Teil 4     Menschen in Treibhäusern          Start    Weiter

23  Ein knappes Rennen (Ozonschicht)

 

 

Die Entdeckung des Ozons als Resultat reiner Wissenschaft. Ein »bizarrer« Rückgang wird auf Instrumentenfehler zurückgeführt, aber Nobelpreisträger finden die Wahrheit heraus. Das himmelblaue Gas und die Angst, dass einem der Himmel auf den Kopf fällt. Wenn Brom gleich Chlor wäre... CFKs: Krebs, Erblindung und Tausende anderer Gebrechen. Kein positiver Beweis, aber dennoch ein politisches Abkommen. Das Rezept von Montreal.

 

Würde Chlor sich chemisch wie Brom verhalten, wäre das Ozonloch in den siebziger Jahren ein globales, ganzjähriges Phänomen gewesen, nicht nur ein Vorkommnis im antarktischen Frühling. Mehr aufgrund von Glück als von Klugheit hat sich diese katastrophale Situation nicht entwickelt.  —Paul Crutzen, <Nature>, 2002—

 

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Während des gesamten Jahres 2004 steckte die Menschheit in einem hoffnungslosen Schlamassel, als sie versuchte, auf die Krise des Klimawandels zu reagieren. Das Schicksal des Kyoto-Protokolls hing in der Schwebe, da man in Russland überlegte, ob man es ratifizieren solle oder nicht (man tat es), während in den USA und Australien sich der Widerstand gegen die Vereinbarung verhärtete. 

Es war eine deprimierende Zeit, um ein Buch wie dieses zu schreiben. Dann fand ich heraus, dass die Welt schon vor rund 20 Jahren eine Generalprobe für Kyoto samt Stolpersteinen und allem anderen abgehalten hatte. Das war das Protokoll von Montreal, mit dem die Emission von Chlorfluorkohlenstoffen (CFKs), die die Ozonschicht zerstören, begrenzt werden sollte.

Ehe wir über die globale Reaktion auf den Klimawandel nachdenken, lohnt es sich, sich eingehender mit den CFKs und der internationalen Vereinbarung zu beschäftigen, mit der man der Bedrohung, die sie für das Leben auf der Erde darstellen, entgegentreten wollte.

Ozon, eine besondere Form von Sauerstoff, wurde in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts im Labor entdeckt, und um 1850 fand man heraus, dass es auch natürlicherweise in der Atmosphäre vorkommt. Während des gesamten 19. Jahrhunderts wurden überall in Europa Messungen in Bodennähe durchgeführt, und es ist interessant, dass die 1873 in Paris verzeichneten Mengen ungefähr halb so groß waren wie heute. Das ist für den globalen Anstieg des Ozons in Bodennähe symptomatisch, wo es als ernst zu nehmender Giftstoff gelten muss.

In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erkannten Gordon Dobson von der Oxford University und sein Mitarbeiter F. Lindeman (später Lord Cherwell), dass das Ozon eine wichtige Rolle in der Stratosphäre spielt, und bis auf den heutigen Tag wird der Ozongehalt der Atmosphäre in Dobson-Einheiten gemessen. 1948 wurde eine Internationale Ozonkommission einberufen, die das Gas untersuchen sollte. 

Bis dahin war Ozonforschung nur aus rein wissenschaftlicher Neugier betrieben worden, denn niemand hatte eine Ahnung, dass es die Zukunft der Menschheit beeinflussen könnte. 1957 dann — im so genannten Internationalen Geophysikalischen Jahr, als die Regierungen der Welt eine Milliarde Dollar für die Erforschung der irdischen Prozesse ausgaben — begann man mit ständigen Ozonmessungen.

Die ersten Anzeichen eines Problems tauchten in den siebziger Jahren auf, als die Messwerte für die Ozonkonzentration in der Stratosphäre über der Antarktis erstmals entschieden merkwürdig aussahen. Die Instrumente verzeichneten einen Ozonverlust von phänomenalem Tempo: 1955 enthielt die Luft über der Antarktis 320 Dobson-Einheiten. 1975 waren es noch 280 Dobson-Einheiten, 1995 lediglich 90. Angesichts der relativen Stabilität der Ozonwerte, die von anderen Orten gemeldet wurden, erschienen die Messwerte so bizarr, dass sie ein lebenswichtiges Jahrzehnt lang auf irgendeine Art von Instrumenten­fehler zurückgeführt wurden. Doch schon 1974 argumentierten drei Wissenschaftler — Paul Crutzen, F. Sherwood Rowland und Mario Molina —, dass der Rückgang real sei und der Grund dafür menschengemachte Chemikalien seien. 1995 wurde diesen dreien für ihre Pionierarbeit der Chemie-Nobelpreis verliehen.

Als die Presse erstmals darüber berichtete, wurde das »Loch in der Ozonschicht« gelegentlich humorvoll dargestellt — als hätten die Wissenschaftler Angst, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Selbst für Sherwood Rowland hatten seine düsteren Forschungsergebnisse etwas Irreales. Später erinnerte er sich: »Ich kam eines Abends nach Hause und sagte zu meiner Frau: <Die Arbeit kommt gut voran, aber es sieht nach dem Ende der Welt aus.>«

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Ein »Loch« in der Ozonschicht wird als ein Bereich der Atmosphäre mit weniger als 220 Dobson-Einheiten Ozon definiert. Bis zum Jahr 2000 war das Loch zu einem Abgrund von 28 Millionen Quadratkilometern Fläche geworden, und ringsherum hatte sich ein Hof ausgedünnten Ozons ausgebreitet, der den größten Teil des Globus unterhalb von 40° südlicher Breite überspannte. In den neunziger Jahren war ein zweites Loch aufgetaucht, diesmal über der Arktis.1) Selbst über den Tropen war die Ozonkonzentration um rund sieben Prozent vermindert.

Was genau ist Ozon, und warum ist es wichtig? 

Der Sauerstoff, der Ihren Körper am Leben hält, besteht aus zwei miteinander verbundenen Sauerstoffatomen, aber hoch oben in der Stratosphäre, zehn bis 50 Kilometer über unseren Köpfen, zwingt die Ultraviolettstrahlung gelegentlich ein zusätzliches Sauerstoffatom, sich dem Duo anzuschließen. Diese dreiatomigen Moleküle ergeben ein himmelblaues Gas, das Ozon heißt. Ozon ist instabil, denn immer wieder geht das zusätzliche Atom verloren, aber das Sonnenlicht erschafft ständig neue Trios, also bleibt die Menge in einer unbeschädigten Stratosphäre konstant — rund zehn Teile pro Million (eines von jeweils 100.000 Molekülen). Ozon kommt in der Stratosphäre sechsmal häufiger vor als auf Meereshöhe, aber wenn man das gesamte Stratosphärenozon des Planeten auf Normalnull herunterholte, würde es eine bloß drei Millimeter dicke Schicht bilden.

Wenn der große Luftozean der Kreislauf der Erde ist, dann ist das Ozon ihr Sonnenschutz. Zweiatomiger Sauerstoff blockiert Ultraviolettstrahlung (UV) von Wellenlängen unter 0,28 Mikrometer, Ozon aber kann UV-Wellenlängen zwischen 0,28 und 0,32 Mikrometer abhalten. Die Ozonschicht schützt uns vor rund 95 Prozent der zur Erde gelangenden UV-Strahlung (das heißt, Strahlung von Wellenlängen kürzer als 0,4 Mikrometer). Ohne den sehr hohen Sonnen­schutz­faktor des Ozons würde die Ultraviolettstrahlung einen schnell umbringen, die DNS zerreißen und andere chemische Bindungen in den Zellen aufbrechen.

Die Zerstörung der Ozonschicht begann lange, bevor irgendjemand etwas davon wusste. 

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Fluorchlorkohlenwasserstoffe (so die Sammelbezeichnung für CFKs und FKWs) waren von der chemischen Industrie 1928 erfunden worden, und man fand sie für Kühlzwecke, für die Herstellung von Styropor, als Treibgase in Spraydosen und in Klimaanlagen sehr nützlich. Ihre bemerkenswerte chemische Stabilität (sie reagieren nicht mit anderen Substanzen) wiegte die Leute in Sicherheit, dass sie nur geringe Auswirkungen auf die Umwelt haben würden, und so waren sie der Industrie hoch willkommen.

1975 schleuderten allein die Spraydosen 500.000 Tonnen des Zeugs in die Atmosphäre, und 1985 betrug der globale Verbrauch der Haupttypen von CFKs 1.800.000 Tonnen. Gerade ihre Stabilität war jedoch der entscheidende Faktor bei den von ihnen angerichteten Schäden, denn sie hielten sich sehr lange in der Atmosphäre. CFKs verdampfen leicht, und wenn sie in den großen Luftozean gelangen, dauert es rund fünf Jahre, bis die Strömungen sie in die Stratosphäre transportiert haben, wo die UV-Strahlung sie langsam aufbricht und das in ihnen enthaltene Chloratom freigesetzt wird. Dieses Chlor der CFKs baut das Ozon ab — ein einziges Atom kann 100.000 Ozonmoleküle zerstören —, und seine vernichtende Wirkung erreicht bei Temperaturen unter -43 °C ihr Maximum. Deshalb zeigte sich das erste Ozonloch über dem Südpol, wo die Stratosphäre eisige -62 °C kalt ist. Im Vergleich dazu ist die Stratosphäre über dem Nordpol mit -42 °C ein lindes Lüftchen, und deshalb dauerte es länger, bis das Chlor hier so viel Ozon abgebaut hatte, dass sich ein »Loch« bildete.

James Lovelock — der Urheber der Gaia-Hypothese, in diesem Fall aber ein selbständiger Wissenschaftler, der unabhängig von Institutionen arbeitet — erfand die Maschine, mit der man CFKs in der Atmosphäre aufspürt. Weil er für das Projekt keine finanzielle Unterstützung bekam, bastelte er sich das Gerät in seiner Garage aus Ersatzteilen, und dann nahm er es auf eine Antarktis-Kreuzfahrt mit. Trotz zahlreicher Messungen fand Lovelock so minimale Mengen der Chemikalien in der Atmosphäre, dass er zunächst glaubte, seine Arbeit sei sinnlos. Erst 1973 wurde infolge eines Zufallstreffens mit einem gewissen Dr. Machta in einer Kaffeepause während einer Konferenz die wahre Bedeutung seiner Befunde enthüllt.

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Dr. Machta war Chemiker und arbeitete für DuPont — die Firma, die die meisten CFKs herstellte —, und eine rasche Überschlagsrechnung zeigte, dass die von Lovelock gemessene Gesamtkonzentration zwar winzig war, aber trotzdem der Menge fast aller je produzierten CFKs entsprach. Das Zeug verschwand einfach nicht, und das brachte Dr. Machta dazu, Lovelocks Befunde mit anderen Chemikern zu diskutieren, zu denen auch Dr. Mario Molina gehörte, der den Zusammenhang zwischen CFKs und Ozon entdeckte.2) 

Molina fand heraus, dass CFKs das Chlor-Niveau in der Stratosphäre auf das Fünffache seines herkömmlichen Normalwerts angehoben hatten. 

Das war schlimm genug, aber es war nur das Glück der Ahnungslosen, dass unsere Welt nicht schon vor gut 30 Jahren in eine weit schwerere Umweltkrise schlitterte — vielleicht eine, die schon damals zum Zusammenbruch der Zivilisation geführt hätte. Das hätte passieren können, wenn die Industriechemiker Brom statt Chlor genommen hätten.

 

Brom und Chlor sind für vielerlei Zwecke austauschbar, und die Tatsache, dass Chlor häufiger eingesetzt wird, ist größtenteils auf wirtschaftliche Erwägungen zurückzuführen, denn Brom ist teurer (und reaktiver) als Chlor, und hinzu kommt noch, dass man pro eingesetztem Gramm Brom weniger Fluor­kohlen­wasserstoff bekommt.3) 

Zwar verbleibt Brom bloß ein Jahr in der Stratosphäre — statt fünf Jahre wie Chlor —, dafür zerstört Brom aber fünfundvierzigmal effizienter die Ozonschicht, und es hätte die kostbaren zehn Teile Ozon pro Million so schnell zerrissen, dass der Sonnenschutz der Erde vernichtet worden wäre, noch ehe Sherwood Rowland seine nobelpreiswürdige Entdeckung hätte machen können. 

Wie knapp die Welt einem solchen Schicksal entkommen ist, kann man daran ermessen, welchen Gebrauch Industriechemiker bereits von Brom gemacht hatten.

In den achtziger Jahren wurden (Luft holen!) Bromtrifluormethan und Bromchlordifluormethan — unter den Handelsnamen Halon-1301 und Halon-1211 — vielfach in Feuerlöschsystemen verwendet, vor allem in Kunstgalerien und Museen, wo Wasser Schäden anrichten würde. Weil diese Chemikalien zehnmal wirkungsvoller Ozon zerstören als die CFKs, wurden sie vom Montreal-Protokoll verboten, aber Brom wird noch immer infolge menschlicher Aktivitäten in die Atmosphäre freigesetzt, größtenteils von in der Landwirtschaft eingesetzten Pestiziden.

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Was hätte also passieren können, wenn BFKs und nicht CFKs in den Augen der Industrie Gnade gefunden hätten? 

Eine Ahnung von den Schäden, zu denen es möglicherweise gekommen wäre, bekommt man, wenn man sich anschaut, was die CFKs heute anrichten. Infolge des Lochs, das sie in die Ozonschicht gerissen haben, kommt es bei den Menschen, die südlich des 40. Breitengrades leben, zu einem dramatischen Anstieg der Hautkrebsfälle. Punta Arenas in Chile liegt auf 53° südlicher Breite und ist die südlichste Stadt der Erde. Seit 1994 sind hier die Hautkrebsraten um 66 Prozent in die Höhe geschossen. Selbst in den niedrigeren Breiten — dichter an den großen Zentren der Menschheit — sind die Veränderungen bei den Krebsfällen offensichtlich. In Amerika beispielsweise lag die Wahrscheinlichkeit, ein Melanom zu bekommen, vor gerade mal 25 Jahren bei eins zu 250. Heute beträgt sie eins zu 84. 

Ultraviolettstrahlung schädigt auch die Augen, und solche Erkrankungen nehmen ebenfalls zu. Wissenschaftler schätzen, dass die Menschen — und alle anderen Kreaturen mit Augen — pro einem Prozent Rückgang der Ozonkonzentration eine Zunahme des Grauen Stars um 0,5 Prozent erleben werden. Da 20 Prozent aller Fälle von Grauem Star auf UV-Schädigung zurückzuführen sind, wird die Anzahl der durch Grauen Star Erblindeten schnell steigen, vor allem bei jenen, die nicht die Mittel haben, sich zu schützen. 

Eine dritte wichtige Auswirkung auf die menschliche Gesundheit rührt daher, dass UV-Strahlung das Immunsystem schädigen kann. Dies wird sich als Verschlechterung des generellen Gesundheitszustands in den betroffenen Bevölkerungsteilen manifestieren. Bei verwundbaren Gruppen wie beispielsweise den Inuit sind solche Auswirkungen bereits zu spüren.

Nicht nur Menschen werden von der UV-Strahlung geschädigt, die Folgen der steigenden Belastung werden sich im gesamten Ökosystem zeigen. Die mikroskopisch kleinen pflanzlichen Einzeller, die die Basis der ozeanischen Nahrungskette bilden, werden davon genauso in Mitleidenschaft gezogen wie die Brut vieler Fische von Anchovis bis zu Makrelen. Faktisch ist alles gefährdet, was sich in freier Natur bewegt, und eine überzeugende neue Untersuchung zeigt, wie diese Gefahr anwächst (bis auf 90 Prozent Mortalität), wenn zugleich die Wassertemperaturen steigen und die Salinität zunimmt.4

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Viele im Meer lebende Spezies sind so verwundbar, dass sie ohne stratosphärisches Ozon rasch verschwinden würden, was einen Zusammenbruch des ozeanischen Ökosystems auslösen würde. Wir haben bereits gesehen, wie außerordentlich empfindlich Amphibienlarven auf gestiegene UV-Werte reagieren. Doch ihr Schicksal ist bloß ein Frühsymptom für das, was an Land passieren mag, denn alle natürlichen Ökosysteme sind verwundbar. Auch die Landwirtschaft könnte den UV-Folgen nicht entkommen. Die Ernteerträge von Erbsen und Bohnen beispielsweise gehen um ein Prozent pro zusätzlichem Prozent UV-Strahlung zurück.

Hätten die Menschen Brom billiger oder im Umgang leichter handhabbar befunden als Chlor, dann hätten wir sehr wahrscheinlich schon zu der Zeit, da Paul Crutzen und seine Kollegen ihre Entdeckungen machten, unter zuvor unbekannten Zahlen von Krebserkrankungen, Erblindungen und Tausenden anderer Gebrechen gelitten, unser Lebensmittelnachschub wäre zusammengebrochen, und auf unsere Zivilisation an sich wären unerträgliche Belastungen zugekommen. Und wir hätten keinerlei Ahnung von der Ursache gehabt, bis es zum Reagieren zu spät gewesen wäre.

Ein Jahrzehnt nachdem Crutzen und sein Team den Zusammenhang von CFKs und Ozonrückgang veröffentlicht hatten, verschlimmerte sich das Problem weiter, aber die Wissenschaftler waren nicht in der Lage, positive Beweise auf den Tisch zu legen, dass Crutzen mit seiner Annahme Recht hatte. Doch die möglichen Folgen des Ozonschwunds waren derart, dass Farbbilder des Ozonlochs, die weltweit über die Fernsehschirme flimmerten, Tausende von Menschen davon überzeugten, dass Handeln Not tat, wenn auch nur als Vorsichtsmaßnahme. Politiker wurden mit Briefen bombardiert, in denen ein Verbot der Chemikalien gefordert wurde. Die Firma Du-Pont war für den größten Teil der CFK-Produktion verantwortlich, und in einem Gegenschlag lancierten sie und andere Hersteller massive PR-Kampagnen, die darauf abzielten, den damals noch nicht gut belegten Zusammenhang zwischen ihren Produkten und dem Problem in Misskredit zu bringen — und sie punkteten damit, denn die Wissenschaft war noch immer unfähig, einen letztgültigen Beweis für die schädlichen Wirkungen von CFKs vorzulegen.

Doch die besorgte Öffentlichkeit ließ sich nicht beschwichtigen, und trotz des Protestgeheuls der Industrie wegen der Kosten trafen sich 1985 in Wien die Vertreter von 20 Ländern und unterzeichneten die Wiener Konvention zum Schutz der Ozonschicht.

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Wie heute das Kyoto-Protokoll wurde das Dokument als »hilfloser Ausdruck der Hoffnung« bezeichnet.5 1987 jedoch, als der wissenschaftliche Beweis für den Zusammenhang zwischen CFKs und dem Ozonabbau verkündet wurde, führte die Vereinbarung zum Protokoll von Montreal, mit dem die Regierungen der Welt sich dazu verpflichteten, die schädlichen Chemikalien nach und nach abzuschaffen.

Heute wissen wir, wie viel von der erfolgreichen Verabschiedung des Montreal-Protokolls abhing. Wäre es nicht in Kraft getreten, würden bis zum Jahr 2050 die mittleren Breiten der Nordhalbkugel (wo die meisten Menschen leben) die Hälfte ihres UV-Schutzes verloren haben, die entsprechenden Breiten der Südhalbkugel sogar 70 Prozent. Wie sich herausstellte, hatte bis zum Jahr 2001 das Protokoll die realen Schäden auf rund ein Zehntel dieser Werte begrenzt.

Seit seinem In-Kraft-Treten wurde das Protokoll zweimal verschärft — 1990 und 1992. Und es mag verrückt klingen, aber die Reduktion der CFKs brachte den betroffenen Firmen und der Weltwirtschaft sogar noch Nettoeinsparungen. Es ist kaum zu glauben, dass Regierungsvorschriften gut für die Wirtschaft sind, aber man betrachte, wie Nortel, ein US-amerikanisches Telekommunikationsunternehmen, von der Regulierung profitierte. Es hatte die Chemikalien Ende der achtziger Jahre als Reinigungsmittel eingesetzt und war nun gezwungen, eine Million US-Dollar in neue Geräte zu investieren; aber als die neu konstruierten Reinigungssysteme erst einmal installiert waren und arbeiteten, sparten sie vier Millionen US-Dollar ein, die zuvor als Entsorgungskosten für chemische Abfälle und beim CFK-Einkauf angefallen waren.6) Darüber hinaus brachte die zeitige Umsetzung der Vorschriften zur Reduktion von CFK-Emissionen durch die Vereinigten Staaten amerikanischen Firmen bei der Einführung alternativer Chemikalien einen Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt.7

Wie im Fall von Kyoto hielten sich ursprünglich nicht alle Staaten an das Montreal-Protokoll. China produziert sogar noch immer CFKs und vergiftet mit ihnen wohl noch bis 2010 die Umwelt, dann muss es vertragsgemäß damit aufhören. 

Trotz solcher Ausnahmen markiert das Protokoll von Montreal aber einen richtungsweisenden Moment in der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit, denn es steht für den ersten Sieg, den die Menschen über eine Form globaler Umweltverschmutzung errungen haben. 

Heute regt sich Hoffnung, dass wir dieses eine Problem gelöst haben, denn im Jahr 2004 schrumpfte das Ozonloch über der Antarktis um 20 Prozent. Weil die Größe des Lochs von Jahr zu Jahr schwankt, können wir nicht sicher sein, ob dieser Rückgang schon die Lösung des Problems signalisiert. Nichtsdestotrotz sind die Wissenschaftler optimistisch, dass in 50 Jahren die Ozonschicht wieder ihre ursprüngliche Stärke haben wird. 

Es wäre ein verzeihlicher Fehler zu glauben, dass sich die Staaten der Erde angesichts eines so verblüffenden, durchschlagenden Erfolgs auf die Chance gestürzt hätten, den Klimawandel mit ähnlichen Mechanismen anzugehen. Und zunächst begeisterte man sich ja auch sehr für einen internationalen Vertrag zur Beschränkung von Treibhausgas-Emissionen. 

Was ist also passiert?

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