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1.6 - Die drohende Megakrise:  Einsicht und Warnung

Flechtheim-1987

 

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Jede Überlegung, wie man eine wünschenswerte Zukunft näherbringen oder eine bedrohliche Zukunft vermeiden kann, vollzieht sich in der krisen­geschütt­elten Gegenwart. In ihr leben wir, und in ihr müssen wir die wünschens­werte Zukunft vorbereiten. 

Wie dringlich diese Aufgabe ist, hören und lesen wir täglich in den Massenmedien. Dennoch sollen hier noch einige namhafte Politiker, Publizisten und Wissenschaftler zu Wort kommen, die sich gründlich mit den langfristigen Gefahren für unsere Welt befaßt haben und die wenigstens andeuten, welche Wege uns noch offenstehen, um die nächsten Jahrzehnte menschenwürdig zu überleben. So warnte schon 1969 der damalige Generalsekretär der <Vereinten Nationen> U Thant

»Ich will die Zustände nicht dramatisieren. Aber nach den Informationen, die mir als General­sekretär der Vereinten Nationen zugehen, haben — nach meiner Schätzung — die Mitglieder dieses Gremiums noch etwa ein Jahr­zehnt zur Verfügung, ihre alten Streitigkeiten zu vergessen und eine weltweite Zusammenarbeit zu beginnen, die Bevölk­erungs­explosion niedrig zu halten und den notwendigen Impuls zur Entwicklung zu geben. Wenn eine solche weltweite Partnerschaft innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht zustandekommt, so werden — fürchte ich — die erwähnten Probleme derartige Ausmaße erreicht haben, daß ihre Bewältigung mensch­liche Fähigkeiten übersteigt.« 

Sein Nachfolger, Kurt Waldheim, sprach davon, daß »übertriebene Ausgaben für Rüstung, ungerechte Verteilung des natürlichen Reichtums der Welt, überschnelles Wachstum der Weltbevölkerung, Zerstörung der Umwelt« unser Überleben in Frage stellen. 

Der jetzige Generalsekretär der Vereinten Nationen Perez de Cuellar betont, »daß sich zwischen beiden Polen der massiven und hochentwickelten nuklearen Bewaffnung der Großmächte und der Verzweiflung der Unter­privilegierten oder Enteigneten weltweit ein großer Leerraum erstreckt, in dem oft Rechtsunsicherheit und Mangel an anerkannter Autorität bestehen. Unsere dringliche Aufgabe ist es, diesen Leerraum auszufüllen, indem wir entschlossen darangehen, ein funktion­ierendes internationales politisches System zu schaffen, an dem alle teilhaben ...«

Gustav Heinemann verwies auf Hunger, Unterdrückung, Rohstoffkrisen, Zerrüttung des Gefüges der Weltwirtschaft, Umwelt­zerstörung und Rüstungs­wettlauf als »dunkler werdende Schatten«

Der Geschichtsphilosoph Arnold Toynbee sah nur noch die Alternative: »Entweder wir wählen Chaos und Gewalt, und Kampf aller gegen alle bestimmt unsere Zukunft, oder aber die günstiger gestellten Nationen oder Gruppen innerhalb einer Gesellschaft finden sich bereit, einem größeren Maß sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Gleichheit zuzustimmen.«

Mehr ins Detail gehend, betonte der ehemalige Kommissar der Europäischen Gemeinschaft für Industrie und Technologie Altiero Spinelli, daß die neue Atlantik-Charta wirkungslos bliebe, solange sie nicht »etwa eine wirkliche Verpflichtung zur Abschaffung der Fließbandarbeit in den fortgeschrittenen Industrie­ländern enthielte oder die Forderung, einen bestimmten Anteil jeder Erhöhung des Bruttosozialproduktes der großen Industriestaaten an die Entwicklungs­länder abzuführen«.

Auch in der <Kritischen Würdigung des Club of Rome> ist die Rede von der ungleichen Verteilung der Bevölkerung und der Rohstoffe. Hier wird zwar nicht bestritten, daß sich Krisen wie Kriege, Epidemien oder Verknappung von Rohstoffen zunächst nur sporadisch in gewissen Spannungs­zentren entwickeln; diese würden dann aber weltweite Rückwirkungen haben. Ein Rückzug in die Isolation und Autarkie würde »die im Gesamtsystem wirksamen Faktoren nur verschlimmern«

Soziale Innovation dürfte folglich nicht mehr hinter der technischen nachhinken. Die wichtigsten Probleme der Menschheit (und als solche werden nicht nur die Umwelterhaltung, sondern auch die Entwicklung der unterentwickelten Völker im Rahmen einer gemeinsamen globalen Strategie gegen den Neokolonial­ismus erkannt) müßten noch in diesem Jahrzehnt gelöst werden.

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Voraussetzung hierfür sei die Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Machtstrukturen. Dies sei ein schmerzhafter Vorgang angesichts der erforderlichen persönlichen Opfer. Es sei Zeit für eine radikale Reform institutioneller und politischer Prozesse auf allen Ebenen, einschließlich der höchsten, der Ebene der Weltpolitik. Diese »Umwälzung kopernikanischen Ausmaßes« erfordere langfristige gemeinsame Planung unter Beteilung aller Menschen.

»Die Hauptverantwortung liegt dabei bei den industriell entwickelten Nationen ..., diese [müssen] erkennen, daß in einer Welt, die dringend der Stabilität bedarf, ihr hoher Entwicklungsstand nur dann gerechtfertigt ist und toleriert wird, wenn er nicht als Sprungbrett für eine noch raschere Entwicklung, sondern als Ausgangslage einer gleichmäßigeren Verteilung von Wohlstand und Einkommen auf der ganzen Erde benutzt wird.«

In diesem Geiste wendet sich der <Club of Rome> an Wissenschaftler und Politiker ebenso wie an die Bevölkerung. Deshalb wird er 

»auch Bemühungen um das Zustandekommen eines Weltforums ermutigen, auf dem Regierungsmitglieder, Politiker, Planer und Wissenschaftler über die Gefahren und die Hoffnungen für unser künftiges Weltsystem diskutieren können, ohne den Beschränkungen formaler zwischenstaatlicher Verhandlungen zu unterliegen«.

 

Bernhard Grzimek, Enoch Freiherr zu Guttenberg und andere Mitglieder des Vorstands des <Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland> (BUND) gehen so weit, einen <Friedensvertrag mit der Natur> zu fordern, der »aus der Sicht der Ökologie aufzeigen« soll, »wie sehr sowohl der innere Friede als auch der äußere, also die weltweite Vernetzung ökonomischer und ökologischer Abläufe mit dem <Frieden in der Natur> zusammenhängen: Handelt es sich doch bei dem, was heute als <Dritte-Welt-Problematik> oder <Nord-Süd-Gefälle> bezeichnet wird, ursächlich um Verteilungskämpfe im Schlußverkauf um die Energien, Rohstoffe und Lebensräume auf unserer begrenzten Erde«.

Mit solchen Warnungen stehen die Senioren des BUND der aufmüpfigen Jugend näher als die Manager und Macher der Tagespolitik. Das machte der »Schöneberger Besetzerrat« in Berlin in einer bitterbösen Verlautbarung deutlich, in der es heißt:

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»Die Jugend könnt ihr nicht zum Patienten machen, wenn das System krank ist. Massive Kriegsvorbereitung, permanentes Risiko radioaktiver Verseuchung, Ausbeutung der Dritten Welt, Umweltschmutz überall, legales Spekulantentum mit unserem Wohnraum, lügende Politikermäuler, das sind die Symptome der Krankheit, die wir bekämpfen.«

 

Es ist vielleicht recht anschaulich, von der Menschheit als einem Patienten in einer kranken Welt zu sprechen. Wissenschaftlich exakter ist jedoch der Begriff der Krise, der auch aus der Medizin stammt. Er deutet dort einen Wendepunkt im Krankheits­geschehen oder ein anfallsweises Auftreten von Krankheits­zeichen mit besonderer Heftigkeit an. In der Psychologie kennt man ebenfalls die Krise als einen wichtigen, die Persönlichkeit erschütternden Abschnitt in einem Entwicklungsprozeß. Die Überwindung seelischer Krisen ist eines der Ziele der Psychotherapie

Ferner kennt auch die dialektische Theologie den Begriff der Krise in der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Gott. Schwer von Krisen geschüttelt ist immer wieder die Wirtschaft. Da kommt es periodisch zu einem Zusammenbruch von Preisen oder Aktienkursen, Inflation und Arbeitslosigkeit.

Besonders häufig taucht der Begriff der Krise in der Politik auf. Hier spricht man von einer Regierungs­krise oder einer Herrschafts­krise, einer Krise eines politischen Systems oder einer internationalen politischen Krise. Eine Krise kann latent oder akut sein. Aus ihr kann eine Revolution erwachsen — sie kann aber auch durch den Sieg gegenrevolutionärer Kräfte »gelöst« werden. 

Erwähnt sei noch der Begriff des Krisenmanagements sowie der der <Krise des Krisen­managements>.

In unserem Jahrhundert wurde durch die Sozialwissenschaft der Krisenbegriff ausgeweitet und auf die gesamte Gesellschaft oder Kultur übertragen. Natürlich ist es schwieriger, bei einem so komplexen und umfassenden Gebilde wie einer Kultur, Zivilisation oder Gesellschaft eine Krise zu diagnostizieren. Eine Kultur oder Zivilisation ist weder ein Organismus noch ein Mechanismus; sie kann vielmehr als eine mehr oder weniger einheitliche Ganzheit oder Gestalt, eine Struktur oder ein System erfaßt werden.

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Ihr Wandel gleicht weder einem Wechsel der Jahreszeiten noch dem Wachstum der Organe und Funktionen eines Körpers. Wächst eine solche Kultur oder Gesellschaft dynamisch, so wird ihr Wachstumsprozeß zwar von einer beschränkten Anzahl von Disparitäten, Diskrepanzen oder Disproportionen begleitet sein, doch bleibt der immer wieder entstehende Dissens einem umfassenderen Konsens untergeordnet. Wenn die Unstimmigkeiten, Reibungen oder Störungen vorübergehender Natur sind oder die wichtigsten Funktionen der Gesellschaft nicht ernstlich beeinträchtigen, sollte man nicht von einer Krise sprechen. Selbst bei einem ungleich­mäßigen Wachstum, das zwangsläufig gewisse Anpassungsschwierigkeiten mit sich bringt, wird eine Kultur stabil oder »gesund« bleiben, solange ein relatives Gleichgewicht, eine gewisse Symmetrie, ein Mindestmaß an Einheit und Ordnung vorherrschen.

 

Diese Problematik kann man auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichgewichts bzw. der Gleichgewichts­störung der verschiedenen Kultursphären, des Zusammenstoßes neuer Ideen und Bewegungen mit alten Institutionen und Systemen oder des wechselseitigen Verhältnisses verschiedener Richtungen angehen. Je größer und komplexer eine Gesellschaft, Kultur oder Zivilisation (diese Begriffe sind hier auswechselbar), um so weniger werden die verschiedenen Kulturbereiche aufeinander abgestimmt sein; je rascher und dynamischer sich die Gesellschaft verändert, um so schwieriger wird es, die Kulturbereiche einander anzupassen und im Gleichgewicht zu halten. 

In der amerikanischen Konzeption des »cultural lag« im Sinne von Ogburn, der sogenannten partiellen Kulturrückständigkeit, wird die Bedrohung unserer Gesellschaft vor allem im Zurückbleiben der immateriellen hinter der materiellen Kultursphäre gesehen, die durch die phänomenale Entwicklung von Wissenschaft und Technik einen kaum einzuholenden Vorsprung gewonnen hat.

Eine stabile Gesellschaft läßt sich auch mit einer Pyramide vergleichen, deren Basis die Institutionen und Traditionen bilden und an deren Spitze Eliten oder gar bedeutende Persönlichkeiten stehen. Oft sind diese Institutionen und Traditionen aus einst charismatischen Bewegungen entstanden, die sich, wie Max Weber ausführt, leicht selber institutionalisieren und zu traditionalen oder bürokratischen Strukturen verhärten. 

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Dieser Prozeß der allmählichen Pyramidenbildung ging in der Vergangenheit oft unmerklich und relativ krisenfrei vonstatten. Typisch für eine Krise ist dagegen, daß neue Bewegungen rasch aufkommen und die Pyramide erschüttern. Im Extremfall — etwa einer revolutionären Situation — läßt sich vorstellen, daß die Pyramide umgestülpt wird und einen historischen Augenblick lang sozusagen auf dem Kopf steht. Diese Möglichkeit, die dem Marx'schen Schema von Unterbau und Überbau zu widersprechen scheint, hat der marxistische Theoretiker Georg Lukács 1923 eingeräumt, nachdem der marxistische Praktiker Lenin 1917 die Gesellschafts­ordnung Rußlands wirklich für einen Augenblick auf den Kopf gestellt hatte.

Eignet sich die Zielsetzung einer sich neu bildenden Gruppierung für eine konstruktive Lösung der gesellschaftlichen Krise, und ist diese Gruppierung außerdem stark genug, diese rechtzeitig durchzusetzen, so müßte es ihr gelingen, ohne katastrophale Rückschläge eine neue Pyramide zu errichten, in der auch altbewährte Bausteine Verwendung finden mögen. Stehen sich allerdings verschiedene Lager antagonistisch gegenüber, und prallen mehrere Richtungen aufeinander, so kann jedwede konstruktive Lösung unmöglich werden, selbst wenn das Ziel, das jede Richtung anstrebt, an und für sich durchaus erreichbar wäre. Keine Gruppierung mag stark genug sein, ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen, ihr Einfluß mag aber doch ausreichen, um die Verwirklichung anderer Lösungen zu verhindern. Ein solcher Kampf endet dann nicht mit einer konstruktiven Synthese, sondern mit einer destruktiven Paralyse. Vielleicht befinden wir uns heute in einer solchen Situation.

Der Wachstumsprozeß einer Kultur oder Gesellschaft kann auch mit Toynbee als eine Aufeinanderfolge von Herausforderungen und Erwiderungen (challenge und response) angesehen werden. Die Herausforderungen können von außen oder innen kommen, also exogen oder endogen sein.

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Beispiele für exogenen Herausforderungen wären Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Epidemien, ferner Invasionen fremder Barbaren wie in der sogenannten Volkerwanderung oder auch »zivilisierter« Eroberer wie bei der Überwältigung der Azteken- und Inkagesellschaften durch die Spanier. Diese exogenen Herausforderungen müssen jedoch nicht immer derart katastrophale Folgen haben. Sie können sogar eine erfolgreiche Erwiderung bewirken und damit zur Stärkung der Zivilisation beitragen.

Zu den vielen endogenen Herausforderungen, die Krisen verursacht haben, zählt Toynbee Erschöpfung des Bodens, Geburtenrückgang, Überzentralisation oder umgekehrt Mangel an Koordination, moralischen oder religiösen Verfall, Überspezialisierung oder auch durch Traditionalismus bewirkte Verhärtung und Polarisierung der Strukturen.

Herausforderungen unterscheiden sich auch darin, ob es den Menschen gelingt, sie zu meistern oder nicht. Denkbar sind Heraus­forderungen so gewaltigen Ausmaßes, daß keine Kultur mit ihnen fertig werden kann. Beispiele wären die Sintflut oder ein globaler Atomkrieg. Andererseits mag es Herausforderungen geben, die an sich zu bewältigen wären, die aber für die betreffende Kultur angesichts ihrer Ausgangssituation, ihrer Tradition oder Struktur zum Verhängnis werden können. So konnte das Römerreich die Einfälle der Barbaren nicht überleben, da die Institution der Sklaverei die Regenerations­fähigkeit der römischen Gesellschaft lähmte. Ähnlich fatal wirkte sich die technische Unterlegenheit der Azteken gegenüber den Spaniern aus. 

Schließlich mag es Herausforderungen geben, die den Zusammenbruch eher »zufällig« bewirken, da sie an sich nicht an den Grundfesten der Kultur rütteln: Man denke etwa an den Tod von entscheidenden »Führern« in einer besonders kritischen Lage. Beispiele für solche »zufälligen« Herausforderungen werden allerdings in der Geschichte nicht leicht zu finden sein.

Weder die Eliten noch die Massen hatten früher eine klare Vorstellung von den Herausforderungen der Zukunft. Wir wissen heute um sie und könnten uns deshalb krisengerechter verhalten als die Völker, die früher von Krisen betroffen waren, ohne daß ihnen dies zu Bewußtsein kam. Im alten Rom ahnten nicht einmal die Cäsaren den ihnen bevorstehenden Untergang — in unserem Jahrhundert wurde Spenglers <Untergang des Abendlandes> schon im Ersten Weltkrieg ein Bestseller. 

Heute dämmert einem jeden, was ihm bevorstehen mag. 

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In der Vergangenheit waren selbst Krisen mit verhängnisvollem Ausgang stets auf einzelne Kulturkreise und geographisch begrenzte Räume beschränkt. Auch wenn in einer Ecke der Welt eine Kultur dem Untergang geweiht war, konnte anderenorts eine Kultur fortbestehen und sich sogar weiterentwickeln. So wirkte sich der Untergang der Antike kaum auf China aus. Die Megakrise unserer Zeit hingegen umfaßt sowohl die ganze Welt wie auch alle entscheidenden Lebensbereiche des Menschen.

Die katholische Theologie kennt sieben Haupt- oder Todsünden: Stolz, Geiz, Unkeuschheit, Neid, Unmäßigkeit, Zorn und Trägheit. Ob diese Eigenschaften auch heute noch sündhaft sind, mag dahingestellt bleiben: Die sieben »Todsünden« der Menschen — oder genauer gesagt: die sieben Herausforderungen an unsere Weltgesellschaft — lauten heute:

1. Rüstungswettlauf und Krieg;
2. Bevölkerungsexplosion und Hunger, insbesondere in der Dritten Welt;
3. Umweltbedrohung und -zerstörung in allen vier Welten;
4. Wirtschaftskrise im Westen und Überplanung im Osten;
5. Demokratiedefizit und Repression;
6. Kulturkrise;
7. Krise der Familie und Identitätsverlust des Individuums.

Diese Herausforderungen oder Bedrohungen stehen alle in einem engen Zusammenhang miteinander und müssen daher gemeinsam angegangen werden. Dennoch gibt es eine Reihenfolge ihrer Dringlichkeit.

Der Sieg über den Krieg entscheidet über die Zukunft des Menschen schlechthin. Gelingt es nicht, die Kriegsgefahr zu bannen, so gibt es keine Zukunft mehr. Daher ist Zukunftsforschung immer auch Friedensforschung. Beide versuchen, die gesell­schaft­lichen Fragen global und langfristig zu lösen, indem sie die Sonderinteressen der Staaten und Völker, der Klassen und Eliten dem Gesamtinteresse der Menschheit an einem menschen­würdigen Leben und Überleben unterordnen. 

Während unser Versagen gegenüber dieser ersten Herausforderung das Ende der Kultur bedeutet, so wird uns zur Bewältigung der übrigen Heraus­forderungen eine längere Gnadenfrist vergönnt, wobei das Tempo der Bedrohungen von Fall zu Fall verschieden sein mag. 

Und wenn das letzte Wort dem Schicksal des Individuums gilt, so soll nicht verkannt werden, daß der einzelne ein Teil der Gesellschaft ist und seine unabdingbare Selbst­verantwortung nur im gesellschaftlichen Zusammen­hang wirksam wird.

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Ossip K. Flechtheim  1987