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Epilog

 

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In der Zeit der politischen Wende weilte ich mit meiner Familie noch einmal in Johanngeorgenstadt, wo alles begann. Wir feierten dort in einer kleinen Pension Silvester. Die Kaserne, die mir einst in der Grundausbildung ein halbes Jahr lang Schrecken eingeflößt hatte, war zu dem Zeitpunkt keine mehr. Man hatte hier ausgerechnet ein Erholungsheim eingerichtet.

Zehn Jahre später, im Jahr 2000, besuchte ich eine weitere ehemalige Etappe meines Soldatenlebens. Ich fuhr mit meiner Frau dorthin, wo ich einst als Schreiber meinen Dienst versehen hatte, nach Stockhausen bei Eisenach. Und hier konnten wir auch gleich Quartier beziehen. Die ehemalige Fliegerschule und spätere Kaserne der Grenztruppen der DDR ist heute ein sehr schönes Hotel. Der ganze Gebäudekomplex wurde saniert, wobei die unschlagbare Architektur beibehalten wurde. Das ursprüngliche Offizierskasino, zu meiner Soldatenzeit Speisesaal, ist jetzt das Hotelrestaurant in Form eines amerikanischen Grillhauses. Es gibt sie noch, die acht Granitsäulen und das schwere Gebälk an der Decke. Nur die alten abgeschlagenen Wappen an den Säulen aus der NS-Zeit scheinen nicht mehr durch. Dort wo wir einst unsere Bestecke abgewaschen haben, befindet sich nunmehr die Rezeption und der ehemalige Soldatenclubraum ist jetzt ein sehr schönes Frühstückszimmer.

Ich war hocherfreut, als ich das Gebäudeensemble in so gutem Zustand vorgefunden habe. Sehr betrübt hat mich dann ein Telefonat, das ich schon so viele Jahre vor mir hergeschoben hatte. Angeregt durch die euphorische Stimmung wählte ich die Nummer meines alten Hauptfelds in Treffurt. Seine Frau sagte mir, daß ihr Mann bereits 1996 nach langer schwerer Krankheit verstorben ist. Zu gern hätte ich ihn noch einmal gesehen.

Durch das Objekt meiner ersten Reservezeit bin ich seither schon oft gefahren. Der Med-Punkt des Militärflugplatzes Drewitz-Süd, in dem ich eigentlich zu einem fähigen Sanitäter ausgebildet werden sollte und dann doch nur Faschingsgebisse gebaut habe, war nach der Wende eine Zeitlang vom Bundesgrenzschutz genutzt worden. Jetzt steht er wieder leer, wie viele andere Gebäude des Objektes auch. Durch die ehemalige »Schweineküche«, in der ich seinerzeit Essenproben genommen habe, bin ich durchgelaufen. Hier kocht niemand mehr. Nur noch die alten Kessel zeugen vom einstigen Zweck des Gebäudes. Und dort wo früher die MIGs standen, findet man heute einen modernen zivilen Regional-Flugplatz.

Auch den Ort meiner zweiten Reservezeit, dort wo der „Blitzkrieg" stattgefunden hat, habe ich gemeinsam mit meinem Schwager besucht. Die Waldlichtung an der Autobahn gibt es noch. Auch stehen noch einige der Massivbauten. Im Wald fanden wir sogar alte zerschlagene Schnapsflaschen von damals sowie verrostete Blechbüchsen der Komplektenahrung. Die Aufschrift „Thüringer Rotwurst" war noch deutlich zu lesen. Und genau dort wo mein Zelt stand, meint man in der Erde noch die Abdrücke meines Hockers zu erkennen. Die Unteroffiziersschulterstücke und einige andere, erinnernde Gegenstände liegen noch heute in der Schublade meines Schreibtisches. Sie sind wie neu und gänzlich unbenutzt, ich hoffe, das bleibt auch so.

Die Gespräche der Gedienten aber wird es weiter geben. Von Generation zu Generation werden die Erinnerungen ausgetauscht. Und sicher wird es nicht immer die ganze Wahrheit sein. Ein kleines Stück Wahrheit bleibt. Nachzulesen in diesem Buch.

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Ende