Start    Nachwort

35.  Sie sind an der Reihe

 

 

Einfache Möglichkeiten, die Welt zu retten. Ein Telefonat genügt. Ein ernstes Wort zum heißen Wasser. Wie man die eigene Energieeffizienz prüft – und die Kinder auf seine Seite zieht. Solarzellen als Altersvorsorge. Die Stadt Schönau zeigt, wie es geht. Laufen, radeln und Hybriden fahren. Die interessanteste aller Zeiten. 

 

 

Komm schon — leise flüstert's in dein Ohr, 
Wer niemals Angst gehabt, hat keine Hoffnung; 
Und wer nie zweifelte, wie's um ihn steht, 
Der kommt vielleicht — vielleicht ist er's — zu spät. 

W.Cowper, <Wahrheit>

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Vor einem kann kein Vorstandsvorsitzender die Augen verschließen: Vor der Gemengelage von Käufern und Verkäufern, die wir <Markt> nennen. 

Es ist meine feste Überzeugung, dass alle Anstrengungen von Regierungen und Industrieunternehmen auf null hinauslaufen werden, solange nicht der verant­wortungs­bewusste Bürger und Konsument die Initiative ergreift. 

Und die Konsumenten sind in der allerbesten Ausgangslage, um etwas gegen den Klimawandel zu tun.

Würden wir noch CFKs bekämpfen, könnten die Konsumenten kein Alternativprodukt herbeizaubern. Vielmehr müssten sie, wie vorsichtig sie auch wären, ohne ein internationales Abkommen wie das Protokoll von Montreal in Produkten wie Motorfahrzeugen und Kühlschränken verborgene CFKs kaufen. 

Beim CO2-Problem jedoch steht es fast jedem Haushalt auf der Erde frei, sich alternativer Techniken zu bedienen. Anders ausgedrückt: Es gibt keinen Grund zu warten, bis die Regierungen handeln. Sie können selbst etwas tun.

Sie können leicht in wenigen Monaten — statt der 50 Jahre, die einige Regierungen vorsehen — die Emissions­reduktion um 70 Prozent erzielen, die zur Stabilisierung des Erdklimas nötig sind. Dazu müssen Sie lediglich Ihre Lebensweise ein bisschen ändern, ohne dabei schwere Opfer zu bringen.

 

Der richtige Umgang mit Elektrizität ist die wirkungsvollste Waffe in Ihrem Arsenal, denn sie erlaubt Ihnen, Ihre persönlichen CO2-Emissionen merklich zu senken. Nehmen Sie sich als erstes Ihre letzte Stromrechnung vor. Ist sie höher als die im selben Vorjahreszeitraum? Wenn ja, warum? Ein Anruf oder eine E-Mail an Ihren Energieversorger kann das klären.

Wenn Sie schon gerade dabei sind, fragen Sie nach der Möglichkeit, »grünen« Strom zu beziehen (bei dem der Versorger garantiert, dass ein bestimmter Prozentsatz der Energie aus erneuerbaren Quellen stammt). Grüner Strom kostet vielleicht nicht einmal einen Euro mehr pro Woche, reduziert die Emissionen aber höchst effizient. Wenn Ihr Energielieferant keine grüne Option anbietet, rufen Sie einen Konkurrenten an. Den Versorger zu wechseln, ist in der Regel Sache von einem einzigen Telefonat, es sollte zu keiner Unterbrechung der Stromversorgung kommen und zu keinen Unannehmlichkeiten bei der Rechnungsstellung. Gibt es jedoch in Ihrer Gegend noch ein Strommonopol, müssen Sie auf die Behörden einwirken, damit diese für freien Wettbewerb sorgen. Dann ist es möglich, mit einem Wechsel zu grünem Strom die Emissionen Ihres Haushalts auf null zu reduzieren. All dies als Folge eines einzigen Telefonats.

Wenn Sie entschlossener handeln wollen, ist es in den meisten Fällen am besten, beim Heißwasser anzufangen.

In den entwickelten Ländern resultiert rund ein Drittel der CO2-Emissionen aus dem häuslichen Energieeinsatz, und von diesem wird üblicherweise ein Drittel zur Erwärmung von Wasser verbraucht. Das ist verrückt, da die Sonne Ihr Wasser umsonst aufheizt, wenn Sie die entsprechende Technik haben. Zunächst fallen Anschaffungskosten an, aber die Einsparungen sind so groß, dass es sich lohnt, sogar ein Darlehen dafür aufzunehmen, denn in sonnigen Gegenden wie Kalifornien oder Südeuropa haben Sie die Kosten in zwei bis drei Jahren wieder hereingespielt, und da es auf die Kollektoren in der Regel eine Zehnjahresgarantie gibt, heißt das, dass Sie mindestens sieben bis acht Jahre lang umsonst heißes Wasser bekommen. Selbst in wolkenreichen Regionen wie Deutschland oder Großbritannien erhalten Sie noch einige Jahre lang heißes Wasser umsonst.35)

Wenn Sie noch mehr tun wollen, fangen Sie mit den größten Energiefressern an; in den meisten Haushalten sind das die Heizung, die Kühl- und Gefrierschränke und die Klimaanlage. Wenn Sie die Neuanschaffung solcher Geräte in Betracht ziehen, sollten Sie das Modell wählen, das am sparsamsten mit der Energie umgeht.

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Als Faustregel gilt, dass das kleinste Gerät, das gerade so eben Ihren normalen Bedürfnissen genügt, am sparsamsten ist. Sie sollten auch Alternativen in Betracht ziehen: Eine gute Isolierung kann billiger sein als der Kauf und Betrieb einer größeren Heizung oder Klimaanlage. Schwieriger kann es sein, die Kinder davon zu überzeugen, dass sie Geräte abschalten, wenn sie sie nicht mehr brauchen. Eine Möglichkeit dafür wäre, dass die Familie gemeinsam die Stromrechnung überprüft und sich ein Einsparungsziel setzt. Ist dieses erreicht, bekommen die Kinder das Ersparte.

Über die Verantwortungslosigkeit der Kohleverheizer habe ich mich so aufgeregt, dass ich beschloss, meinen eigenen Strom zu produzieren, was zu den befriedigendsten Dingen zählt, die ich je getan habe. Für einen Durchschnittshaushalt sind Solarzellen am besten geeignet. Zwölf 80-Watt-Paneele habe ich mir selbst genehmigt, und die Energie, die sie in Australien erzeugen, reicht zum Betrieb des Hauses aus. Um mit dieser Menge zurechtzukommen, ist unsere Familie beim Energieverbrauch aber sehr wachsam, und wir kochen mit Gas. Und ich bin körperlich fitter als zuvor, weil ich beim Werkeln und Reparieren nicht mehr mit einer Vielzahl von Elektrogeräten hantiere, sondern wieder mit Muskelkraft arbeite. Auf die Solarzellenpaneele gibt es 25 Jahre Garantie (sie halten oft bis zu 40 Jahre lang). Da die Stromkosten steigen und weil mir die Paneele bis weit ins Rentenalter kostenlosen Strom liefern werden, betrachte ich sie als Beitrag zu meiner Altersvorsorge.

Die deutsche Stadt Schönau im Schwarzwald bietet ein anderes Beispiel für entschlossenes Handeln. Einige Einwohner alarmierte die Katastrophe von Tschernobyl so sehr, dass sie beschlossen, etwas gegen die Abhängigkeit ihres Landes von der Kernkraft zu tun. Den Anfang bildete eine Gruppe von zehn Elternpaaren, die Preise für Energieeinsparung vergaben. Das erwies sich als so erfolgreich, dass daraus bald eine Bürgerinitiative entstand, deren Ziel es war, die Energieversorgung der Stadt den Kraftübertragungswerken Rheinfelden (KWR), die das Monopol hatten, zu entringen.

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Die Mitglieder stellten ihre eigenen Nachforschungen an, dann brachten sie zwei Millionen DM auf, um ihre eigene grüne Stromversorgung anzugehen. Schließlich kamen über 6,5 Millionen DM zusammen — genug, um die Stromversorgung samt Netz und allem anderen von den KWR zu kaufen —, und heute versorgt die Stadt sich nicht nur mit eigenem Strom, sondern gibt auch erfolgreich Hilfestellungen, wie man das Stromnetz »grün« bekommt. Jahr für Jahr wird Schönaus Energieversorgung grüner, und selbst die großen Stromverbraucher in der Stadt, beispielsweise ein Unternehmen für Kunststoffrecycling, sind mit dem Ergebnis zufrieden.36) 

Dass die meisten von uns bei Transport und Verkehr auf fossile Brennstoffe verzichten, ist derzeit nicht machbar, aber wir können den Verbrauch stark einschränken. Am wirkungsvollsten ist es, zu laufen, wann immer das möglich ist, und auch öffentliche Verkehrsmittel bringen viel. Hybrid-Autos sind doppelt so energieeffizient wie Standardfahrzeuge vergleichbarer Größe. Und wenn Sie Ihren Geländewagen oder Ihren sportlichen Spritfresser gegen ein Hybrid-Auto mittlerer Größe eintauschen, kann das Ihre Verkehrsemissionen mit einem Schlag um bis zu 70 Prozent reduzieren.

Wer keinen Hybriden fahren will oder kann, sollte, so die Faustregel, das kleinste Auto kaufen, das gerade noch die Aufgabe bewältigt, für die man es am häufigsten braucht. In den seltenen Fällen, wo Sie ein größeres benötigen, können Sie jederzeit eines mieten. Und wenn Sie in Sonnenenergie investiert haben, können Sie sich in ein paar Jahren ein luftdruckbetriebenes Fahrzeug leisten. Dann können Sie all den Strom- und Benzinrechnungen wirklich eine lange Nase drehen.

Obwohl es oft den gegenteiligen Anschein hat, können Arbeitnehmer auch auf ihre Firma erheblichen Einfluss nehmen. Wenn Sie wollen, dass Ihre Arbeits­stätte emissionsbewusster wird, bitten Sie Ihren Arbeitgeber, sich einem Energieaudit zu unterziehen. Denken Sie daran: Wenn Sie Ihre Emissionen um 70 Prozent kürzen können, kann das auch die Firma, für die Sie arbeiten. Wenn Sie sich dahin gehend engagieren, wird das Unternehmen mittelfristig sowohl Geld sparen als auch die Umwelt schonen. Und weil die Gesellschaft Vorbilder braucht, die bezeugen, was getan werden kann und was getan werden sollte, können Sie mit einem solchen öffentlichen Engagement Ergebnisse erzielen, die weit über die lokale Wirkung hinausgehen.

Wenn Sie diese Liste der Maßnahmen gegen den Klimawandel durchlesen, sind Sie vielleicht skeptisch, dass solche Schritte so große Wirkung zeigen können. Aber nicht nur unser globales Klima nähert sich einem Wendepunkt, sondern auch unsere Wirtschaft, denn dem Energiesektor wird dasselbe widerfahren, was das Internet den Medien brachte — ein Zeitalter, in dem zuvor ganz unterschiedliche Produkte miteinander und mit dem Individuum konkurrieren.

Wenn eine ausreichende Anzahl von uns grünen Strom, Solarpaneele, Heißwasser-Sonnenkollektoren und Hybrid-Fahrzeuge kauft, werden die Preise für diese Dinge fallen. Das wird den Verkauf von noch mehr Paneelen und Windgeneratoren ankurbeln, und bald wird der Großteil der Haushaltsenergie mit erneuerbaren Technologien erzeugt werden. Das wird genügend Druck auf die Industrie ausüben, dass sie, wenn der Druck von Kyoto dazukommt, die energiehungrigen Unternehmen zwingen wird, ihre Effizienz zu maximieren und sich einer sauberen Stromerzeugung zuzuwenden. 

Das wiederum wird die erneuerbaren Energien noch preiswerter machen. Infolgedessen werden die Entwicklungsländer — einschließlich China und Indien — in die Lage versetzt, sich saubere Energie anstelle dreckiger Kohle zu leisten. Mit ein bisschen Hilfe von Ihrer Seite — jetzt auf der Stelle — können die Entwicklungsriesen in Asien vielleicht die große Kohlenstoff-Katastrophe vermeiden, in die wir, die industrialisierte Welt, so tief verstrickt sind.

Mit dieser Rettungsleine für die Klimasicherheit kann viel passieren. Es könnte sein, dass die großen Energieverbraucher die Regierungen weiter unterwandern und dem erneuerbaren Sektor Knüppel zwischen die Beine werfen. Vielleicht handeln wir auch zu langsam, und Länder wie China und Indien werden bereits in die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen investiert haben, ehe die Preise für erneuerbare Energien sinken. Vielleicht wird sich auch das Tempo des Klimawandels als zu groß erweisen, sodass wir der Atmosphäre CO2 entziehen müssen.

Wie diese Herausforderungen zeigen, ist es unserer Generation bestimmt, in der interessantesten aller Zeiten zu leben, denn heute sind wir die Wettermacher, und die Zukunft der Biodiversität und der Zivilisation hängt von unserem Verhalten ab. Ich habe mein Bestes getan, um eine Gebrauchsanleitung für den Thermostat der Erde zusammenzustellen. Jetzt sind Sie an der Reihe.

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 Ende 

 

 

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