Marko Ferst

Aspekte von
Umweltsicherheit

 

 

Studienarbeit

2003

detopia

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Inhalt

1. Das Vorhaben

2. Einordnungen zur Umweltsicherheit

3. Vom Begriff der Umweltsicherheit

4. Die Fakten der ökologischen Degradation

5. Einige Konsequenzen, die aus der destruktiven Lage resultieren

6. Regionale Umweltsicherheit, Großunfälle und gesundheitliche Gefährdungen

7. Umweltsicherheit: Die letzten Barrel Öl und die daraus resultierende Kriegsgefahr

8. Kurze Zusammenfassung


1. Das Vorhaben

In dieser Arbeit soll die existentielle Bedeutung von Umweltsicherheit für den weiteren Bestand der Zivilisation aufgezeigt werden. Dazu wird der Versuch unternommen, anhand von Faktenmaterial zu belegen, wie sehr wir uns bereits auf einer abschüssigen Bahn befinden. Eine restlose Beweisführung ist zweifelsohne niemandem möglich, aber die Daten und Zusammenhänge sprechen unmißverständlich ihre eigene Sprache.

Soweit dies prognostizierbar ist, wird auch auf die politischen Folgen einer Fortsetzung des bisherigen Entwicklungsweges verwiesen. Ohne Umweltsicherheit werden alle anderen Anforderungen nach menschlicher Sicherheit in Zukunft immer weniger zu gewährleisten sein. Die Argumentation soll bis an den Punkt geführt werden, wo deutlich wird, die bisherige Produktions- und Lebensweise der reichen Industriestaaten unterminiert die Zukunftsfähigkeit unserer gesellschaftlichen Systeme.

Nur ein Teil der Umweltgefahren stellt jedoch eine akute globale Gefährdung dar. Da es um die Aspekte der Umweltsicherheit in dieser Arbeit gehen soll, wird auch u.a. auf die regionalen ökologischen Degradationen mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen eingegangen. Dies kann aus Gründen des Umfanges nur anhand von einigen Beispielen geschehen. Ausführlich besprochen werden auch Konfliktlagen, die sich aus der Nutzung und Sicherung des fossilen Rohstoffes Eröl ergeben. In allen Teilen der Arbeit wird eine problemzentrierte Herangehensweise verwendet.

2. Einordnungen zur Umweltsicherheit

Umweltsicherheit stellt nicht eine Kategorie menschlicher Sicherheit unter anderen dar. Sieht man nur die Situation in der Vergangenheit, so könnte man zu dem falschen Schluß kommen, sie sei nur ein Segment aus dem ganzen Arsenal von zu schützenden menschlichen Sicherheiten. Klar zeichnet sich aber bereits ab, wenn die Tragekapazität der Biosphäre durch unsere Gattung weiter so überfordert wird wie bisher, dann gibt es zukünftig keine Chance mehr, irgendeine Sicherheit für die menschliche Existenz zu garantieren. Eine umfassende Umweltsicherheit herzustellen, markiert also die entscheidende Herausforderung im 21. Jahrhundert.

Lediglich ein global ausagierter Atomkrieg oder eine weltumspannende biologische Kriegsführung mit Pocken z.B. könnten eine ähnlich gravierende totale Bedrohung auslösen. Alle anderen Faktoren, wie z.B. Hungerkatastrophen sind für die betroffene Bevölkerung ein vernichtender Schlag und oft genug ein Zeichen dafür, daß sozialer Ausgleich im Weltmaßstab auf brutalste Weise mißachtet wurde. Dennoch wird dadurch nicht die Existenz der Gattung auf Dauer in Frage gestellt, so barbarisch es ist, daß unsere Zivilisation es hinnimmt, daß jeden Tag ca. 100.000 Menschen an den Folgen von Unterernährung sterben.

Seit den Anschlägen auf die beiden Hochhaustürme in New York liegt die Sicherheit vor terroristischen Anschlägen stärker als früher im Rampenlicht der Öffentlichkeit und wird von Regierungen ernster genommen. Besonders in den USA ist eine längerfristige Überreaktion auf diese Ereignisse zu verzeichnen. Gegenüber der schleichenden ökologischen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aber sind terroristische Anschläge ein Problem mit weit geringerem Gefährdungspotential, so bitter und tragisch es ist, wenn man zu den Betroffenen oder den Angehörigen zählt.

Eingeschränkt muß aber werden, würde es z.B. einen gezielt koordinierten Anschlag auf die Atomfabriken in La Hague in Frankreich oder Sellafield in England geben, die Auswirkungen könnten für weite Landstriche fatal sein, schlimmer noch als bei einem Anschlag auf ein normales Atomkraftwerk, das dabei vollständig sein radioaktives Material freigibt. Nicht übersehen werden darf auch das kriegsauslösende Moment solcher terroristischer Aktivitäten. Das Prognos-Institut rechnet mit bis zu 15.000 Soforttoten und bis zu 4,8 Millionen Krebstoten bei einer Kernschmelze in einem deutschen Atomkraftwerk, und diese Daten sind als eher konservative Annahmen zu sehen.[1]

Die Ausprägungen von sozialökologischer Destabilisierung sind gekennzeichnet durch ganz unterschiedliche räumliche, zeitliche und strukturelle Merkmale. Wir bekommen es nicht nur damit zu tun, daß wir z.B. durch einen gravierenden Wechsel der globalen Klimaabläufe unsere Zivilisation existentiell in Frage stellen. Auch die Gefährdung des Weltklimas wird zunächst in einigen Regionen der Welt besonders starke Degradationen hervorrufen. Andererseits bleibt das Verschwinden des Aralsees durch die Übernutzung der Wasserressourcen der beiden Zuflüsse weitgehend ein Problem der betroffenen Region. Nicht außer acht lassen sollte man jedoch, daß die verschiedenen Degradationen, wenn sie in Zukunft immer mehr ineinander wirken, ganz neue zerstörerische Potentiale in der Summe ausbilden können. Eine nichtökologische Landwirtschaft, die z.B. zu Bodenerosion führt plus klimaverändernde Faktoren, zerstört in der Konsequenz die Möglichkeit zu eigener Versorgung. In „Dritte-Welt“-Ländern spielt in solch einem Punkt natürlich auch die Exportorientierung, die Verschuldung, ungleiche Landverteilung, mitunter IWF-Anpassungs­programme, subventionierte Lebensmittel aus den reichen Nationen u.a. hinein. All diese Einflüsse zusammen schaffen am Ende ein Maximum an Umweltunsicherheit.

3. Vom Begriff der Umweltsicherheit

Von Umweltsicherheit zu sprechen, die auch generationenübergreifend zu gewährleisten ist, hat natürlich psychologisch einen gravierenden Vorzug gegenüber den sehr dehnbaren Bezeichnungen von einer „nachhaltigen Entwicklung“ oder dem „ökologischen Umbau der Industriegesellschaft“, was die Konsequenzen des zivilisatorischen Umsteuerns betrifft. Sicherheit zu fordern läßt keinen Spielraum für aus welchen Gründen auch immer eingeräumte Nachlässigkeit beim Handeln gegen Umweltzerstörung. Freilich kann man jeden Begriff verwässern in seiner Bedeutung, so auch diesen, wenn man ihn entsprechend einsetzt, um eine Umweltpolitik zu hofieren, die von dem Geist des ökologischen Ablaßhandels lebt.

Doch die Bezeichnung Umweltsicherheit begleitet auch eine weniger vorteilhafte Seite: Der Drang des Menschen nach Sicherheit ist auch in das geschichtlich- kulturellen Aufkommen der heutigen Megamaschine fundamental mit eingewoben. Mag der Entwicklungsweg am Anfang noch die produktive Lösung existierender Unzulänglichkeiten in den Lebensbedingungen gewesen sein, er war angesichts der ausbeuterisch funktionierenden Gesellschaftsverfassung nicht nur das, so ist heute ein Syndrom aus Technik, Kapital und Staat entstanden, das Sicherheit für das gesellschaftliche Funktionieren in recht weitgehender Weise gewährleistest, jedenfalls im Vergleich zu geschichtlichen Epochen, in denen die Pest große Teile der europäischen Bevölkerung dahinraffte, aber auch später. Der permanente Zugewinn an Sicherheit für das eigene Leben ist geschichtlich zu einem System geronnen, auch wenn der heutige Gebrauch technischer Infrastruktur viele neue Gefahren hervorgebracht hat. Vergessen wir nicht z.B. die hohe Säuglingssterblichkeit des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland. Umweltsicherheit kann auf so verstandene gesellschaftliche Sicherheit nicht mehr aufbauen, sie muß eine neue Synthese suchen. In dem alten „Sicherheitssystem“, von dem die heutigen Gesellschaften leben, ist bereits die zukünftige eigene Selbstzerstörung angelegt.

4. Die Fakten der ökologischen Degradation

Die ökologische Destabilisierung spitzt sich weltgeschichtlich gesehen in raschem Tempo zur weltweiten Überlebensfrage zu. Sie entspringt der immer expansiveren Nutzung der Natur durch den Menschen, dem ausbeuterischen Charakter des herrschenden Produktions- und Konsumtionsmodells.

Weltweit gelangen beständig Millionen Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre und lassen eine Klimakatastrophe immer wahrscheinlicher werden. Jeden Tag werden 55.000 Hektar Tropenwald abgeholzt, sterben rund 300 bis 400 Tier- und Pflanzenarten aus. 86 Millionen Tonnen fruchtbarer Boden gehen durch Erosion verloren. Die Wüsten dehnen sich um mehr als 20.000 Hektar aus.[2] Innerhalb weniger Generationen werden die nicht erneuerbaren Rohstoffe aufgebraucht, die in Jahrmillionen entstanden. Die schützende Ozonschicht der Erde wird dünner, und weit über die Antarktis hinaus reißt sie regelmäßig gänzlich auf. In immer kürzeren Abständen verdoppelt sich die Bevölkerungszahl auf der Erde. Dies sind nur die dramatischsten Warnzeichen, wie wir die biosphärischen Belastungsgrenzen[3] verletzen.

Ursache und Wirkung sozialökologischer Destabilisierung liegen häufig lange Zeiträume auseinander. Haben sich die verschiedenen Konfliktpotentiale jedoch zu einem unlösbaren Knoten verschlungen, läßt sich das zerstörerische Potential nicht mehr abwenden, auch wenn die auslösenden Faktoren längst beseitigt sind. In den nächsten Jahrzehnten drohen regionale und globale Zusammenbrüche der Ökosysteme. Umweltsicherheit schaffen heißt deshalb, alle gesellschaftlichen Reformkapazitäten auf einen radikalen ökologischen Umbau der Produktions- und Lebensweise zu richten, damit das „Zeitfenster“ dafür nicht unwiederbringlich verloren geht.

Seit 1972 der Aufsehen erregende Bericht des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums erschien, sind nun bald drei Jahrzehnte vergangen, und wir sehen, es wurden kaum Konsequenzen für die globale Entwicklung gezogen. Manche Prognosen von damals mußten korrigiert werden, zugleich zeigte z.B. die völlig unerwartete Entdeckung des antarktischen Ozonlochs, wie gefährlich nichtlineare Prozesse ablaufen. Würde sich der Ozonfraß nicht regelmäßig über dem Eiskontinent ausbilden, sondern etwa über Europa, hätten wir längst einen ökologischen Notstand. An der australischen Situation kann man dies gut erkennen.

In den letzten 10000 Jahren nach dem Ende der Eiszeit erwies sich das Erdklima als ungewöhnlich stabil. Dieser Umstand ist in der jüngeren Geschichte unseres Planeten einmalig, wechselten doch zuvor Kälteeinbrüche und Wärmeperioden sehr häufig.[4] Jetzt besteht offenbar die Gefahr, daß der Mensch selbst diesem relativ stabilen Zustand ein Ende setzen kann.

Mobjib Latif vom Hamburger Max-Planck Institut für Meteorologie geht davon aus, bis zum Ende des 21.Jahrhundert kann sich die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur auf drei Grad belaufen, jedoch würde auf den Kontinenten eine Steigerung von bis zu fünf Grad im Jahresmittel möglich.[5] Auf Grund von Szenarien geht der IPCC davon aus, daß am Ende des 21. Jahrhunderts vom wichtigsten Klimagas Kohlendioxid 5 bis 35 Milliarden Tonnen pro Jahr ausgestoßen werden könnten. Dies entspricht einem globalen Temperaturanstieg von 1,4 bis 5,8 Grad Celsius.[6]

[...]

 



Fußnoten

[1] Neues Deutschland, 7.8.2001

[2] Franz Alt; Das ökologische Wirtschaftswunder. Arbeit und Wohlstand für alle, Berlin, 1997, S.36; Wolfgang Engelhard; Das Ende der Artenvielfalt. Aussterben und Ausrottung von Tieren, Darmstadt 1997, S.66

[3] Es ist natürlich außerordentlich schwer diese Belastungsgrenzen in konkrete Maßzahlen und Anhaltspunkte zu übersetzen. Dennoch gibt es bei Rudolf Bahro gestützt auf Wolfram Ziegler den Versuch den Energiedurchsatz pro Quadratkilometer mit einem „Schadäquivalent“ für den regional ermittelten Umfang an Stoffumwandlung und die Natureingriffe in Beziehung zu setzen. Dadurch kommen sie auf eine Kennzahl für den „Belastungsdruck“ auf die Biosphäre, die angegeben wird in Kilowatt(äquivalent)stunden pro km2 je Tag. Dies kann aber bestenfalls der Versuch einer groben Näherungsgröße sein. Dennoch ist es nicht ausschließen, daß man mit Hilfe weiterer Bezugsgrößen noch dichter an die tatsächliche Beschreibung auch von global gesehenen ökologischen Belastungsgrenzen herankommen kann. Die Grenzen dieser Versuche sollten einem aber immer klar bleiben. Auch wenn man bei der modelltechnischen Beschreibung besser wird, läßt sich daraus nicht begründen, ob wir um den Faktor acht oder den Faktor zwölf unseren Energie- und Stoffverbrauch zurücknehmen müßten. Siehe dazu: Rudolf Bahro; Logik der Rettung. Wer kann die Apokalypse aufhalten? Ein Versuch über die Grundlagen ökologischer Politik, Berlin, 1990, S.29-32

[4] Paul J. Crutzen (Hrsg.); Atmosphäre, Klima, Umwelt. Beiträge aus Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg, Berlin, Oxford, 1996, S.42

[5] Greenpeace-Magazin, Nr.1/ 1999

[6] Neues Deutschland, 29.1.2001

 



 URL Hausarbeiten.de
  Aspekte von Umweltsicherheit. Studienarbeit, 27 Seiten (M.Ferst)

 

 

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