2.3      Start    Weiter

2.3  - Der kapitalistische Antrieb 

Bahro-1987

 

     Die Eigendynamik des Kapitals    

128-136

Die Kapitaldynamik ist das nächste Glied, wenn wir die Ursachenkette des Exterminismus bis zu den Wurzeln hinab verfolgen wollen. Nun sind vorder­gründig, auf eine erste Nachfrage, viel mehr Menschen bereit, den Kapitalismus verantwortlich zu machen als das Industriesystem, zumal Kritik an der "Industrie" ja häufig auch vor allem das große Geld dahinter meint. 

Zwar wird der <Kapitalismus> sehr unterschiedlich verstanden — von Marxens <Kapital> bis zu Wagners <Ring der Nibelungen> schon im 19. Jahr­hundert. Doch bestreitet kaum jemand, daß die Konkurrenz um möglichst viel Profit jedes andere Motiv für wirt­schaft­liche Expansion übertrifft.

In keiner anderen Zivilisation ist dieser Geldantrieb so zur Zentral­macht geworden wie bei uns.

Aber er ist noch nicht der letzte, ursprünglichste Antrieb. Das vergißt allzuleicht, wer alles auf den Kapitalismus schiebt, als hätte der nicht auch erst einmal entstehen müssen und bedürfte nicht seinerseits der Erklärung. Doch ist das Kapital das aktuell mächtigste Triebrad der Expansion. Das Industriesystem ist kapitalistisches Industriesystem. Die Megamaschine ist kapital­getrieben.64

Es ist das Prinzip gewinnträchtiger Kapitalanlage, das uns über den Rand trägt — auch ohne eklatante Katastrophen, die immerhin noch den Vorteil haben, bemerkbar zu sein. 

Wenn wir die Expansion begrenzen, wenn wir etwas aufhalten wollen, dann müssen wir erst einmal diesen Antrieb voll begreifen, in seiner Autonomie, in seiner Unabhängigkeit vom guten oder bösen Willen des Kapitalisten.

Können wir die Akkumulationslawine nicht verhältnismäßig kurzfristig aufhalten, wird alles Andere — Grund­legendere, Innerlichere — zu spät kommen. 

Es ist für die Rüstung gesagt worden und neuerdings für die gesamte Kernkraft: Entweder wir schaffen diese militärischen und "zivilitärischen" Waffen­systeme ab, oder sie werden uns abschaffen. Aber das gilt noch viel mehr für die megamaschinelle Sozialstruktur und ihre beispiellos expansion­istische Ökonomik. Der Kapitalismus ist mehr als das besondere Profitstreben dieser oder jener Unternehmensgruppe.

Damit komme ich noch einmal auf Kurt Biedenkopfs "ökologische Marktwirtschaft" zurück. Erst in dem jetzigen Zusammenhang kann klar werden, worum es - jenseits der Ideologien - bei der Markt-oder-Plan-Debatte geht. In der Autonomie des Markt­geschehens haben sich doch unsere eigenen Kräfte von uns unabhängig gemacht. In unserer klassischen Philosophie bis hin zu Marx hieß das "Entfremdung". 

Wenn nun ORDO diesem autonomen, entfremdeten, objektiv gesetzmäßigen ökonomischen Prozeß gerecht werden soll, dessen Natur und nicht der menschlichen Natur, sofern die sich auch noch anders als in der Akku­mu­la­tionslawine offenbart dann brauchen wir nichts als eine grün aufgebesserte Wettbewerbsordnung. 

129


Was aber, wenn wir uns weigern wollen, grundsätzlich die Rechte dieser ökonomischen Sintflut zu bestätigen; weigern wollen, dieser unserer Teilkraft die ganze Szene oder auch nur deren Mitte zu überlassen? 
Was, wenn wir Wirtschaft überhaupt unterordnen, das Geld zum Hilfsmittel des Austauschs und der Kalkulation degradieren wollen?

Wir erinnern uns: Indem sich Biedenkopf auf den Marktmechanismus (den an sich unschuldigen) und seine Ausnutzung konzentrierte, entzog er den Marktkräften, genauer gesagt, den Kräften auf dem Markt, den Subjekten, die ihn beherrschen, fast alle Aufmerksamkeit. Hinter dem Austausch von Gebrauchswerten, der Befriedigung von Bedürfnissen verschwand so das Hauptmotiv der Marktveranstaltung: das Plusmachen, die Geldvermehrung. Jemand, der anbietet — jemand, der nachfragt: Diese beiden Subjekte mögen den Flohmarkt, zuweilen noch den Wochenmarkt charakterisieren. Doch schon der einfachste Supermarkt wird nicht deswegen eröffnet.

Beim Marktwettbewerb in unserer Gesellschaft ist die Befriedigung von Bedürfnissen der Verbraucher stets nur das Mittel, nie der Zweck der Veranstaltung. Es geht dem Kaufmann, dem eigentlichen Akteur des Marktes, um möglichst hohen Geldgewinn. Die Verwandlung von Geld in Ware und zurück muß zu mehr Geld führen, und später, wenn die Produktion von vornherein kommerziell betrieben wird, ist natürlich die eigentliche Vermarktung auch bloß diejenige Unterfunktion des ganzen kapitalistischen Reproduktions­prozesses, die dieses Ergebnis realisiert. Zuletzt gerät auch der Löwenanteil der Nachfrage unter die Kontrolle des Kapitals, das sich von vornherein den Rückfluß der großen, langfristig angesetzten Investitionen sichert, nicht nur im Rüstungssektor.

Wenn ich vom Kaufmann rede, meine ich das regulative Prinzip, das er in die Geschichte eingeführt und zur Machtansammlung ausgenutzt hat. Gestützt auf diese Realabstraktion Geld hat er die Verlagerung des Schwer­punktes von konkreten auf abstrakte Werte, von der Steuerung des sozialen Ganzen durch überlieferte Autorität auf die Vermittlung der Synthese durch individualistische Konkurrenz eingeleitet. Die erste industrielle Revolution, die die exterministische Tendenz schon enthielt, ist der Niederschlag einer Entfesselung gewesen. 

130


War die Moderne von der Renaissance her auf menschliche Emanzipation angelegt, so erwies sie sich tatsächlich vor allem als eine Emanzipation des Geldes bzw. des Geldbesitzers von allen Rücksichten, die in traditionellen Gesell­schaften der Plusmacherei entgegenstehen, indem sie zum Beispiel den Zins verbieten. Heute sind die Kaufleute selbst untergeordnet.

Die moderne Gesellschaft wird in einem Grade vom Finanzkapital beherrscht, wie es die einflußreichsten Kaufleute und Finanziers vergangener Gesellschaften nie zu träumen wagten. 

Nur müssen wir diese Plutokratie, die fast den gesamten alltäglichen Lebens­prozeß kolonisiert hat, als logische Endstation jenes Weges sehen, der mit dem Aufkommen von Warenproduktion und Geld begann und um so entschiedener eingeschlagen wurde, je individualistischer, konkurrenzorientierter schon die ursprüngliche Kulturbasis formiert war.

Unter geldwirtschaftlichen Bedingungen ist Produktion für den Markt spätestens dann, wenn die zwingendsten Bindungen an ein mehr oder weniger primäres Kollektiv und seine sittliche Ordnung entfallen sind, von vornherein ein Machtkalkül, und zwar ein sehr systematisiertes. 

Haben sich denn die Erfinder des <Monopoly>-Spiels geirrt, oder nicht vielleicht doch die reinen Marktwirtschaftler, die nicht müde werden, einen idealen Markt der chancengleichen Anbieter zu imaginieren, auf dem wirklich nur noch Qualität und Kostpreis, also Produktivität und das Ingenium der "richtigen Nase" entscheiden?     wiktionary  Ingenium

Für die Markt­idealisten kommt die Vermachtung verzerrend hinzu. Sollte sie indessen zum Markt gehören, weil Geldvermehrung der entscheidende Antrieb der Akteure ist, so müßten andere als bloß korrektive Schritte unternommen werden, um die Expansion zu stoppen.

Den kapitalistischen Markt konstituiert erst die eigentlich kapitalistische Handlung — deren man sich unter Freunden und Bekannten bis heute schämt —, die Handlung des Kaufens, um teurer zu verkaufen, des Handelns, um Profit zu machen. 

Und hinter dem Profitmotiv steht das Machtmotiv.  

Historisch ist der Markt als eine neue, umfassendere Machtkampfarena entstanden. Er ist der Circus maximus, und Geld ist das Aufstiegselixier der energischsten Plebejer, die auf diese Weise den traditionellen herrschenden Mächten (der Aristokratie) sozial das Feld streitig machen.   wikipedia  Aristokratie

131


Konzeptionell nachträglich stellt sich der ORDO-Liberalismus durchaus dem Machtproblem, das gibt ihm sogar den eigentlichen Anstoß. Er betrachtet den "Kapitalismus" bzw. Monopolismus als wegzuordnenden Impuls, der einen vorausgesetzten Idealtypus vollständiger Konkurrenz stört. Dabei sind doch mit Geld bewaffnete Machtkämpfer die Protagonisten, die den Markt in seiner entwickelten Form überhaupt erst konstituieren. Ökonomischer Machtkampf ist die Essenz des Marktgeschehens. Wollen wir es unter dieser Voraussetzung ordnen, so bestätigen wir indirekt die materielle Expansion.

Ich teile Mumfords Ansicht, daß der Kapitalismus kein modernes Phänomen ist, also nicht zu schnell auf die Aneignung von Mehrarbeit reduziert werden sollte (worauf der Marxismus zu einseitig die Aufmerk­samkeit konzentrierte). Mumford versteht unter Kapitalismus:

Die Umsetzung aller Güter, Dienstleistungen und Energien in abstrakte Geldwerte, mit Konzentrierung menschlicher Energien auf Geld und Handel, um Gewinne zu erzielen, die in erster Linie den Besitzenden zufließen, welche bereit sind, ihre Gewinne in neue Unter­nehmungen zu investieren und von den Einkünften aus bestehenden industriellen und kommerziellen Organisationen zu leben.(65)

D.h. er hebt drei Dinge hervor: die Monetarisierung bzw. tendenzielle Vollvermarktung des Lebens, die kommerzielle Gewinnorientierung als Dominante im Menschenbild, den Kapitalumschlag für erweiterte Reproduktion. Mit enthalten ist die Abkopplung von der Natur und von der primären Produktion, wie sie für industrielle und kommerzielle Aktivitäten typisch ist.

Es macht Furore in der Weltgeschichte und stellt gegenüber jeder ursprünglichen Lehre von der guten Gesell­schaft einen fundamentalen Ordnungsverstoß dar, wenn die Kaufleute, die alles unter dem Gesichts­punkt der Quantität und des Tauschwerts betreiben, das Gesetz der Gattungs­entwicklung in die Hand bekommen. Geschieht dies so uneingeschränkt wie bei uns, muß das Gleichgewicht verlorengehen. Jede archaische Ordnung mit ihrer aus der naturwüchsigen Stammesentwicklung hervorgegangenen Hierarchie von Kasten (Priester über Kriegern, diese beiden über Kaufleuten, diese drei über Bauern und Handwerkern) war "richtiger".

132


Schon wo — im Erobererstaat statt der ursprünglichen Theokratie — die Krieger mit ihrem König an die Spitze traten, und je weniger das "brahmanische" Prinzip wenigstens als Ausgleichsgewicht blieb, verlor die Kultur todwärts die Balance. Mehr als ein Germanenstamm ging derart unter. Aber wenn schon diese Verschiebung zerstört, was an der theokratischen Verfassung allenfalls noch gestimmt hatte, wieviel mehr der Sieg der Kaufleute. Geld als ultima ratio ist — obwohl und späterhin dann weil soviel demokratischer — schlimmer als die ultima ratio der Könige, das Schwert.

Das Mana des Priesters, das Schwert des Kriegers, das Geld des Kaufmanns sind lauter Machtmittel; ich meine, bei der bisherigen Entwicklungsstufe des Menschen kommen sie von dieser Funktion nicht frei, die mit ihnen zusammen­gewachsen ist. Aber Geld hätte noch weniger als das Schwert die Welt regieren dürfen. Da es "nicht stinkt", d.h. seine Herkunft nicht verrät und keinerlei Rückmeldung über die Folgen gibt, die um seinetwillen und mit seiner Hilfe angerichtet werden, hat es von vornherein den Charakter der Distanzwaffe, die den Täter entlastet. 

 wikipedia  Mana 

Vom Standpunkt der freien Marktwirtschaft und des zugehörigen Rechtsstaates spricht ja beispielsweise nichts dagegen, verhungernden Indios in Bolivien oder Kolumbien um geringes Entgelt Blut abzuzapfen und es um ein Vielfaches teurer in Europa zu verkaufen, oder ganz analog Blut aus Haiti in die USA. Die Opfer dürfen eher froh sein, daß sie mit ihrer eigenen Blutarmut oder sogar mit ihrem Leben ihre Kinder vor dem Hungertod bewahren können (nach einem Bericht von Basile Ypsilantis, der "Konsumgesellschaft durch Völkermord" überschrieben ist). Aber das Anklägerische solcher Information läuft so leicht leer, weil das Blutgeld eben in keiner Weise mehr kenntlich ist und die Nachfragenden den Zusammen­hang nicht wissen müssen.

Während das Mana wie das Schwert wenigstens in der Regel traditionell ordnungsgebunden bleiben, hat sich das Kapital früher oder später stets von seiner dienenden Rolle freizumachen gesucht, und in beiden europä­ischen Kulturanläufen, dem antiken und dem abendländischen, ist es auch gelungen. In dem Augenblick wird der Markt zur Bühne dieser nunmehr eigentlichen und immer mehr ausschließlichen Schicksals­macht — die Produktion, Wissenschaft, Technik, Kunst usw. in ihr Schlepptau nimmt.

133


Mir geht es im gewählten Rahmen vor allem darum, den "Geist" des Kapitalismus als formativ für unsre Kultur kenntlich zu machen, eben weil wir viel tiefer in der Geldwirtschaft und ihren Konsequenzen verhaftet sind, als sich nach unserer Bereitschaft zur Kapitalismuskritik erwarten ließe. Nur zu oft richtet sich die bloß gegen "Auswüchse", die in ihrer Normalität verkannt werden.66 

Die Geldabstraktion scheint ausschlaggebend für die ganze Art unserer Rationalität und Wissenschaft, ihres objektbeherrschenden und -manipulierenden Charakters zu sein. Münzen, bits, Begriffe, Individuen, Arbeits­kräfte, Atome, Quanten aller Art — alle unsere Welt- und Verhaltensmodelle stehen unter der Vorherrschaft dieser abstrakten Einheiten, die sich alle bis ins schlecht Unendliche massieren lassen. Sehr treffend hat der brasilianische Ökologe Jose Lutzenberger gesagt, unsere Kultur sei schlimmer als rationalistisch, man müsse sie abstraktionistisch nennen.(67)

Mit dem Kapital rückte ein Machtmittel ins Zentrum des sozialen Geschehens, das auf dem Prinzip der Expansion ins schlecht Unendliche beruht und sich im Zins- und Kreditwesen das adäquate Instrument geschaffen hat, um geradezu als perpetuum mobile funktionieren zu können. 

Mumford schreibt und verweist damit für mich zugleich auf die Parallele zu der von Ziegler angegebenen Kennzahl der Zerstörung <Kilo­watt­stunde pro km2 und Tag>:

Wenn aber menschliche Funktionen in abstrakte, gleichförmige Einheiten, letztlich in Einheiten von Energie oder Geld, verwandelt werden, dann gibt es keine Grenzen für das Maß an Macht, die angeeignet, umge­wechselt und gehortet werden kann. 
(Hier liegt das eigentliche Geheimnis der Atomenergieoption und ihres Nonplusultra, der gesteuerten Kernfusion, während wir den Energie­gebrauch minimieren müßten! R.B.). 
Die Eigenart des Geldes besteht darin, daß es keine biologischen Grenzen und keine ökologischen Einschränkungen kennt. Als der Augsburger Finanzier Jakob Fugger der Ältere gefragt wurde, wann er soviel Geld haben würde, daß er kein Verlangen nach mehr Geld verspürte, antwortete er, wie es alle großen Geldleute stillschweigend oder offen tun, er glaube nicht, daß dies jemals der Fall sein würde.
68

134/135

Diese Maßlosigkeit ist von Thomas von Aquin bis Marx immer wieder als dem Geld inhärente, in ihm geronnene menschliche Eigenschaft hervorgehoben worden. Freilich, wie Mumford an anderer Stelle sagt, ist...

...die Idee, daß den menschlichen Funktionen keine Grenzen gesetzt werden sollten, ... absurd: Alles Leben bewegt sich innerhalb sehr enger Grenzen von Temperatur, Luft, Wasser und Nahrung, und die Auffassung, daß allein das Geld oder die Macht über die Dienste anderer Menschen zu verfügen, keine solchen definitiven Grenzen haben sollte, ist eine Geistesverwirrung. (69)

Diese Geistesverwirrung ist aber im Kapitalismus, wo schließlich der gesamte gesellschaftliche Prozeß auf dem kaufmännischen Prinzip beruht, objektiv programmiert.

Geld ist das allgemeine Suchtmittel, mit dem wir unsere ohnehin gegebene Tendenz, das Naturgleich­gewicht umzustürzen, potenzieren. Deshalb ist eine Wirtschaftsgesellschaft mit dem Geldvermehrungstrieb im Mittelpunkt nicht zu retten.  

Abgesehen davon, daß sie — wenn ihr Prinzip unangefochten bleibt — gar nicht erst eine unabhängige ordnende Gegenmacht aufkommen läßt, weil sie selbst das Feld total beherrscht, wünscht sie immer nur ihre Sucht stabilisiert

Mumford konstatiert:

Das kapitalistische Wertschema verwandelte tatsächlich fünf der sieben Todsünden des Christentums — Stolz, Neid, Geiz, Habsucht und Wollust — in positive soziale Tugenden und sah in ihnen den notwendigen Antrieb aller Wirtschaftstätigkeit, während die Haupt­tugenden, von Liebe und Bescheidenheit angefangen, als "schlecht fürs Geschäft" abgelehnt wurden, soweit sie nicht dazu beitrugen, die Arbeiterklasse gefügiger und willfähriger in der Hinnahme kaltblütiger Ausbeutung zu machen.70

Kapitalismus ist nicht zuerst eine bestimmte Gesellschaftsordnung, sondern ein Machtprinzip, daß die verschiedensten Gesellschafts­ordnungen mehr oder weniger beherrscht, seit Geld aufkam. 

Die moderne "westliche", europäische Gesellschafts­ordnung hat deshalb den Namen dieses Macht­prinzips auch als Gesamt­bezeichnung auf sich gezogen, weil sich keine andere Zivilisation jemals derart bedingungslos von diesem Souverän regieren ließ wie unsere, die das Kapital zu ihrem Zentralgestirn hat.

Es handelt sich nicht darum, das Geld anders anzueignen und zu verteilen, sondern es überhaupt als Macht- und Steuerungszentrum des historischen Prozesses zu eliminieren. 

Sonst werden wir von unserem Götterdreck (wie Südamerikas Indianer das Gold nannten) getötet, seine Sklaven, die wir sind.

Allerdings dürfen wir, wenn wir es mit dieser Herausforderung gedanklich aufnehmen wollen, nicht dabei halt machen, die Bankenzentralen als das feindliche Lager ins Visier zu nehmen. Es wäre nicht zu diesem Auswuchs uns gegenüber gekommen, wenn das Geld nur für diejenigen eine positive Bedeutung erlangt hätte, die sich mit nichts als seiner Akkumulation und Konzentration, Anlage und Verwaltung befassen. "Am Gelde hängt, nach Gelde drängt doch alles", und Goethe meinte mit "alles" vor allem "alle Welt"

Wir sind so tief darin verwickelt, daß dies allein ausreicht, um auf dem Kapitalismus sitzenzubleiben.

Und hat nicht die Enteignung der großen Kapitalien in den bisherigen antikapitalistischen Revolutionen tatsächlich die einfachsten bürgerlichen Freiheiten mit weggerissen — freilich in "unterentwickelten" Ländern, in denen das moderne Ich noch wenig entfaltet war?

135-136

#

 

detopia-2022: Hier kann man Greffrath-2022 hören   -  zum Thema "Kapitalistischer Antrieb"

 

    www.detopia.de     ^^^^       Anmerkungen       Sachregister 

 Rudolf Bahro 1987