Klaus Hart

Die Refeudalisierung der Ex-DDR – auf Kosten der Natur

 

Wer sich in den neuen Bundesländern umhört, spürt überall Wut und Ärger über die Nachfahren der  stockreaktionären Feudalelite, die in nur wenigen Nach-Wendejahren wichtige strategische Positionen zurückeroberten, dabei brachial Natur zerstörten. Überall fallen Begriffe wie Refeudalisierung und Neokolonialismus – doch  Politiker und die westlich dominierten Medien im Osten passen höllisch auf, daß sich der Unmut nicht öffentlich artikuliert.

 

Während der Feudalgesellschaft  – so hatte jeder Ossi es in der Schule gelernt – war der Adel die herrschende, den größten Teil des Grund und Boden besitzende Klasse, genoß zahlreiche Privilegien, übte hohe und niedere Gerichtsbarkeit aus, zog aus hörigen Bauern und abhängigen Städten große Reichtümer.   Königen und Kaisern auch in Kriegen stets zu Diensten, wurden Adlige mit riesigen Besitztümern belohnt, die man weitervererbte bis in unsere Tage. 

Auch unter Adolf Hitler gehörten zahlreiche Blaublütige natürlich zur Führungselite von Staat und Partei, zu SS und Gestapo – im  Band “Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht“ sehr gut nachzulesen. Nach 1945 behielt der Adel im Westen seine Positionen in Schlüsselbereichen – die Kritiker weisen auf Graf von Lambsdorf oder den mächtigen Flick-Manager von Brauchitsch - aber auch auf die jüngst verstorbene „Zeit“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff – in Erich-Schmidt-Eenbooms Buch „Undercover – wie der BND die deutschen Medien steuert“ ausführlich gewürdigt. Danach war sie unter dem Decknamen DOROTHEA   im März 1970 als erstrangige BND-Pressesonderverbindung bei dem Geheimdienst  registriert, der Offiziere wie Friedrich Wilhelm Höffer von Loewenfeld  sowie Graf Christoph von Stauffenberg  beschäftigte. Schmidt-Eenboom, Ex-Bundeswehroffizier und heute Direktor des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in Weilheim/Oberbayern, konstatiert ferner:

“BND-Gründer Gehlen hat eine Vielzahl von alten Generalstäblern und anderen Offizieren um sich geschart. ... Durch Gehlens Rekrutierung aus dem Offizierskorps der Hitler-Wehrmacht, wo eher preußisch und weniger national­sozialistisch orientierte Offiziere sich im Reichssicherheitshauptamt und vornehmlich um Abwehrchef Canaris gesammelt hatten, gelangten überdurchschnittlich viele Adlige in den BND und holten über die Verwandten­rekrutierung weitere nach.“ 

Die Prinz zu Hohenlohe-Jagstberg & Banghard GmbH, ein Fonds- und Immobilien-Multi, steuerte allein fürs Jahr 2000 eine Milliarde Mark Umsatz an, operiert jetzt kräftig in den neuen Bundesländern. Und im Zusammenhang mit der CDU-Spenden­affäre ist auf einmal Casimir Prinz Wittgenstein, langjähriger Schatzmeister der Hessen-CDU reichlich in den Schlagzeilen, auch wegen seiner guten Kontakte zum Rechtsextremismus.

Nach 1945 hieß es dagegen im Osten „Junkerland in Bauernhand“ – seit der Wende, murren viele, läuft die Sache wieder genau umgekehrt und weisen besonders auf den bayrischen CSU-Politiker Franz Ludwig Graf von Stauffenberg. Mit dem muß sich Axel Vogel, ein anderer Bayer, neuerdings im Osten ebenso wie mit anderen wieder­eingewanderten Grafen, Fürsten, Baronen und Freiherren befassen.

Vogel, Direktor der brandenburgischen Landesanstalt für Großschutzgebiete, bemerkt unter Ossis eine recht weitgehende „Adelsaversion“ und  nennt ein interessantes Detail der Wendezeit: Graf von Stauffenberg, vormals Chef des Wald­besitzer­verbandes, habe sein Mandat als CSU-Europa-Abgeordneter niedergelegt, um bei der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) den Chef-Verkäufer für die Ost-Wälder zu spielen. Unschwer ist zu erraten, wer besonders reichlich mit urwüchsigen Forsten bedacht wurde. Allein im Naturpark „Uckermärkische Seen“  gehen die Filetstücke, über zehntausend Hektar, an nicht weniger als zehn Vertreter des Hochadels, darunter Fürst zu Solms-Lich, Bruder des FDP-Schatzmeister, Baron Ostmann von der Leihe, an mehrere Grafen von Arnims und von Sayn-Wittgensteins. (Meyers Konversationslexikon von 1878 vermerkt über Prinz August von Sayn-Wittgenstein, daß dieser Generalleutnant und Reichskriegsminister gewesen sei, mit „blindem Haß gegen Preußen“ und „reaktionärem Eifer“. ) Hans-Egbert von Arnim, 38, ist  praktischer­weise Chef der BVVG Sachsen-Anhalt. Nicht anders läuft  es in der Schorfheide, wo einst Göring jagte – wieder ist Fürst zu Solms-Lich dabei, außerdem der bayrische Fürst zu Oettingen-Spielberg. Nun  sollen die Seen verhökert werden. Grüne-Liga-Sprecher Wilke ironisch:

“Wir sind derzeit wieder mehr oder weniger in der Monarchie angekommen. Unter den Adligen sind sehr viele Glücksritter – durch die vorherrschenden Connections haben hauptsächlich Blaublütige die Flächen bekommen. Viele Mitbieter aus dem bürgerlichen Lager hatten deshalb überhaupt keine Chance."

 In den anderen neuen Bundesländern -  exakt die gleiche Situation. Überall regt sich Widerstand, spricht sich in Thüringen nach der Wende sogar der Landessportbund gegen die „privatrechtliche, auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Bewirtschaftung des Thüringer Waldes“ aus. Doch ausgerechnet in Brandenburg lobte Manfred Stolpe, bis vor kurzem noch SPD-Ministerpräsident,  die immer zahlreicher in die Mark einsickernde Adelskaste überschwänglich, stellt sie als „Gewinn fürs Gemeinwesen“, als Kultur- und Wirtschaftsfaktor heraus:

„Die Verurteilung des Adels, die sich schon bei den Siegermächten andeutete und dann zu SED-Zeiten fort- und vor Ort umgesetzt wurde, ist ungerecht. Der Adel hatte einen wichtigen Anteil an der kulturellen Entwicklung Brandenburgs und Preußens, an der Modernisierung der Agrarwirtschaft, an Reformen."

Man habe es mit den märkischen Adligen gut getroffen, die seien heute „wichtige Aufbauhelfer für das Land“. Gellendes Hohngelächter allerorten, in Potsdamer Ministerien, Verwaltungen, bei gemeinen Volke. Einer von Stolpes Landeskindern, der  Umweltaktivist Ernst Pries, seinerzeit Templiner Kreistagsabgeordneter der Grünen und NABU-Mitglied, wird gar zu einer Art Sprecher der ostdeutschen Privatisierungs­gegner. In der DDR ist er einer der angesehensten, unbequemsten kirchlichen Umwelt­experten, die Stasi hat auf seine Frau und ihn an die dreißig IM angesetzt; entsprechend dick ist seine Gauck-Akte.

Pries nimmt bis heute kein Blatt vor den Mund. Die Einheit Deutschlands, argumentiert er, wird „in mafioser Weise“ zu einem Bereicherungs­feldzug kapitalkräftiger westdeutscher Oberschichten mißbraucht, „die Beute des Kalten Krieges wird verteilt. Eine nicht mehr zu kaschierende Habgier bringt die ohnehin Reichen um ihre politische Vernunft.“ Das neue System im Osten – „eine heuchlerische Scheindemokratie“. Alleine steht er damit nicht – 76 Prozent im Osten glauben gemäß Umfragen, daß in Wirklichkeit Banken und Konzerne die eigentlichen Machthaber sind – schrieb sogar die SUPER-ILLU. Die Bodenreform von 1945-1949, so Pries,  habe historisch zufällig und viel zu spät den auf sozialem Unrecht basierenden Großgrundbesitz einer ausgedienten Herrschaftsschicht enteignet. Jetzt geschehe in Ostdeutschland Bodenraub, würden die Grundrechte der Bürger grob verletzt, entstünden wieder  neue Herren-Knecht-Verhältnisse, in einem „gesetzlich geschützten kriminellen Wirtschafts­system.“ – „Schon einmal war eine ungerechte Boden- und Besitzverteilung faschismusfördernd.“  Die derzeitige wirtschaftliche Misere, die Arbeitslosigkeit, seien bewußt herbeigeführt worden. 1993 streitet Pries sogar bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung des ORB heftig mit Graf von Stauffenberg und einem Grafen  von Arnim, hat jene Zivilcourage, die der PDS auch in dieser Frage völlig fehlt.  Und fragt öffentlich: „Besitzen die von Arnims bald wieder die Uckermark?“ Besonders werden ihm klare Worte zur Rückübertragung von Brandenburger Wald an frühere Großgrundbesitzer übelgenommen: 

“Dieser Besitz entstammt überholten feudalen Strukturen und widerspricht zutiefst unserem heutigen sozialen Rechts­empfinden. Er ist wie jede Besitzkonzentration antidemokratisch. Wer mehr Boden beansprucht als er zu seiner unmittelbaren Lebensgestaltung braucht, raubt ihn seinen Mitmenschen und deren Nachkommen."

In den Kolonien, so der populäre Bürgerrechtler und Umweltschützer, brachten die Kolonisatoren immer zuerst großflächig das Land juristisch in ihren Besitz. Über die Nachfahren von Gutsbesitzern urteilt Pries: “Ihre erbfähigen Kinder und Enkel erscheinen oft selbstherrlicher, man spürt dann schon die geschichtslose Halbbildung typischer Manager.“ Gutbetuchte Westdeutsche eigneten sich nach Kolonialmanier die bisherigen Lebensgrundlagen ihrer früher von ihnen so bedauerten ostdeutschen Brüder und Schwestern an. „Die gleichen Leute, die so handeln, reden dann noch vom Zusammenwachsen!“ Daß so viel schiefläuft im Land, liegt auch laut Pries daran, daß  Westdeutsche in entscheidenden Positionen der Potsdamer Regierung sitzen, „die Merkmale einer Kolonialverwaltung hat“. Er und andere Naturschutzaktivisten Brandenburgs sind besonders aufgebracht darüber, daß die geplante Ausweisung von Totalreservaten verhindert wurde, indem die  Treuhand die natur­schutzfachlich besten und daher vom Westadel am meisten begehrten  Flächen im Eiltempo verhökerte.

Indessen Proteste gegen die Privatisierung fruchteten nichts. Ein Insider aus Manfred Stolpes brandenburgischer SPD:

"Der Hochadel des Landes hat inzwischen seine Leute in der Justiz – sogar Richter gehören zum Klüngel, vertreten die Privat­interessen der Blaublütigen; auf Bürger, die gegen Adlige Anzeige erstatten wollen, wird Druck ausgeübt."

Täglich sind Adlige in den Medien – dabei gibt es nur rund siebzigtausend  in Deutschland – aber die sind meist sehr eng vernetzt, viele wie zu Kaisers Zeiten und im Dritten Reich weiter Teil der Machteliten. Daß in Brandenburg und Berlin zwar Mittel für Bildung und Kultur fehlen, das Schulniveau wie von den neuen Machteliten  beabsichtigt, rapide sinkt,  Theater und Orchester geschlossen werden, andererseits mit hohem Geldaufwand massiv Stimmung für den  absurd teuren  Wiederaufbau unnötiger  Feudalschlösser  gemacht wird, führen Kritiker auch  auf den wachsenden Einfluß des Hochadels im Osten zurück. Das Wort von der „Refeudalisierung der Ex-DDR“ macht die Runde, selbst jugendliche Brandenburger nennen neue alte Schloßherren schlicht „Raubritter“. Daß etwa Monika Diepgen und Wilhelm Karl Prinz von Preußen nebeneinander in der der Kalesche zur wieder restaurierten kaiserlichen Pferderenn-Tribüne kutschieren, fröhlich nach allen Seiten die Untertanen grüßend, sagt da mehr als genug, wies läuft.

Besonders Umweltschützer prangern an, daß neue blaublütige Waldbesitzer  im Osten  wie vorausgesagt,  Naturrefugien, das sogenannte Tafelsilber der Einheit zerstören. Plastisches Beispiel – just  jener hessische Fürst zu Solms-Lich, Ehrendoktor der Universität Gießen, Bruder des FDP-Schatzmeisters. Im Brandenburgischen kauft er nach der Wende günstig weit über zweitausend Hektar, läßt zügig und forsch aufräumen, im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin abholzen, setzt als Verwalter den Waldbesitzer von Karlowitz ein, der als besonders machtarrogant gilt.

Laut zuständigen Behörden war dem Fürsten lange zuvor  mitgeteilt worden, daß er Horstschutzzonen, geschützte Biotope, seltene Tiere und Pflanzen zu berücksichtigen habe. Dennoch wird mitten in der Vegetationsperiode, der Adler- und Kranich-Brutzeit, soviel Holz eingeschlagen, wie sonst in zehn Jahren nicht. Altbäume, in deren Höhlen ungezählte Jungvögel gefüttert werden, ein Schreiadler-Horststamm – weg damit. Viele niedliche Vogelnester von Bodenbrütern – die dicken Ballonreifen der Holzerntemaschine können darauf leider keine Rücksicht nehmen, auch nicht auf die einmaligen Amphibien­tümpel, sensiblen Moorflächen.  Und auf  denkmalsgeschützte  Hügelgräber aus der Bronzezeit erst recht nicht. Beschildert sind sie zwar – aber Business geht vor, die Maschine muß drüber, tiefe Rinnen werden hineingefahren. Dieselkraftstoff, verschmutztes Öl fließen reichlich in den Waldboden.  Die Anwohner beobachten mit Verdruß, was aus ihrem früher volkseigenen Wald wird, aber auch Umweltschützer, Förster, Fachleute des Biosphärenreservats werden nach vier Wochen Holzerei schließlich aufmerksam. „Ein ganz schlimmer Fall, unvertretbar“, betont der Thüringer Dr. Eberhard Henne, Leiter des Biosphärenreservats, Ex-Umweltminister Brandenburgs, exzellenter Ornithologe – westdeutsche Vorgesetzte, heißt es, machen ihm das Leben schwer.

Auch die Naturschutzbehörde des Uckermark-Kreises wirft dem Fürsten vor, Schaden an der Natur und den Rechtsgütern angerichtet zu haben, zwingt ihn per Verfügung, den Waldfrevel sofort zu stoppen, ein Verfahren läuft. „Wir haben mit diesen Brüdern neuerdings laufend zu tun, weil sie sich über alles hinwegsetzen“, kommentiert   Ernst Pries in Templin.  Und Großschutzgebiets-Direktor Axel Vogel nennt den Fall durchaus lehrreich, weil doch immer behauptet werde, Privatwaldbesitzer betreiben genauso guten Naturschutz wie der Landesforst. Vogel hat rasch mitbekommen, daß es immer dann Probleme gibt, wenn die BVVG riesige zusammenhängende Flächen veräußert hat. Denn gleich in den ersten zwei, drei Jahren wollten die neuen Besitzer den Kaufpreis durch einen exorbitanten Waldeinschlag  wieder hereinholen.  Wie es sich in der Marktwirtschaft gehört, werden dafür nicht die arbeitslosen, gutausgebildeten Forstfacharbeiter aus den Dörfern der Region eingestellt, sondern meist superbillige ausländische. Wo in der DDR gleich mehrere Männer mit Motorsägen, Traktoren oder gar den besonders naturschonenden Pferdegespannen  beschäftigt waren, ackert heute ein einziger Harvesterfahrer aus Finnland. Warum nicht wir, fragen die Leute hinter den Fensterscheiben, wenn draußen überschwere Laster die Stämme an den  regionalen Sägewerken vorbei nach Schweden oder Tschechien transportieren. Manchen fällt da sogar der Spruch von der sozialen Verpflichtung des Eigentums wieder ein. Jene „Adelsaversion“ wird jedenfalls schwerlich  geringer – zumal Blaublütige wie Fürst zu Solms-Lich nicht zurückstecken. Im ORB-Fernsehen beharrt er darauf, ordnungsgemäße Forstwirtschaft, wie im Westen betrieben, keinerlei schlechtes Gewissen zu haben. Und klagt vor dem zuständigen Verwaltungsgericht gegen das laufende Ordnungs­widrigkeits­verfahren, den verfügten Einschlag-Stopp, will hohen Schadenersatz. 

„Die Adligen sind gewieft“, sagt ein Insider aus der Landesbehörde, "sie fahren teuerste, gerissenste Anwälte auf, die alle Tricks und Finessen der westdeutschen Justiz kenne – wir sind da nur Seiteneinsteiger nach der Wende, es ist ein ungleicher Kampf. Im Osten hofften viele auf den sogenannten Rechtsstaat – dann die große Enttäuschung!“

 Dem ORB-TV-Team entgeht nicht, daß die Leute vor Ort über den Fürsten sehr wütend sind. Doch Sebastian Freiherr von Rotenhan pocht auf die Forstprivatisierung im Osten: “Diese Wälder wurden in einem jedem rechtsstaatlichen Verständnis hohnsprechenden Verfahren enteignet und anschließend zugrundegerichtet.“

 Und dann ist da noch dieses absurd Missionarische der Blaublütigen, was manchen aufbringt.  Die kommen in den  „wilden Osten, tief überzeugt, hier erst einmal  Kultur reinbringen, verlotterte „Wälder aufräumen  zu müssen“, kritisiert  man sogar in den Naturschutzbehörden.  In Prenzlau hat Umweltdezernent  Dr.Günter Heise – dessen  Stasi-Akte „Ornithologe“ ist 390 Seiten dick – den Fall auf dem Tisch. In seinem Landkreis brüten einundzwanzig Seeadlerpaare, mehr als in den alten  Bundesländern zusammen – außerdem jene Schreiadler, die im Westen ausgerottet wurden. “Der durch den Fürsten angerichtete Schaden an der Natur ist nicht wiedergutzumachen – unglaublich, was wir hier neuerdings erleben – die Leute kommen sich teilweise vor wie in `ner Kolonie. Und fragen, welche Beziehung der Fürst eigentlich zu dieser Region hat.“ Heise hat sie – war bereits in der DDR  Umweltaktivist, promovierte über Fledermausforschung, kritisiert die Verschlechterungen nach der Wende: 

“Die neue Umweltpolitik brachte keine Verbesserungen – nichts war effektiver als der ehrenamtliche Naturschutz in der DDR. Das will niemand wahrhaben. Heute hat der Naturschutz keine Lobby mehr.“

Kurios läuft es weiter nördlich. Große Teile der nordvorpommerschen Waldlandschaft sind vor der Wende gut abgeschirmte Staatsjagden, damit als Nebeneffekt exzellente Naturschutzgebiete. Ehrenamtliche Greifvogelexperten wie Ingenieur Joachim Matthes aus Rostock schleichen sich „wie die Partisanen“ hinein, um die raren Schreiadler zu beobachten,  streiten  sogar mit Politbüro-Jägern und ihren Bewachern  herum. “Manchmal haben sie uns mit vorgehaltener Waffe wieder rausgescheucht.“ Die SED ist weg, doch der Ärger geht jetzt erst richtig los. Wäre NABU-Mitglied Matthes Millionär, hätte er sofort die feilgebotenen Staatsjagdgebiete erworben, daraus Schreiadlerreservate gemacht  Doch nun sind  Graf von Finkenstein und Freiherr von Massenbach die neuen Besitzer der hochwichtigen Biotope, wirtschaften aus Sicht der Umweltschützer naturfeindlich. Das ganze Jahr ist jetzt Unruhe, nicht nur Adler werden massiv beim Brüten gestört, oder vertrieben. Neue Forstwege entstehen sogar mit Steuermitteln, Waldentwässerungen wirken wie anderswo im Bundesland verheerend auf sensible Arten, allerorten Übernutzung.  1999 – kein Wunder -  laut Matthes deshalb ein katastrophaler Einbruch bei den Schreiadlerbruten. Graf und Freiherr lassen  die früher urwüchsigen Wälder „in wessi`scher Manier aufräumen, in Ordnung bringen. Für den  Schreiadler ist dann absolut Sendepause, der verliert den Sichtschutz, geht weg.“ Von Finkenstein wird 1945 enteignet, wechselt  nach drüben. Bei der Rückkehr  bemerkt er  den enormen Artenreichtum durchaus – der Bestand an Wildtieren sei  zigmal höher als im Bayrischen Wald. Das sei alles viel zu viel. Doch jetzt wird ordnungsgemäße Forstwirtschaft eingeführt.  Streit gab es, weil PDS-Umweltminister Wolfgang Methling auf Forderung der regionalen Umweltverbände just die nordvorpommersche Waldlandschaft zum Flora-Fauna-Habitat erklären, als sogenanntes FFH-Gebiet nach Brüssel melden wollte. Herbe Nutzungseinschränkungen zugunsten der Natur will  Graf von Finkenstein natürlich nicht,  droht mit einem Prozeß vor dem Verwaltungsgericht, dem Vernehmen nach unterstützt von seinem Sohn, der, wie es heißt,  praktischerweise Forstamtsleiter ist. Das wirkt  -  Minister Methling wird im Kabinett überstimmt, für hohe Schadenersatzsummen an die Blaublütigen wäre kein Geld in der knappen Landeskasse.

Graf von Finkenstein – vorpommersche Umweltaktivisten nennen ihn einen „typischen Neokolonialisten“ - ärgert fast schwarz, daß nach der Wende Ansprüche von „Alteigentümern“ wie ihm auf früheren Besitz nicht galten. Kohl, Schäuble und Waigel wirft er in diesem Zusammenhang „Propaganda“ vor, wird plötzlich heftig. „Diese Schweine“ bricht es aus ihm heraus, meint die genannten drei Politiker.   Nachbar von Massenbach  findet: „Der Naturschutzbund und wie die so alle heißen, wollen unsere Wälder nässer haben, damit also irgendwelche Frösche da sind, Schreiadler, Schwarzstorch und ich weiß nicht was.“ Wie sein Arealnachbar sieht er  Widerstände, Quertreiber selbst in den Forst-und Jagdbehörden – oft habe man  dort kein Verhältnis zu den Kosten. „Die haben halt nicht verinnerlicht, daß das bei uns nach westlichen Kriterien ein bißchen anders geht. Man muß den Leuten alles langsam beibringen.“  In Meyers Konversationslexikon wird ein Christian von Massenbach als preußischer Oberst genannt, der am Krieg gegen Frankreich teilgenommen habe. „1806 rieth er seinem König dringend eine Allianz mit Frankreich und mit diesem Krieg gegen Rußland an.“ Vom König habe er ein Landgut bekommen.

 Der Freiherr von heute ist zufrieden, daß PDS-und SPD-Minister in Schwerin sich besannen.  Doch Leute wie Schreiadlerexperte Matthes können  nur Rückschritt erkennen, wissen  von grauenvollen Kahlschlägen, über die sich auch das Volk und sogar Bürgermeister aufregen. . Die Zuständigen, meint er, knicken heutzutage sofort vor den Blaublütigen ein – egal ob Landwirtschaftsminister  oder gar  PDS-Mann Methling. „Der muß ja auch in der ganzen Soße mitschwimmen. Die Verhältnisse sind halt so.“ Umweltbeamte Mecklenburg-Vorpommerns betonen: “Blaublütige verschlechtern nachweislich die Waldbiotope, beuten die Natur rücksichtslos aus. In den Privatwäldern schlägt man so viel Holz ein, daß einem übel wird – oft uralte, wertvollste Buchen und Eichen!“. Als Paradebeispiel dafür wird Freiherr von Massenbach genannt. Der NABU protestiert gegen die „neuen Herrscher im Adlerwald“, vom Umweltministerium wird bestätigt, daß diese massiv gegen Naturschutzgesetze verstoßen. Doch Minister Methling, übervorsichtig wie immer, wiegelt erst mal ab, um nicht in den Ruch der „Adelsaversion“ oder gar des unbelehrbaren Klassenkämpfers zu kommen. Er kenne viele, die sich außerordentlich positiv für Natur und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern engagierten, zum Beispiel den  adligen Öko-Bauern von Bassewitz. Alle Blaublütigen sozusagen potentielle Naturschänder – nein, das gehe auf keinen Fall. Aber jene Probleme da in den Schrei­adlerwäldern, „die existieren – da haben die Naturschützer und ihre Verbände Recht. Privateigentum an Natur­schutzflächen ist immer ein Problem, immer ein Nutzungskonfliktpotential.“

Im Brandenburgischen legt sich unterdessen der Pfarrer, SPD-Bundestagsabgeordnete und Ex-Außenminister  Markus Meckel  heftig mit dem Grafen von Arnim-Boitzenburg  an, weil der Spaziergängern, Badelustigen und Anwohnern mit einem Zaun den   gewohnten Zugang zum Großen Küstrinsee versperrt. Ein Kind sei mit dem Rad dagegengefahren, habe sich am Hals verletzt. Doch die Betroffenen hätten sich nicht getraut, Anzeige zu erstatten. Der Aufforderung durch das zuständige Landratsamt, den Zaun zu entfernen, sei der Graf nicht nachgekommen.

Zugangssperren gibt es laut Meckel bereits auch anderswo in der Uckermark. Bestes Beispiel – das kleine Blumenthal bei Prötzel. Stephan Prinz zur Lippe aus dem nordrhein-westfälischen Detmold kauft dort eintausend Hektar wunderschönen Wald, versperrt den Blumenthalern zwei seit über einhundert Jahren genutzte Zufahrten, indem er ohne Vorankündigung die Schlösser an den entsprechenden Schranken auswechselt. Eine Bürgerinitiative, geführt von dem  Historiker Rolf Leuschner, protestiert vehement, ohne daß die Regierung in Potsdam reagiert. Der Detmolder Prinz spricht  nicht ein einziges Mal mit den betroffenen Blumenthalern, die jetzt einen Umweg von zwölf Kilometern fahren müssen. Auch die Förster der Region, so Leuschner, seien gegen den Adligen aufgebracht.

 Den SPD-Politiker Meckel stört  ebenfalls, daß in den privatisierten Wäldern „großflächig und sichtbar ertragsorientiert“ Holz eingeschlagen werde. Fachleute fürchteten um die Regenerationsfähigkeit der betroffenen Kiefernwälder. “Dies hätte außer wirtschaftlichen und ökologischen Schäden auch den Verlust touristischer Attraktivität zur Folge.“

Und Fürst zu Solms-Lich müßte bei solch schweren Verfehlungen seine Wälder normalerweise wieder abgeben,  meint Roland Resch,  Leiter des Naturparks „Uckermärkische Seen“, Ex-Bildungsminister von Brandenburg.  Nur – höherenorts traue sich niemand an das heikle Thema. Resch ist ebenso wie Greenpeace sogar grundsätzlich gegen Schutzgebiets-Privatisierung – wegen der negativen Langzeitfolgen. „Die Privatbewirtschaftung ist nicht in der Lage, Naturschutzziele umzusetzen – das weiß ich aus Erfahrung. Wald gehört in die öffentliche Hand – dorthin, wo er schon einmal war.“ Er kommt auf diese Idee nicht zufällig – ungezählte Berliner und Brandenburger, die um die Zustände wissen, fordern seit langem die Wälder-Rückgabe.

Martin Kaiser, Forstexperte von Greenpeace weist auf den bayrischen Fürsten zu Öttingen-Spielberg, der im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin immer mehr Naturschutzflächen will: In seinen Forsten in Bayern betreibe der Fürst eine rein profit­orientierte, ökologisch schädliche Waldwirtschaft. Experten  konstatierten Kahlschläge, Fichtenpflanzungen, übermäßig hohen Wildbestand – nannten all dies „katastrophal“. Ein Insider: „In Brandenburg hält sich der Fürst damit erst einmal zurück, da er ja noch einige tausend Hektar haben will. Hat er die erst, wird er auch hier für Ärger sorgen, wie in seinen bayrischen Wäldern vorgehen.“

Dem hessischen Fürsten zu Solms-Lich hatte die Treuhand große  Flächen gleich bei der allerersten regionalen Privatisierungs­aktion zugeschanzt – gegen die Forstleute und Naturschützer heftig protestierten, sogar auf der Straße – und mit ihren Argumenten vorhersehbar völlig richtig lagen. Unter den betroffenen Brandenburgern macht Naturparkleiter  Resch heute  Resignation aus: “Was sollen wir dagegen machen, die haben ja eh das Sagen“, sei zu hören. Den Fürsten juckt das alles nicht – er lobt wiederholt seine Holzfirma für die ordentliche Arbeit. Naturschützer haben eine enge Perspektive, aus unserer Sicht lächerlich, sagt er. Den Streit um seine Wälder wolle man als Ost-West-Problem hinstellen. „Was es natürlich nicht ist.“

Christoph von Bredow, Ex-CDU-Abgeordneter aus Niedersachsen, der im Naturpark Westhavelland dreihundert Hektar besitzt, wird womöglich genauso argumentieren, im Gegensatz zu den Anwohnern, Naturfreunden der Region. Er läßt durch finnische Waldarbeiter mitten in der Brutzeit eine große geschützte Graureiherkolonie total verwüsten. Die Horstbäume werden einfach gefällt, viele Eier, mindestens zwanzig Jungvögel stürzen gemäß den Ermittlungen herunter, die Tiere verenden grausam. Noch Tage fliegen die Reihereltern der seit DDR-Zeiten bestehenden Kolonie auf der Suche nach ihren Jungen laut und durchdringend rufend um den Ort des Umweltverbrechens. Der Rotmilan, man weiß es, ist ein typischer Wendeverlierer, geht stark zurück, wird deshalb vom NABU zum Vogel des Jahres 2000 ausgewählt. Ein Milanpaar brütet neben den Reihern. Unter dem West-Adligen von Bredow  müssen die Milan-Jungen ebenfalls sterben – auch dieser Horstbaum wird einfach abgesägt.

Der  CDU- Blaublütige, so Naturschutzaktivisten, muß gewußt haben, daß die Reihernester, wie in der Natur üblich,  äußerst seltene, streng geschützte Nachnutzer wie Baumfalken oder Waldohreulen hatten, auch diese Arten also geschädigt wurden. „Wieder macht ein Adliger in westlicher Großgrundbesitzermanier hier in der Ost-Natur Tabula rasa, als wäre es Kolonialgebiet“, sagen  Leute im Westhavelland, aber auch in  Umweltbehörden sieht man es so. „Doch vor den Blaublütigen ziehen eben viele Autoritäten den Schwanz ein!“ Selbst die Regionalzeitung spricht von „Skandal“, von Brandenburgs SPD-Umwelt-und Landwirtschaftsminister Wolfgang Birthler wird eine energische Reaktion erwartet. Doch der verzichtet bezeichnenderweise sogar auf eine Presseerklärung.

Ostdeutsche Umweltexperten äußern sich zunehmend empört darüber, daß West-Adlige „geradezu frech“ Naturschutz verhindern wollen. Danach  mischte sich der bayrische Fürst Albrecht zu Öttingen-Spielberg über den Chef seiner „Fürstlichen Forstverwaltung“, Dr.Eberhard Lasson,  in die Ausweisung des Totalreservats Redernswalde im Biosphärenreservat Schorfheide- Chorin ein, wandte sich sogar über die Medien  dagegen. Dr. Michael Luthardt, stellvertretender Reservatsleiter, wies den Einspruch zurück:“Fürst Albrecht zu Öttingen-Spielberg ist weder derzeitiger Besitzer oder Nutzer der Fläche und kann somit nicht als durch die geplante Schutzverordnung direkt Betroffener auftreten. Der Rückkauf der Redernswalder Forste und die geplante Bewirtschaftung sind eindeutig ein privates Interesse, während der langfristige Erhalt der einzigartigen Naturräume im Interesse der Allgemeinheit ist.“ Genau angrenzend, hat die BVVG dem  Fürsten  bereits 1012 Hektar verkauft, direkt am NABU-Informationszentrum „Blumberger Mühle“ bei Angermünde.

Nach der Wende hat sich auch in Sachen öffentliche Sicherheit in Potsdam manches spürbar verändert. Verantwortlich dafür ist als Polizeipräsident ein Adliger, Graf Detlef von Schwerin, der im Naturpark „Uckermärkische Seen“  südlich Fürstenwerder Flächen auch im  Naturschutzgebiet „Kieker“ besitzt.

„Darin begann er 1994/95  alten Buchenwald abzuholzen“, erinnert sich  Brandenburgs Grüne-Liga-Vorstandsmitglied Norbert Wilke.“Der Seeadlerhorstbaum stand noch – aber drumherum war alles kahl. Somit war die Adlerbrut für dieses Jahr auch passè.“ Im Förderverein „Uckermärkische Seen“ seien einige Adlige Mitglied geworden, „um wie auf einem Beobachterposten alles mitzukriegen. Was wir hier in Brandenburg über so viele Jahre im Naturschutz bewahrt haben, ist jetzt völlig in Frage gestellt.“  Potsdams Polizeipräsident wollte auch in den Förderverein, habe jedoch nicht die notwendige Stimmenmehrheit bekommen, heißt es, sei daraufhin wutentbrannt und schimpfend von dannen gezogen. In der weitverzweigten Adelsfamilie finden sich mehrere hohe Militärs: Kurt Christoph Graf von Schwerin , steht in Lexika, war preußischer Generalfeldmarschall, trat in die Dienste des Königs  Friedrich Wilhelm I. “In Friedrichs Eroberungspläne eingeweiht, erhielt S. ein Kommando bei den zum Einfall in Schlesien bei Krossen zusammengezogenen Truppen...nahm Liegnitz, Jauer und Schweidnitz... drang in Mähren, später in Böhmen ein.“ Friedrich II habe ihm eine Statue auf dem Wilhelmsplatz in Berlin errichten lassen. Im Faschismus war ein Graf von Schwerin danach Oberstleutnant im Oberkommando der Wehrmacht, ein anderer Panzergeneral. Dieser wurde Sicherheitsberater Konrad Adenauers, kooperierte daher zwangsläufig mit dessen Kanzleramts-Staatssekretär Dr. Hans Maria Globke. Dieser, man erinnert sich, hatte die nazistischen Rassengesetze mitausgearbeitet, damit erheblichen Anteil an der Judenvernichtung, die auch die Wehrmacht mitbetrieb.

“Die Werbewirtschaft hat die Zugkraft deutscher Adelshäuser, die Geschichte und Glaubwürdigkeit repräsentieren, einfach noch nicht erkannt“, sagt Eduard Prinz von Anhalt, TV-Kommentator bei Königshochzeiten,  dem „Spiegel“ – nicht wenige Blaublütige werben indessen bereits kräftig, die neue Hauptstadt gibt dem Hochadel beste Chancen zur Selbstdarstellung. Die Super Illu mag natürlich, wie der 46-jährige Welfen-(Pinkel)-Prinz Ernst August, Ehemann der Monegassen-Prinzession Caroline, um die „Rückgabe“  großväterlichen Erbes im Osten  auf dem Klagewege „kämpft“: Rund zehntausend Hektar in Harz und Magdeburger Börde mit Gutshöfen, zwei Schlössern, einem Kloster und einem Rittergut. „Sie könnten so viel Glanz und Wirtschaftskraft in den Harz bringen“, titelt die Ost-Illustrierte. Ein tausend Hektar großes Jagdrevier bei Altenbrak südlich Blankenburg hat die Treuhand dem Prinzen bereits verkauft. Die Provinzpresse schrieb begeistert, wie Prinzessin Caroline dort im Jagddreß, angeleitet von Welfen-Forstmeister Freiherr Ludolf von Oldershausen, ein Ost-Reh totschoß.

 

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