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1.5    Planung

Flechtheim-1987

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Das Wort Planen oder Planung kommt vom lateinischen planus (flach, eben). Planung ebnet also den Weg zu einem Ziel. Man spricht bereits von einem Plan, wenn ein Ziel in Gedanken vorweggenommen und sicher und rasch erreicht werden soll. 

Prognose und Planung hängen eng zusammen. Man kann zwar prognostizieren, ohne zu planen, wissenschaftliche Planung ist aber ohne Prognose unmöglich. Ferner beschränkt sich die Planung auf gesellschaftliche Prozesse. Reine Naturphänomene lassen sich zwar vorhersagen, nicht aber planen. 

Ebenso wie die einfachsten Prognosen auf Alltagserfahrungen beruhen, macht jeder Mensch Pläne, um seinen Alltag zu bewältigen. So wird etwa in einer Familie eine Reise oder eine Hochzeit geplant. Diese Alltagspläne stehen hier jedoch nicht zur Debatte. Uns interessiert vielmehr gesellschaftlich relevante Planung. 

Planung in diesem Sinne wird definiert als ein System von Maßnahmen, Entscheidungen und Anweisungen. Aufgrund von Informationen über den zu planenden mehr oder weniger großen Bereich legen die Planer das Planziel oder die Planziele fest; sie wählen die Mittel zur Verwirklichung aus, formulieren die zur Erreichung des Ziels anzuwendende Strategie, kontrollieren und korrigieren erforderlichenfalls die Verwirklichung des Plans. Das Ergebnis wäre dann der Plan, der die Gesamtheit der Planziele des betreffenden Bereichs umfaßt. 

Bei der Planung müssen die Planer zum Beispiel die mathematische Wahrscheinlichkeit der mitwirkenden Größen vorausberechnen und über die Mittel der Verwirklichung ihrer Planziele verfügen. Je komplexer der Bereich der Planung, um so größer die Zahl der Faktoren, die quantitativ erfaßt werden müssen.

In der klassischen Politik des 19. Jahrhunderts bestand kaum ein Bedarf an Planung. Man war immer wieder auf die Erringung von Macht- und Herrschafts­positionen im Staate aus. Um diese aufrecht­zuerhalten, bediente sich der Staat der fünf klassischen Ministerien — des Ministeriums für Äußeres, für Krieg, für Inneres, für Justiz und für Finanzen.

Die Tätigkeit dieser Ministerien diente der Gestaltung und Verwaltung von Einzelbereichen, in die hier und da, heute und jetzt punktuell eingegriffen wurde. Politik, die von Max Weber als selbständig leitende Tätigkeit definiert worden ist, hatte immer noch etwas Sporadisches und Fragment­arisches, Zufälliges und Planloses an sich. Selbst wenn gelegentlich umfassendere programmatische Ziele angesteuert wurden, blieben sie weit hinter dem zurück, was wir heute unter Planung verstehen. Die Ministerien, die geschaffen waren, um Macht und Herrschaft zu festigen, bedurften natürlich eines Verwaltungsapparats, der nach im voraus festgelegten Vorschriften und Rahmenregelungen handelte, aber keinesfalls eine umfassende Planung im modernen Sinne betrieb.

Es bleibt also dabei, daß die Planung wirklich ein Novum darstellt, daß sich mit ihr ein neuer Bereich zwischen die Machtpolitik und Verwaltung alten Stils schiebt, nämlich die Sphäre der eigentlichen »Gesell­schafts«-Politik und -Planung.

Heute gibt es ein ausgebautes wissenschaftlich-technisches Instrumentarium zur Prognostik und Planung, das allen möglichen »Planern« zur Verfügung steht. Es würde zu weit führen, hier die methodischen Einzelheiten der Planungsgestaltung zu erörtern, etwa die Unterscheidung von kurz-, mittel- und langfristigen Plänen, staatlichen, Gruppen- und privaten Plänen, Global- und Rahmenplänen, Sektoral- und Detailplänen, Personal- und Produktionsplänen, imperativen und sogenannten Indikativplänen.

Entscheidend ist und bleibt das Planziel

Die Planungsbereitschaft als solche bedeutet nicht immer — wie oft von Gegnern jeglicher Planung behauptet wird — eine fundamentale Änderung der Wertordnung. Pläne können heute zur Stabilisierung der bestehenden Staatsgewalt oder der jeweiligen Wirtschaftsmacht ebenso entworfen und durchgesetzt werden wie zu deren Veränderung. So kann auch die Bürokratie den Bürger »verplanen« und entmündigen oder umgekehrt den Machtbereich des Staates zugunsten der Selbstverwaltung des Bürgers verringern, sich also in gewissem Umfang »entstaatlichen«, indem sie das tut, was wir unter Zukunfts­planung verstehen, d.h. was hauptsächlich der Verwirklichung langfristiger, globaler und humaner Planziele dient.

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Die Futurologie wird die Planung stets im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang der Problematik des Zeitablaufs zu behandeln haben. Günter Anders erinnert uns daran, wenn er schreibt:

»... So wie Flugzeuge das Hier mit dem Dort verbinden, so verbinden Pläne das Heute mit dem Morgen. Wenn wir, um einen künftigen Zustand herbeizuführen, die Schritte A B C bis zum Ziel Z festlegen, dann halten wir uns nicht mehr nur im punktuellen Jetzt auf, sondern in der breiten Domäne einer Gegenwart, die das Morgen, das Übermorgen und das Überübermorgen, also diejenigen Zeiten, die früher >künftig< geheißen haben, bereits als Phasen- oder Schlußstücke des schon präsenten Fünf- oder Zehnjahresplanes in sich begreifen: so effektiv in sich begreifen, daß sie bereits retroaktiv unsere heutigen Tätigkeiten festlegen und bestimmen. Planung verwandelt die Zeit in einen uns verfügbaren >Zeitraum<... 

Nun holen wir die Zukunft in unsere Gegenwart hinein, in gewissem Sinne >de-futurisieren< wir sie. Auch als Planende haben wir stets mit dem Eintreten von Ereignissen zu rechnen, die wir nicht hätten in Rechnung stellen können, mit dem Eintreten von Zufällen, Verhängnissen oder Chancen, die blitzartig in unseren Bauplan oder in unsere halbfertigen Planbauten einschlagen könnten. Denn es gibt keinen Plan, dessen Durchführung sich nicht im Räume des Ungeplanten vollzöge, und was aus diesem Räume des Unkalkulierbaren in die Plandurchführung hineinbrechen könnte, das läßt sich nur schwer, oft überhaupt nicht kalkulieren.«

Damit ist das Verhältnis von Futurologie und Planung angesprochen. Establishment-Futurologen planen im wesentlichen für die Erhaltung der Gegenwart. Ihr Planungsbegriff ist ein extrapolativer. Die kritische Futurologie ist in ihrer Zielsetzung kühner. Sie sieht in der Zukunft sowohl die Fortsetzung der Gegenwart als auch vor allem einen radikalen Bruch mit ihr. Sie schreckt daher im äußersten Fall vor einer utopischen Zielsetzung nicht zurück, immer im Bewußtsein, daß die Utopie zwar stets aufgegeben, aber niemals gegeben ist. Das wissenschaftlich-technische Instrumentarium, dessen sie sich auch, aber nicht notwendigerweise, bedient, erhält somit einen sekundären Stellenwert.

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Während Planung heute als eine der Techniken zur Lösung komplexer Probleme in vielen Bereichen anstandslos hingenommen wird, ist die Planung der Wirtschaft immer noch heiß umstritten. Im Streit der Ideologien akzeptieren die Nachkommen der einstigen Verfechter des Nachtwächterstaates, des Laissez-faire-Systems oder der sogenannten freien Marktwirtschaft, d.h. des Kapitalismus, umfassende Wirtschaftsplanung oder gar Planwirtschaft nur für den Fall eines totalen Krieges.

In der Tat haben im Ersten und Zweiten Weltkrieg auch die kapitalistischen Länder eine weitgehend geplante Kriegswirtschaft betrieben. Die ersten, noch recht vagen Vorstellungen von einer umfassenden Planung in der Wirtschaft in Friedenszeiten finden sich bei den sogenannten utopischen Sozialisten, vor allem aber auch bei Marx und Engels. Die sozialistische Planwirtschaft sollte in der Vorstellungswelt der Sozialisten zur Überwindung der »Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise« dienen, die Wirtschafts­krisen und Verelendung der Massen zur Folge habe.

Nach dem Ersten Weltkrieg haben dann in Deutschland Sozialreformer wie Rathenau, Moellendorff und Wissell in einer Denkschrift die Idee einer die anarchisch-kapitalistische Wirtschaft überwindenden Planwirt­schaft genauer entwickelt. In der Weimarer Republik hat jedoch niemand gewagt, diese Planungs­konzeptionen, die wohl Inflation und Wirtschaftskrise verhütet oder doch gemildert hätten, in die Tat umzusetzen.

Verwirklicht wurden hingegen Wirtschaftsplanung und Planwirtschaft in Sowjetrußland. Nach der Oktoberrevolution von 1917 begannen die Bolschewiki schon bald, mit diktatorischen Mitteln planend in alle Lebensbereiche einzugreifen. Dem Leninschen Plan der Elektrifizierung von 1920 folgte 1929 der erste Fünfjahresplan, der bereits die gesamte Wirtschaft umfaßte und das Land rücksichtslos industrialisierte. Seitdem arbeitet man in allen kommunistischen Staaten mit umfassenden längerfristigen Plänen.

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Die Sowjetunion befindet sich jetzt im zwölften Fünfjahresplan, der 1990 zu Ende gehen soll. 1976 beschloß der 25. Parteitag darüber hinaus ein komplexes Programm ökonomischer und sozialpolitischer Maßnahmen, das sogar wesentliche Orientierungs­daten für die Entwicklung der Volkswirtschaft bis 1990 enthielt. Auf der 40. Tagung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (Comecon) im Juni 1985 in Warschau wurde neben der Koordinierung der Pläne für die Fünfjahresperiode 1986 bis 1990 die Ausarbeitung eines bis zum Jahre 2000 reichenden Programms für wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit beschlossen. Damit wollen die Ostblockstaaten in der modernen Technologie und Elektronik die Lücke zum Westen ausgleichen. Zugleich geht es um eine gemeinsame Politik zur Versorgung mit Rohstoffen und Energie.

Als zentrales Planungsorgan fungiert das staatliche Plankomitee des Ministerrats der Sowjetunion (Gosplan), das sich in seiner Arbeit auf die Planungsorgane der Unionsrepubliken, der Ministerien und der Produktions­vereinigungen stützt. Gosplan erarbeitet die Entwürfe der Volkswirtschaftspläne und übt die Kontrolle über die Verwirklichung der bestätigten Planaufgaben aus. Auch in der DDR ist die Planung Hauptbestandteil der Wirtschaftspolitik und eines der konstruktiven Merkmale des Wirtschaftssystems. Rationalität und Zukunftsbezogenheit sind ihre typischen Merkmale. Die zentrale Planung aller Produktion und Leistungen sowie der Beschäftigung und der Kapitalbildung ist parteiprogrammatisch und verfassungsrechtlich festgelegt. Artikel 9 der Verfassung von 1968 in der Fassung von 1974 bestimmt: »Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ist sozialistische Planwirtschaft.«

Die allgemeinen Aufgaben der Planung sind: a) Die Analyse der Gegenwart und die rationale Durchdringung der Zukunft, b) die Festlegung von untereinander abgestimmten volkswirtschaftlichen Wachstumszielen und von branchenmäßigen, territorialen und betrieblichen Entwicklungs- und Produktionsaufgaben, c) die Auswahl der Strategien und Mittel zur Durchrührung, d) die Vorbereitung der Kontrollen durch die Fixierung von Sollgrößen als Maßstab für Soll-Ist-Vergleiche, e) das Zusammenwirken der Wirtschaftseinheiten untereinander und mit staatlichen Verwaltungsstellen. -

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Die Hauptlast der Planausarbeitung trägt die Staatliche Plankommission (SPK). Grundlegende Fragen der zukünftigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung legt sie dem Ministerrat zur Entscheidung vor. In allen bedeutenden Fragen muß darüber hinaus die Zustimmung der zuständigen Leitungsgremien der SED, das heißt vor allem auch des Politbüros, herbeigeführt werden.

Daß in so vielen kommunistischen Staaten die wirtschaftliche und gesellschaftliche Planung manche Mängel aufweist, mag dreierlei Gründe haben. Erstens setzt Planung stets einen relativ hohen Entwicklungsstand in der Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft voraus. Zweitens ist eine Diktatur ungeeignet, humane Planziele zu verwirklichen, da sie versucht ist, die Lebensqualität des Menschen hinter die Machtbedürfnisse der Elite zurücktreten zu lassen. Schließlich führt eine zentralistisch-bürokratische Totalplanung in ihrer Schwerfälligkeit zu Fehlplanungen, die nicht leicht zugegeben und korrigiert werden können.

Diese drei Faktoren wirkten sich nicht zuletzt in der Sowjetunion und in China aus; in entwickelteren Ländern wie etwa in der DDR oder der CSSR haben die Diktatur und die Totalplanung wohl zumindest wirtschaftlich weniger negative Folgen gehabt. In Ungarn und Jugoslawien kompensierten liberalere Herrschafts­formen und eine größere Flexibilität der Planung z.T. den anfänglich geringeren Grad der Industrialisierung. Hier — wie aber auch in China — gewannen marktwirtschaftliche Elemente immer stärker an Boden, so daß man die Wirtschaft dieser Länder schon fast als »gemischte« charakterisieren könnte.

Aber selbst in der Sowjetunion kann man nicht — wie das im Westen oft geschieht — von einer reinen Zentral­verwaltungs­wirtschaft sprechen, da es auch hier ein gewisses Maß an Konsumfreiheit und freier Arbeitsplatzwahl gibt. Dennoch führen der Mangel an demokratischer Kontrolle, die Machtfülle und Inkompetenz der Bürokratie, die vielfältige Abhängigkeit von den Wirtschaftspartnern im eigenen Lager, aber auch von der kapitalistischen Weltwirtschaft dazu, daß in den sogenannten sozialistischen Ländern immer wieder Pläne, die angeblich erfüllt werden, in Wirklichkeit nur auf dem Papier stehen bleiben. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Sowjetunion.

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Vergessen wir dabei nicht, daß diese noch lange Zeit, auch nach 1920/21, als der Umfang der Industrie­produktion und der Transportleistungen auf ein Siebtel des kärglichen Vorkriegszustandes zusammengeschrumpft war, nichts anderes war als — im heutigen Sprachgebrauch — ein Entwicklungsland. Hinzu kamen die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs: Erst 1947 sei der Produktionsstand von 1940 wieder erreicht worden, heißt es. Freilich soll 1980 das Nationaleinkommen das 77fache des Volumens von 1913 betragen haben! Auch der Fünfjahresplan für 1986 bis 1990 sieht eine Zunahme der gesamten Wirtschaftsleistung um 22 Prozent vor, und Arbeitslosigkeit ist in der Sowjetunion nicht in Sicht. 

Bei allen sicherlich immer noch gravierenden Mängeln schneidet die sowjetische Planwirtschaft, verglichen etwa mit Ländern wie Indien oder Brasilien, daher doch gar nicht so schlecht ab, selbst wenn bisher die wiederholten Versuche der Abschwächung des Zentralismus und der Erweiterung der Autonomie der kleineren und unteren Einheiten wenig Erfolg hatten und oft zurückgenommen wurden. Jetzt sollen die Betriebe größere Selbständigkeit und die Regionen mehr Eigenbefugnisse erhalten. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Gorbatschow die Dezentralisierung, die er erstrebt, erreichen wird.

Trotz aller Verurteilung der Planung als »Weg zur Knechtschaft« (dies der Titel eines bekannten Buches von F. v. Hayek) wird auch im Westen zunehmend geplant. Stadt- und Regionalplanung, Gesundheits- und Bildungsplanung, mittelfristige Finanzplanung und nicht zuletzt strategische Planung stehen auf der Tagesordnung der Institutionen und der Behörden. Dennoch bleibt der Umfang der Planung von Land zu Land verschieden. Einen verbindlichen staatlichen Rahmenplan für die gesamte Wirtschaft gibt es im Westen nirgends. Frankreich — bekannt für seine »planification« —, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Japan und schließlich auch Italien und England entwickelten zwar nach dem Zweiten Weltkrieg sogenannte mittel- und langfristige Perspektivpläne für die Wirtschaft; diese sind aber eigentlich doch nur Indikativpläne, d.h. nicht viel mehr als Prognosen. Wenn hier private Planungsträger Pläne, die gegen ihre Profitinteressen verstoßen, nicht einhalten wollen, können die Pläne nicht auf dem Rechtsweg erzwungen werden. 

*detopia-2015:  F.v.Hayek bei detopia

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Echte Wirtschaftsplanung betreibt im Westen paradoxerweise nur die »freie« Wirtschaft. Die Großunter­nehmen und Multis, die Monopole und Oligopole planen für ihren eigenen Absatz und Gewinn und sind dabei, obwohl sie die staatliche Planung ablehnen, bereit, vom Staat Subventionen, Steuerprivilegien und Aufträge entgegenzunehmen und sich von ihm durch Zölle schützen zu lassen. Sie haben auch nichts gegen die Bildungsplanung oder strategische Planung einzuwenden, die ihnen dadurch qualifiziertes und williges »Menschenmaterial« liefert.

Paradoxerweise ähneln sich die sonst angeblich so gegensätzlichen Systeme in Ost und West in der Art und Weise, wie sie die Zerstörung der Welt und die Vernichtung der Menschheit »planen«. Die strategische Planung ist besonders aufwendig, gilt aber auf beiden Seiten als absolut notwendig zur »Selbst­verteidigung« gegen den bösen Feind. In jedem der beiden Systeme ist Planung bisher am erfolgreichsten, wenn es um Planung von Destruktivkräften geht. Insofern scheint es keinen Unterschied zu machen, ob die Planung wie im Osten ganz in Händen von Zivil- und Militärbürokratie liegt oder ob wie im Westen diese Bürokratie mit der Privat­wirtschaft harmonisch zusammenarbeitet.

Daß konstruktive und humane Planung für das Leben und Überleben der Menschheit nötig ist, dürfte kaum einem Zweifel unterliegen. Daß sie möglich ist, muß noch bewiesen werden. Freilich darf sie sich nicht ausschließlich im Rahmen des Staates oder der Blöcke vollziehen, sondern muß blockübergreifend und sogar planetarisch sein. Ansätze hierfür gibt es auch schon etwa bei der EG, den UN und deren Spezialorganisationen. Deren Kompetenzen sollten erweitert werden, wobei die Mängel der Systeme in Ost und West vermieden, deren positive Errungenschaften aber ausgebaut werden müßten. Das bedeutet etwa, daß die im Westen bestehenden freiheitlich-demokratischen Ansätze und die im Osten vorhandenen egalitär-sozialen oder gar sozialistischen Elemente in die Planungen eingehen müßten. Dabei sollte die Planung immer nur Mittel zum Zweck bleiben, dürfte niemals Selbstzweck der planenden Einheit werden.

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Die Parameter der Planung müßten auf allen Ebenen stets erneut abgesteckt und überprüft werden können. Um Überbürokratisierung und plutokratische Macht­zusammen­ballungen zu verhindern, müßten aber auch bestimmte Planungskompetenzen auf lokale, regionale und nationale Ebenen verlagert werden. Die globalen Institutionen wären für die langfristigen, die gesamte Menschheit berührenden Pläne zur Sicherung des Friedens und zur Abrüstung, zur Erhaltung der Natur und zur Eliminierung von Hunger und Elend zuständig, die kleineren Einheiten für die jeweils lokal und kulturell verschiedenen Bedürfnisse und Probleme der kleineren Gruppen und Individuen.

Planetarische Planung sollte keinesfalls zu einem starren, allumfassenden Totalplan führen. Das Ziel bleibt ein durchaus flexibel-unbürokratischer Weltrahmenplan mit einer Synthese von Planung und Wettbewerb, von Privatwirtschaft und Gemeinwirtschaft, von globaler Zielsetzung und regionaler, lokaler, funktioneller Dezentralisierung.

Ein solcher Globalplan müßte vor allem Lösungen für drei Komplexe vorsehen. 

An erster Stelle stünde das Problem der Welternährung und Überbevölkerung. Ein Rahmenplan in diesem Bereich ist besonders dringlich angesichts des bereits existierenden Elends und Hungers und angesichts noch größerer drohender Katastrophen, wobei ja bereits Pläne auf diesen Gebieten vorgeschlagen und diskutiert werden.

Ein solcher Plan sollte aber auch darüber hinaus gewisse Kernbereiche der Wirtschaft und Industrie erfassen. Hier bietet sich vor allem die Planung und Internationalisierung der multinationalen Korporationen an. Professor John H. Herz aus New York hat mit Recht daran erinnert, es sei kaum noch »fortschrittlich«, von Nationalisierung von Rohstoffen zu reden. Was notwendig sei, sei ihre »Internationalisierung« zwecks gerechter Verteilung unter allen Menschen, nicht nur unter den sie immer rascher verbrauchenden »reichen Nationen«. Es geht aber nicht nur um die Rohstoffe, sondern auch um die riesigen weltweiten Produktions­stätten, die heute zum Teil den Weltmarkt beherrschen und gegen die selbst Staaten wie die USA oder die Bundesrepublik Deutschland ohnmächtig sind.

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Solche Riesenkonzerne müßten aus der Privatverfügung einiger wenigen Super-Kapitalisten und -Manager in das Gemeineigentum der Menschheit überführt werden, wobei ihre Verwaltung in der Hand von qualifizierten Vertretern der Produzenten und Konsumenten, aber auch von Beauftragten supernationaler Organisationen und Behörden liegen sollte.

Nicht zuletzt sollte eine weltweite Abrüstung Kernstück eines solches Planes sein. Ist es utopisch zu fordern, daß etwa im Jahre 2000 oder danach eine internationale Polizeitruppe für Frieden sorgt, während im übrigen die bewaffneten Streitkräfte, die heute so viel an Geld, Intelligenz und Ressourcen verschlingen, in unbewaffnete Friedenskräfte verwandelt wären? 

Das hätte den Vorteil, daß die Organisation dieser Streitkräfte, in der viel Können und Wissen steckt und für die sich starke Interessen immer wieder einsetzen, nicht einfach zerschlagen würde. Aber die Generalstäbe, die heute im »edlen« Wettstreit miteinander dazu verurteilt sind, den Untergang der Menschheit zu planen, würden dann miteinander konkurrieren und sogar kooperieren, um neue weltweite Aufgaben der Katastrophenbekämpfung und Entwicklungshilfe, der Konservierung der Ressourcen und der Umwelt-Sanierung zu planen, wobei gerade in den kleineren Ländern die Umstellung von gewaltsamer Landesverteidigung auf gewaltlose Friedenswahrung ernsthaft diskutiert wird. 

Der hier nur angedeutete, mittels eines langfristigen Plans zu bewerk­stelligende Abbau aller Vernichtungsmittel würde die Menschheit in die Lage versetzen, sich bei aller Vielfalt und Konflikt­trächtigkeit so weit zusammenzuschließen, daß sie den drohenden Katastrophen doch noch einmal zu entgehen vermöchte.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Planung der humanen Grundbedürfnisse heute für alle Menschen auf der Welt unerläßlich ist, daß aber nicht alle Bereiche menschlicher Existenz in gleicher Weise und in gleichem Umfang geplant werden sollten. Im Privatleben wie aber auch in der Kunst und Wissenschaft sollte vor allem für die individuelle Freiheit geplant werden. Das ist kein Widerspruch in sich, enthält jedoch ein dialektisches Spannungs­verhältnis. Damit ein Künstler frei schaffen, eine Familie sich frei entfalten kann, bedarf es gewisser materieller Vorbedingungen, die in einer Welt begrenzter Ressourcen geplant werden müssen.

Durch Planung muß aber auch sichergestellt werden, daß jeder Mensch genügend Kleidung, Nahrung und Wohnraum hat und daß niemand die knappen Ressourcen sinnlos vergeudet. So würde neben der individuellen Freiheit auch ein Mindestmaß an ökonomischer Gleichheit geplant werden. Die demokratisch kontrollierten lokalen, regionalen und nationalen Planungseinheiten müßten schließlich in einer Weltföderation zusammenwirken und in deren Rahmen erreichen, daß die Gewalt abgebaut, die Selbstbestimmung erweitert und die Herrschaft allmählich durch solidarisch-funktionale Leitung ersetzt würde.

Zum Schluß wäre noch zu fragen, ob der Neo- oder Sozialkapitalismus von heute zumindest so produktiv, flexibel und rational ist, daß er sich ohne totale Zusammenbrüche, Bürger- oder sonstige Kriege zu einem System weiterentwickeln kann, in welchem am Gemeinwohl orientierte Planung vorherrscht und das man dann vielleicht als »kapital-sozialistisch« bezeichnen könnte

Mit anderen Worten: Werden sich im Kapitalismus selber Kräfte entwickeln, die sich stark genug erweisen, den Plankapitalismus zu einem Friedens- und Wohlfahrtssozialismus weiterzutreiben? Würde eine solche Wohlfahrtsplanung etwa zu einer Konzentration der Macht in wenigen Händen führen müssen, oder wird der Plan durch einen offenen Prozeß demokratischer Beteiligung zustande kommen? Und wie würde sich eine solche demokratische Kontrolle institutionalisieren lassen? Der Parlamentarismus von heute scheint nicht sehr geeignet, diese schwierige Aufgabe zu bewältigen. Wahrscheinlich müßten und könnten neue Formen der demokratischen Kontrolle entwickelt werden.

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