturm oder auch zwei Stürme hintereinander allein durch die globale Erwärmung verursacht worden seien; denn bei der Entstehung von Wetterereignissen wirken immer Faktoren zusammen. (...) Aber die Tatsache, dass die globale Erwärmung die Häufigkeit schwerer Stürme erhöht, bedeutet, dass katastrophale Wirbelstürme wie Katrina und Rita in den kommenden Jahren häufiger auftreten werden.“

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