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4.  Die Wassersünde und ihre Folgen

Metternich-1947

 

   Die Versteppung Deutschlands   

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Im Jahre 1936 veröffentlichte der Gartenarchitekt Alwin Seifert in der Zeitschrift <Deutsche Technik> unter der Überschrift <Die Versteppung Deutsch­lands> einen Aufsatz, der zunächst in den technischen Fachkreisen des Wasser- und Straßenbaus und der Landschaftsgestaltung aufrüttelnd wirkte und zu einer lebhaften Aussprache führte. 

Die Anhänger der älteren Schule des technischen Bauwesens wurden nicht müde, ihre bisherigen Taten und Werke als technisch einwandfrei zu verteidigen und den Mann, der es wagte, diese als biologisch schädlich und die Versteppung fördernd hinzustellen, als wildgewordenen Naturschutz-Ideologen zu verspotten. 

Die Austragung der Kontroverse in der Öffentlichkeit gab dann dem von Seifert angeschnittenen Problem das Gewicht der Allgemein­bedeutung; das Interesse daran ergriff die Reichs- und Länderverwaltungen, die Land- und Forstwirtschaft, die Industrie, die körperschaftlichen Versorgungsinstanzen und schließlich die ganze Öffentlichkeit. 

Ob Seifert in allen Punkten seiner prononcierten und teilweise überspitzten Darstellungen und Argumente in vollem Umfange Recht hat, mag dahingestellt bleiben. Das Bild, das heute unsere heimische Umwelt bietet, setzt aber jedenfalls seine Gegner — die Techniker — von gestern, völlig ins Unrecht.

Die Versteppung Deutschlands, die Austrocknung und Verödung des Landes sind tatsächlich in vollem Fluß. Auf lange Sicht, gesehen nähert sich damit die Gefahr einer fortschreitenden Erlahmung der erzeugenden Bodenkräfte. Auch die im Gefolge auftretende Schmälerung des Bestandes an ideeller Substanz ist nicht gering zu schätzen, denn auch sie mündet schließlich, bei der harmonischen und zweckmäßigen Abstimmung der Dinge in der Natur aufeinander, in einen materiell meßbaren Verlust.

Seitdem der Mensch in der Lage ist, die unbändige Gewalt seiner mit Dampf, Elektrizität und Kraftstoff angetriebenen Maschinen in seinem sogenannten Lebenskampf einzusetzen, schwebt wie ein finsterer Dämon die Maßlosigkeit des technischen Geistes über der Erde und allem, was sie besitzt und trägt. Unmittelbar brachte dieser Geist der Menschheit das Dauerelend geballter besitzloser Massen, die Not der Mietskasernen, den Jammer sporadischer Arbeits­losigkeit im Wechsel des Auf und Ab flüchtiger Konjunkturen — und schließlich brachte er Weltkriege mit ihren grauenvollen, in der Geschichte noch nicht dagewesenen Verwüstungen und Zerstörungen und mit einer geradezu unfaßbaren Verarmung der Welt an kultureller und materieller Substanz. 

Noch viel weiter reicht das Unheil, das vom technischen Geist des materialistischen Zeitalters ausgeht: es verändert mit seinen Werken und Taten die Erde, die die Menschheit nährt, nicht nur physiognomisch. sondern, was wichtiger ist, auch physiologisch in der Weise, daß das Gespenst der Verarmung und Vernichtung der Kulturflächen und in seinem Gefolge der Hunger in den Kulissen erscheint.

Die optimistisch beflissenen Verteidiger einer übersteigerten Technik und eines maßlosen technischen Geistes sagen, nicht die Technik, sondern der Mißbrauch der Technik habe das Elend in der Welt verschärft. Den braven Männern sei die Richtigkeit ihrer Meinung zugestanden. Allerdings werden sie den Einwand schwerlich entkräften können, daß es ein Wesensmerkmal der Technik ist, zu Mißbrauch zu reizen, zu verführen und zu zwingen. 

Man muß hier an die bekannte Schraube ohne Ende denken. Wo ein Anfang gesetzt ist, ist der Zwang der Dinge, auf der einmal betretenen Bahn weiterzuschreiten, stärker als die moralische Kraft des von seinen eigenen Schöpfungen tyrannisierten Menschen.

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Im Mittelpunkt der technischen Sünden in der Landschaft steht die Störung des Wasserhaushaltes während der letzten hundert Jahre. Der Angriff auf die Natur war so umfassend und so tiefgreifend, daß die auf der Erde hervor­gerufenen Veränderungen schwerwiegender waren als alle Maßnahmen zusammen­genommen, die seit dem Übergang der Urlandschaft in die Kulturlandschaft bis zum Beginn des technischen Zeitalters vorge­nommen wurden.

Das aufkommende und sich weiter entwickelnde Zeitalter der industriellen Zivilisation eröffnete neue Lebensaspekte für die Menschheit. Wie sich allein in ernährungs­wirtschaftlicher Hinsicht die Verhältnisse gewandelt haben, geht daraus hervor, daß um 1800 im Gebiet des nachmaligen deutschen Reiches drei Menschen auf der Flächeneinheit lebten, auf der deren heute zehn leben, und daß um 1800 vier Bauern einen Städter zu ernähren hatten, während heute ein Bauer vier Städter mit Nahrung zu versorgen hat. 

Ein fortschreitender Zwang zu intensiverer Nutzung des Bodens, zur Ausdehnung der nahrungspendenden Flächen und zur Verbesserung der Ergiebigkeit der Böden war ohne Zweifel vorhanden. Aber mußte deshalb so erbarmungslos in den lebenswichtigen Bestand der Natur und, in ihr Kräftespiel eingegriffen werden, daß heute die ganze Lebensgrundlage von akuten Gefahren bedroht ist? Nicht die Tatsache, daß rationalisiert und melioriert wurde, ist entscheidend für den Zustand von heute und seine Beurteilung, sondern es ist entscheidend, wie in die biologischen Bestände der Natur im Zuge der fortschreitenden Intensivierung eingegriffen worden ist. 

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Seit alters her sieht es die Menschheit als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, das Element Wasser zu bändigen und zu beherrschen, in der Absicht, es so weit als möglich wirtschaftlich zu nutzen. In der modernen Wasserbautechnik aber trat das letztere Moment weitgehend in den Hintergrund. Man sah nur die Schattenseiten, die dem Wasser anhaften, und ging dem Problem mit allen Mitteln, die die moderne Technik in so reichem Umfange kennt, zu Leibe — rein technisch, rein mechanisch, ohne jede Rücksichtnahme auf die biologischen Funktionen des Wassers und auf die kulturellen Bedürfnisse der Landschaft. Der Wasserbauspezialist sah nur den engbegrenzten Sektor seines Arbeitsfeldes, alles andere kümmerte ihn nicht.

Bis in die jüngste Zeit sah die moderne Wasserbautechnik und Wasserwirtschaft ihre Aufgabe darin, das vom Himmel fallende kostbare Regennaß so schnell und gründlich wie nur möglich zu sammeln, es den großen Wasseradern des Landes zuzuführen und so auf dem kürzesten Wege ins Meer zurückzuschicken. Mit dieser Methode wurden der Wasserhaushalt des Landes und die wohlbegründete und weise geordnete Vorratshaltung der Natur zerstört, weil man dem vom Himmel und seinen Wolken gespendeten Wasser keine Zeit ließ, seine natürlichen Reservoire, das weite fruchtbare Land, den Wald, den oberen und unteren Grundwasserfluß, die Teiche und Binnenseen sowie die Altwasser und Tümpel in gewohnter Weise zu speisen. 

Aber das allein genügte der Gründlichkeit des geschulten Fachmannes noch nicht. Er gab sich nicht damit zufrieden, mittelbar durch seine Flußregulierungen und Bachverbauungen im ganzen Einzugsgebiet der "in Arbeit genommenen" Ströme den Grundwasserstand zu beeinflussen, er zapfte die Grundwasser­stände unmittelbar an, um sie im Interesse höchst zweifelhafter Meliorationen zu senken oder ganz zum Verschwinden zu bringen. Er bildete Grundwassernutzflächen zu einseitigen Regennutzflächen um, auf denen jedes Pflanzenwachstum völlig von der Laune dar Wetterwolken abhängig ist und keine Rückversicherung für Trockenzeiten in den natürlichen Reservoiren vorhanden ist. 

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Er vergriff sich an Teichen und Seen und entwässerte ganze Landschaften, um höchst fragwürdiges "Kultur"-Land zu gewinnen. In den letzten 150 Jahren verschwanden allein im deutschen Voralpenland mehr als 50 Seen. Die Weiher und Teiche sind aus dem Landschaftsbild fast gänzlich verschwunden.

Eine einseitig eingestellte Wasserbautechnik hat in jahrzehntelanger Tätigkeit den natürlichen Kreislauf im Wasserhaushalt mit ihrer seelenlosen, ganz nach außen gekehrten und eine tiefere Gesamtschau der Dinge und Beziehungen verleugnenden Meßtischarbeit gestört und zerstört und versucht, mit ihren mathematisch gewiß einwandfrei errechneten und technisch korrekt ausgeführten Arbeiten dieselbe Wirkung zu erzielen, wie sie in der Natur in einem wohlausgewogenen organischen Kreislauf herbeigeführt wird. 

Es zeigt sich aber immer mehr, daß diese Absicht das erstrebte Ziel nicht erreicht hat, sondern daß sie uns im Gegenteil hinsichtlich der dauernden und ausreichenden Wasserversorgung in eine höchst bedenkliche Situation führte. Der Bauer, der immer mehr Nahrungsgüter schaffen soll, ruft mit jedem neuen Jahr dringender nach Wasser. Ein System von Talsperren, das gebaut wurde, kommt dem Bedürfnis ganzer Landesteile nicht entgegen. Die weitere Versteppung des Landes ist im Vormarsch.

 

    Der Rationalisierungswahn der Landwirtschaft    

 

Hand in Hand mit den unmittelbaren Eingriffen des Technikers in das biologische Gefüge der deutschen Landschaft gingen Maßnahmen der Land- und Forst­wirtschaft, die geeignet waren, den Prozeß der Austrocknung und Versteppung zu beschleunigen und zu vertiefen. Auf den unheilvollen Kulturwechsel im Walde, der sich vom grünen Laubwalde zum Nadeldürrewald bewegte, und auf die landeskulturellen Wirkungen dieser Umstellung ist schon hingewiesen worden. Die Landwirtschaft aber lud mit ihren spezifischen Maßnahmen in der Feldflur nicht geringere Schuld auf ihr Haupt.

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Mit dieser Feststellung klärt sich auch die höchst müßige Frage, wer im Grunde der Schuldige an der bösen Entwicklung ist. Alle, die von Berufs wegen mit der Natur befaßt und an ihr und ihren Elementarbeständen interessiert sind, tragen ein gerüttelt Maß an Schuld: der Techniker, die staatlichen Hoheits­verwaltungen, die Industrie, Kommunen, Kommunalverbände und öffentliche Körperschaften, und nicht zuletzt die heute in ihrer Eigenschaft als erste und ursprünglichste Wasserinteressentin in eine Sackgasse geratene Landwirtschaft, die dem Zeitgeist einer falsch verstandenen Rationalisierung verfallen war und dies teilweise noch ist.

Es ging im Zeitalter der technischen Ratio um die Flurbereinigung, d.h. um die Gestaltung der Feldmark im Sinne rationellster Wirtschaftsführung. Dieser Forderung entspricht der große zusammenhangende Acker, auf dem sich kein Hindernis einer schnellen, reibungslosen und billigen Bearbeitung entgegenstellt. Kein Mensch kann die Berechtigung dieser Forderung bestreiten, vorausgesetzt, daß die Gewähr für eine vernünftige Durchführung geboten ist. Es ist aber hier genau wie bei der Arbeit der Wasserbautechnik: nicht das ist das Entscheidende, daß sie geleistet wurde, sondern das Wie der Ausführung.

Aus der wohlgemeinten "Flurbereinigung" wurde unter den Händen von Leuten, zu deren Entschuldigung man nur anführen kann, daß sie nicht wußten, was sie taten, die vollkommene Ausräumung der Feldflur, nicht nur von Überflüssigem, Hinderlichem und Entbehrlichem, sondern auch von notwendiger und sogar lebenswichtiger Substanz.

Schrittmacherin war auch in diesem Falle die Weisheit der schulmäßigen Technik an Reißbrett und Meßtisch. In der alten Kulturlandschaft gab es einen reichen Bewuchs der Feldmark, der zwar keine unmittelbaren Erträge abwarf, dafür aber das Charakterbild der Landschaft prägte und überdies sehr wesentliche Funktionen im Naturhaushalt ausübte. 

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Da standen in stattlicher Zahl Einzelbäume an den Säumen der Grundstücke, am Bachlauf und auf der Viehweide, da lagen Gebüsche, Feldgehölze und kleine Wälder als glückliche Einsprengsel in der Feldflur. Jede dieser Lebensgemeinschaften war ein Dorado für das frei lebende Getier der deutschen Landschaft, ebenso die Wallhecken und Raine, die die Grundstücke gegeneinander abgrenzten.

Jahrhunderte war das so gewesen, und niemand hatte Anstoß an diesen bescheidenen Kostgängern an der Kraft des Bodens und ihrem bescheidenen Raumbedarf genommen. Diesen Anstoß zu nehmen blieb dem nüchternen und kalten Rechnen des modernen Menschen vorbehalten. Der Mann am Meßtisch sah in diesen glücklichen und nützlichen Erscheinungen im Felde nur Hindernisse, die es im Interesse der Landwirtschaft zu überwinden galt. Der Zeichenstift ging über sie hinweg; er entwarf das Idealbild der neuen Kulturlandschaft, in der nichts dem ungehemmten Zug des Pfluges, der Erntemaschine und des "eisernen Pferdes" im Wege stand. Die Bäume und Hecken, die Gehölze und Raine wechselten in der rationalisierten Ideallandschaft des Reißbrettstrategen den Besitzer oder sie gerieten in der neuaufgeteilten Feldmark mitten in die Felder. Der Mann am Reißbrett hatte auf diese Weise mit Vorbedacht aus ihnen gemacht, was sie niemals gewesen waren, bevor er ihnen sein unheilvolles Interesse schenkte: Hindernisse in den Arbeitsprozessen der rationellen Landwirtschaft.

Das andere besorgte nicht hundert-, sondern gleich zweihundertprozentig der Bauer. Das letzte Fleckchen Erde sollte genutzt werden, so verlangte es das materialistische Denken der neuen Zeit. Die Einzelbäume wurden gefällt, die Hecken niedergeschlagen, der Feldrain unter den Pflug genommen. Der Bach, der sich lebenspendend durch den Wiesengrund geschlängelt hatte, wurde zu einer geraden Linie ausgerichtet, sein Uferbewuchs verschwand, Teiche wurden eingeebnet, Altwasser und Weiher zugeschüttet. Das deutsche Nährland wurde zur Kultursteppe mit ihren öden, gleichförmigen, durch keinen lieblichen Blickfang gestörten Getreide-, Rüben- und Kartoffelwüsten.

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Eine unsagbare Verarmung der deutschen Landschaft ist eingetreten, trotz der vorläufigen Mehrerträge an Bodenprodukten, die jedoch auf andere Faktoren, nicht auf die Ausräumung und Ausplünderung der Feldmark zurückzuführen sind. Das Gesicht der deutschen Landschaft hat sich damit wesentliche Züge der östlichen pontischen und sarmatischen Steppen aneignen müssen. Aber diese ästhetische Beurteilung ist nicht das Wesentliche, die erzielte biologische Wirkung ist entscheidend.

 

   Das Elend der Kultursteppe   

 

Die Auspowerung der Feldflur hat den Grad der Austrocknung erhöht und die Wasserhaltigkeit zahlreicher Böden heruntergesetzt. Feldgehölze und Hecken sind kleine Wasserreservoire, wie es der Wald im großen ist. und ein weiter Umkreis von Nutzland nimmt an dem Segen teil, der von hier seinen Ausgang nimmt. In Trockenzeiten und in Dürreperioden erweisen sich diese biologisch wertvollen Einsprengsel der Landschaft als segenbringende Transpirations­zentren, die auch unter ungünstigen meteorologischern Verhältnissen die Bildung von belebendem Tau gewährleisten und fördern.

Die Biologie unterscheidet vier Landschaftselemente nach dem Grade ihrer Funktion im Wasserkreislauf: die auf und im Grundwasser stehende Au, den Wald, die Wiese und den Acker. Am stärksten ist die Transpirationsintensität bei Aubestand, am schwächsten in der reinen Feldmark. 

Je kleinflächiger sich die Landschaft in diese Elemente aufteilt, um so nutzbringender ist die Wechselwirkung in der Bewirtschaftung und Nutzung der Feuchtigkeit des Bodens und der Luft, und davon kann am meisten das an Feuchtigkeit ärmste Element, der Acker, gewinnen. 

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Gerade in der großflächigen Ausdehnung des Ackerlandes, wie sie heute vorhanden ist und weiter angestrebt wird, ist der Wert von Einsprengseln anderer Landschaftselemente nicht zu verkennen, auch wenn diese im einzelnen noch so unscheinbar und unbedeutend sind.

Das Tauproblem hat für die Landwirtschaftswissenschaft eine hohe Bedeutung gewonnen. Nicht von Regen allein zehrt die Pflanze, sondern auch von Nebel und Tau. Letzterer kommt ihr Nacht um Nacht zugute, nicht sporadisch, wie der Regen. Die Fortdauer der Vegetation in langanhaltenden Dürrezeiten wäre ohne die Berücksichtigung des Taufalls kaum zu erklären. Auch in den trockensten Monaten steht die Pflanze, die am Abend welk und lebens-unlustig war, am Morgen wieder saftig und lebensprühend da. Der Tau der Nacht hat auf sie und den Boden seine wohltätige Wirkung ausgeübt. Messungen des Taufalls sind vorgenommen worden, aber es ist noch nicht konkret ermittelt, in welchem Mengenverhältnis Regen und Tau zueinander stehen. 

Im ganzen gesehen und unter Berücksichtigung des dauernden Fließens dieser Feuchtigkeitsquelle können die Beträge aus Tau nicht unerheblich sein. In den Trockengebieten Kaliforniens gibt es berühmte Wälder, die sogenannten Redwoodwälder, die dreihundert Jahrestage nur von Tau und Luftfeuchtigkeit zehren. Es wird behauptet, daß die alten Römer einzelne Wasserleitungen in Süditalien ausschließlich mit der als Tau niedergeschlagenen Feuchtigkeit speisten.

In gleicher Weise dient der Schutz, den die Hecken spenden, der Erhaltung der wichtigen Bodenkohlensäure. Der Wind erweist sich als der unersättliche Zehrer an der Bodenfeuchtigkeit und an der Bodenkohlensäure. Je schärfer der Wind ist, desto höher ist seine austrocknende Wirkung und desto größer der Betrag der Bodenfeuchtigkeit, der davongetragen wird. Alles, was windbremsende Wirkung für die bodennahen Luftschichten hat, ist im Interesse des Wasser­haushaltes unserer Nutzböden im höchsten Grade erwünscht.

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Dazu gehört aber alles das, was bei der beklagenswerten Ausräumung der Feldmark unwiderruflich auf die Totenliste gesetzt wurde, der Einzelbaum, der Strauch, die Wallhecke, das bewachsene Fluß- und Bachufer, der Feldrain. Auch hier hat die Natur das letzte und verhängnisvollste Wort offenbar noch nicht gesprochen. Nicht in Jahren und Jahrzehnten zeigen sich die letzten Konsequenzen bösartiger und unbedachter Eingriffe in das Getriebe der Natur, sondern in viel längeren Zeiträumen. Das Rad aber ist ins Rollen gebracht.

Noch verwickelter und schwerwiegender sind die Zusammenhänge, die hier eine Rolle spielen. Bodenfeuchtigkeit, Bodenbewuchs und das vielgestaltige Mosaik des Kleinklimas, das die Wirkung der weitreichenden Großklimazonen modifiziert, stehen in engster Wechselwirkung. Die Entfernung des Strauch- und baumhohen Bewuchses bewirkt eine Schwächung der Geländezellen, die das reiche und individuell gestaltete Bild des Kleinklimas hervorrufen. Das gleichmachende Großklima gewinnt an Herrschaft auch in den bodennahen Luftschichten, die den Austausch zwischen Boden und Atmosphäre vermitteln. Die kontinentalen Züge des Klimas verschärfen sich und werden mit extremer Winterkälte und extremer Sommerhitze und Sommertrockenheit immer allgemeiner.

Die Steppe ist über die Fluren unseres Landes im Vormarsch nach Westen. Sie zwingt der deutschen Landschaft ihre typischen Charakterzüge immer eindeutiger auf. Sie gefährdet die Ergiebigkeit und Fruchtbarkeit des deutschen Bodens. Die Folgen deuten sich mit immer stärkerem Nachdruck an. Zunächst werden sie in der Arbeitsweise der Landwirtschaft und in der weiteren Entwicklung ohne Zweifel auch im Ertrag der Scholle allgemein bemerkbar werden.

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    Grenzen der Intensivierung    

 

Die verhängnisvolle Versteppung der deutschen Kulturlandschaft, die ihr Gegenstück in einer Reihe von weiteren europäischen Ländern findet, ist für die Wissenschaft und Praxis des Landbaues ein Kardinalproblem der Gegenwart. Seitdem sich die ersten schwerwiegenden Folgen zeigten, bequemte man sich, der Not gehorchend, zu einer naturnäheren Betrachtung der Dinge, die hier in Frage stehen. 

Optimisten wiegten sich in der eitlen Hoffnung, man brauche nur das so lange falsch gerichtete Steuer des Landbaus und der Landeskultur entschlossen herumzuwerfen, um mit einem Male alle Wirkungen der bisherigen falschen Methoden im Dienste an der Natur aufzuheben und der weiteren Versteppung Einhalt zu gebieten.

Soweit man den Begriff unserer neuzeitlichen Kultursteppe physiognomisch, also in Anlehnung an die rein äußerlichen Kennzeichen, auffaßt, mag bei entschlossener Umkehr auf dem bisherigen Wege ein gewisser Erfolg zu erreichen sein, in physiologischer und biologisch-dynamischer Hinsicht aber beherrscht als Folge der falschen Arbeitsweise ein unbeugsamer "Zwang der Dinge" die Landschaft. Kurzsichtige, ausschließlich verstandesmäßige Maßnahmen haben den Beginn einer Entwicklung geschaffen, und nun kommen die in Fluß geratenen Dinge, ihren eigenen Gesetzen folgend, nicht mehr zur Ruhe. Extreme haben die Tendenz, sich immer weiter zu verschärfen. Das gilt besonders in der Natur, die konsequent bis zur Erbarmungslosigkeit sein kann.

Wie weit die Verhältnisse sich gewandelt haben, zeigt deutlich ein Blick in das landwirtschaftliche Kulturprogramm. Von der Jahrhundertwende bis vor etwa zehn Jahren hieß in der deutschen Landwirtschaft die große Parole "Drainage". Man spricht jetzt nicht mehr übermäßig viel von ihr, sondern nur noch in Fällen, wo die künstliche Wasserableitung unumgänglich nottut. 

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Dafür aber hört man viel öfter als je zuvor die Forderung nach "Beregnung" der Kulturflächen. Dem Ruf nach künstlicher Trockenlegung ist der Ruf nach der künstlichen Befeuchtung gefolgt. Der Wandel vollzog sich nicht, weil eine Modelaune der Landwirtschaft sich geändert hat, sondern weil die Bedingungen, unter denen sich die landwirtschaftliche Erzeugung vollzieht, ganz andere geworden sind. Deutschland ist trockener geworden; die Versteppung verlangt ihre praktische Anerkennung.

Die moderne Wetterbeobachtung vertritt den Standpunkt, daß im deutschen Reichsgebiet die durchschnittliche Jahresregenmenge seit dem Jahre 1893 nicht gesunken sei. Die Richtigkeit dieser Aussage mag dahingestellt bleiben. Aber auch wenn sie zutrifft, besagt sie nichts gegen die Feststellung, daß Deutschland trockener geworden ist und die meteorologischen Bedingungen und Tatsachen sich den Verhältnissen der Steppen bedenklich genähert haben und sich ihnen noch weiter nähern. Das Bild muß allein wegen des enorm gestiegenen Wasserverbrauchs unklar erscheinen. Ferner trägt zur Trübung einer klaren Übersicht der große "Drainage-prozeß" bei, dem das ganze Land durch die Wasserbautechnik unterworfen wurde. 

 

Man mag darüber streiten, von welchen Eingriffen in den Wasserhaushalt die stärkere Wirkung ausgeht, von der mechanischen Erfassung und Behandlung des landeseigenen Wasservorrats durch die einschlägig befaßte Technik oder von der laufenden und über Gebühr gesteigerten Wasserentnahme für allgemeine Versorgungszwecke und für die Zwecke der industriellen Erzeugung. Letztere stört immer aufs neue den ausgeglichenen Wasserhaushalt des Landes.

Das Beispiel Ruhrgebiet spricht für sich selbst. Im Jahre 1872 wurden 76 Millionen Kubikmeter Wasser für die Versorgung der Städte, Kohlenzechen und Fabriken im rheinisch-westfälischen Industriegebiet der Ruhr entnommen, im Jahre 1929 dagegen 670 Millionen Kubikmeter, was einem Viertel des mittleren Jahresabflusses der Ruhr bei Mülheim dicht oberhalb der Mündung in den Rhein und einem vollen Drittel des Wasserverbrauchs im ganzen Reichsgebiet entsprach. Die entnommene Wassermenge ist inzwischen weiter gestiegen.

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Im Jahre 1943 betrug dieser Wasserverbrauch rund eine Milliarde Kubikmeter. Vergleichsweise ist zu bemerken, daß Groß-Berlin mit etwa 4,5 Millionen Menschen und einer namhaften Industrie damals nur rund 30 v.H. dieser Menge benötigte. Die im Ruhrgebiet verbrauchte Wassermenge verteilte sich auf folgende Abnehmergruppen: Steinkohlenbergbau 30 v.H, Chemie 30 v.H., eisenschaffende Industrie 20 v.H., sonstige Industriezweige 15 v.H., Haushaltsverbrauch 5 v.H. 

Fast der gesamte Verbrauch der chemischen Industrie entfiel auf die Kohlechemie einschließlich der Gewinnung von Aluminium, dessen Erzeugung ebenfalls auf chemischem Wege erfolgt. Für die Benzinerzeugung wurden rund 75 Millionen Kubikmeter benötigt. Die Buna-Gewinnung erforderte sogar 210 Millionen Kubikmeter. Davon entfielen jedoch nur etwa 90 bis 100 Millionen Kubikmeter auf Frischwasser, während der Rest durch Rückkühlung beschafft wurde. Es ist überhaupt, zu berücksichtigen, daß das Wasser im Ruhrgebiet nach jeder Verbrauchsphase mehr oder minder gut filtriert immer wieder neuen Verbrauchszwecken zugeführt werden mußte. Sachverständige waren sich über die immerhin etwas peinliche Tatsache im klaren, daß das zu Trink- und Haushaltszwecken benutzte Ruhrwasser auf seinem Wege durch das eigentliche Ruhrgebiet vier- bis fünfmal den menschlichen Körper durchlief.

Wo Großstädte und Industriezentren mit ihren starken Wasseransprüchen auf dem Plan erscheinen, werden die landkulturellen Verhältnisse regelmäßig kritisch. Die Beispiele Ruhrgebiet, Niederrhein, Sachsen, Oberschlesien, Berlin u.a. sprechen eine deutliche Sprache. Talsperren, die in den letzten Jahrzehnten in schneller Folge errichtet wurden, helfen gewissen Mängeln ab, aber diese Sperren haben auf allgemeine landeskulturelle Anforderungen entweder gar keine oder nur recht wenig Rücksicht genommen.

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Jede Mehrerzeugung, einerlei, auf welchem Gebiete sie gesucht wird, bedingt einen Mehraufwand an Wasser, besonders die Mehrerzeugung in der Landwirtschaft. Der dem Lande in Gestalt der Niederschläge zukommende Betrag an Feuchtigkeit aber bleibt, von gewissen Schwankungen innerhalb kürzerer oder längerer Zeiträume abgesehen, im wesentlichen konstant. Er nimmt jedenfalls keinerlei Rücksicht auf die Bewegung des Bedarfs unter dem Einfluß des Menschen. Es ist erstaunlich, daß bei den gewaltigen Wassermengen, die einem Lande wie Deutschland fortlaufend zukommen, die Versteppung überhaupt ein aktuelles Problem werden konnte. An der Tatsache, daß sie es aber geworden ist und daß die Erzeugung von Nahrungsgütern von der eigenen Scholle, allein von der Seite der Wasserversorgung gesehen, an einem kritischen Punkte angelangt ist. erweist sich, wie naturfremd und naturfeindlich die Wirtschaft im Zeitalter der industriellen Zivilisation ausgerichtet ist.

Im Jahresmittel und im Landesdurchschnitt fallen auf dem deutschen Reichsgebiet 610 Millimeter Niederschläge. Das ergibt den enormen Wasserbetrag von über 500 Milliarden Kubikmeter im Jahre. Nur ein Drittel dieser Menge kommt unmittelbar dem Wasserbedürfnis der Flora zugute. Wie hoch dieses Bedürfnis der Pflanzenwelt im ganzen deutschen Raum ist, entzieht sich unserer Kenntnis und genauen Berechnung, denn es schwankt je nach der Eigenart der einzelnen Pflanzen, nach der Beschaffenheit der Böden und nach den vorherrschenden Klimaverhältnissen. Theoretische Überlegungen jedoch gestatten, einen Einblick in die Größenordnung des Wasserbedarfs unserer Kulturgewächse zunehmen. Einige absolute Zahlen mögen genannt werden, um den Anspruch darzutun, den die fortgesetzte Intensivierung der Landwirtschaft mit ihrer Forderung nach immer weiter steigenden Erträgen an den Wasservorrat stellt.

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Die Durchschnittserträge von 1872/77 stiegen bis zum Zeitraum 1931/36 bei Winterroggen um 6,3, Winterweizen, um 7,3, Sommergerste um 5,2, Hafer um 5,1, Kartoffeln um 12,7, Futterrüben um 31,4 und bei Gras um 12,0 Doppelzentner je Hektar an Trockenmasse. Das bedeutet einen Ertrag von 18,55 Millionen Tonnen Trockensubstanz, der jährlich im Gebiet des Deutschen Reiches mehr geerntet wird. Diese Mehrernte erfordert einen Mehraufwand an Wasser von 7,42 Milliarden Kubikmeter. Andere Ackerfrüchte ergeben entsprechende Mehrmengen, im Zeitalter der landwirtschaftlichen Intensivierung, z. B. Zuckerrüben, Futterpflanzen, Leguminosen, Mais, Ölfrüchte usw., wodurch wiederum entsprechende Mehrmengen an Wasser beansprucht werden. 

Der in den letzten Jahren erst aufgenommene Zwischenfruchtanbau ergibt heute schon, gering geschätzt, einen jährlichen Ertrag von etwa 12 Millionen Tonnen Trockensubstanz, zu deren Erzeugung allein weitere 4,5 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht werden. Zugrunde gelegt ist in diesen Beispielen der Aufwand von 400 Kilogramm Wasser zur Erzeugung von einem Kilogramm Trockensubstanz. Die meisten der aufgezählten Kulturgewächse gebrauchen jedoch wesentlich höhere Wassermengen zur Darstellung einer Einheit Trockensubstanz.

Es sind zusätzliche Wassermengen, auf die die rationelle Intensivlandwirtschaft in ihrem Streben nach Höchsternten Anspruch erhebt. Was vom Wasser­vorrat für die Ernährung der Pflanzenwelt an Mehr beansprucht wird, kommt weniger zum Abfluß und stellt sich für die übrigen Wasserinteressenten als ein Manko in der Bedarfsdeckung dar, dem mit gesteigertem technischem Einsatz bei der Wassergewinnung und -erfassung zu begegnen versucht wird. Dieser an sich verständliche Vorgang entzieht seinerseits wieder hohe Wassermengen den Stellen, wo die wertvolle Flüssigkeit ihres biologischen Einsatzes harrt. Der Kreis von Ursache und Wirkung schließt sich, und alle Wasserinteressenten sind schon heute ausgesprochen notleidend, insbesondere die Landwirtschaft in allen ihren Zweigen.

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   Die Häufung von Trockenjahren  

 

Die Zuspitzung der Situation zeigt sich besonders kritisch in Trockenjahren. Trockenjahre und Trockenperioden hat es immer gegeben. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß Versuche gemacht wurden, die Schwankungen im Regenfall in eine Systematik der Witterungsrhythmen hineinzuarbeiten. Brückner rechnete mit einer Periodizität der Temperatur- und Niederschlagsschwankungen im Turnus von 35 Jahren, andere Systeme stützen sich auf 24-, 16-, 11jährige und noch kürzere Perioden. Es liegt nicht im Rahmen dieser Ausführungen, auf die interessanten und lehrreichen Versuche näher einzugehen, aber eine Tatsache bleibt bestehen: Wer die ausgesprochenen Trockenjahre früherer Jahrzehnte im Vergleich zu den jüngsten Trockenjahren stellt, muß zu dem Schluß kommen, daß deren Häufigkeit sich bedenklich verdichtet. In diesem Punkte aber beginnt eine besondere Problematik für die Landwirtschaft und die Ernährung.

Die deutsche Landwirtschaft ist auf Grund jahrzehntelanger Erfahrungen auf den Normalfall eingestellt. Ihm haben sich ihre Arbeitsweise, ihr Gerätepark, ihre Kulturmethoden angepaßt, und ihm entsprechen vor allen Dingen auch die Lebensbedürfnisse ihrer Kulturpflanzen. Die Abweichung von der Norm ergibt neben Mehrarbeit und Mehraufwand einen Minderertrag, wenigstens bei den witterungs-empfindlichen Kulturpflanzen. Im allgemeinen gilt in der Landwirtschaft, zweifellos wieder als Ergebnis praktischer Erfahrungen in einer Zeit, die andersgeartete Sorgen hatte, als sie uns heute belasten, eine Abweichung von der Norm nach der Seite höherer Niederschläge als das größere Übel; die Erfahrungen der jüngsten Trockenjahre aber zeigen immer deutlicher, daß die schädigenden Wirkungen von zu viel und zu wenig Regen sich doch wohl die Waage halten. Stauende Nässe ist im übrigen leichter, schneller und billiger zu bekämpfen als ein das Wachstum hemmender Mangel an Niederschlägen und Bodenfeuchtigkeit.

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Von den drei letzten Trockenjahren, 1929, 1934 und 1943 war das letzte Jahr das regenärmste. Es dürfte kaum angängig sein, aus den meteorologischen Feststellungen von drei in kürzeren Zwischenräumen aufeinanderfolgenden Trockenjahren schon einen Trend herleiten zu wollen, aber bemerkenswert bleibt nicht nur die Tatsache der schnellen Folge dieser ausgesprochenen Trockenjahre, sondern auch die Erfahrung, daß jedes folgende Trockenjahr geringere Niederschläge brachte als das vorhergehende.

Ein landwirtschaftlicher Praktiker maß an einer Stelle des ostdeutschen Trockengebietes folgende Regenmengen: in der Zeit vom 1. November bis 31. März fielen an Winterfeuchtigkeit 1928/29 = 167 Millimeter, 1933/34 = 120 Millimeter, 1942/43 = 46 Millimeter. Die gesamten für die Ernte in Frage kommenden Regenmengen in der Zeit vom 1. November bis 31. Oktober betrugen an derselben Stelle: 1928/29 = 430 Millimeter, 1933/34 = 399 Millimeter, 1942/43 = 282 Millimeter. Es liegt demgegenüber nahe, an den Erfahrungssatz zu denken, daß Extreme die immanente Tendenz haben, sich zu verstärken. Die Austrocknung und Versteppung Deutschlands schreitet fort und verschärft sich.

Eine weitere wesentliche Feststellung muß getroffen werden. Im allgemeinen ist in Deutschland das Kriterium von Trockenjahren der regenarme Frühling und Sommer. Die letzten Trockenjahre weichen insofern immer mehr von der Regel ab, als in ihnen auch ungenügende Mengen an Winterfeuchtigkeit niedergingen, wodurch die schädigende Wirkung der Frühjahrs-Sommer-Dürre noch verstärkt wurde.

Unsere Getreidearten als ursprüngliche Steppengewächse überstehen auch langanhaltende Dürrezeiten verhältnismäßig gut, wenngleich sie höhere und bessere Erträge bei normalem Regenfall erbringen. Sie reichen mit ihren feinsten Wurzelhaaren bis zu anderthalb Meter in den Untergrund, und es müßte sich schon um eine alles verbrennende Dürre handeln, wenn sie dort nicht wenigstens ein Mindestmaß an belebender Feuchtigkeit vorfänden. Gewisse Feuchtigkeits­mengen werden zudem durch Tau und Nebel gespendet.

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Anders ist es mit den Futterpflanzen, den Hackfrüchten, mit Gemüse- und Obstkulturen, die stark niederschlagsbedürftig und von der niedergehenden Feuchtigkeit in besonders hohem Maße abhängig sind. Sie bringen in Trockenjahren sichere Fehlernten. Die Abwehr der Wirkungen von Dürrejahren ist bei ihnen auch viel schwieriger als bei Getreide. 

 

     Dry-farming macht Schule     

 

Das Problem der Wasserversorgung unserer Kulturböden steht in der Landwirtschaft heute im Vordergrund. Und da man Regen und Boden­feuchtig­keit nicht beliebig vermehren kann, sondern auf das angewiesen ist, was Gottes Hand zu geben bereit ist, bemüht man sich, das Weniger an Regennaß, das im trockener gewordenen Deutschland fällt, auf die sorgsamste und zweckmäßigste Weise festzuhalten, im Boden zu konservieren und sparsamst zu verwalten.

Diese Aufgabe beherrscht heute eindeutig die ganze landwirtschaftliche Fachliteratur und ebenso eindeutig die Praxis des Landbaus. Viele Arbeitsvorgänge, zu denen sich der europäische Landwirt heute verstehen muß, sind dem Repertoire der Trockenfarmerei, des Dry-farming, entlehnt oder zeigen wenigstens starke Anklänge an deren Arbeitsweise.

Das Dry-farming ist eine amerikanische Erfindung. 

Es entstand in den von Natur trockenen Gebieten der Vereinigten Staaten, die sich vom Ostabhang der Rocky Mountains bis etwa zum 100. Meridian erstrecken und das ganze Landesinnere erfassen. Im Jahre 1875 erprobten ein paar Farmer im Staate Utah in der Absicht, die meteorologischen Besonderheiten ihres Gebietes im Landbau zu berücksichtigen, diese neue Methode der Bodenbewirtschaftung, die später als Trockenfarmerei nicht nur in ganz Amerika, sondern auch in vielen Teilen der anderen Welt bekannt wurde. 

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Die Trockenfarmerei beruht auf einer sinngemäßen Behandlung und Bearbeitung des Bodens, um diesen bis in größere Tiefen aufnahmefähig für den Umständen entsprechend hohe Wassermengen zu machen und um das Wasser so im Boden festzuhalten, daß dieser für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet wird oder bleibt.

Das Land wird bei Anwendung dieser Methode zunächst tief gepflügt und der Untergrund durch einen am Pflug befestigten Untergrundhaken gelockert. Gleichzeitig wird die Oberfläche durch eine mitgeführte Schleppe eingeebnet und dann sorgfältig geeggt. Die besten Resultate werden bei der Trockenfarmerei erzielt, wenn das Land ein Jahr brachliegen bleibt, notwendig ist dies jedoch nicht. Die Winterfeuchtigkeit durchdringt bis in große Tiefen den Boden und den Untergrund, ohne daß sie oberflächlich abfließt oder in größeren Beträgen verdunstet. Nach Abtrocknung der Oberfläche wird abermals sorgfältig geeggt und der Boden so für die Aufnahme der niedergehenden Frühjahrsregen geeignet gemacht. Dieses Eggen wird bis zur Saatzeit nach jedem Regenfall wiederholt.

Die Saat wird tief untergebracht, um sie in Kontakt mit der im Untergrund gespeicherten Bodenfeuchtigkeit zu bringen. Auch nach der Einsaat wird das Land nach jedem Regenfall wieder geeggt, solange dies ohne Schädigung des Pflanzenwuchses angebracht erscheint, bei Getreide oft bis zur Hüfthöhe, wobei eine entsprechende Zeilenbreite der Saat Voraussetzung ist. Sofort nach der Ernte beginnt der neue Turnus der Arbeit. Die Trockenfarmerei bewährt sich ganz ausgezeichnet bei Getreide, namentlich bei Weizen, der unter dieser Bodenbearbeitungsweise die höchsten Qualitäten erreicht.

Seit der Jahrhundertwende wird das Dry-farming in den Vereinigten Staaten, in Kanada, Argentinien, Australien und Südafrika besonders lebhaft gepflegt. Italien hat es für die Trockengebiete in Libyen weitgehend angewandt. Professor Ferraguti hat für das nach ihm benannte "System Ferraguti", mit dem in Italien und Sizilien namhafte Fortschritte in den Weizenerträgen erzielt wurden, die Arbeitsweise des Dry-farming weitgehend übernommen.

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Im heutigen deutschen Landbau gibt es immer stärkere Anklänge an die Trockenfarmerei. Die Häufung der regenarmen Jahre und die zunehmende Trockenheit zwingen dazu. Wo es immer nur angängig ist, wird der Boden sofort nach der Einbringung der Ernte gepflügt, zum mindesten wird er vorsorglich oberflächlich bearbeitet. Die Herbstfurche wird der Landwirtschaft immer mehr als das wertvollste Mittel zur Konservierung von Wasser im Boden empfohlen, die Pflüge sind mit Untergrundpackern ausgerüstet, am Pflug hängt die Schleppe, und nachfolgende Bodenbearbeitung sorgfältigster Art gilt als das A und O des modernen Landbaus im deutschen Reichsgebiet. 

Mehr Feuchtigkeit wird durch die Trockenfarmerei und ihre einzelnen Arbeitsvorgänge im Boden nicht geschaffen, aber das, was an Feuchtigkeit vorhanden ist und laufend hinzukommt, wird zweckentsprechend genutzt und sparsam verwertet. Es ist festgestellt, daß allein durch eine bessere Bodenbearbeitung, je Kubikmeter 50 Liter Wasser im Boden zusätzlich gespeichert werden können. Das entspricht einem Regenfall von 50 Millimetern auf einen Quadratmeter.

Vor zwanzig Jahren noch sah man im amerikanischen Dry-farming etwas wie eine seltsame Marotte amerikanischer Farmer; heute wird Dry-farming mit der größten Selbstverständlichkeit im Gebiet des Deutschen Reiches kopiert, weil es im steppenähnlicher gewordenen Lande sich als notwendig erweist, um — vorläufig noch — mit Hilfe einer amerikanischen Idee die gewohnten Erträge zu halten. 

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  Trocknen die Kontinente aus?  

 

Wenn ein Gebiet von der Größe und erzeugungswirtschaftlichen Bedeutung des Reiches der Versteppung und Austrocknung anheimfällt und in seiner Boden­erzeugung beträchtlich zurückgeht, so ist das gewiß ein schwer ins Gewicht fallendes Faktum. In erster Linie ist davon die Menschheit betroffen, die diesen Raum ihren Lebensraum nennt. Aber die Größenverhältnisse liegen doch so, daß die Welt angesichts einer solchen Tatsache heute noch nicht aus den Fugen gerät. Die Erzeugungskapazität der Welt ist noch so groß, daß das entstehende Vakuum von den Überschußgebieten der Erde zur Not ausgefüllt werden kann, vorausgesetzt, daß die Bevölkerung des vom eigenen Boden ungenügend versorgten Gebietes in der Lage ist, die wirtschaftlichen und kommerziellen Bedingungen für den Ankauf ihrer Nahrungsgüter zu schaffen.

So liegen die Dinge vorläufig noch. Werden sie aber so bleiben? — Mit einem zuversichtlichen Ja ist diese schwerwiegende Frage heute nicht mehr zu beantworten. Es zeigen sich nämlich auch in anderen wichtigen Teilen der Welt, die sich auf sämtliche Kontinente verteilen, besorgniserregende Anzeichen einer zunehmenden Austrocknung.

Geologen und Physiker machen seit geraumer Zeit darauf aufmerksam, daß die Grundwasserstände nicht nur in Deutschland und bedeutenden Teilen Europas, sondern auch in anderen Erdteilen die Tendenz zeigen, zu sinken. Es ist zumeist kein rapides Fallen des Grundwassers, sondern ein langsames, nur mit feinen Instrumenten meßbares Zurückgehen, also das typische Kennzeichen des allmählichen Austrocknens. Vielleicht ist deshalb auch die Bezeichnung "Sinken des Grundwasserspiegels" kein treffender Ausdruck für den Vorgang, und man spräche wohl besser von einem Grundwasserschwund. Feinnervig, wie sie nun einmal ist, reagiert aber die Pflanzenwelt auf diese Erscheinung, besonders mit ihren empfindlichen Arten, den sogenannten Weisepflanzen.

Es ist bekannt, daß die Geologie in der Pflanzenwelt ein wichtiges Hilfsmittel zur Bestimmung gewisser Tatbestände ihres Forschungsgebietes hat. Einzelne Pflanzen sind an bestimmte geologische Voraussetzungen gebunden; sie weisen unmißverständlich auf geologische Tatsachen hin und werden deshalb Weisepflanzen genannt.

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Aber auch die Meteorologie und die Klimatologie haben neuerdings gelernt, in der Pflanzenweit und ihrer Reaktion wichtige Hinweise auf gegebene Tatbestände und deren Veränderung zu finden. Eine neue Disziplin der Agrarwissenschaft, die Landwirtschafts-Ökologie, ist im Aufbau begriffen.

Der botanische Befund deutet in Europa auf vielsagende Dinge hin. Der Bocksdorn, der sogenannte "Teufelszwirn", ein typisches Gewächs der pontischen und sarmatischen Steppen, stößt immer weiter westwärts vor und hat die Elbe überschritten, Kronenwicke, Sonnenröschen und Flaumeiche dehnen ihr südliches, dem trockenen mediterranen Klima angeglichenes Verbreitungsgebiet immer mehr nach Norden aus. Die Orchidee Ophrys apifera Huds. reichte mit ihrem Verbreitungsgebiet im Jahre 1880 bis in das obere Saaletal, heute hat sie das ganze Gebiet zwischen Thüringer Wald und Harz besiedelt. Im europäischen Auslande zeigen sich ähnliche Vorgänge. Die Orchidee Himantoglossum hircinium drängt z.B. in England seit fünfzig Jahren ungestüm nach Norden vor.

In die Anbaupläne der europäischen Landwirtschaften fallen heute Kulturen, die unseren Vätern und Großvätern noch als typische Erzeugnisse ausgesprochen warmer und trockener Gebiete erschienen. Sicherlich spielen dabei die Erfolge der modernen Pflanzenzüchtung eine wichtige Rolle, doch zweifellos können nicht alle Veränderungen und Umstellungen der Züchtung zugute geschrieben werden. Die Sojabohne ist in Europa heimisch geworden, ebenso der Reis in Gebieten, die ihm früher fremd waren. Der Mais dringt in immer neue nördliche Anbauzonen vor, die Lupine gleichfalls. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß der Kartoffelbau in Deutschland auf immer größere Schwierigkeiten stößt, sowohl was die Frage des Anbaus der Pflanze angeht wie auch hinsichtlich der Erträge. 

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Die Kartoffel als ursprüngliche Pflanze höherer Regionen — sie stammt aus den Vorbergen der südamerikanischen Anden — liebt den gemäßigten Sommer mit auskömmlichem Regenfall, und beides geht ihr auf deutschem Boden mit der zunehmenden Trockenheit und der Annäherung an die Verhältnisse der Steppe immer mehr verloren, weil die Austrocknung das Großklima in Richtung auf das Extrem hin verändert. 

Zum Extrem drängt alles auch in der übrigen Welt.

Das Phänomen des sinkenden Grundwassers in den Erdteilen entspricht einem andern, gleichfalls von der Geologie festgestellten Phänomen. Der Pegel der zusammenhängenden Meere hat sich gehoben. Die Erklärung der Zusammenhänge ist naheliegend. Was die Kontinente an Wasser verloren haben und was ihnen weiterhin verlorengeht, vermehrt den Wasserbestand der Meere. Allerdings handelt es sich bei diesem Zuwachs der Meere nicht ausschließlich um, die Verluste der Kontinente an Grundwasser, sondern es spielen hier noch andere wesentliche Dinge eine Rolle. Nach der Abholzung riesiger Waldgebiete in der Welt und nach der Regulierung großer Flüsse fließen die Niederschlagswasser dem Meere schneller zu als unter den natürlichen und ursprünglichen Verhältnissen. Auch dieses Moment deutet auf eine Verarmung der Kontinente an Wasser hin. 

Ferner spielt auch die Tatsache eine wichtige Rolle, daß wir uns in einer Epoche des "weichenden Eises" befinden, wenigstens auf der nördlichen Erdhälfte. Die Südgrenze der arktischen Eiszone ist nach Norden zurückgewichen, und die Wasser der zurückgeschmolzenen arktischen Eismassen vermehren ebenso den Bestand der Meere wie das Wasser der auf größere Höhen zurückgeschmolzenen Inlandgletscher. Trotz allem aber ist der Zusammenhang zwischen dem Steigen des Meeresniveaus und dem Schwinden des Bodenwassers in großen Landmassiven unverkennbar.

Afrika spielt immer deutlicher die Rolle eines austrocknenden Erdteils. Einwandfrei gesichert erscheint hier nur noch die verhältnismäßig eng begrenzte Region des tropischen Regenwaldes. An allen übrigen Stellen kämpft der afrikanische Landbau einen wahrhaft heroischen Kampf gegen die Folgen einer zunehmenden Trockenheit.

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In Australien liegen die Verhältnisse, von regenreichen Küstengebieten abgesehen, nicht wesentlich anders. In wichtigen und volkreichen Provinzen Chinas wechselt mit den Jahreszeiten Überschwemmung mit Dürre ab und erzeugt fortgesetzte Hungersnöte und immer neues Elend. Nur eine mühselige Kleinlandwirtschaft mit primitivster Bodenbewässerung schafft auf den riesigen Flächen im Einzugsgebiet des Hoangho und Janktsekiang kümmerliche Nahrung für eine maßlos übersetzte Bevölkerung, seitdem in diesen Gebieten durch eine beispiellose Abholzung der Wälder der natürliche Wasserkreislauf gestört und der Grundwasserspiegel zum Sinken gebracht wurde. Diese Gebiete wären längst zu vollendeten Wüsten geworden, wenn nicht der Chinese, der geborene Kleinstbauer und Gärtner, mit ewig wiederholter Mühe und mit primitiven, aber natürlichen Mitteln sein kleines Stück Feld zu bearbeiten verstände.

Nordamerika, von Natur aus ein trockenes Land wie alle großen Landmassive, ist an einem höchst kritischen Punkte einer geologischen und klimatischen Entwicklung angelangt. Auch hier haben die Abholzung der Wälder, der Umbruch der Prärie und direkte technische Eingriffe in den Wasserhaushalt den natürlichen Kreislauf gestört und den Austrocknungsprozeß stark gefördert.

Rund 8 v.H. des Gebietes der Vereinigten Staaten sind ausgesprochen arid, d.h. die Flächen erhalten weniger Regen als normalerweise oberflächlich verdunstet, ohne daß wesentliche Wassermengen den Pflanzen zukommen. Diese Flächen haben weniger als 10 Zoll (ein Zoll gleich 2,54 Zentimeter), also weniger als 254 Millimeter Jahresregenmenge. Zum Vergleich sei daran erinnert, daß in Deutschland, das bekanntlich auch zahlreiche Trockengebiete aufweist, der jährliche Regendurchschnitt 610 Millimeter beträgt. Gebiete mit weniger als 254 Millimeter Regendurchschnitt gibt es im deutschen Reichsgebiet kaum.

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Rund 39 v.H. der amerikanischen Flächen sind halbarid, mit Regenfällen unter 20 Zoll oder 508 Millimeter. Auch das kommt an den deutschen Durchschnitt nicht heran. Nur etwa die Hälfte des Gebietes von Nordamerika hat ausreichende Regenfälle in Höhe von durchschnittlich 20 bis 50 Zoll, 11 v.H. weisen Regenmengen von über 50 Zoll auf. Ausreichend beregnet sind in Amerika nur die Staaten in der Nähe der Atlantikküste, eine verhältnismäßig schmale Zone im Küstengebiet des Golfs von Mexiko und westlich der Rocky Mountains an der pazifischen Küste. 

Wo ausreichende Regenmengen fallen, ist der Boden gesund geblieben trotz intensivster Nutzung. Durch Niederschlagen der Wälder, durch die Überweidung und den Umbruch der Prärie, durch technische Eingriffe in die Wasserwirtschaft der Flüsse und Ströme, durch die Monokulturen und das zu einer verhängnisvollen Mode gewordene Clean weeding, die Entfernung jeder schützenden Bodenbedeckung zwischen den Kulturen, hat man den Grad der Trockenheit erhöht und vor allem auch die in trockenen Gebieten so wertvolle Taubildung gestört. Das Ergebnis zeigt sich heute in den nicht enden wollenden Staubstürmen in den Great Plains.

Ebenso wie Deutschland leiden die Vereinigten Staaten von Amerika und das südliche Kanada unter einer Verdichtung der Folge von Dürrejahren und unter deren immer schärfer werdenden Ausprägung. Die Kongruenz der beiderseitigen Verhältnisse geht so weit, daß Trockenjahre in beiden Ländern auch zeitlich zusammenfallen (1934 und 1943). Beide Länder sind trockener geworden und gehen offenbar denselben Weg der weiteren Austrocknung. In Amerika sind die Erscheinungsformen nur noch viel verhängnisvoller, angesichts des beherrschenden kontinentalen Extrems der großen geschlossenen Landmasse, während in Deutschland der ozeanische Einfluß immerhin mildernd wirkt. 

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   Südamerika auf dem Wege zu einer Katastrophe?   

 

Im Vordergrunde des einschlägigen Interesses steht seit einigen Jahren Südamerika. Aus diesem Lande kommen immer häufiger alarmierende Nachrichten. Weite Gebiete des argentinischen Agrar- und Weidelandes und bedeutende Flächen der brasilianischen Plantagenkulturen sind vom Niedergang bedroht, der als Folge der zunehmenden Austrocknung des Landes sich einstellt. Das 145.000 Quadratkilometer große argentinische Pampas-Territorium droht allmählich zur Wüste zu werden. Weite Sanddünen erheben sich heute in Gegenden, die früher besiedelt oder von dichtem Wald bedeckt waren. Nach den Berichten argentinischer Zeitungen hat der intensive argentinische Getreidebau die Grasnarbe ausgetrocknet und das Land den Sandstürmen preisgegeben.

Der Sommer wächst sich in diesen Gebieten immer mehr zu einer entsetzlichen Hitze- und Dürreperiode aus. Alljährlich sind die Ernten von Vernichtung oder schwerer Schädigung bedroht. In unmittelbarer Gefahr schwebt regelmäßig im Sommer die hochstehende Viehzucht Millionen von Rindern suchen auf der ausgedörrten Steppe kümmerliche Nahrung. Brunnen und Flüsse trocknen größtenteils aus. In Südbrasilien und Uruguay ist es mehrfach zur massenhaften Notschlachtung von Weidevieh gekommen. Dies alles berichteten in den verflossenen Jahren südamerikanische Zeitungen.

Für die Wissenschaft ist die Frage entstanden, ob es sich bei den gehäuften Dürreerscheinungen in Südamerika um eine vorübergehende Erscheinung handelt oder um die bedrohliche Ankündigung einer langsam vor sich" gehenden Austrocknung des Kontinents. Dem Gewicht nach, das man in Südamerika selbst der Erscheinung beilegt, scheint man den letzteren Fall anzunehmen. 

In der Tat ist festgestellt, daß sich seit dem Erscheinen der Europäer in Südamerika in diesem Lande merkliche Veränderungen in Richtung auf einen bedeutungsvollen Klimawechsel und auf eine langsame Austrocknung gezeigt haben. Darauf deuten Bestand und Verhalten der einheimischen Fauna und Flora hin. Wissenschaftliche Forschungen, die inzwischen angestellt worden sind, haben auch ergeben, daß diese Veränderungen nicht jüngeren Datums sind, sondern sich auch schon in der Zeit gezeigt haben müssen, als die Europäer noch nicht ihren Fuß an die Gestade der Neuen Welt gesetzt hatten.

Äußere Einflüsse, anhaltende Trockenheit und ununterbrochene starke Sonneneinstrahlung, lassen das Fortschreiten in der angegebenen Richtung heute, unter der Herrschaft der landwirtschaftlichen Kultur, nur augenfälliger in die Erscheinung treten und sich im Tempo bedenklich beschleunigen. Die Regierungen einzelner südamerikanischer Staaten, namentlich der sogenannten "Trockenstaaten", der Staaten in den nordöstlichen Bezirken des Kontinents, die von Natur aus regenarm sind und zur Austrocknung neigen, haben sich seit Jahren schon mit dem Problem der Änderung von Klima und Boden beschäftigt, und man hat einen ersten Grund dafür gleichfalls in der Störung des Gleichgewichts im Wasserhaushalt der Natur durch starken and unorganischen Waldabtrieb gefunden.

Südamerika ist — relativ und absolut — noch immer der waldreichste Erdteil mit einem Waldanteil von 43,6 v.H. Südamerika hat aber im Laufe der letzten Jahrzehnte sehr starke Waldabtriebe vorgenommen, um Raum für Nutzpflanzungen, namentlich Kaffeeplantagen, zu gewinnen. Jede Mono­kultur ist aber der Gesundheit und der Gesunderhaltung der Böden, die sie tragen müssen, abhold wegen der übermäßigen Bodenbeanspruchung und wegen der technischen Methoden, die hier angewandt werden. Auch in Südamerika haben sich die schädlichen Auswirkungen der Monokultur in den Kaffeeplantagen und auf den ewig gleichbleibenden Weizen- und Maisfeldern gezeigt. Daraufhin ist man, als der Boden in seiner Ertragsfähigkeit nachließ, zur Baumwollmonokultur übergegangen. Auf dem bereits geschädigten Boden kultivierte man die Baumwollstaude noch mit Nutzen, weil diese Trockenheit verhältnismäßig gut ertragen kann. 

Inzwischen aber sind, wie die Nachrichten aus Südamerika zeigen, die Dinge so weit gediehen, daß verstärkt auftretende äußere Einflüsse eine Katastrophe in greifbare Nähe rücken.

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Dr. Anton Metternich : Die Wüste droht : Die gefährdete Nahrungsgrundlage der menschlichen Gesellschaft