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Vom Einparteienstaat zur Präsidentschaft Jelzins 

Die Rolle des russischen Geheimdienstes 

Schlußbetrachtung 

 

Von Christopher Andrew, 1999 

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Die meisten Historiker haben nie so recht erkannt, welche Rolle die Geheimdienste in den inter­nation­alen Beziehungen und in der Politik des 20. Jahr­hunderts spielten. Die Geschichte der Fern­melde­aufklärung ist dafür ein auffälliges Beispiel. 

Von 1945 an haben fast alle Geschichtswerke über den Zweiten Weltkrieg erwähnt, daß es den Amerikanern mehr als ein Jahr vor dem Überfall auf Pearl Harbour gelungen war, den diplomatischen Hauptcode der Japaner zu knacken. Bekannt ist auch der Erfolg, den die Briten im Ersten Weltkrieg mit der Entschlüsselung deutscher Geheimcodes erzielten. 

Der von den Briten gelieferte Klartext des sogenannten Zimmermann-Telegramms, in dem Deutschland Mexiko territoriale Gewinne zu Lasten der USA versprach, falls es an Deutschlands Seite in den Krieg eintrete, führte sogar dazu, daß sich die USA 1917 beeilten, Deutschland den Krieg zu erklären.

Aber bis zur Bekanntgabe des Geheimnisses um das Projekt ULTRA im Jahre 1973 war es fast keinem Historiker (mit Ausnahme ehemaliger Geheimdienst­offiziere, denen es allerdings verboten war, das Projekt zu erwähnen) in den Sinn gekommen, daß vielleicht bedeutende Erfolge auf dem Gebiet der Fernmelde­aufklärung gegen Deutschland und Japan erzielt worden waren.

Selbst als bekannt wurde, welche wichtige Rolle ULTRA während des Krieges bei den britischen und amerikanischen militärischen Operationen im Westen gespielt hatte, dauerte es noch weitere fünfzehn Jahre, bis irgendein Historiker die ziemlich offensichtliche Frage aufwarf, ob es vielleicht auch ein russisches ULTRA an der Ostfront gegeben habe.1)

Viele Historiker, die inzwischen die Bedeutung der Fernmelde­aufklärung im Zweiten Weltkrieg anerkannten, ignorierten sie am Ende des 20. Jahrhunderts jedoch noch völlig in ihren Studien über den Kalten Krieg. Dieses plötzliche Verschwinden der Fernmelde­aufklärung von der historischen Landschaft unmittelbar nach dem Sieg über Japan führte sogar in manchen Unter­suchungen über bedeutende Staatsmänner und internationale Beziehungen zu einigen außergewöhnlichen Anomalien. So wird in Sir Martin Gilberts mehrbändiger Biographie Churchills dessen starkes Interesse an der Fernmelde­aufklärung während der Krieges zwar bestätigt, doch enthält das Werk keinen einzigen Hinweis darauf, daß er sich als Friedenspremier von 1951 bis 1955 weiterhin dafür interessierte.

In den Stalin-Biographien ist sogar noch weniger über die Fernmeldeaufklärung zu finden. Es gibt einige ausgezeichnete Geschichtswerke über die Sowjetunion, aber kaum eines, das auch nur mit einem Wort den riesigen Umfang der Fernmelde­aufklärung erwähnt, die vom KGB und von der GRU, der militärischen Abwehr, geleistet wurde.

In vielen Unter­suchungen über die sowjetische Außenpolitik wird der KGB kaum erwähnt. Die Bibliographie des neuesten (1998 erschienenen) wissenschaftlichen Werkes zur Geschichte der russischen Auslands­beziehungen von 1917 bis 1991, das von einem britischen Fachmann als »beste allgemeine Geschichte der sowjetischen Außenpolitik« gepriesen wurde, enthält — abgesehen von einer Biographie Berijas — unter mehr als 120 Titeln nicht ein einziges Werk über die sowjetische Spionage.2)

Zwar läßt sich diese Blindheit führender Historiker teilweise dadurch erklären, daß die Archive der Geheimdienste, und ganz besonders die der Fernmelde­aufklärung, einer übermäßigen Geheimhaltung unterliegen, doch im Grunde ist sie auf etwas zurückzuführen, was die Psychologen »kognitive Dissonanz« nennen — die Schwierigkeit, die wir alle haben, wenn wir neue Konzepte erfassen sollen, die nicht in unser bisheriges Weltbild passen.3)

Für viele Historiker, Politikwissenschaftler und Fachleute auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen war die Welt der Geheimdienste ein solches Konzept. Während nunmehr ein neues Jahrhundert herauf­dämmert, ist die traditionelle Mißachtung der Spionage von selten der Historiker jedoch im Abschwung begriffen, wenn sie auch noch nicht völlig verschwinden wird. Eine neue Generation von Forschern bildet sich heran, die sich weniger als die meisten ihrer Vorgänger von der Rolle der Spionage und deren Nutzung (oder Mißbrauch) durch die Politik irritiert fühlen wird.4) Ein weites Feld neuer Forschungsaufgaben liegt vor ihnen.

Untersuchungen der Sowjetzeit haben bereits die allgemeine Annahme erschüttert, man könne von einer grundsätzlichen Symmetrie bei der Rolle der Nachrichten­dienste in Ost und West ausgehen. Die Tscheka und ihre Nachfolger waren jedoch für das Funktionieren des sowjetischen Systems von einer zentralen Bedeutung, wie es die Geheimdienste für die westlichen Staaten niemals waren.

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Alexander Herzen, der große Dissident des 19. Jahrhunderts und wahrscheinlich auch der erste russische Sozialist, sagte einmal, was er für das 20. Jahr­hundert befürchte, sei ein »Dschingis Khan mit einem Telegrafen« — also ein traditioneller Despot, der die ganze Macht eines modernen Staates zu seiner Verfügung habe. Mit Stalins Rußland wurde Herzens Alptraum Wirklichkeit. Aber die Macht des stalinistischen Staates war, wie George Orwell erkannte, zum großen Teil eine geheime Macht. Errichtung und Überleben des ersten Einparteien­staates der Welt in Rußland und seines »benachbarten Auslands« hingen davon ab, daß nach der Oktober­revolution ein beispielloses Überwachungs­system geschaffen wurde, das in der Lage war, alle abweichenden Meinungen zu kontrollieren und zu unterdrücken. 

In 1984 beschreibt Orwell einen Staat, der auf einer fast totalen Überwachung beruht:

»Es bestand ... keine Möglichkeit festzustellen, ob man in einem gegebenen Augenblick gerade überwacht wurde. Wie oft und nach welchem System die Gedankenpolizei sich in einen Privatapparat einschaltete, blieb der Mutmaßung überlassen. Es war sogar möglich, daß jeder einzelne ständig überwacht wurde. Auf alle Fälle aber konnte sie sich, wenn sie wollte, jederzeit in einen Apparat einschalten.« 5) 

Millionen von Menschen fühlten sich in Stalins Sowjetunion genauso überwacht wie Winston Smith in 1984. »Wegen der Allgegenwart der NKWD-Informanten«, so schreibt Geoffrey Hosking, »... hatten viele Leute niemanden, dem sie völlig vertrauten.« 6) 

*

Die Grundlagen für Stalins Überwachungsstaat wurden von Lenin geschaffen. Er war der eifrigste Verfechter der Tscheka innerhalb der bolschewistischen Führung; Proteste gegen ihre Brutalität tat er als weichliches »Gejammere« ab. Mit seiner persönlichen Unterstützung und Billigung durchdrang die Tscheka allmählich jeden Lebensaspekt unter dem Sowjetregime.7 Als Lenin zum Beispiel versuchte, den Brauch, Weihnachten zu feiern, in Rußland abzuschaffen, wandte er sich an die Tscheka. »Alle Tschekisten«, ordnete er am 25. Dezember 1919 an, »haben alarmbereit zu sein, um jeden zu erschießen, der wegen <Nikolaus> nicht zur Arbeit erscheint.«8)

Stalin benutzte die Nachfolger der Tscheka, OGPU und NKWD, für die Durchführung der umfassendsten Verfolgung, die es jemals in Friedenszeiten in der europäischen Geschichte gegeben hat. Unter den Opfern befand sich ein Großteil der Parteiführung, des Oberkommandos und sogar der Kommissare der Staatssicher­heit, die für die Ausübung des Großen Terrors verantwortlich war.

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Unter den westlichen Beobachtern des Terrors, die sich nicht vorstellen konnten, daß eine derartige Verfolgung überhaupt möglich war, gab es einige lehrbuchreife Fälle kognitiver Dissonanz.

Der amerikanische Botschafter, Joseph Davies, informierte Washington, die Schauprozesse hätten »über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Beweise« geliefert, um »den Schuldspruch wegen Landes­verrats zu rechtfertigen«.

Der Historiker Sir Bernard Pares, der als führender britischer Experte seiner Generation für alle möglichen russischen Fragen gilt, schrieb noch 1962: »Nahezu alle [die bei den Prozessen verurteilt wurden] gaben zu, gegen das Leben Stalins und anderer konspiriert zu haben; und in diesem Punkt erübrigt sich jeder Zweifel.«9)

Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten der NKWD und sein Nachfolger, das MGB, eine zentrale Rolle bei der Errichtung des neuen sowjetischen Imperiums in Ost- und Mitteleuropa. Ihre Rolle bestand einer offiziellen linientreuen Darstellung der sowjetischen Geschichte zufolge darin, »den Menschen der befreiten Länder zu helfen, eine freie heimische Regierungsform zu schaffen und zu festigen«10) mit anderen Worten, eine Reihe gefügiger Einparteienstaaten entlang der sowjetischen Westgrenzen zu schaffen. Im gesamten Ostblock spielten Sicherheits- und Geheimdienste eine entscheidende Rolle bei der Errichtung stalinistischer Regime. In der DDR gab es sogar siebenmal mehr Informanten als im Dritten Reich. Viele Führer der neuen Einparteien­staaten waren wie in Ostdeutschland nicht nur treue Stalinisten, sondern auch ehemalige Sowjet­agenten.

Zwar wurden »Volksfeinde« in der Zeit nach Stalin vom KGB in die Kategorie der Dissidenten eingestuft und weniger mörderischen Unterdrückungs­methoden ausgesetzt, doch blieb der Feldzug gegen sie kompromißlos wie eh und je. Um die Arbeitsweise des sowjetischen Staates besser zu verstehen, müssen die KGB-Methoden zur Überwachung der Gesellschaft noch viel eingehender untersucht werden. Mitrochins Notizen über den Inhalt von Dokumenten, die aus den inneren Verwaltungen des KGB stammen und in die Akten der Ersten Hauptverwaltung Eingang gefunden haben, zeigen, welch ungeheure Menge von streng geheimem Material über das sowjetische System noch in den Archiven des heutigen russischen Sicherheits­dienstes FSB schlummert. Zu den Neuerungen des KGB in der Zeit des Kalten Krieges gehörte der Mißbrauch der Psychiatrie als Bestrafung für ideologische Subversion.

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Der KGB warb eine Reihe von Psychiatern am Serbski-Institut für Forensische Psychiatrie und an anderen Instituten an, die beauftragt wurden, bei politischen Dissidenten »paranoide Schizophrenie« zu diagnost­izieren, worauf die Betreffenden auf unbegrenzte Zeit in Irrenanstalten eingewiesen wurden, wo sie unter Drogen gesetzt und ruhiggestellt werden konnten.

Ein »Plan für operative Maßnahmen von Agenten«, der Ende 1975 verwirklicht wurde, sah den Einsatz von vier Agenten (KRAJEWSKI, PETROW, PROFESSOR und WAIKIN) und sechs inoffiziellen Mitarbeitern (BEA, LDR, MGW, MSN, NRA und SAB) als Psychiater vor.11  Fast mit Gewißheit kann man davon ausgehen, daß es noch viel mehr solcher Fälle gab. Bemerkens­werterweise sind die meisten Dissidenten, die in geschlossenen Anstalten eingesperrt wurden, sogar nach der Behandlung durch KGB-Psychiater bei Verstand geblieben. Als 1977/78 siebenundzwanzig von ihnen von Alexander Woloschanowitsch, einem Arzt an der Dolgoprudnaja-Klinik für Psychiatrie, untersucht wurden, stellte sich heraus, daß kein einziger von ihnen an psychischen Störungen litt.12

1983 traten die sowjetischen Psychiater gerade noch rechtzeitig von selbst aus dem Weltverband für Psychiatrie aus, bevor sie wegen des systematischen Mißbrauchs von Patienten ausgeschlossen werden konnten.

Die vom KGB am häufigsten angewandten Methoden zur Überwachung der Gesellschaft waren die einfacheren, aber sehr arbeitsintensiven Methoden der allgegenwärtigen Observation und Einschüchterung. Die unmittelbaren Erfahrungen, die Andropow als Botschafter 1956 in Budapest sammelte, ergänzt durch die tschechoslowakische Krise in seinem ersten Jahr als KGB-Vorsitzender, überzeugten ihn, daß der KGB es sich nicht leisten konnte, auch nur einen einzigen Fall von ideologischer Subversion zu übersehen. »Jede derartige Handlung«, betonte er, »stellt eine Gefahr dar.« Niemand war zu unbedeutend, als daß er nicht die Aufmerksamkeit des KGB auf sich gelenkt hätte. Der Aufwand an Kräften und Mitteln, die eingesetzt wurden, um jeden Verfasser eines anonymen Briefes oder Urheber eines aufwieglerischen systemkritischen Graffito zu ermitteln, ging häufig über das hinaus, was im Westen zur Aufklärung eines bedeutenden Mordfalls aufgeboten wird.

 

Zu den vielen Operationen dieser Art, deren Erfolg in der internen Zeitschrift KGB Sbornik gefeiert wurde, gehörte auch die Jagd nach einer Person mit dem Codenamen CHUDOSCHNIK (»Künstler«), die im Juli 1971 anonyme Briefe mit Angriffen auf den Marxismus-Leninismus und verschiedene Parteifunktionäre an Komitees der KPdSU und des Komsomol zu verschicken begann.

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Die Briefe waren mit Kugelschreiber geschrieben und mit »Zentralkomitee der Freiheitspartei« unterzeichnet. Bei der kriminaltechnischen Untersuchung wurden auf der Rückseite einiger Briefe kaum wahrnehmbare Spuren von Bleistiftzeichnungen entdeckt — daher der Codename CHUDOSCHNIK und die Hypothese, der Gesuchte habe an einer Kunsthochschule studiert. Dem Inhalt der Briefe nach zu urteilen, las er regelmäßig die Komsomolskaja Prawda und hörte ausländische Rundfunksender. Aufgrund der Tatsache, daß einige Briefe an Komsomolzen beim Militär gesandt worden waren, begann eine umfangreiche Überprüfung der Personalakten von Leuten, die aus militärischen Ausbildungsstätten entlassen worden waren, sowie von Reserveoffizieren.

Die Suche nach CHUDOSCHNIK konzentrierte sich auf Moskau, Jaroslawl, Rostow und Gawrilow-Jam, wo seine Briefe abgeschickt worden waren. An allen vier Orten suchte die Postzensur (Sluschba PK) viele Monate lang nach einer Handschrift, die der von CHUDOSCHNIK ähnelte; zahlreichen KGB-Agenten und inoffiziellen Mitarbeitern zeigte man Muster seiner Handschrift und gab ihnen sein vermutliches psychologisches Profil an die Hand. Ein enormer Aufwand wurde betrieben, um amtliche Formulare zu überprüfen, die CHUDOSCHNIK ausgefüllt haben könnte. Schließlich wurde nach fast dreijähriger Suche seine Unterschrift unter einem Antrag an die Wohnungskommission der Stadt Rostow gefunden.

1974 wurde CHUDOSCHNIK als Vorsitzender eines Rostower Straßenkomitees namens Korobow identifiziert. Nach kurzer Überwachung wurde er verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.13 Wie in vielen derartigen Fällen ließ der triumphalistische KGB-Bericht über die langwierige Operation jeden Sinn dafür missen, wie absurd es war, einen so enormen Aufwand für die Jagd nach dem Verfasser von »Verleumdungen der sowjetischen Realität« zu betreiben, die niemals das Licht der Öffentlichkeit erblickten.

KGB-Offiziere wurden durch Artikel im KGB Sbornik und andere Ermahnungen regelmäßig daran erinnert, daß sogar westliche Popmusik inhärent subversiv war. KGB-Büros in der Provinz gaben sich enorme Mühe, festzustellen, wie groß in ihrem lokalen Bereich das Interesse an dieser Musik war, und waren gewöhnlich beunruhigt über das, was sie herausfanden. Der KGB im Gebiet Dnepropetrowsk, wo Breschnews Karriere als Parteiapparatschik begonnen hatte, schätzte nach einer vermutlich länger anhaltenden Durchschnüffelungsaktion des privaten Briefwechsels junger Leute Mitte der siebziger Jahre, daß fast 80 Prozent der Altersgruppe der Fünfzehn- bis Zwanzigjährigen »systematisch die Sendungen westlicher Rundfunkstationen hörten«, besonders Popmusik, und andere ungesunde Anzeichen für das Interesse an westlichen Popstars zeigten, indem sie versuchten, Fotografien von ihnen zu bekommen.

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Der fast surrealistisch anmutende Bericht über die musikalische Subversion im Gebiet Dnepropetrowsk verdeutlicht, wie die Hatz auf ideologisches Dissidententum bei jenen, die diesen heiligen Krieg führten, häufig jeglichen Sinn für das Absurde zerstörte:

»Selbst das Anhören von Musikprogrammen vermittelte Jugendlichen eine verzerrte Vorstellung von der sowjetischen Realität und führte zu Zwischenfällen, die an Landesverrat grenzten. Das Schwärmen für moderne westliche Popmusik und ihr Einfluß auf Musikgruppen und Künstler kann dazu führen, daß diese jungen Leute einen feindseligen Weg einschlagen. Derartige Schwärmereien wirken sich negativ auf die Interessen der Gesellschaft aus, sie wecken eitle Ambitionen und ungerechtfertigte Forderungen und können die Entstehung informeller [nicht offiziell genehmigter] Gruppen mit staatsgefährdender Tendenz bewirken.«14

So wurden zum Beispiel Michael Jackson und Pink Floyd als potentielle Gefahr für das sowjetische System angesehen. Der kommunistische Einparteienstaat fühlte sich durch westliche Popstars deswegen bedroht, weil sie die Rebellion der Jugend symbolisierten. Sogar in Albanien wimmelte es nach dem Zusammenbruch des letzten und am stärksten — selbst von Moskau — isolierten kommunistischen Regimes in Europa 1992 auf dem von Bäumen gesäumten eleganten »Bulevard« im Zentrum von Tirana von jungen Leuten, die Michael-Jackson- (oder Mikel-Jaksen-) T-Shirts trugen. Die enthauptete Stalinstatue war in großen roten Lettern mit »Pink Floyd« beschriftet.15

Alle Orte, wo Sowjetbürger mit Personen aus dem Westen in Kontakt kamen, wurden vom KGB prinzipiell als Gefahrenquellen angesehen, von denen verderbliche ideologische Einflüsse ausgehen konnten. In den Residenturen im Ausland gab es Gruppe-SK-Offiziere, deren Hauptaufgabe darin bestand, eine »ideologische Verseuchung« der sowjetischen Kolonie zu verhindern, die immer auch von zahlreichen Agenten und inoffiziellen Mitarbeitern des KGB durchsetzt war. Mitte der siebziger Jahre waren 15 Prozent der in New York beschäftigten sowjetischen Angestellten voll rekrutierte Agenten.16

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Schon lange wußte man, daß sowjetische Gruppen, die ins Ausland reisten, stets sorgfältig von KGB-Offizieren behütet wurden. Was aber bisher weniger bekannt war, ist, wie viele Agenten und inoffizielle Mitarbeiter in jeder Gruppe (häufig mehr als 15 Prozent) das Verhalten ihrer Mitreisenden überwachten.

Als das sowjetische Staatliche Akademische Symphonieorchester im Oktober und November in der Bundesrepublik Deutschland, in Italien und Österreich Konzerte gab, täuschten zwei KGB-Offiziere, Pawel Sobolew und Pjotr Trubogard, vor, zum Orchesterpersonal zu gehören. Dazu waren von den 122 Orchester­mitgliedern mindestens acht Agenten und elf inoffizielle Mitarbeiter. Während der Gastspielreise wurde »kompromittierendes Material« über 35 Orchester­mitglieder gesammelt, darunter Beweise für »Alkohol­mißbrauch«, »Spekulation« (wahrscheinlich meistens Versuche, westliche Konsumgüter zu kaufen) und — soweit es jüdische Musiker betraf — »freundschaftliche« Korrespondenz mit in Israel lebenden Privatpersonen. Weitere kompromittierende Informationen wurden über die Familien von Musikern zusammengetragen, wie zum Beispiel darüber, daß die Frau eines Geigers (der in Mitrochins Notizen namentlich genannt ist) Geburtstagsgrüße mit Bekannten in Frankreich austauschte.17)

Das Moskauer Kammerorchester reiste im Oktober 1974 unter der Oberaufsicht von Michail Sisow vom KGB ebenfalls in den Westen. Von den 30 Orchestermitgliedern waren drei Agenten und fünf inoffizielle Mitarbeiter. Bei den »kompromittierenden Informationen«, die von den acht Informanten über die übrigen zweiundzwanzig Kollegen gesammelt wurden und den KGB am meisten beunruhigten, handelte es sich um Beweise, daß einige von ihnen mit ausländischen Bekannten korrespondierten.18

Es war in der Hauptsache auf den immensen Aufwand an Zeit und Mühe zurückzuführen, die der Kampf an allen Fronten gegen die ideologische Subversion kostete, daß der KGB um ein Vielfaches größer war als jeder westliche Nachrichten- oder Sicherheitsdienst. Ein Beispiel für die überwältigende Konzentration der regionalen KGB-Filialen auf Fälle ideologischer Subversion liefert der geheime Bericht der KGB-Verwaltung für das Gebiet Leningrad aus dem Jahre 1970. Man hatte nicht einen einzigen Fall von Spionage oder Terrorismus festgestellt. Dagegen wurden 502 Personen »prophylaktisch aufgeklärt«, und zwar aufgrund ihrer Verwicklung in »politisch schädliche Vorfälle«. Des weiteren wurden 41 Personen strafrechtlich verfolgt, weil sie Verbrechen gegen den Staat (wobei es sich wohl fast immer um ideologische Subversion handelte) begangen oder versucht hatten, und 34 Sowjetbürger wurden bei Versuchen gefaßt, die Grenze zu überqueren.

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An höheren Lehranstalten wurden umfangreiche Maßnahmen durchgeführt, um »feindselige Zwischenfälle zu verhindern«. Die Postzensur fing über 25.000 Dokumente mit »ideologisch schädlichem Inhalt« ab; weitere 19.000 Dokumente wurden an der Grenze beschlagnahmt. Festgestellt wurde ferner, daß 109 Personen (im Vergleich zu 99 im Jahr 1969) subversive Flugblätter verteilt und anonyme Briefe verschickt hatten; 27 Täter wurden ermittelt. Dem Bericht zufolge war das riesige Agentennetz im Vergleich zum Vorjahr um 17,3 Prozent gewachsen. Auf der Verlustseite standen 27 Autos des KGB-Überwachungs­dienstes, die bei Einsätzen zu Bruch gegangen waren.19 Oleg Kalugin, der 1980 zum stellvertretenden Leiter der Leningrader KGB-Filiale avancierte, tat dessen Arbeit im privaten Kreis als »sorgfältig orchestrierte Farce« ab, bei der das Büro verzweifelt versuchte, genügend Beweise für ideologische Subversion zu sammeln, um seine Existenz zu rechtfertigen.20

 

Als Chef des KGB suchte Andropow das Problem der ideologischen Subversion im Bewußtsein der Führung stets wachzuhalten. Meldungen über (nach westlichem Standard) so triviale Dinge wie zum Beispiel das Wirken einer kleinen Gruppe von Zeugen Jehovas in den Weiten Sibiriens oder die unerlaubte Veröffentlichung irgendeiner Kurzgeschichte eines sowjetischen Schriftstellers in Paris landeten nicht nur auf dem Schreibtisch Andropows, sondern gelangten gelegentlich auch ins Politbüro. Obwohl sogar die führenden Dissidenten, zumindest vor der Ära Gorbatschow, wenig Resonanz in der sowjetischen Bevölkerung fanden, diskutierte das Politbüro stundenlang über sie. Anfang 1977 wurden in der Sowjetunion und im Ausland insgesamt 32 »aktive Maßnahmen« gegen Andrei Sacharow — von Andropow als »öffentlicher Feind Nummer eins« bezeichnet — entweder bereits durchgeführt oder gerade in Angriff genommen.

Nicht eine einzige Gruppe sowjetischer Dissidenten konnte während des Kalten Krieges lange der Gefahr entgehen, von einem oder mehreren Angehörigen des Millionenheers von Agenten und inoffiziellen Mitarbeiter des KGB unterwandert zu werden. Ihre einzigen Möglichkeiten des öffentlichen Protests bestanden darin, heimlich Samisdat-Broschüren zu verbreiten oder kurzzeitig Spruchbänder auf dem Roten Platz zu entrollen, die umgehend von KGB-Männern in Zivil heruntergerissen wurden.

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Bis zu den letzten Jahren des Sowjetsystems waren die Dissidenten nur eine winzige Minderheit, die sehr wenig Unterstützung oder Sympathie in der Bevölkerung fand. Darin besteht zum großen Teil ihr Heroismus: Sie kämpften mutig, obwohl ein Erfolg so gut wie ausgeschlossen war.

Der KGB trug dazu bei, daß jeder Gedanke an ernsthafte politische Veränderungen als unerfüllbarer Traum erscheinen mußte. Den meisten Russen kam überhaupt nicht in den Sinn, daß es eine Alternative zum sowjetischen System geben könnte. Die Tatsache, daß sie trotz ihres Murrens über den Lebensstandard den Status quo fast widerspruchslos hinnahmen, hatte eine nachhaltige Wirkung auf die Haltung des Westens und damit auch auf seine Außenpolitik. Während des Kalten Krieges gingen die meisten westlichen Beobachter mit einem Gefühl des Bedauerns davon aus, daß das sowjetische System unbegrenzt Bestand haben würde. Daher der Schock und die Überraschung allenthalben, als in den letzten Monaten des Jahres 1989 die kommunistische Ordnung in Osteuropa so rasch zusammenbrach und der sowjetische Einparteienstaat zwei Jahre später fast ebenso schnell zerfiel. Henry Kissinger erklärte 1992: »Ich kannte niemanden, ... der die Entwicklung in der Sowjetunion vorausgesagt hatte.«21) 

 

Westliche Beobachter unterschätzten nicht nur, welche zentrale Bedeutung das System der sozialen Kontrolle durch den KGB für das Funktionieren des sowjetischen Systems hatte, sie unterschätzten auch Macht und Einfluß seiner für die innere Sicherheit und den Nachrichtendienst verantwortlichen Chefs.22

Berija, der gegen Ende des Großen Terrors Chef des NKWD wurde, entwickelte sich zum zweitmächtigsten Mann in der Sowjetunion — »mein Himmler«, wie Stalin ihn einmal nannte. 1945 wurde ihm die Leitung beim Bau der ersten sowjetischen Atombombe übertragen. Nach Stalins Tod im Jahre 1953 war Berija der erste Chef der sowjetischen Staatssicherheit, der nach der höchsten Macht griff. Die Furcht vor seinen Ambitionen einte jedoch die übrigen Mitglieder der sowjetischen Führung gegen ihn, und Ende 1953 wurde er hingerichtet.

Danach glaubten viele, daß keinem KGB-Chef vom Rest der Sowjetführung je wieder Gelegenheit gegeben werden würde, erfolgreich nach der Macht zu greifen. Diese Annahme erwies sich bei Alexander Schelepin, dem dynamischen und relativ jungen Vorsitzenden des KGB von 1958 bis 1961, als richtig. Er machte kaum einen Hehl aus seinem Wunsch, Generalsekretär zu werden, wurde aber nach Chruschtschows Sturz von Breschnew und den anderen führenden Verschwörern beiseite geschoben.

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Juri Andropow ging, als er seinen Aufstieg zur Macht in den siebziger Jahren plante, viel geschickter vor als Berija oder Schelepin. Als Breschnew immer mehr verfiel, avancierte Andropow allmählich zum gesetzmäßigen Erbe und wurde 1982 als Breschnews Nachfolger Generalsekretär.

Juri Andropow stellte sich sehr viel geschickter bei der Planung seines eigenen Aufstiegs zur Macht in den siebziger Jahren an. Während Breschnew zunehmend schwächer wurde, stilisierte sich Andropow schrittweise zu seinem rechtmäßigen Nachfolger, was er 1982 auch wurde. In den zweitausend Seiten umfassenden Memoiren Henry Kissingers über die Zeit von 1969 bis 1977 oder den Memoiren von Cyrus Vance über seine Amtszeit von 1977 bis 1980 als Außenminister und Nachfolger Kissingers findet sich jedoch kein einziger Hinweis auf Andropow.23 Wladimir Krjutschkow wurde zehn Jahre später als KGB-Vorsitzender gleichermaßen unterschätzt. Die meisten westlichen Beobachter waren überrascht, als er sich als Rädelsführer des fehl­geschlagenen Staatsstreichs vom August 1991 entpuppte, durch den Gorbatschow gestürzt und ein hartes Regime wieder­eingeführt werden sollte. Wie Berija hatte sich Krjutschkow übernommen. Obwohl der KGB bis dahin ein unverzicht­bares Bollwerk des kommunistischen Einparteienstaates gewesen war, beschleunigte Krjutschkows zur falschen Zeit unternommener Versuch nur dessen Zusammenbruch.24

Auch Jewgeni Primakow, der erste Chef des Nachfolgers der Ersten Hauptverwaltung, des SWR, fand bei den meisten westlichen Kommentatoren erstaunlich wenig Aufmerksamkeit. Eine vielgepriesene Studie über Jelzins Rußland, die kurz vor Primakows Ernennung zum Ministerpräsidenten im September 1998 erschien, enthielt keinen einzigen Hinweis auf ihn.25 Obwohl Primakow jede Absicht in Abrede stellte, Jelzins Nachfolger zu werden, lag er im Frühjahr 1999 bei Meinungsumfragen zu den potentiellen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000 an der Spitze. Jelzin entließ ihn im Mai 1999, da er offenbar zu dem Schluß gekommen war, daß Primakow zu mächtig geworden war.

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Die Tscheka und ihre Nachfolger waren nicht nur für die Überwachung des Einparteienstaates, sondern auch für die sowjetische Außenpolitik von zentraler Bedeutung. Kim Philby sagte 1980 stolz bei einem Vortrag vor KGB-Offizieren: »Unser im Ausland operierender Dienst ist die erste Verteidigungslinie der Sowjetunion.«26

Die Tatsache, daß viele westliche Historiker im KGB nicht den verlängerten Arm der sowjetischen Außenpolitik sahen, ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß viele Ziele sowjetischer Politik nicht mit westlichen Begriffen von internationalen Beziehungen im Einklang standen. Betrachtungen der Außenpolitik Stalins erwähnen stets die von Litwinow und sowjetischen Diplomaten geführten Verhandlungen über die kollektive Sicherheit gegen Nazideutschland, ignorieren aber gewöhnlich die weniger konventionellen Operationen gegen die Weißgardisten in Paris, den Plan, General Franco zu Beginn des spanischen Bürgerkrieges zu ermorden, die Liquidierung der führenden Trotzkisten in Westeuropa Ende der dreißiger Jahre und das Komplott zur Ermordung Titos im Jahr 1953 — alles Dinge, mit denen der Auslandsnachrichtendienst betraut wurde.27 Selbst nach Stalins Tod entsprach die sowjetische Außenpolitik größtenteils nicht westlichen Vorstellungen.

INO, der Auslandsnachrichtendienst in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, machte sich zum ersten Mal nach dem Bürgerkrieg einen Namen, indem er konterrevolutionäre Verschwörungen aufdeckte, an denen antibolschewistische Emigranten und imperialistische Geheimdienste beteiligt waren. Obwohl die Beweise, die heute vorliegen, zeigen, daß keine dieser (in Wirklichkeit ziemlich trivialen) Verschwörungen auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg hatte, spielten sie in den Vorstellungen der sowjetischen Führung eine große Rolle. Die Liquidierung führender Weißgardisten und Trotzkisten außerhalb der Grenzen der Sowjetunion war aus der Sicht Stalins ein bedeutender Sieg. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges machte sich Stalin wegen Trotzki mehr Sorgen als wegen Hitler.

In den dreißiger Jahren war die sowjetische Auslandsspionage hauptsächlich dank der »Großen Illegalen« führend in der Welt. Die Rekrutierung der »Glorreichen Fünf« und anderer ehrgeiziger ideologisch motivierter Agenten eröffnete Aussichten auf die Infiltrierung der Machtzentren in den westlichen Hauptstädten. Die zahlreichen britischen und anderen diplomatischen Papiere, die von der INO beschafft wurden, übten einen wichtigen — wenn auch noch wenig erforschten — Einfluß auf die sowjetische Außenpolitik aus. Während der gesamten Stalinära war der Wettkampf der Geheimdienste zwischen der Sowjetunion einerseits und Großbritannien, dem Hauptziel vor dem Krieg, und den USA, dem »Hauptfeind« im Kalten Krieg, andererseits erstaunlich einseitig.

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Der britische SIS hatte in der Zeit zwischen den Kriegen keine Niederlassung in Moskau; die USA besaßen bis 1941 überhaupt keinen Spionagedienst. Die Hauptniederlagen der INO vor dem Krieg fügte sie sich selber zu: Die wichtigste war das Massaker unter ihren besten Offizieren, die der Paranoia des Großen Terrors zum Opfer fielen.

Die Penetration des Westens durch den sowjetischen Nachrichtendienst erreichte während des Zweiten Weltkriegs ihren Höhepunkt. Nie zuvor hatte ein Staat so viele Geheimnisse seiner Verbündeten erkundet. In Teheran und Jalta war Stalin über die Karten in den Händen der anderen Verhandlungsführer wahrscheinlich besser informiert als je ein Staatsmann auf früheren Konferenzen. Er kannte den Inhalt vieler streng geheimer britischer und amerikanischer Dokumente, die Churchill und Roosevelt selbst den meisten Mitgliedern ihrer eigenen Regierung vorenthielten. Stalin wußte über ULTRA Bescheid, in dessen Geheimnis nur sechs britische Minister eingeweiht waren. Das gleiche traf auf das MANHATTAN-Projekt zu, das vor Vizepräsident Harry Truman sorgfältig geheimgehalten wurde, bis er im April 1945 Roosevelts Nachfolger wurde (erst dann wurde Truman auch über ULTRA informiert).28 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß dieser sich während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 dazu entschloß, Stalin mitzuteilen, daß die USA »jetzt über ein neues Kampfmittel von außergewöhnlicher Zerstörungskraft verfügten«.29 Stalin schien von der Nachricht unbeeindruckt zu sein — und das zu Recht, da er von den Plänen, die amerikanische Atombombe zu bauen, fünfzehnmal länger Kenntnis hatte als Truman.

Stalin war auch viel besser als Spitzenbeamte der amerikanischen und britischen Regierung über den ersten großen Erfolg informiert, den die amerikanische und britische Spionageabwehr während des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion erzielte, und zwar über die gelungene Entschlüsselung sowjetischer Geheimcodes im Rahmen des VENONA-Projekts, durch die mehrere hundert sowjetische Agenten enttarnt wurden. Bemerkenswerterweise scheint Truman überhaupt nie über VENONA informiert worden zu sein, genausowenig wie die Mehrzahl der Kabinettsmitglieder der Regierung Attlee in Großbritannien. Aufgrund von Rivalitäten innerhalb der Geheimdienstgemeinde der USA wurde sogar die CIA erst 1952 eingeweiht. Die Zentrale hingegen erfuhr von ihren Agenten gleich mehrfach von diesem Projekt: von William Weisband in den beiden militärischen Fernmelde­aufklärungs­diensten der USA, ASA und AFSA, und von Kim Philby im SIS. Stalin war daher erstaunlicherweise mindestens fünf Jahre früher als der amerikanische Präsident oder die CIA darüber im Bilde.30

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Die außerordentlichen Erfolge der Zentrale bei der Penetration ihrer Verbündeten im Zweiten Weltkrieg sowie die Tatsache, daß einige ihrer westlichen Agenten nach dem Sieg in ihren Stellungen blieben, erweckten übertriebene Hoffnungen in bezug darauf, was der sowjetische Geheimdienst während des Krieges gegen den Hauptfeind und dessen NATO-Verbündete erreichen konnte. Die Nachkriegsstrategie des KGB beruhte auf dem Versuch, die Vorkriegsära der Großen Illegalen wiedererstehen zu lassen, ein großes Netz von illegalen Residenturen zu schaffen und eine neue Generation ehrgeiziger, ideologisch motivierter Agenten zu rekrutieren. Noch Anfang der achtziger Jahre plante die Zentrale, neben den legalen Residenturen in Washington, New York und San Francisco sechs illegale Residenturen zu gründen, die Agenten im Herzen der Reagan-Administration führen sollten. Diese Pläne erwiesen sich als hoffnungslos optimistisch.

Trotz einiger erstaunlicher taktischer Erfolge scheiterte die große Nachkriegsstrategie des KGB in bezug auf das Eindringen in die Machtzentren ihres Hauptfeindes. Zu Beginn des Kalten Krieges verblaßte jener so verführerische Mythos von Stalins Sowjetunion als dem ersten sozialistischen Arbeiter-und-Bauern-Staat der Welt, der die »Glorreichen Fünf« und ihre amerikanischen Pendants inspiriert hatte. Die meisten idealistischen Revolutionäre unter den Studenten Ende der sechziger Jahre wandten sich nicht wie ihre Vorgänger den alten kommunistischen Parteien zu, sondern einer neuen Linken, die der zunehmend greisenhaften Führung in Breschnews Sowjetunion zutiefst suspekt war.

Die Marginalisierung der kommunistischen Parteien in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien nach dem Krieg beraubte den sowjetischen Geheimdienst einer wichtigen Agentenquelle. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten Frankreich und Italien — die beiden westeuropäischen Ländern mit den stärksten kommunistischen Parteien, die in beiden Fällen an Nachkriegs-Koalitions­regierungen beteiligt waren —, das ergiebigste Agentenreservoir im Westen. Die am längsten tätigen und wahrscheinlich produktivsten französischen und italienischen Agenten, die in den von Mitrochin eingesehenen Akten identifiziert wurden, waren JOUR und DARIO; sie traten während dieser Jahre den Dienst in ihrem jeweiligen Außenministerium an.31

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Seit den fünfziger Jahren erhielt der KGB von den wichtigsten NATO-Mitgliedern auf dem europäischen Kontinent wahrscheinlich mehr erstklassiges geheimes diplomatisches und politisches Nachrichten­material als von den USA und von Großbritannien. Für die Codeknacker des KGB war es von ungeheurem Nutzen, daß eine so große Anzahl außenpolitischer Dokumente beschafft werden konnte und es gelang, das französische, das italienische und andere Außenministerien zu infiltrieren. Die Zahl der dechiffrierten außenpolitischen Dokumente, die von der Zentrale als so wichtig angesehen wurden, daß sie an das Zentralkomitee weitergeleitet wurden, sank während des gesamten Kalten Krieges kaum jemals unter 100.000 pro Jahr. Besonders die Bundesrepublik Deutschland war als Folge der deutschen Teilung und des Flüchtlingsstroms von Ost nach West dasjenige NATO-Mitglied, das gegenüber einer Einschleusung von Agenten am verwundbarsten war — obwohl die Erfolge des KGB von denen seines ostdeutschen Verbündeten übertroffen wurden. Die Einschleusung des HVA-Agenten Günter Guillaume in die engste Umgebung Willy Brandts, gerade als dieser seine Ostpolitik auf den Weg brachte, war einer der größten geheimdienstlichen Coups des Kalten Krieges.

Obwohl die Zentrale eine beachtliche Menge an Geheiminformationen aus NATO-Staaten erhielt, gab sie sich mit dem Erreichten nie zufrieden. Wie in Nordamerika weigerte sie sich auch in Europa, ihr ehrgeiziges Ziel aufzugeben, eine neue Generation »Großer Illegaler« zu schaffen. In den siebziger Jahren versprachen kommunistische Führer in der ganzen Welt, bei der Suche nach weiteren Richard Sorges zu helfen. Die von Mitrochin eingesehen Akten zeigen, daß nur sehr wenige erfolgreiche Agenten rekrutiert werden konnten.

Mitte der siebziger Jahre zählten die intelligentesten jungen Parteimitglieder in den wenigen westeuropäischen Ländern, in denen der Kommunismus eine mächtige Kraft geblieben war, eher zur Klasse der »eurokommunistischen« Ketzer als zu den blind gehorchenden prosowjetischen Loyalisten, die bereit waren, ihr Leben im Dienste des Vaterlandes der Werktätigen zu opfern. Sogar einigen sowjetischen Illegalen fiel es schwer, ihrem ideologischen Engagement treu zu bleiben, wenn sie mit der Realität des Lebens im Westen konfrontiert wurden. Als der Kalte Krieg sich zuspitzte, folgten die besten Agenten des KGB zunehmend eher materiellen Interessen wie Aldrich Ames als ideologischen Motiven wie Kim Philby.

Die Residenturen standen jedoch weiterhin unter dem Druck ihrer Vorgesetzten in der Zentrale (die selber meist über keine unmittelbaren Erfahrungen mit dem Leben im Westen verfügten), bedeutende Persönlichkeiten der Politik anzuwerben.

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Daher rührten auch die hoffnungslos unrealistischen, aber zweifellos von der politischen Führung gebilligten Pläne des KGB, Harold Wilson, Willy Brandt, Oskar Lafontaine, Cyrus Vance, Zbigniew Brzezinski und andere hohe Staatsmänner des Westens als Agenten zu rekrutieren. Krjutschkow reagierte auf diese und andere Fehlschläge nicht mit einer realistischeren Anwerbungspolitik, sondern mit größerer Bürokratie: Er verlangte noch längere Berichte und noch mehr ausgefüllte Formulare. 

Die Residenten müssen im April 1985 sicherlich aufgestöhnt haben, als sie von der Zentrale einen neuen Fragebogen erhielten, den sie auf Anweisung Krjutschkows als Grundlage für Berichte über Politiker und andere »prominente Persönlichkeiten im Westen« nehmen sollten, die als mögliche »Zielpersonen« in Frage kamen. Der Vordruck enthielt 56 Fragen, von denen viele sehr komplex waren und bis ins kleinste Detail gingen. Frage 14 in Teil 4 des Fragebogens zum Beispiel verlangte Informationen über:

»Lebensstil: Hobbys, Zerstreuungen, Geschmack; Bücher - welche Autoren bevorzugt er? Theater, Musik, Malerei und was er besonders liebt; Sammlertätigkeit, sein Verhältnis zum Sport (Reiten, Jagen, Fischen, Schwimmen, Schach, Fußball, Spiele, Autofahren, Segeln usw.), Preise, die er gewonnen hat; Wanderungen; welches Milieu zieht er vor, mit wem pflegt er Umgang, welche Küche bevorzugt er ...«  

Die übrigen 55 Fragen, die ähnlich detailliert waren, betrafen so unterschiedliche Dinge wie »kompromittierende Angaben über Subjekt« oder »Haltung des Subjekts zur amerikanischen Außenpolitik«.32 Operative Offiziere einer Residentur hätten monatelang Erkundigungen einziehen müssen, um den Fragebogen über irgendeine »prominente Persönlichkeit im Westen« vollständig ausfüllen zu können.

Die Hauptschwäche der Zentrale auf dem Gebiet des politischen Nachrichtendienstes war nicht, wie sie meinte, das Sammeln geheimer Informationen, sondern die Fähigkeit, die gelieferten Informationen zu interpretieren. Unter Stalin wie unter Chruschtschow legte die Zentrale dem Kreml täglich eine Auswahl ausländischer Geheimberichte vor, die sie von Residenturen und anderen Quellen erhalten hatte, scheute sich allerdings aus Furcht, in Widerspruch zu den Auffassungen der politischen Führung zu geraten, die Berichte mehr als nur flüchtig zu interpretieren.33

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Sowohl Stalin wie auch Chruschtschow betätigten sich als ihre eigenen schlechtqualifizierten Chefanalytiker. Breschnew dagegen verwendete wenig Zeit darauf, geheime oder andere Informationen zu interpretieren. Er gab damit Andropow einen größeren Spielraum, seine eigene geheimdienstlichen Analysen zu präsentieren, als jedem seiner Vorgänger.

Am schlimmsten war es um die Auswertung von Geheiminformationen in der Stalinzeit bestellt. Stalin war zu einem erheblichen Teil persönlich dafür verantwortlich, daß geheimdienstliche Warnungen vor dem deutschen Überfall im Jahre 1941 wiederholt mißachtet wurden. Die institutionalisierte Paranoia des stalinistischen Systems führte auch zu verschiedenen anderen fehlerhaften Einschätzungen, darunter zu der irrigen Annahme mitten im Krieg, die »Glorreichen Fünf«, die wahrscheinlich die talentiertesten Agenten der Zentrale waren, seien Teil eines raffinierten britischen Täuschungsmanövers.

 

Obwohl die Auswertung nachrichten­dienstlicher Informationen nach Stalins Tod nie wieder einen so paranoiden Tiefpunkt erreichte, neigte der KGB während des Kalten Krieges in Krisenzeiten dazu, ausgewogene Einschätzungen wiederum durch Verschwörungs­theorien zu ersetzen. Innerhalb eines Jahres nachdem Andropow KGB-Vorsitzender geworden war, unterbreitete er dem Politbüro verzerrte Lagebewertungen, um es in seiner Entschlossenheit zu bestärken, dem Prager Frühling mit Waffengewalt ein Ende zu bereiten. Da er von der Idee besessen war, der Westen fördere die ideologische Subversion im Ostblock, war er nicht bereit, irgendwelche Beweise anzuerkennen, die andere Schlußfolgerungen zuließen. 1968 vernichtete die Zentrale geheime amerikanische Dokumente, die von der Washingtoner Residentur beschafft worden waren und zeigten, daß weder die CIA noch irgendein anderer amerikanischer Dienst die Reformer des Prager Frühlings manipulierte.

Sowohl Anfang der sechziger als auch Anfang der achtziger Jahre glaubte die Zentrale, die USA planten einen nuklearen Erstschlag gegen die Sowjetunion. Zwar betrachteten einige Offiziere der Ersten Haupt­verwaltung in westlichen Residenturen solche Befürchtungen persönlich als Schwarzmalerei, da sie den Westen besser kannten als die sowjetische Führung und die Vorsitzenden des KGB, doch wagte keiner von ihnen, das Urteil der Zentrale in Zweifel zu ziehen.

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Auch der Chef der ostdeutschen Auslandsspionage, Markus Wolf, der bedauerte, wieviel Zeit unnütz vergeudet werden mußte, weil der KGB die Bitte an die HVA gerichtet hatte, nicht existierende Pläne für einen nuklearen Erstschlag der USA aufdecken zu helfen, hütete sich davor, sich in Moskau zu beschweren: »... über diese Befehle ließ sich ebensowenig diskutieren wie über andere Befehle von oben.«

Die Defizite der sowjetischen Analyse geheimdienstlicher Informationen gingen im Grunde auf den Charakter des Einparteien­staates und dessen eingefleischtes Mißtrauen gegenüber allen entgegengesetzten Auffassungen zurück. So fand es die Sowjetunion stets schwieriger als ihre westlichen Rivalen, das politische Nachrichtenmaterial, das sie sammelten, zu verwerten. Obwohl die sowjetische Führung bis in die letzten Jahre des Kalten Krieges den Westen niemals wirklich verstand, wäre sie höchst empört gewesen, wenn ihr falsches Verständnis durch geheimdienstliche Berichte in Frage gestellt worden wäre. Heterodoxe Meinungen im sowjetischen System liefen stets Gefahr, als subversiv verurteilt zu werden.

Jene Geheim­dienstoffiziere, die es Ende der dreißiger Jahre wagten, sie offen zu äußern, riskierten, ihre Lebenserwartung erheblich zu verkürzen. Sogar in der Zeit nach Stalins Tod, als ihr Leben nicht mehr auf dem Spiel stand, bedeutete es wie in Mitrochins Fall fast mit Sicherheit einen Karriereknick. Eine geschlossene oder halbgeschlossene Gesellschaft hat der offenen gegenüber bei der Beschaffung geheim­dienstlicher Informationen von menschlichen Quellen den inhärenten Vorteil einer größeren Handlungs­freiheit in den westlichen Hauptstädten. Dagegen befindet sie sich im Nachteil, wenn es um die Analyse dieser Informationen geht.

Während die Verfasser der INO-Berichte in den dreißiger Jahren es tunlichst vermieden, mit ihren Formulierungen bei der politischen Führung Anstoß zu erregen, wußten sie, daß sie festen Boden unter den Füßen hatten, wenn sie Beweise für antisowjetische Komplotte der Briten lieferten. Gleichermaßen wußten auch ihre Nachfolger während des Kalten Krieges, daß sie kein Risiko eingingen, wenn sie die Vereinigten Staaten als Sündenbock benutzten. Ein Offizier der Gruppe PR, der einige Wochen nach dem fehlgeschlagenen Putsch von 1991 von der Iswestija interviewt wurde, sagte, er und seine Kollegen hätten in ihrem Beruf viel Zeit damit verbracht, nach dem Prinzip zu handeln: »Schiebe alles auf die Amerikaner, und alles wird okay sein.«34 So tendierten Geheimberichte, die der sowjetischen Führung zugingen, dahin, sie in ihren falschen Auffassungen über die Außenwelt eher zu bestärken als zu korrigieren.

Es gibt keinen überzeugenderen Beweis für Gorbatschows »neues Denken« gegenüber dem Westen als die Tatsache, daß er im ersten Jahr nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär die traditionell einseitige politische Berichterstattung der Ersten Hauptverwaltung streng rügte.

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Die Zentrale mußte Ende 1985 strikte Anordnungen »über die Unzulässigkeit von Entstellungen der Sachlage in Mitteilungen und Berichten an das Zentralkomitee der KPdSU und andere leitende Organe« erlassen. Damit wurde ein vernichtendes Urteil über die von früheren sowjetischen Führern erwartete Anpassung des KGB an die Normen der politischen Korrektheit gefällt.

 

Trotz aller Verzerrungen sind die nachrichtendienstlichen Berichte dennoch zuweilen von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der sowjetischen Außenpolitik. Chruschtschows Politik gegenüber den USA, vor allem das ungeheuer gefährliche Spiel mit den kubanischen Raketen­stellungen, war von den falschen Berichten über die amerikanischen Vorbereitungen für einen atomaren Erstschlag stark beeinflußt. Der wachsende Einfluß Andropows in den siebziger Jahren und seine die Politik bestimmende Troika mit Gromyko und Ustinow sind ein Beweis dafür, welchen Einfluß die von der Zentrale unterbreiteten Analysen in der Ära Breschnew hatten. In der immer apokalyptischer klingenden Sprache, deren sich Andropow als Nachfolger Breschnews bediente — sie gipfelte in der wiederholten Anprangerung der »verbrecherischen militaristischen Psychose«, in welche die Reagan-Administration angeblich die amerikanische Bevölkerung versetzte —, spiegelten sich genauso wie in den sechziger Jahren unkenhafte Einschätzungen der Zentrale in bezug auf die (nicht existierende) Gefahr eines atomaren Erstschlages der USA.

Obwohl Gorbatschow anfangs die Einschätzungen des KGB kritisierte, verließ er sich auch bei der Neuorientierung der sowjetischen Politik gegenüber den USA wiederum auf den Geheimdienst. Dies erklärt den beispiellosen Entschluß, den Leiter der Ersten Hauptverwaltung zu seinem ersten offiziellen Besuch nach Washington mitzunehmen, sowie die anschließende Ernennung Krjutschkows zum Vorsitzenden des KGB, die verheerende Konsequenzen nach sich ziehen sollte. 

Schebarschin, Krjutschkows Nachfolger als Chef der ersten Hauptverwaltung, betont, daß die Auslands­berichte des Geheimdienstes inzwischen frei von den früheren, politisch korrekten Entstellungen waren. Als jedoch 1990/91 der Zerfall des sowjetischen Systems einsetzte, tauchten wieder einige der alten antiamerikanischen Verschwörungstheorien auf. Die USA und ihre Verbündeten wurden von Krjutschkow und anderen hohen KGB-Offizieren verschiedentlich beschuldigt, sowjetische Getreideimporte zu infizieren, Versuche zur Destabilisierung des Rubels zu unternehmen, die Auflösung der Sowjetunion zu planen und Agenten für die Sabotierung von Wirtschaft, Verwaltung und wissenschaftlicher Forschung auszubilden.35) 

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Dem Sowjetsystem fiel es viel leichter, wissenschaftlich-technische als politische Geheimdienst­informat­ionen zu verwerten. Westliche Politik wirkte sich subversiv auf den Einparteienstaat aus, westliche Wissenschaft hingegen größtenteils nicht. »Die Errungenschaften der ausländischen Technik« waren erstmals 1925 von Dserschinski als Ziel sowjetischer Spionage bezeichnet worden.36

Während des Zweiten Weltkrieges wurde die wissenschaftlich-technische Spionage, besonders auf militär­ischem Gebiet, als besonders wichtig angesehen. Die Ausspähung der britisch-amerikanischen Pläne für den Bau der ersten Atombombe trug mehr als alles andere dazu bei, daß Stalin und die Zentrale begriffen, wie wichtig die Spionage im wissenschaftlich-technischen Bereich dafür war, daß die sowjetische Rüstung nicht hinter dem Westen zurückblieb. Wie bei den Kernwaffen hing die sowjetische Entwicklung auf dem Gebiet der Radar-, Raketen- und Düsenantriebstechnik anfangs stark von der Imitation kapitalistischer Technik ab. In der Tat hatte Stalin zu Wissenschaftlern westlicher Länder mehr Zutrauen als zu den eigenen. Er vertraute sowjetischen technischen Innovationen nicht, wenn und solange sie nicht von westlichen Erfahrungen bestätigt waren.37)  

Der enorme Abfluß westlicher (besonders amerikanischer) wissenschaftlich-technischer Informationen während des Kalten Krieges hilft, einen der Hauptwidersprüche eines Sowjetstaats zu erklären, der einmal als »Obervolta mit Raketen« bezeichnet worden war: seine Fähigkeit, eine militärische Supermacht zu sein, während seine Kindersterblichkeit und andere soziale Indikatoren dem Niveau von Dritte-Welt-Ländern entsprachen. 

Die Tatsache, daß die Kluft zwischen sowjetischen und westlichen Waffensystemen viel geringer war als auf jedem anderen Gebiet der Produktion, war nicht nur darauf zurückzuführen, daß der militärischen Rüstung im Sowjetsystem enorme Bedeutung beigemessen wurde, sondern auch auf die beachtlichen Erfolge bei der Beschaffung wissenschaftlich-technischer Informationen im Westen. Im Kalten Krieg war es die meiste Zeit viel leichter, die amerikanische Wirtschaft zu infiltrieren als die amerikanische Bundesregierung. 

Lange bevor der KGB mit dem Selbstanbieter Aldrich Ames im Jahre 1985 endlich einen wichtigen Mann in der CIA hatte, waren zahlreiche andere käufliche Agenten in der amerikanischen Rüstungsindustrie für ihn tätig.

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Außerdem wurde der Fernschreibverkehr einiger der größten Industrie­unternehmen der USA abgefangen. Anfangs der achtziger Jahre basierten wohl an die 70 Prozent aller Waffensysteme des Warschauer Pakts auf westlicher Technologie.38 In erstaunlichem Maße waren beide Seiten im Kalten Krieg von amerikanischem Know-how abhängig.

Andropow und zumindest anfangs auch Gorbatschow sahen in der verstärkten wissenschaftlich-technischen Spionage auf nichtmilitärischem Gebiet das entscheidende Mittel zur Verjüngung der sowjetischen Gesamtwirtschaft. Der reale wirtschaftliche Nutzen westlicher wissenschaftlich-technischer Geheimnisse, deren Wert sich nach Schätzungen der Direktion T auf Milliarden Dollar belief, war allerdings durch die strukturellen Mängel der Kommandowirtschaft sehr begrenzt. 

Den ideologischen Scheuklappen des Sowjetsystems entsprachen die Unbeweglichkeit seiner Wirtschaft und der Widerstand gegen Innovationen im Vergleich zur westlichen Marktwirtschaft. Daher das große wirtschaftliche Paradoxon in den achtziger Jahren: Obwohl die Sowjetunion über eine große Anzahl hochqualifizierter Naturwissenschaftler und Ingenieure und eine riesige Menge an wissenschaftlich-technischen Informationen verfügte, blieb die sowjetische Technologie immer weiter hinter der ihrer westlichen Rivalen zurück.

Bevor Gorbatschow an die Macht kam, wurde das Ausmaß dieses Niederganges vor der sowjetischen Führung geheimgehalten. Die politischen Berichte der Ersten Hauptverwaltung gingen hauptsächlich auf die ökonomischen Probleme des kapitalistischen Westens und nicht auf die des »sozialistischen« Ostens ein. In einem im Februar 1984 fertiggestellten Zweijahresbericht über geheimdienstliche Operationen betonte Krjutschkow »die sich vertiefende ökonomische und gesellschaftliche Krise in der kapitalistischen Welt«, erwähnte aber nicht die viel ernstere Krise im Ostblock.39 Selbst Gorbatschow behauptete in seiner Rede auf dem XXVII. Parteitag 1986, in der er zum ersten Mal zum »Neuen Denken« in der sowjetischen Außenpolitik aufrief, daß sich die Krise des Kapitalismus ständig zuspitze.40

Bis zum Ende des Kalten Krieges klaffte eine tiefe Lücke zwischen dem privilegierten Zugang des Kreml zu den Geheimnissen modernster westlicher Technologie und seinem Unvermögen, Charakter und Ausmaß des eigenen Mißmanagements zu begreifen. Gorbatschow war der erste sowjetische Führer nach dem Krieg, der einigermaßen zutreffende Statistiken über die Leistungs­fähigkeit der sowjetischen Wirtschaft zu Gesicht bekam.

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Abel Aganbegjan, sein einflußreichster Wirtschaftsberater in den ersten Jahren der Perestroika, schätzte, daß es zwischen 1981 und 1985 ein »Nullwachstum« gegeben hatte. Als das ganze Ausmaß der Stagnation der sowjetischen Wirtschaft und ihr langfristiges Zurückbleiben hinter dem Westen bekannt wurden, hatte das einen nachhaltigeren Einfluß auf Gorbatschows Politik als die Erfolge der wissenschaftlich-technischen Spionage, die ihn zuerst so beeindruckt hatten. Hatte er anfangs noch versucht, die Kommandowirtschaft zu verjüngen, so akzeptierte er gegen Ende des Jahrzehnts den Markt als den Hauptregulator der Wirtschaft.41

Das Ende des Kalten Krieges bedeutete keineswegs auch das Ende der wissenschaftlich-technischen Operationen der Russen im Westen. Vielmehr boten sich durch die Erweiterung des wissenschaftlichen Austauschs zwischen Ost und West und durch Joint ventures mit westlichen Firmen neue Möglichkeiten der Wissenschaftsspionage, die sich der SWR zunutze machte. Die Tatsache, daß der führende britische Agent der Gruppe X, Michael Smith, Anfang der neunziger Jahre reaktiviert wurde, zeigt, daß der Spionage im wissenschaftlich-technischen Bereich in der Ära Jelzin weiterhin große Bedeutung beigemessen wurde.

Wie seinerzeit für die Erste Hauptverwaltung blieben auch für den SWR die USA das Hauptziel der Gruppe X. Die laxere Handhabung der US-amerikanischen Sicherheitskontrollen in dem Versuch, Brücken zu Moskau und Peking zu bauen, hatte zur Folge, daß immer mehr russischen und chinesischen Wissenschaftlern gestattet wurde, die Kernforschungsinstitute in Los Alamos und Sandia und andere Institute zu besuchen, die geheime Forschungen betrieben. Die Gruppe X mußte jedoch feststellen, daß ihre Produkte nun viel weniger gefragt waren als während des Kalten Krieges.

Der Kollaps der russischen Kommandowirtschaft hatte zur Folge, daß auch der militärisch-industrielle Komplex, vorher Hauptabnehmer der wissenschaftlich-technischen Informationen, völlig zusammenbrach. Während (und vielleicht auch schon vor) der Präsidentschaft Jelzins scheinen russische Operationen in wissenschaftlich-technischen Bereichen von denen der Chinesen in den Schatten gestellt worden zu sein. Eine Untersuchung des amerikanischen Kongresses kam 1999 zu dem Schluß, daß sich China in den letzten beiden Jahrzehnten genaue Informationen über jeden Sprengkopf im nuklearen Arsenal der USA beschafft hatte.42

Es besteht kaum ein Zweifel daran, daß die phänomenalen Leistungen der Chinesen auf dem Gebiet der Wissenschafts­spionage zumindest teilweise durch den früheren Erfolg der Sowjetunion inspiriert wurden, als diese die erste amerikanische Atombombe kopierte und die meisten ihrer Waffensysteme des Kalten Krieges auf westlichem Know-how aufbaute.

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Der Erfolg der ausländischen Operationen des KGB sollte nicht an rein westlichen Standards gemessen werden. Letztlich hatte die Zentrale noch Wichtigeres zu tun, als geheime Informationen aus dem Westen zu beschaffen. Die Tscheka war sechs Wochen nach der Machtergreifung der Bolschewiken für »die revolutionäre Abrechnung mit den Konterrevolutionären« gegründet worden. Bei der Erfüllung dieser primären Aufgabe — der Verteidigung des bolschewistischen Einparteienstaates gegen den Dissens in allen seinen Formen — waren die Tscheka und ihre Nachfolger erstaunlich erfolgreich.

Von den zwanziger Jahren an wurde der Kampf gegen die »Konterrevolution« sowohl im Ausland als auch im Inland geführt. Was die Rolle der Ersten Hauptverwaltung bei der Bekämpfung der ideologischen Subversion betrifft, so ist Jelzins Rußland von einem seltsamen Gedächtnisschwund betroffen. Der SWR behauptet — genauso wie Krjutschkow und einige andere hohe Offiziere der Ersten Hauptverwaltung —, diese habe nichts mit der Verfolgung von Dissidenten und mit der Verletzung der Menschenrechte zu tun gehabt. In Wirklichkeit hatte sie damit sehr wohl zu tun. Innerhalb des Ostblocks wurde der Kampf gegen die ideologische Subversion in zunehmendem Maße zwischen dem internen KGB und seinem Auslands­nachrichten­dienst koordiniert.

Unmittelbar nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes von 1956 durch den Einsatz von Panzern und später nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 bezweifelten viele westliche Beobachter, ob der Geist der Freiheit überhaupt so schnell wieder in seine Flasche zurückgestopft werden könne. In der Tat wurde der Einparteienstaat großenteils dank des KGB und seiner ungarischen und tschechoslowakischen Verbündeten sowohl in Budapest wie auch in Prag erstaunlich rasch und erfolgreich wiederhergestellt. Von 1968 an wurde der Stand der öffentlichen Meinung im Ostblock von erfahrenen Illegalen sorgfältig überwacht: Als westliche Touristen und Geschäftsleute getarnt, suchten sie sich die Kritiker des jeweiligen kommunistischen Regimes heraus und gaben vor, mit ihnen zu sympathisieren. In der Berichterstattung über die Ergebnisse dieser »PROGRESS-Operationen« war die Erste Hauptverwaltung freimütiger, als sie es zum Beispiel bei der Analyse satirischer Bemerkungen sowjetischer Bürger über Breschnews zunehmende Hinfälligkeit zu sein gewagt hätte.

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Während des gesamten Kalten Krieges wurde der Kampf des KGB gegen ideologische Subversion sowohl in ausländischen Hauptstädten als auch auf sowjetischem Boden energisch geführt. Die Residenturen im Westen waren angewiesen, soviel Material wie möglich zusammenzutragen, das bei der Verfolgung von Dissidenten im In- und Ausland nützen konnte:

»Um aktive Maßnahmen gegen Dissidenten durchführen zu können, ist es wichtig, über Unstimmigkeiten zwischen ihnen, über Meinungsverschiedenheiten und Konflikte im Milieu der Dissidenten, über Gründe für deren Entstehung sowie eventuelle Möglichkeiten, sie zu verschärfen, Bescheid zu wissen; desgleichen über Eigenheiten, welche die Dissidenten persönlich diskreditieren (Alkoholismus, unmoralisches Verhalten, beruflicher Abstieg usw., sowie auch Anzeichen für Verbindungen zur CIA, zu westlichen Sonderdiensten [d.h. Geheimdiensten] und ideologischen Zentren).«43

Die Residenturen sollten auch solche Personen im Westen ins Visier nehmen, die Dissidenten am tatkräftigsten unterstützten. Zu den Zielpersonen des KGB gehörte der Londoner Neurologe Harold Merskey, der sich für die Opfer des Mißbrauchs der Psychiatrie in der Sowjetunion eingesetzt hatte. Am 20. September 1976 schickte die Londoner Residente einen anonymen Brief an Merskey, angeblich von jemandem, der es gut mit ihm meinte, in dem er vor nicht näher bezeichneten Angreifern gewarnt wurde, die ihn demnächst in die Mangel nehmen wollten. Dadurch hoffte man wohl zu erreichen, daß sich Merskey in Sorge um seine eigene Sicherheit weniger mit der Unterstützung inhaftierter Dissidenten befassen würde.44

Weit davon entfernt, ein bloßes Anhängsel neben den konventionelleren geheimdienstlichen Operationen im Ausland zu sein, war der Kampf der Ersten Hauptverwaltung gegen Dissidenten vielmehr eine seiner Hauptaufgaben. Zu ihren wichtigsten Operationen gehörte zum Beispiel der Versuch, dafür zu sorgen, daß Juri Orlow nicht — wie Sacharow drei Jahre zuvor — den Friedens­nobelpreis erhielt. Die Tatsache, daß der Preis schließlich an Anwar Sadat und Menachem Begin ging, wurde von der Zentrale als eigener Triumph angesehen, obwohl das Ergebnis wahrscheinlich kaum auf aktive Maßnahmen des KGB zurückzuführen war.

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Der Resident in Oslo rief mitten in der Nacht Suslow, den führenden Ideologen des Politbüros, an, um ihm die gute Nachricht mitzuteilen. Es gibt wohl kaum einen besseren Gradmesser für die Bedeutung einer Information, in gleich welchem politischen System, als die Entscheidung, einen Minister aufzuwecken.

Mit Besorgnis beobachteten Residenturen auch, wie sich in einigen führenden kommunistischen Parteien des Westens die eurokommunistische Ketzerei entwickelte. Sie forderte die traditionelle Unfehlbarkeit der Moskauer Linie heraus und wurde daher als eine neue Form der ideologischen Subversion angesehen. Zu den ungewöhnlicheren aktiven Maßnahmen, die Ende der siebziger Jahre geplant wurden, gehörte die Diskreditierung eurokommunistischer Parteiführer.

Eine der Hauptaufgaben der Ersten Hauptverwaltung bestand bis zum Ende des Kalten Krieges darin, zu verhindern, daß sowjetische Dissidenten und Überläufer selbst auf Gebieten, die mit Politik gar nichts zu tun hatten, im Ausland Anerkennung fanden. Die Zentrale wandte enorm viel Zeit und Mühe auf, um Mittel und Wege ausfindig zu machen, wie Rudolf Nurejew, Natalia Makarowa und anderen Abtrünnigen des sowjetischen Balletts beruflich geschadet werden konnte. Als der große Cellist Mstislaw Rostropowitsch (VOYAGER) 1974 in den Westen ging, hatte der KGB zwar aufgehört, Operationen zu planen, bei denen Emigranten auf dem Gebiet der darstellenden Künste physischer Schaden zugefügt wurde, doch unternahm er anscheinend verstärkt Kampagnen im Rahmen seiner aktiven Maßnahmen, um dafür zu sorgen, daß sie im Westen eine schlechte Presse bekamen.

Nachdem Rostropowitsch und seiner Frau, der Sängerin Galina Wischnewskaja, die sowjetische Staats­bürgerschaft aberkannt worden war, forderte die Zentrale 1976 alle Sicherheitsdienste im Ostblock auf, Agenten ausfindig zu machen, die in Rostropowitschs Umgebung eindringen konnten. 1977 geriet sie über Rostropowitschs Ernennung zum Dirigenten des National Symphony Orchestra in Washington außer sich — diesen Posten sollte er siebzehn Jahre lang, bis zu seiner Rückkehr nach Rußland, innehaben —, faßte aber durch einen im Mai 1978 in der Washington Post erschienenen ungewöhnlich kritischen Artikel über Rostropowitschs Arbeit mit dem Orchester neuen Mut. 

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Die Zentrale schickte den Artikel an westliche Residenturen als Beispiel dafür, welche Art Kritik sie unterstützen sollten, und verlangte von ihnen, Artikel anzuregen, in denen Rostropowitschs angebliche Eitelkeit, die Tatsache, daß er den Erwartungen des Westens nicht entsprochen habe, und — was angesichts der vom KGB eingeleiteten aktiven Maßnahmen einer gewissen Ironie nicht entbehrte — seine angeblichen Versuche, die westliche Presse zu manipulieren, angeprangert wurden.45

Auch abtrünnig gewordene Schachspieler waren das Ziel größerer Operationen des KGB, mit denen verhindert werden sollte, daß die Betreffenden Wettkämpfe gegen ideologisch orthodoxe Gegner gewannen. Während der Schachweltmeisterschaft, die 1978 zwischen dem sowjetischen Weltmeister Anatoli Karpow und dem Abtrünnigen Wiktor Kortschnoi auf den Philippinen ausgetragen wurde, bot die Zentrale ein Team von achtzehn operativen Offizieren der Ersten Hauptverwaltung auf, die versuchen sollten, Kortschnois Niederlage herbeizuführen.46

Die aktiven Maßnahmen des KGB hätten durchaus den Ausgang dieses äußerst kontroversen Wettkampfes bestimmen können. Nachdem die ersten sieben Partien, bei denen Kortschnoi den besseren Eindruck gemacht hatte, unentschieden ausgegangen waren, weigerte sich Karpow, seinem Gegner zu Beginn der achten Partie die Hand zu reichen. Kortschnoi, von dem bekannt war, daß er schlecht spielte, wenn er wütend war, verlor die Partie. Nach zwölf Partien, bei denen sich Kortschnoi erneut in besserer Form zeigte, wurde wieder der Gleichstand erreicht. Bei den nächsten fünf Partien wurde Kortschnoi durch die Anwesenheit eines russischen Hypnotiseurs, Dr. Wladimir Sucher, völlig durcheinander­gebracht, der in der ersten Reihe saß und ihn ständig anstarrte. Nach siebzehn Partien hatte Kortschnoi einen Rückstand von drei Punkten. Bis zum Ende des Wettkampfes hatte er zwei Punkte aufgeholt und verlor dann die Meisterschaft um einen einzigen Punkt.47 Über die Einmischung des KGB in das sowjetischen Schach könnte wohl ein ganzes Buch geschrieben werden.48

 

Die meisten Unannehmlichkeiten in puncto »ideologische Subversion« bereitete dem KGB während des Kalten Krieges die organisierte Religion — besonders das Christentum, das nicht aussterben wollte, wie die Bolschewiken gehofft und erwartet hatten. Obwohl im kommunistischen Einparteienstaat keine andere politische Partei existieren durfte, fühlten sich die Sowjetführer verpflichtet, scheinheilig zu erklären, sie würden die Religionsfreiheit respektieren. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Versuch, den Glauben auszurotten, durch subtilere Formen der Verfolgung ersetzt, die den steten Niedergang der Kirche bewirken und die Gläubigen diskriminieren sollten.

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Innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche konnte sich der KGB auf eine gehorsame Hierarchie verlassen, die von seinen Agenten durchsetzt war. Die Hauptprobleme der Zentrale rührten von anderen christlichen Kirchen und einer tapferen Minderheit orthodoxer Geistlicher her, die ein Ende der religiösen Verfolgung forderten. Für die bessere Durchsetzung der Religionsfreiheit in der Sowjetunion benötigten verfolgte Christen eine starke Unterstützung seitens der Weltkirche, vor allem des Ökumenischen Rates der Kirchen (Weltkirchenrat). Diese erhielten sie nicht. Die KGB-Agenten im Weltkirchenrat waren erstaunlich erfolgreich in ihrem Bemühen, den Rat zu überzeugen, daß er sich auf die Sünden des kapitalistischen Westens statt auf die Verfolgung von Gläubigen im Ostblock konzentrieren solle. 1975 wurde Agent ADAMANT (Metropolit Nikodim) zu einem der sechs Präsidenten des Weltkirchenrates gewählt.

Die Bedeutung, die der KGB der Kontrolle des religiösen Dissenses und der Weigerung beimaß, verfolgten sowjetischen Christen Unterstützung durch den Westen zu gestatten, war durch die Ereignisse in Polen voll gerechtfertigt. Dort war es nie gelungen, die katholische Kirche mit Hilfe der Infiltrations­versuche des SB politisch unter Kontrolle zu bringen. Schon zu Beginn der siebziger Jahre hatte der KGB Karol Wojtyla, den Erzbischof von Krakau, als potentiell gefährlichen Gegner eingestuft, der nicht bereit war, Kompromisse in bezug auf die Religionsfreiheit oder die Menschenrechte einzugehen. Der SB wagte es nicht, ihn zu verhaften, weil er den Aufschrei fürchtete, den ein solcher Schritt in Polen und im Westen hervorgerufen hätte. Wojtylas Wahl zum Papst im Jahre 1978 versetzte dem polnischen kommunistischen Regime einen Schlag, von dem es sich nie mehr erholte. Während seiner triumphalen Reise durch Polen im darauffolgenden Jahr war der Gegensatz zwischen dem diskreditierten kommunistischen Regime und der ungeheuren moralischen Autorität des ersten polnischen Papstes für alle deutlich erkennbar.

Im gleichen Sinne konnten auch die früheren Befürchtungen des KGB hinsichtlich des Schadens, den das sowjetische Regime erleiden konnte, wenn den politischen Dissidenten gestattet würde, weiter »ideologische Subversion« zu betreiben, durch die neuen Freiheiten der Gorbatschow-Ära beinahe gerechtfertigt erscheinen. 1989, weniger als drei Jahre nach der Rückkehr Sacharows aus der Verbannung nach Moskau, wurde er, wie Gorbatschow es formulierte, »unbestritten die herausragende Persönlichkeit« im Kongreß der Volksdeputierten. Fast alle wichtigen Forderungen der Dissidenten von Anfang der siebziger Jahre wurden nun auf die politische Tagesordnung gesetzt.

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Erst als damit begonnen wurde, den riesigen Machtapparat des KGB abzubauen, zeigte sich deutlich, wie wichtig er für das Überleben der Sowjetunion gewesen war. Das Manifest der Rädelsführer des Putsches, durch den Gorbatschow im August 1991 gestürzt werden sollte, enthielt das implizite Eingeständnis, daß die Einstellung des Kampfes gegen die ideologische Subversion die Grundlagen des Einparteienstaates erschüttert hatte:

»Auf allen Ebenen hat die Autorität das Vertrauen des Volkes verloren ... Alle Institutionen des Staates werden zur Zielscheibe beißenden Spotts. Das Land ist tatsächlich unregierbar geworden.«49

Was die Putschisten nicht begriffen, war die Tatsache, daß es zu spät war, die Zeiger der Uhr zurückzudrehen. »Hätte der Putsch vor ein bis zwei Jahren stattgefunden, er hätte Erfolg haben können. Doch inzwischen hat sich die Gesellschaft völlig geändert«, schrieb Gorbatschow später.50 Entscheidend für den inzwischen eingetretenen Stimmungswandel war der schwindende Respekt vor der einschüchternden Macht des KGB, der bisher jede Moskauer Demonstration schon im Keim zu ersticken vermochte. Eine große Menschenmenge, die noch vor Jahren niemals zugelassen worden wäre, sammelte sich vor dem Moskauer Weißen Haus, dem Sitz Jelzins, um es vor einem Angriff zu schützen, und umkreiste später die Lubljanka, wo sie vor Begeisterung jubelte, als die große Statue Felix Dserschinskis von ihrem Sockel gestürzt wurde.

Damals waren fast alle Beobachter erstaunt, wie rasch das Sowjetsystem zusammenbrach. Was aber heute am meisten überrascht, ist nicht der plötzliche Tod des kommunistischen Regimes Ende 1991, sondern die Tatsache, daß es fast siebenundfünfzig Jahre überleben konnte. Ohne das von Lenin und Dserschinski geschaffene Überwachungs- und Unterdrückungs­system und ohne den großen Feldzug des KGB gegen ideologische Subversion während des Kalten Krieges wäre die kommunistische Ära von viel kürzerer Dauer gewesen. Der KGB war wirklich »Schwert und Schild« des sowjetischen Systems gewesen. Seine größte Leistung war, daß er den am längsten existierenden Einparteienstaat des 20. Jahrhunderts am Leben erhalten hatte.

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Mit dem Zerfall des Einparteienstaates ging auch die Auflösung des riesigen Überwachungs- und Unterdrückungs­systems des KGB einher. Aber obwohl die Macht der verschiedenen Verwaltungen des KGB (der nacheinander in ein Sicherheitsministerium, einen Dienst für Spionageabwehr und einen Sicherheitsdienst umgewandelt wurde) sich dramatisch verringerte, nahm der Einfluß des neuen selbständigen Nachfolgers der Ersten Hauptverwaltung, des Auslandsnachrichtendienstes Sluschba Wneschnej Raswedki (SWR), rasch wieder zu. Tatsächlich trat der SWR in der Öffentlichkeit bald anmaßender auf, als es die Erste Hauptverwaltung je gewesen war.

1993 veröffentlichte sein Chef, Jewgeni Primakow, einen Bericht, der die Erweiterung der NATO als Bedrohung der Sicherheit Rußlands anprangerte — und dies zu einer Zeit, als das russische Außenministerium eine viel weichere und konziliantere Linie vertrat. Kurz vor Präsident Jelzins Besuch in Washington im September 1994 lief Primakow dem Außenministerium erneut den Rang ab, indem er die Warnung an die Adresse des Westens veröffentlichte, sich nicht der wirtschaftlichen und politischen Reintegration Rußlands mit anderen Staaten zu widersetzen, die einmal zur Sowjetunion gehört hatten. Primakows Stellvertreter, Wjatscheslaw Trubnikow, betonte das Recht des SWR auf öffentliche Äußerungen, selbst wenn er mit dem Außenministerium anderer Meinung war: »Wir möchten gehört werden ... Wir äußern unseren Standpunkt, wenn wir es für nötig erachten.«51

Die Rivalität zwischen SWR und Außenministerium in den ersten fünf Jahren der Präsidentschaft Jelzins endete mit einem Sieg des SWR: Primakow wurde im Dezember 1996 zum Außenminister ernannt und löste den prowestlichen Andrei Kosyrew ab. Wahrscheinlich zum Mißvergnügen vieler russischer Diplomaten nahm Primakow einige SWR-Offiziere ins Außenministerium mit. Sowohl als Außenminister und später als Ministerpräsident blieb er mit Trubnikow, seinem früheren Stellvertreter, der sein Nachfolger als Chef des SWR geworden war, in enger Verbindung.52

Auch hinter den Kulissen ist der SWR anmaßender, als es die Erste Hauptverwaltung je gewagt hatte. Diese hatte der Parteiführung sklavischen Gehorsam geschworen, so zum Beispiel in der schwerfälligen Präambel ihres »Arbeitsplans« für 1984:

»Die Arbeit der Auslandsresidenturen muß 1984 in enger Übereinstimmung mit den Beschlüssen des XXVI. Parteitages, des November-Plenums (1982) und des Juni-Plenums (1983) des Zentralkomitees der KPdSU, mit den programmatischen Direktiven und grundlegenden Schlußfolgerungen in den Reden des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, des Genossen Ju. W. Andropow, sowie mit den Forderungen der im Mai (1981) abgehaltenen Allunionskonferenz der Leitung [der Ersten Hauptverwaltung des KGB] geplant werden.53

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Heute verzichtet der SWR auf eine solche bürokratische Kriecherei. Er erstattet dem Präsidenten direkt Bericht und schickt Jelzin täglich Zusammenfassungen von Geheiminformationen ähnlich dem President's Daily Brief der CIA in den Vereinigten Staaten. Im Unterschied zur CIA listet der SWR die Optionen für politische Entscheidungen auf und zögert nicht, die von ihm bevorzugten zu empfehlen.54

Wie viele SWR-Berichte der kränkelnde Jelzin noch liest, ist ungewiß. Mitte der neunziger Jahre hat er, wenn ihm sein Schriftverkehr zur Durchsicht vorgelegt wurde, zu seinem geplagten Personalchef, Wiktor Iljuschin, gesagt, er solle ihn nicht mit »all dem Scheiß« behelligen.55 Wie Primakow vor ihm hat Trubnikow jedoch direkten Zutritt zu Jelzin. 1998 half er während des Disputs wegen der UN-Waffeninspektion im Irak, die russische Politik zu formulieren. Bald danach nahm er an den Moskauer Gesprächen Jelzins mit Slobodan Milosevic über den Kosovo teil.56 Von den Medien unbemerkt, begleitete Trubnikow Primakow auch im März 1999 bei dem Besuch in Belgrad, bei dem die Diskussion mit Milosevic fortgesetzt wurde. Obwohl der SWR nicht auf der Seite von Saddam Hussein oder Milosevic steht, möchte er vom Westen nicht beiseite gedrängt werden.

Mitte der neunziger Jahre hatte der für die innere Sicherheit verantwortliche Dienst (damals noch FSK, heute FSB) teilweise seinen früheren Einfluß, wenn auch nur einen Bruchteil seiner einstigen Macht, wiedergewonnen. Sergei Stepaschin, der 1994 sein Chef wurde, war einer der engsten Berater Jelzins. Als ein Politiker der Mitte, der zu den Reformern gerechnet wurde, hatte er 1991 erklärt: »Der KGB muß liquidiert werden.« Sobald er jedoch Chef des FSK geworden war, klagte er darüber, daß sein Sicherheitsdienst »kastriert« worden sei, und verlangte größere Vollmachten. Wie groß sein Einfluß war, wurde während der Tschetschenienkrise erkennbar. Als der Sommer 1994 zu Ende ging, überzeugte Stepaschin Jelzin, ein Angriff auf Grosny, die tschetschenische Hauptstadt, werde den rebellischen Präsidenten Dschochar Dudajew fast über Nacht stürzen und die Macht Moskaus über Tschetschenien wiederherstellen. Den Angriff sollten die tschetschenischen Gegner Dudajews durchführen, finanziert und bewaffnet vom FSK.

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Als der größte Teil der tschetschenischen Opposition im November im letzten Augenblick von der Operation Abstand nahm, setzte der FSK russische Truppen ein — mit (wie Stepaschin später zugab) verheerenden Folgen. Dudajew warf den ersten Angriff zurück und ließ gefangen­genommene russische Soldaten vor den Fernsehkameras der Welt paradieren. Obwohl Grosny später von russischen Streitkräften eingenommen wurde, leisteten die Tschetschenen in einem erbitterten Krieg, der in den darauffolgenden zwei Jahren 25.000 Menschenleben kostete, erbitterten Widerstand. Jelzin hat seinen guten Ruf niemals wiedererlangt. Stepaschin wurde im Juni 1995 bei dem Versuch, Kritiker des Krieges in der Duma zu beschwichtigen, abgesetzt, blieb Jelzin nahe und wurde zwei Jahre später wieder in die Regierung geholt, erst als Justiz- und im März 1998 als Innenminister. Im Mai 1999 ernannte Jelzin ihn als Nachfolger Primakows zum Ministerpräsidenten.57

 

Zu der Zeit, da dieses Buch 1999 in Druck ging, hat sich das Jelzin-Jahrzehnt, das 1991 mit seiner Wahl zum Präsidenten Rußlands und seinem Sieg im Augustputsch so glorreich begann, unter seiner schwachen, »alkoholischen« Führung dem Ende genähert. Sowohl der SWR als auch der FSB stellen sich schon auf die Zeit nach Jelzin ein. Keiner von ihnen hat eine Rückkehr zum Kalten Krieg vor. Beide unterhalten jetzt gute, wenn auch diskrete Beziehungen zu den wichtigsten Geheimdiensten des Westens. Dennoch rechnen SWR und der FSB damit, daß der Interessenkonflikt mit dem Westen andauern wird.

Sie haben guten Grund dazu. Der Zusammenbruch des sowjetischen Systems hat eine viel ältere Verwerfungs­linie zwischen Ost und West erkennbar werden lassen, die mehr mit Ereignissen im 4. als im 20. Jahrhundert zu tun hat. Sie folgt nicht der Linie des Eisernen Vorhangs im Kalten Krieg, sondern der Trennlinie zwischen dem orthodoxen und dem katholischen Christentum, die damit begann, daß Konstantinopel 330 zum neuen Rom erklärt wurde, und sich durch das Schisma von 1054 verewigte. Obwohl der Islam in den orthodoxen Osten eindrang und die Einheit des katholischen Westens durch die protestantische Reformation zerstört wurde, dauerte die kulturelle Trennung zwischen Ost und West an. »Seit der Zeit der Kreuzzüge«, so schreibt der Historiker Norman Davies, »hat der Osten den Westen als Quelle der Gefahr einer Unterwerfung betrachtet, die schlimmer ist als die Unterwerfung durch Ungläubige.«58)  

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Gerade weil der Graben so tief ist, läßt sich die Spaltung so schwer überwinden.59 Diejenigen osteuropäischen Staaten, die der NATO am Ende des 20. Jahrhunderts beitreten, jene, die ihr zu Beginn des 21. Jahrhunderts beitreten werden, sowie die wahrscheinlichsten zukünftigen Mitglieder der EU befinden sich alle auf der westlichen Seite der Trennungslinie.60 Im orthodoxen Europa dagegen gibt es noch immer keinen aussichtsreichen Kandidaten.

Den meisten Russen erscheint die Sympathie, die westliche Staatsmänner Ende der achtziger Jahre für Gorbatschows Bestreben äußerten, Rußland einen Platz im »gemeinsamen europäischen Haus« zu sichern, unglaubwürdig, wenn nicht gar scheinheilig. »Ein ausgeschlossenes und abgeschnittenes Rußland«, meint Jonathan Haslaw, »wird unweigerlich Schwierigkeiten bereiten.«61 Trotz der Zugehörigkeit Rußlands zum Europarat und zum Ständigen Gemeinsamen NATO-Rußland-Rat und trotz anderer westlicher Versuche, die Ost-West-Trennung zu überwinden, bestätigen die Ost-Erweiterung der NATO und die geplante Ausdehnung der Europäischen Union Rußlands Verdrängung an den Rand Europas nur. Es ist daher nicht verwunderlich, daß der SWR beides strikt ablehnt. Er wird in seiner Haltung durch den Groll über Rußlands nationalen Niedergang bestärkt.

1989 zerstörten die Revolutionen in Osteuropa innerhalb weniger Monate den Ostblock. Zwei Jahre später verlor Rußland noch plötzlicher fast die Hälfte des Gebietes, das früher von Moskau aus regiert wurde, und war auf einmal kleiner als zur Zeit Katharinas der Großen. Es gibt Anzeichen dafür, daß einige — vielleicht auch viele — Offiziere des SWR den Glauben des derzeitigen Führers der Russischen Kommunistischen Partei, Gennadi Sjuganow, an einen langfristigen westlichen Plan teilen, der angeblich vorsieht, erst den Sowjetstaat zu zerstören und dann ein Wiedererstarken Rußlands zu verhindern. Rußlands historische Mission besteht ihrer Ansicht nach darin, sich einer amerikanischen globalen Hegemonie und dem Triumph der westlichen Werte in den Weg zu stellen.62

Jelzins Jahrzehnt war für Rußland eine viel zu kurze Zeit, um sich auf das Verschwinden des Ostblocks und den Zusammenbruch der Sowjetunion einstellen zu können. Wie Großbritannien in der Nachkriegszeit, so hat Jelzins Rußland, Dean Achesons berühmtem Ausspruch zufolge, »ein Imperium verloren, aber noch keine Rolle gefunden«. Anders als bei Großbritannien, das sein Empire in einer Zeit politischer Stabilität verlor, war der Verlust des Imperiums im Falle Rußlands jedoch von wirtschaftlichem Zusammenbruch und politischem Zerfall begleitet. Rußland befindet sich gegenwärtig in der ungewöhnlichen Lage, zwar eine Nationalhymne zu haben, aber nur geringe Aussichten, sich auf einen Text dafür einigen zu können — ein Zeichen für seine derzeitige Identitätskrise.63

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Bei der Suche nach seiner eigenen Identität blickt der SWR auf eine heroische, neu erfundene Version seiner sowjetischen Vergangenheit zurück. Am 20. Dezember 1995 beging er den 75. Jahrestag der Gründung der Auslandsabteilung der Tscheka als seinen eigenen Geburtstag und veröffentlichte dazu eine unkritische Lobpreisung der »zahlreichen Ruhmestaten«, vollbracht von Offizieren der sowjetischen Auslandsaufklärung, »die einen herausragenden Beitrag dazu geleistet haben, die Sicherheit unseres Heimatlandes zu garantieren«

Mit der unliebsamen Tatsache, daß einige der früheren Helden an den scheußlichen Verbrechen beteiligt waren, die in der Zeit des Großen Terrors verübt wurden, wird der SWR fertig, indem er absurderweise ihre Mitwirkung an diesen Untaten leugnet. Nach der Version des SWR hatte die Auslandsspionage mit dem Großen Terror nur insoweit zu tun, als ihre Märtyrer »in den Folterkammern von Jeschow und Berija umkamen«.64) 

Als Chef des SWR wurde Primakow der »Chefredakteur« einer vielbändigen Geschichte des sowjetischen Auslands­nachrichtendienstes, die unter Beweis stellen soll, daß die sowjetische Aufklärung »ehrenhaft und selbstlos ihre patriotische Pflicht gegenüber dem Mutterland und dem Volk erfüllte«.65 Obwohl Primakows Geschichte noch nicht bis zur Zeit des Kalten Krieges gediehen ist, ist jetzt schon klar, daß die Beteiligung der Ersten Hauptverwaltung an der Verfolgung der Dissidenten und an dem Mißbrauch der Menschenrechte dort keine Erwähnung finden wird.

1996 gab der SWR eine CD-ROM in Russisch und Englisch mit dem Titel Russian Foreign Intelligence: VChK-KGB-SVR (»Russische Auslands­aufklärung: Tscheka-KGB-SWR«) heraus, die den Anspruch erhebt, »zum ersten Mal... einen sachkundigen Überblick über Geschichte und Entwicklung eines der mächtigsten Geheimdienste der Welt« zu geben.

Die früheren Erfolge, wie zum Beispiel die Rekrutierung der »Glorreichen Fünf« und die Atomspionage, werden multimedial gefeiert, um die direkte Verbindung zwischen der sowjetischen Auslands­aufklärung und dem heutigen SWR vor Augen zu führen. Auf der Hülle der CD-ROM ist die Statue Dserschinskis abgebildet, die der SWR und der FSB wohl gern wieder auf ihrem früheren Sockel vor der Lubjanka sehen würden. 

Nichts kann besser die Kontinuität des sowjetischen und des russischen Geheimdienstes illustrieren als der Versuch des SWR, seine KGB-Vergangenheit zu beschwören.

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