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6 - Die Grenzen des Wachstums

 

"Je rascher sich die Menschheit vermehrt und je mehr technische Mittel sie besitzt, 
desto mehr wird sie verflacht und zum gleichförmigen Kollektiv werden."  (Hermann Hesse)

"Bald werdet ihr das Land überfluten wie Flüsse,
die die Schluchten hinabstürzen nach einem unerwarteten Regen."  (Seattle) 

 

   Die Endlichkeit der Erde   

100-116

Dem einzelnen Menschen mag die Erde riesig erscheinen, auch wenn sie durch moderne Verkehrsmittel, vor allem durch mit Schallgeschwindigkeit fliegende Düsenflugzeuge, schon merkbar kleiner geworden ist. Angesichts der Anzahl der heute auf ihr lebenden etwa vier Mrd. Menschen ist sie jedoch ein kleiner Planet und schrumpft mit der Zunahme der Erdbevölkerung immer weiter zusammen. Versucht man die Erde und ihre Ressourcen auf die Menschen zu verteilen, so wird einem die Endlichkeit der Erde besonders deutlich.

Die Erdoberfläche beträgt 510 Mill. qkm. 29% davon sind Landfläche, das sind etwa 150 Mill. qkm. Bewohnbar sind jedoch nur 80-90 Mill. qkm. Somit teilen sich heute im Durchschnitt etwa 50 Menschen einen qkm. 

Die Verteilung der Erdbevölkerung ist jedoch sehr unterschiedlich. So erreicht die Bevölkerungsdichte je qkm beispielsweise in den Niederlanden 420, in der Republik China (Formosa) sogar 510. In der BRD beträgt sie im Durchschnitt 250, in Nordrhein-Westfalen allerdings 500.

Der uns zur Verfügung stehende Raum ist also begrenzt. Das wirkt sich noch mehr bei der Nahrungsversorgung aus. Nur 27% der Landfläche, also 40 Mill. qkm können landwirtschaftlich, davon 15 Mill. qkm als Ackerland, genutzt werden. Somit muß 1 qkm Ackerland heute durchschnittlich etwa knapp 300 Menschen ernähren, 1 ha also 3 Menschen.

Um das Jahr 2000, wenn die Erdbevölkerung 6 Mrd. überschritten haben wird, leben dann im Durchschnitt 75 Menschen je qkm und muß 1 ha knapp 5 Menschen ernähren. Die ganze Erde ist dann ausgenützt, und es gibt keine Ausweichräume mehr.

 

Um die wachsende Erdbevölkerung zu ernähren, werden in den Industrieländern die Erträge durch intensive Bodenbearbeitung maximiert, was vor allem den Einsatz von Unmengen künstlichen Düngers bedeutet. In den sog. Entwicklungsländern werden zur Gewinnung von mehr landwirtschaftlich nutzbarem Land vor allem Wälder gerodet, aber auch Savanne, Busch und Steppe, sowie Sümpfe und Moore kultiviert. Die so gewonnenen Böden sind aber nur kurzfristig fruchtbar, sie veröden schnell.

Jährlich gehen so auf der gesamten Erde etwa 300.000 qkm Wald verloren. Während 1950 noch etwa 25% der Landfläche auf der Erde mit Wald bedeckt waren, was 35 Mill. qkm entspricht, waren es 1975 nurmehr 20%, also 28 Mill. qkm und werden es im Jahre 2000 bei gleichbleibender Rodungsgeschwindigkeit wahrscheinlich 15% bzw. etwa 21 Mill, qkm sein. Die Waldverluste betreffen vor allem die tropischen Urwälder.

Versucht man einerseits durch Waldrodung mehr Ackerland zu gewinnen, so gehen anderseits Wüstenrand­gebiete wie das Sahel südlich der Sahara, vom Atlantik bis zum Roten Meer, oder sogar fruchtbarstes, unter Bewässerung stehendes Land verloren. Das etwa 2 Mill. qkm große Sahel wurde während der Dürreperiode von 1969 bis 1973 wegen der zu starken Nutzung und der Erschöpfung aller Ressourcen durch den Menschen zur Wüste. Wenn sich das Land auch anschließend wieder etwas erholt hat, so gehen doch jährlich im Durchschnitt etwa 15.000 qkm der Sahel-Savanne endgültig in Wüste über. Weiterhin versumpfen, versalzen und alkalisieren jährlich auf der Erde etwa 1250 qkm Land durch Bewässerungsmaßnahmen. Damit geht die Nahrungsgrundlage für knapp eine halbe Mill. Menschen im Jahr verloren.

Auch schlucken menschliche Siedlungen, industrielle Anlagen und der Verkehr immer mehr meist besten Boden. Die sich vermehrende Weltbevölkerung sammelt, sich in wild wuchernden Groß- und Millionenstädten an. In der BRD werden täglich mehr als 1,5 qkm überbaut. Wir verlieren so jedes Jahr eine Fläche von rund 600 qkm durch Besiedlung, Industrialisierung und Verkehrsausbau. Das entspricht etwa der Größe des Bodensees. In den USA ist es mehr als das zwölffache.

Auf Grund des Bevölkerungswachstums gehen die vier wesentlichen biologischen Systeme auf unserer Erde zugrunde: der Wald wird abgeholzt oder stirbt, die landwirtschaftlichen Anbaugebiete werden ausgelaugt und verlieren ihre Fruchtbarkeit, das Grasland wird überweidet und verödet, und die Fischereigebiete werden leer gefangen und verfallen. Das Zusammenrücken der Menschheit auf immer kleinerer Fläche macht ferner diese zum fruchtbaren Nährboden für Seuchen.

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Schon die Vergangenheit lehrt, daß dichtere Besiedlung Aggressionen erzeugt, zu Neid auf anderer Besitz führt und schließlich Kampf und Krieg um mehr Land auslöst. Das hatte frühzeitig die Entwicklung von Waffen wie auch militärischer Befestigungen zur Folge. Deutlich wird das mit vorgeschichtlichen Funden von Pfeilen und Streitäxten, die sich vermehren, je jünger die Fundstellen werden. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wurde aus der ursprünglich friedlichen Landnahme herrenloser Gebiete schließlich die gewaltsame Inbesitznahme von Grund und Boden. Die Geschichte der Menschheit ist reich an Völkerwanderungen, blutigen Eroberungszügen, ja schließlich Eroberungskriegen zwischen Völkern um Land und seine Erträge. Die nordamerikanische und die sibirische Kolonisation sind nur Beispiele aus der jüngeren Geschichte.

Zwar ließen sich die landwirtschaftlichen Erträge immer wieder stoßweise durch fortschrittlichere Techniken steigern, doch wuchs damit auch die Bevölkerung, nur gelegentlich von Naturkatastrophen dezimiert. Erlaubte die Technik keine weiteren Ertragssteigerungen, wurden die Ressourcen zum Überleben knapp, so nahmen die Verteilungskämpfe wieder zu und mit derzeit immer grausamere Auswirkungen an. Sie erstreckten sich über immer weitere Gebiete, bis sie schließlich den ganzen Globus umfaßten und zu Weltkriegen ausarteten. So entstand auch der Zweite Weltkrieg aus einer "Volk ohne Raum"-Ideologie.

Den Industrieländern ist es zwar heute gelungen, mit intensiven landwirtschaftlichen Methoden das Ernährungs­problem ihrer im Wohlstand stagnierenden Bevölkerungszahlen in den Griff zu bekommen. Sie plündern jedoch dabei ihre fruchtbaren Böden stetig aus, schmälern deren Erträge und gefährden so letztendlich ihre Lebensgrundlagen. Das weitere Wachstum der Erdbevölkerung und die Erschöpfung der irdischen Ressourcen lassen noch gewaltsamere Verteilungskriege für die Zukunft nicht ausschließen. So ist Überbevölkerung die Ursache von Hunger, Seuchen und Krieg und eines steigenden Umwelt­verbrauchs, und kann schließlich zur Ausrottung der Menschheit führen.

 

   Wassermangel   

 

Seit Menschengedenken ist Wasser ein wichtiges Element. Es gab schon früh dem Fischfänger Lebens­unterhalt, diente als Transportmittel und bot Schutz. Frühe menschliche Siedlungen wurden daher allgemein am Wasser angelegt, an Ufern und Küsten.

Unserer Zivilisation dient Wasser als wichtiger Rohstoff, als billiges Reinigungs-, Betriebs-, Transport- und Kühlmittel, vor allem aber auch zu Bewässerungs­zwecken und zur Energiegewinnung. Wasser stand uns eigentlich immer — wenn auch nicht gerade in der Wüste — scheinbar unbegrenzt, umsonst und freizügig zur Verfügung, wenn es allerdings auch schon im Mittelalter gewisse Rechte zur Wassernutzung, insbesondere für Wasserkraft gab.

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Wegen dieser Freizügigkeit entwickelten wir einen stetig steigenden Bedarf an Brauchwasser für den Privathaushalt, wie auch für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, benützen die Gewässer für Fischerei, als Transportwege, zur Wasserkraftgewinnung und zur Freizeitgestaltung. So werden beispielsweise bei der Erzeugung von 1 kg Kunststoff knapp 500 l Wasser benötigt, für 1 kg Papier sogar knapp 3000 l. Unser täglicher Trinkwasserbedarf in der BRD beträgt daher etwa 200 l, derjenige für Brauchwasser etwa 2000 l und für Kühlwasser etwa 1000 l pro Kopf der Bevölkerung.

Die Menge des verbrauchten Wassers stellt mit ein Maß für den Lebensstandard und den Stand der Technik dar. Dabei ist der größte Verbrauch auf landwirtschaftliche Bewässerung zurückzuführen, über 2 Millionen qkm Land werden heute auf der Erde künstlich feucht gehalten, das sind etwa 13% der gesamten Ackerfläche. In Asien machen die künstlich bewässerten Flächen sogar 65% aus, in Afrika dagegen bloß 5%. Um die wachsende Erdbevölkerung zu ernähren werden in der Zukunft immer mehr landwirtschaf1iche Flächen künstlich bewässert werden müssen, wird der Wasserbedarf hierfür also steigen.

Der Wasserverbrauch in cbm pro Kopf und Jahr betrug 1977 auf der Erde:

 

für:

Haushalt

Industrie

Bewässerung

Energieerzeugung

Total

Afrika

30

10

150

30

220

Asien

40

10

610

30

690

Europa

100

450

290

440

1280

USA

150

320

740

1000

2210

Südamerika

50

20

160

30

260

Durchschnitt

55

85

500

135

775

 

Obwohl der größere Teil der Eroberfläche von Meeren eingenommen wird, die mehr als 1 Trill. cbm Wasser enthalten, sind mehr als 99% davon praktisch unbrauchbar, da salzhaltig und nur durch großen Energieeinsatz zu entsalzen. Das restliche, zur Verfügung stehende Wasser wird einmal durch den natürlichen Wasserkreislauf ununterbrochen regeneriert. Ferner kann gebrauchtes Wasser aber bei genügender Qualität direkt oder nach Wiederaufbereitung, geklärt, wieder verwendet werden. Das meiste Wasser wird von Pflanzen und Tieren verbraucht. Die dem Menschen und seien künstlichen Prozessen insgesamt zur Verfügung stehende Wassermenge ist somit schwer zu schätzen. Zudem ist das Wasserangebot nicht gleichverteilt über die Erde.

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Der Weltverbrauch an Wasser pro Jahr beträgt gut 3 Bill. cbm. Das ist etwa 3% der jährlichen Niederschlags­menge auf das Land, wovon allerdings ein großer Teil (etwa 70%) wieder verdunstet bevor er über Bäche und Flüsse in die Weltmeere abfließt. Im Jahre 2000 erhöht sich das bei gleichem durchschnittlichem Bedarf auf rund 5 Bill. cbm. Nimmt man allerdings für den Weltdurchschnitt je Kopf den Wert eines US-Amerikaners, so verdreifacht sich der Wasserbedarf auf rund 15 Bill. cbm. Das wäre 5 mal soviel wie heute und schon etwa die Hälfte der nichtverdunstenden jährlichen Niederschlagsmenge auf das Land. Riesige Maßnahmen der Wasserspeicherung und -verteilung werden nötig. Schon heute werden 10% des Wasserabflusses durch Staudämme und Wasserreservoirs zur Abwasserregulierung, Stromerzeugung und künstlichen Bewässerung kontrolliert.

Der heute teilweise bereits bestehende Wassermangel wird sich also ausweiten, Wasser wird ein äußerst rarer Rohstoff werden. Das Absinken des Grundwasserspiegels vor allem durch die ausgedehnten Waldrodungen bzw. das Waldsterben werden die Wasserknappheit noch verstärken; Wald absorbiert ja Wasser und verlangsamt seien Abfluß. Aber auch die Güte des Wassers spielt eine entscheidende Rolle. Der zunehmende Wasserverbrauch durch Verdunstungskühlung bei Wärmekraftwerken und durch Verschmutzung des Wassers durch Industrie, Landwirtschaft und Abfallbeseitigung verschärfen die allgemeine Problematik, besonders da die notwendigen Maßnahmen zur Wasserbeschaffung sehr energieintensiv sind und Energie immer teurer werden wird.

Die Erschöpfung der Wasservorräte verursacht massive Mißernten, die Stillegung von Industriebetrieben und öffentliche Gesundheitsprobleme. Es ist abzusehen, daß es schließlich zu Auseinandersetzungen um Flüsse kommen wird, die Staatsgrenzen bilden, wie Jordan, Euphrat, Indus und Ganges, oder Rio de la Plata.

 

  Hunger  

Nahrung ist neben Kleidung und Unterkunft ein materielles Grundbedürfnis des Menschen. Ohne ausreichende Nahrung sinkt seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, wird er anfällig für Krankheiten oder verhungert sogar. Der Nahrungsbedarf hängt ab von Alter, Größe und Geschlecht und liegt täglich etwa zwischen 2300 und 2500 kcal bei mäßiger körperlicher Arbeit, bei etwa 3000 kcal für schwererer Arbeit bzw. bei etwa 4000 kcal bei Schwerstarbeit. Kommt die Nahrungsproduktion mit dem Wachstum der Bevölkerung und ihrem steigenden Nahrungsbedarf nicht mit, so sind Hungersnöte die Folge. Das war in der Vergangenheit schon mehrmals der Fall wie beispielsweise um 1350, als etwa ein Viertel der Bevölkerung der Britischen Inseln durch eine Hungersnot dahingerafft wurde.

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Heute leben auf der Erde im Durchschnitt etwa 3 Menschen von den Erträgen eines ha landwirtschaftlich genutzten Bodens. Die Nahrungsmittel­versorgung ist jedoch regional sehr unterschiedlich. Ländern mit Überschüssen, wie beispielsweise die USA, Kanada und Australien, aber teilweise auch Westeuropa mit Butterbergen und Milchseen, stehen solche mit Nahrungsmangel gegenüber. Während jedoch Westeuropa seinen restlichen Nahrungsbedarf durch Einfuhren decken kann, läßt sich die Nachfrage in Osteuropa und vor allem den unterentwickelten Ländern nicht ausgleichen. So sind von den 4 Mrd. Menschen der heutigen Erdbevölkerung etwa 500 Mill. in Asien und Afrika unterernährt, d.h., können ihren täglichen Kalorienbedarf nicht decken. Ihre Mangelerscheinungen beruhen nicht auf falscher, einseitiger Ernährung, sondern auf echtem Nahrungs­mangel. Das drückt sich dadurch aus, daß die hungernde Bevölkerung nicht an den klassischen Mangelerkrankungen, wie z.B. Beriberi, Rachitis oder Skorbut leidet, sondern sie der Mangel an Kalorien und Proteinen schwächt. 

Täglich* sterben schätzungsweise 5 Mill. Menschen an Hunger. (*Setzfehler. Richtig: Jährlich. detopia2018. Siehe Anmerkung unten.)

Die reichen Industrieländer kennen kaum hungernde Menschen, obwohl sie einen viel höheren Bedarf an Nahrungsmittel haben. Betrachtet man etwa den Pro-Kopf-Verbrauch von Getreide und berücksichtigt sowohl das direkt, etwa als Brot, wie auch das indirekt in Form von tierischen Erzeugnissen (Fleisch, Milch usw.) verzehrte Getreide, so verbraucht ein US-Amerikaner etwa 1,5 mal so viel wie ein Westeuropäer und etwa 5 mal soviel wie ein Inder oder sogar etwa 8 mal soviel wie ein Nigerianer.

Die Mehrheit der heutigen menschlichen Erdbevölkerung lebt in den sog. Unterentwickelten Ländern. Sie weist gleichzeitig die höchsten Wachstumsraten auf. Es sind entweder Hirtenvölker, die Viehherden halten und Grasland oder Savannen beweiden, oder Ackerbauern, die Wanderfeldbau betreiben bzw. seßhaft Felder bestellen. Sie haben an der atemberaubenden, technischen Entwicklung nicht teilgenommen und befinden sich noch auf der vorindustriellen Entwicklungsstufe unserer Zivilisation. Von den Errungenschaften der modernen Zivilisation sind sie jedoch schon soweit beeinflußt worden, daß sich ihre Sterberaten merklich verringert haben, während ihre Geburtsraten noch auf dem hohen Stand geblieben sind.

Solange Weideland als Ökosystem nicht gestört wurde, war es immer wieder in der Lage sich zu regenerieren, die abgegrasten Pflanzen nachzuerzeugen, erhalten zu bleiben. Jedoch mit der Zahl der Menschen nehmen auch die Viehbestände zu. Das begrenzte Land wird überweidet und zerstört. Die Nutzpflanzen gehen ein und machen "Unkräutern" Platz. Die Vegetation verkümmert, Bodenerosion tritt ein, das Land verödet.

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Das Sahel südlich der Sahara wurden in den letzten Jahren wegen der zu starken Nutzung durch den Menschen zur Wüste. Bedingt durch starke Bevölkerungszunahme, verursacht durch das Anbohren und Erschöpfen aller Wasserreserven und durch Überweidung mit vergrößerten Ziegen- und Rinderherden, schließlich ausgelost durch fünfjährige Dürre wurde das labile ökologische Gleichgewicht, das früher immer noch Reserven für Notfälle hatte, so stark gestört, daß sich das ausgetrocknete Land nicht mehr regenerieren konnte. Während der Dürre wurde die Holz- und Strauchvegetation durch Viehverbiß und Abholzen vernichtet und die dünne Humusschicht zerstört, so daß sich die Wüste ausdehnen konnte. Die Herden gingen zu 60-90% ein, die Ernten brachten weniger als die Hälfte der vergangenen Jahre. Die Menschen flohen in günstigere Gegenden und brachten auch dort das Gleichgewicht ins Schwanken. Eine Hungersnot nicht gekannten Ausmaßes war die Folge.

Ähnlich verhält es sich mit dem Wanderfeldbau. Da gewisse Böden keine dauernde landwirtschaftliche Nutzung vertragen, müssen sie nach geeigneter Zeit sich wieder selbst überlassen werden, um während der Brache wieder Wald zu bilden und zu regenerieren. Dann wird neuer Wald durch Brand wieder gerodet und kultiviert. Bei zunehmender Bevölkerung wird wegen der Begrenzung des Landes das kultivierte Land nicht rechtzeitig wieder aufgegeben bzw. eine genügend lange Brachzeit nicht mehr eingehalten. Das Land vermag nicht mehr sich vollständig zu erholen, es wird von Nährstoffen ausgelaugt, die Pflanzen- und die Tierwelt verändern sich. Auch werden ungeeignete Landstriche gerodet, z.B. Berghänge., die dann der Erosion anheim fallen. Das Ökosystem wird auf die Dauer geschädigt und seine Fähigkeit, Leben zu erhalten, vermindert.

 

Ein Teil des menschlichen Nahrungsbedarfs wird durch den Fischfang gedeckt. Fisch bildet 2% unserer Ernährung und macht durchschnittlich 15% unserer tierischen Nahrung, gebietsweise sogar bis zu 50% aus. Fisch ist normalerweise eine erneuerbare Ressource. In den Weltmeeren hatte sich mit der Zeit ein kompliziertes Gleichgewicht mit Rückkopplungsmechanismen eingestellt, die die optimalen Populations­größen bei natürlichen Umweltveränderungen herstellen. Die heutigen menschlichen Eingriffe stören jedoch das Gleichgewicht so erheblich, daß eine Erholung nicht möglich sein dürfte. Die Eingriffe sind zweierlei Art. Einmal ist es intensiver Fischfang, der gewisse Populationen bedenklich dezimiert, ja ihr Aussterben bedeuten kann. 

Die Situation ist analog der Ausrottung wilder Herden zu Lande durch die Jäger der Vorzeit. Hier verspricht der Übergang zur Fischzucht wie damals zur Viehzucht wesentliche Ertragsverbesserungen. Zum anderen jedoch werden gegenwärtig Schadstoffe in solchen Mengen in die Ozeane geleitet, daß sie erhebliche Schäden zu verursachen beginnen. Die Meere sind ja dazu ausersehen worden letztendlich all unsere löslichen Abfälle aufzunehmen. Abgesehen von einigen aufsehenerregenden Fällen von Küstenverseuchungen mit Öl oder der Einleitungen von für den Menschen giftigen Schwermetallen entwickelt sich so unversehens eine Meeresverschmutzung, die, selbst wenn man sie sofort stoppte, über Jahrzehnte erhalten bliebe. Dabei werden sich schließlich so viele Schadstoffe akkumulieren, daß das Populationsgleichgewicht des Meeres wesentlich verändert und der Fischertrag drastisch verringert sein wird. Werden die Fischbestände rücksichtslos vernichtet, so werden schließlich die Weltmeere als Nahrungsquellen ausfallen.

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Neben der Verschlechterung des Bodens durch Überweidung, Auslaugung, Erosion und Verschlammung, sowie Überschwemmungen und Dürre sind noch Klimaveränderungen zu befürchten, die sich negativ auf die Erträge auswirken werden. Auch wird die für die heutige und zukünftige Landwirtschaft so wichtige Energie knapp und teurer werden.

Es gelang uns in der Vergangenheit noch immer durch geeignete Kreuzungen immer ertragreichere Nutzpflanzen heranzuzüchten. Die weltweite Ausbreitung von Monokulturen, die verstärkte Vertilgung von "Unkräutern", ganz allgemein die Verringerung des Artenreichtums läßt die Erbanlagen knapp werden und bewirkt vermehrt pflanzliche Inzucht. Alle Versuche landwirtschaftlicher Ertragssteigerung wirken sich so letztendlich negativ auf die Fruchtbarkeit des Landes aus. All das wird sich auf die Ernährungslage der wachsenden Erdbevölkerung noch zusätzlich negativ auswirken.

Wegen des stürmischen Wachstums der Erdbevölkerung und der Unmöglichkeit, die landwirtschaftlichen Anbauflächen zu vermehren, werden sich um die Jahrtausendwende etwa 5 Menschen von einem ha ernähren müssen. Wir werden zwar versuchen durch erhöhten Energieeinsatz auch in unterentwickelten Ländern die landwirtschaftlichen Erträge weiter zu steigern, doch wird der erwähnte Sättigungseffekt nicht beliebig wachsende Erträge erlauben. Auch wird das Wasser eine Schlüsselrolle spielen, ist es doch schon heute vielfach begrenzender Faktor. Und selbst wenn es gelingen sollte genügend Nahrung zu produzieren, wird es wegen der ungleichen Verteilung neben Überfluß weiterhin Hunger geben, was auch verstärkter internationaler Handel nicht verhindern können wird. Man darf daher im Jahre 2000 mit etwa dreimal soviel Hungernden im Vergleich zu heute rechnen, also mit etwa 1,5 Mrd., das sind dann ein Viertel der Erdbevölkerung.

Die Menschen sind an die Grenzen ihres Lebensraumes gestoßen. Sie belasten in unerträglicher Weise ihre Umwelt. Diese verschlechtert sich zusehends, was ihre Fähigkeiten zur Lebenserhaltung einschränkt. Die lebensnotwendigen Ressourcen werden knapp und die Lebensqualität vermindert sich drastisch. Statt mehr Menschen können nurmehr weniger ernährt werden. Soziale Spannungen und Konflikte werden die Verteilung der knapperen Lebensmittel begleiten.

Herrscht zwar in den industrialisierten Ländern der Erde bei fast stagnierenden Bevölkerungszahlen noch Nahrungsüberschuß, so hungern und sterben in den unterentwickelten Ländern jedoch schon Millionen von Menschen. Ist es heute noch ein Verteilungsproblem, so sind morgen bei gleichbleibendem Wachstum der Erdbevölkerung und wegen des durch die Belastung der Natur verminderten Nahrungsangebots ein allgemeiner Nahrungsmangel, Unterernährung und Hungertod unvermeidbar. Eine ungeheuere Katastrophe bahnt sich an.

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  Rohstoffverknappung  

Mineralische Rohstoffe kommen in verschiedenen natürlichen Lagerstätten und durch Industrie- und Konsum­gesellschaft vermehrt heute auch im Zivilisationsabfall vor. Im Gegensatz zur Energie gehen Rohstoffe auf der Erde im Prinzip nicht verloren. Sie werden nicht verbraucht, sondern durch den Gebrauch nur neu vermischt und anders verteilt und damit für die Zukunft mehr oder weniger unbrauchbar.

Im Sinne des zweiten Hauptsatzes unterscheiden sich die Vorkommen von Rohstoffen, sei es in Erzlagern oder auf Müllhalden, durch ihre Entropie, d.h. den Grad ihrer Unreinheit. Das läßt sich auch ausdrücken durch die Energiemenge, die für ihre Reindarstellung eingesetzt werden muß. Je reiner ein Rohstoff vorkommt, desto niedriger ist seine Entropie und um so geringer die notwendige Energie, um ihn zu isolieren. Durch ihre Gewinnung und Reindarstellung verringert sich die Entropie von Rohstoffen und erreicht bei höchstem Reinheitsgrad ein Minimum. Mit der Bildung von Legierungen, also der Mischung von Rohstoffen, ihrer Verarbeitung, der Zusammensetzung verschiedener Stoffe zu Erzeugnissen, deren Verteilung an die Verbraucher, sowie die Abnützung im Laufe ihres Einsatzes, erhöht sich die Entropie der verwendeten .Rohstoffe wieder und erreicht in den Abfällen schließlich Werte, die im allgemeinen höher sind als in Erzlagern.

Zuerst werden daher stets solche Lagerstätten mit geringster Entropie abgebaut, bei denen die Rohstoff­gewinnung und nebenbei auch der Transport des geringsten Energieaufwandes bedarf. Je schwieriger die Gewinnung von Rohstoffen, um so mehr Energie ist dafür notwendig. Der Vergleich dieser Entropiewerte mit denen natürlicher Lagerstätten ist ausschlaggebend für die Rückführung in den Produktionsvorgang (Recycling) oder den Ersatz durch andere, billigere Materialien (Substitution).

Prinzipiell sind Rohstoffvorräte somit nur durch die Summe aller irgendwie zugänglichen Vorkommen begrenzt, in der Praxis jedoch durch solche, die sich wirtschaftlich vertretbar zum Abbau oder zur Wiederverwendung eignen. Prinzipiell mag sich also ein Rohstoff mit der Zeit durch Entdeckung neuer Lager vermehren, in der Praxis jedoch aus ökonomischen Gesichtspunkten verbrauchen und knapp werden. Kommt bei der heutigen Technik nur eine Ablagerung verbrauchter Rohstoffe in Frage, so mag es späteren Generationen mit wirkungsvolleren Techniken möglich sein, unsere Abfallhalden noch erfolgreich nach bestimmten Rohstoffen zu durchschürfen.

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In der Vergangenheit haben wir bedenken- und schonungslos die irdischen Vorkommen von Rohstoffen ausgeschlachtet und die Rohstoffe verbraucht. So erreichten wir, daß einige nun knapp werden. Dazu gehören Aluminium, Kupfer, Quecksilber, Silber und Zink.

Ein lebenswichtiger Rohstoff ist das Holz. Es ist nichtmineralisch und läßt sich aufbrauchen, ist allerdings auch in der Natur regenerierbar. Der heute weltweit bestehende Holzreichtum wird wegen der Waldvernichtung durch Rodung und Baumsterben in kurzer Zeit in Holzarmut übergehen. Werden gegenwärtig in der Welt noch etwa 70 cbm Nutzlangholz pro Kopf produziert, 140 in den Industrieländern und 50 in den nichtindustrialisierten Ländern, so wird diese Zahl gegen Ende des Jahrtausends auf weniger als die Hälfte schrumpfen, 110 bzw. 20, wobei das Waldsterben noch nicht berücksichtigt ist. Dabei wächst im allgemeinen mit steigendem Lebensstandard der Holzverbrauch für industrielle Holzerzeugnisse wie Papier, Zellstoff, Holzplatten, Chemikalien usw. In den unterentwickelten Ländern wird wegen der hohen Energiekosten Holz vor allem als Brennholz und Holzkohle zum Kochen und Heizen gebraucht, daneben reicht es kaum noch als Bauholz für Wohnunterkünfte, meist wird solches in die Industrieländer exportiert.

 

 Energieprobleme 

Unsere Zivilisation hat bei der Nahrungsgewinnung und der Herstellung von Industrieprodukten, sowie für Verkehr und im Hausgebrauch einen verschwenderischen Bedarf an Energie entwickelt und sich dadurch ungeheure Probleme aufgebürdet, auch wenn man dies nicht wahrhaben will. Der Bedarf hängt für die einzelnen Länder stark vom Grad ihrer Industrialisierung ab.

Der weltweite jährliche Energieverbrauch beträgt z.Zt. etwa:

in Bill. kwh

Gesamt

davon fossil

Westliche Industrieländer
davon USA 
Ostblockländer 
Unterentwickelte Länder

60 
30 
30
10

57,5 
29  
29 
9,5

Gesamte Welt

100

96

Die Differenz von 4 Bill. kWh wird aus Kern-, Wasser-, Sonnen- und geothermischer Energie gedeckt.

Das heißt einmal, daß in den Industrieländern knapp 20% der Erdbevölkerung mehr als 50% der gesamten Energie verbrauchen, während andererseits in den nichtindustrialisierten Ländern mit mehr als 50% der Erdbevölkerung nur etwas mehr als 10% zur Verfügung stehen.

109


Es bedeutet weiterhin, daß Energie im wesentlichen aus fossilen Ablagerungen, natürlichen, organischen Ursprungs, gewonnen wird. Was die Natur über Zeiträume von Jahrmillionen an Energie in Form von Kohle, Erdöl und Erdgas gespeichert hat, wird nun von uns Menschen in wenigen Jahren großzügig und sorglos aufgebraucht. Der Weltjahresverbrauch an organischen Energieträgern beträgt im einzelnen z.Zt. etwa:

 

Kohle 
Mrd. t

Erdöl 
Mrd. cbm

Erdgas 
Bill. cbm

Westliche Industrieländer
davon USA
Ostblockländer 
Unterentwickelte Länder

1,7 
0,9 
2,4 
0,4

3,0 
1,2 
0,9 
0,6

1,0 
0,5 
0,5
0,1

(Besamte Welt

4,5

4,5

1,6

Die Vorräte sind begrenzt, ihre Erschließung und ihr Abbau werden mit. der Zeit immer schwieriger. Dabei dient vor allem das Erdöl auch noch zur Herstellung vieler Kunststoffprodukte. Die Vorräte der Welt an nichterneuerbarer, organischer Energie zeigt nach unsicheren Schätzungen etwa die folgende Tabelle.

 

Brd. kWh

Kohle

38

Erdöl

3

Erdgas

3

Schieferöl

6

Gesamt

50

Schieferöl kann aus Ölschiefer gewonnen werden. Das ist eine geschichtete, verfestigte Mischung aus Faulschlamm und anorganischen Sedimenten, die Öl enthält, das durch Verschwelung gewonnen werden kann.

Bei einem jährlichen Energieverbrauch von weiterhin etwa 100 Bill. kWh würden die obigen Vorräte noch etwa 500 Jahre reichen. Steigerte sich jedoch der Energieverbrauch jährlich weiterhin um 5%, so gingen die Vorräte bereits nach 70 Jahren aus. Dabei werden allerdings die Gewinnungsmethoden immer schwieriger und damit kostspieliger, da die Energiequellen immer schwerer zu erreichen sind. Die Energiegewinnung wird also mit der Zeit energieintensiver, d.h. der Wirkungsgrad schrumpft stetig.

Der größte Nachholbedarf besteht dabei noch bei den unterentwickelten Ländern, die, erst einmal an unseren Zivilisationsstand herangeführt, für eine Vervielfachung des heutigen Energiebedarfs sorgen würden. Mit dem Verbrauch der USA als Basis betrüge schon heute der weltweite Energieverbrauch etwa 500 statt nur rund 100 Bill. kWh. D.h., nicht nur das Bevölkerungswachstum sondern auch die Standard­anpassung allein steigert schon den Energiebedarf.

110


Die Hauptenergiequelle in den unterentwickelten Ländern, die rund 50% der Erdbevölkerung bilden, ist heute noch immer das Holz. Mit ein Grund für das Abholzen riesiger Waldflächen ist ja die Gewinnung von Holzkohle und Brennholz zum Kochen und Heizen. Doch wird bei dem augenblicklichen Waldverlust bald kein Holz mehr zur Verfügung stehen. Die unterentwickelten Länder holzen alles ab, was zugänglich ist.

Die in einigen Ländern betriebene Treibstoffgewinnung aus Zuckerrohr hat auch ihre Nachteile. Sie erfolgt einmal auf Kosten des Nahrungsangebotes, laugt bei gleichbleibender Monokultur den Boden aus und belastet schließlich noch die Umwelt, da 1 Liter Sprit etwa 13 l schlammige Abwässer ergibt, die ohne weitere Maßnahmen die Flüsse verseuchen.

Weitere natürliche Energiequellen sind Wasser- und Windkraft. Mühlen wurden schon seit Alters her von diesen Kräften getrieben. Wasserkraftwerke decken schon seit Jahrzehnten einen wesentlichen Teil unseres elektrischen Energiebedarfs. Gezeitenkraftwerke, wie auch Windpropeller stellen neuere Versuche dar, diese frei verfügbaren Kräfte des Wassers und der Luft auszunutzen. Nur werden sie wohl nie die notwendige Bedeutung erlangen.

 

Als Ausweg aus dem Energiedilemma wird daher auf die Kernenergie gesetzt, die bei der künstlich erzeugten Spaltung von schweren Atomkernen in Kernreaktoren frei wird, oder bei der Verschmelzung von leichten Wasserstoffkernen unter extremen Bedingungen frei werden könnte. Die bei solchen Kernreaktionen gewonnenen Energiemengen lassen sich leicht mit dem Hinweis auf die Wirkung der Explosionen der ersten Uran- bzw. Wasserstoffbomben verdeutlichen. Während Reaktoren auf dem Prinzip der Kernspaltung schon seit Jahren arbeiten und Energie erzeugen, ist die kontrollierte Vereinigung von leichten Kernen (Fusion) auch im Experiment noch nicht gelungen. Weltweit wird heute elektrischer Strom zu 15% aus Kernenergie gewonnen.

Die Uranreserven, wenn in Leichtwasserreaktoren eingesetzt, wobei nur das seltene Uranisotop U235 gespalten wird, entsprechen etwa denen von Öl und Erdgas zusammen. Durch Schnelle Brüter, in denen das häufigere (99%) Uranisotop U238 durch Neutronen in das dann spaltbare Plutonium Pu239 umgewandelt wird, verhundertfachen sich etwa die Reserven.

So wirkungsvoll die Kernenergie also ist, so vielversprechend sie sich uns auch darstellen mag, unseren Energie­bedarf für eine längere Zeit völlig abzudecken, so problematisch ist sie jedoch auch. Gemeint ist die mit der Energiegewinnung aus Atomkernreaktionen verbundene gesundheitsgefährdende, ja lebensgefährliche Radioaktivität, die zu Strahlenschäden bei Mensch, Tier und Pflanze führen kann. 

111


Das Problem stellt sich einmal beim normalen Ausstoß von flüchtigen Radionukliden aus kerntechnischen Anlagen, Reaktoren und Anlagen zur Wiederaufbereitung für Brennelemente, was sich heute schon als Mitursache für das Waldsterben zu erweisen scheint. Vor allem aber stellt die strahlungssichere Entsorgung der noch lange Zeit, teilweise Tausende von Jahren hochradioaktiven, giftigen Spaltprodukte ein ungeahntes Risiko dar. Doch auch ein Reaktorunfall kann trotz größter Sicherheitsmaßnahmen zur radioaktiven Umweltverseuchung, zu Tausenden von Toten und Strahlungsgeschädigten führen. Erinnert sei nur an den Unfall von Harrisburg 1979, bei dem die Brennelemente teilweise schmolzen. Und erst kürzlich erlebten wir die Folgen des Super-GAUs in Tschernobyl. Die angeblich saubere Kernenergie stellt ein beträchtliches Risiko für die Gesundheit und das Leben des Menschen dar.

Nicht auszuschließen sind auch Sabotageakte oder der Bau von Atomwaffen in "friedlichen" Anreicherungs­anlagen, die der Wiederaufbereitung des radioaktiven Abfalls dienen sollen. Ein Kernreaktor erzeugt etwa 1 kg Plutonium am Tag. Jährlich werden so zur Zeit etwa 50 t spaltbaren Materials erzeugt, dessen kritische Masse 5,6 kg beträgt, genug also für fast 10.000 Bomben.

Auch Fusionsreaktoren, sollten sie einmal machbar werden, sind nicht risikolos. Neben der verstärkten klimatischen und ökologischen Auswirkungen infolge der riesigen Mengen von Abwärme, entsteht einmal als Zwischenprodukt Tritium und zum anderen werden bei der Verschmelzung von Deuterium (H2) und Tritium (H3) zu Helium (He4) energiereiche Neutronen frei, die die Bau- und Abschirmmaterialien in Radionuklide umwandeln. So schafft die Kernenergie Probleme für viele Generationen und stellt einen rücksichtslosen Umgang mit unserer Zukunft dar.

 

Eine Hauptaufgabe unserer Technik war es seit je, neue Energiequellen zur Deckung unserer wachsenden Bedürfnisse zu erschließen. Sie war dabei auch immer ziemlich "erfolgreich" und beruhigt uns immer wieder mit der Vorstellung, daß neue Energiequellen bereit sein würden, sobald die vorhandenen einmal aufgebraucht sein sollten. Daher machten wir immer munter weiter, als ob es keine Grenzen gäbe.

Wir mögen ja in der Lage sein immer neue Energiequellen zu entdecken. Wir müssen uns aber zweier Tatbestände bewußt sein;

1. Die Gewinnung jeglicher Energie ist wirtschaftlich nur solange interessant, wie nicht mehr Energie verbraucht als gewonnen wird. Die jeweiligen Kosten bestimmen sich aus aufgebrachter direkter Arbeitskraft und Energie, dem benötigten Kapital, vor allem auch dem nötigen Wasser. Somit mag beispielsweise wegen des notwendigen Aufwandes Ölschiefer immer unrentabel bleiben und nie abbaubar werden.

Bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit müssen stets auch die kosten zur Vermeidung jeglichen Risikos und zur Beseitigung jedweder schädlicher Umweltauswirkungen berücksichtigt werden. Dieses sog. Verursacherprinzip ist heute noch nicht Praxis.

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2. Alle Energie wird letztendlich zu Wärme. In Flüssen führt die überschüssige Abwärme von Kraft- und Industriewerken heute schon zu Fischsterben, über den Städten bilden sich sog. Wärmeglocken mit anomalen meteorologische Erscheinungen.

Die zukünftig verbrauchten Energiemengen ungeheuren Ausmaßes verändern einmal völlig den Energie­fluß der Natur und ihren Haushalt. Das Freisetzen solcher gewaltigen Energiemengen bzw. ihre Umsetzung in Wärme muß sich in bemerkbaren Temperaturänderungen und wesentlichen Klimaverschiebungen auf unserer Erde auswirken.

 

Die Verkehrslawine  

Eine weitere Wachstumserscheinung ist der motorisierte Verkehr. Die Auswirkungen unserer allgemeinen Motorisierung sind dramatisch zu nennen.

Als erstes sei die Zerstörung der Landschaft durch Straßen und Autobahnen, Brücken, Tunnel und die durch das Automobil ermöglichte Zersiedelung des Landes genannt. Hinzu kommt die Verwandlung der menschengerechten in autogerechte Städte durch Autostraßen und Stadtautobahnen, Parkplätze und Parkhäuser, Garagen und den Verkehr ganz allgemein, der den Fußgänger beiseite drängt, abgesehen von Fußgängerzonen, die jedoch nur einen Bruchteil der Verkehrsfläche ausmachen.

Damit hängt zusammen die Vergiftung der Umwelt durch Abgase und in der Folge die Zerstörung von Natur und Kultur, Pflanzen, Gebäuden und Kulturdenkmälern. Rund 50% der Luftverschmutzung rührt vom Kraftfahrzeugverkehr her. Damit stellt das Kraftfahrzeug mit die stärkste Belastung der Natur bzw. unserer Umwelt dar.

Die Städte werden unwirtlich durch Lärm, Gestank, Schmutz und Staub, giftige Abgase, die Befahren des Verkehrs, den Mangel an natürlichen Erholungs­möglichkeiten und verdrängen den Menschen in die Vorstädte bzw. das Umland. Wegen des vielfach unzureichenden oder auch nur als unzureichend empfundenen Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln wirkt sich das noch verstärkend auf den Stadtverkehr und damit die Unwirtlichkeit der Städte aus. Indem die Menschen nun in der Umgebung der Städte wohnen, aber im eigenen Wagen ihre Arbeitsplätze in mitten der Städte aufsuchen oder sich zu Geschäften dorthin bewegen, steigert sich der Verkehr und nimmt zu Stoßzeiten bei Arbeitsbeginn und -ende als Berufsverkehr chaotische Formen an. 

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Verkehrsunfälle fordern jährlich Hunderttausende von Toten und ein Vielfaches an Verletzten. In den letzten Jahren starben in der BRD jährlich etwa zwischen 10.000 und 15.000 Menschen durch Verkehrsunfälle. 1985 waren es "nur" über 8.000. Etwa eine halbe Mill. Menschen wurden dabei jedes Jahr verletzt. Schätzungsweise werden auf der ganzen Welt jährlich über 250.000 Menschen im Straßenverkehr getötet und über 8 Mill. verletzt. Der Straßenverkehr fordert etwa zwanzigmal soviel Opfer wie der Schienenverkehr.

Streß ist zum dauernden Begleiter für alle Verkehrteilnehmer geworden durch andauernde, gefährliche Verkehrs­situationen, Lärm, Staus, überfüllte Parkplätze, verstopfte Straßen. Bewegungsarmut verhindert dabei den Abbau der Streßfaktoren und führt zu Verweichlichung gegenüber Wetterunbilden.

Zudem vergeuden wir wertvolle Rohstoffen zur Herstellung von Kraftfahrzeugen, die nur eine begrenzte Zeit im Verkehr bleiben und verschwenden Energie sowohl bei der Herstellung als auch beim Einsatz der Fahrzeuge, wobei kostbare organische Erdölvorräte als Kraftstoffe unwiederbringlich aufgebraucht werden.

Dem gegenüber stehen angebliche Erleichterungen und Bequemlichkeiten, vermeintlich größere Mobilität und Flexibilität. Das sind bei der heutigen Verkehrssituation meist fragwürdige Argumente, da hinter dem Steuer eingeklemmt zu sitzen und sich durch Staus zu quälen, in langen Schlangen auf frei werdende Parkplätze zu warten, doch wohl äußerst unbequem und zeitraubend ist. Auch gestattet in den Großstädten das begrenzte Parkplatzangebot und die Ausbreitung von Fußgängerzonen nicht mehr den beliebigen Zugang mit dem eigenen Wagen, so daß man sowieso längere Wegstrecken zu Fuß zurücklegen muß. Es ist wohl nur Uneinsichtigkeit, ja Borniertheit der Menschen, gestützt noch durch den Besitzerstolz und das Prestigebedürfnis, das sie zur Benutzung eines eigenen Wagens zwingt. Solange allerdings das Wachstum der Automobilindustrie mit ein Indikator unseres wirtschaftlichen Wohlstands und der Besitz eines Wagens Ausdruck unseres Lebens­standards ist, wird sich die heutige Situation mit all ihren Folgen kaum ändern.

 

Müllhalden  

In den Industrieländern fallen pro Kopf der Bevölkerung jährlich insgesamt, einschließlich Hausmüll, etwa 4 t Müll und 4 t landwirtschaf1iche Abfälle an. In der BRD bedeutet das einen Flächenbedarf von 2 qkm jährlich.

Ein besonderes Problem stellt der Atommüll dar. Das sind die radioaktiven Abgase und Abwässer aus Reaktoren und Aufbereitungsanlagen, der eigentliche Atommüll in Form ausgedienter Brennstäbe einschließlich radioaktiver Abfallerze, wie auch radioaktiv gewordene Bauteile und Geräte von Kernkraftwerken. 

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Dieser hochaktive, nicht vernichtbare Müll zerfällt mit unbeeinflußbarer Halbwertszeit und muß über unvor­stell­bar lange Zeiträume sicher aufbewahrt werden, um nicht in die Biosphäre und ihre Nahrungsketten zu gelangen. Dabei muß die beim Zerfall entwickelte Wärme wie auch die chemische Aktivität der Zerfalls­produkte berücksichtigt werden. Plutonium Pu239 hat beispielsweise eine Halbwertszeit von knapp 25.000 Jahren.

Die Risiken bei der Atommüllbeseitigung sind:

Die Müllbeseitigung stellt so eines der größten Probleme unserer Zivilisation dar. 

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Zusammenfassung 6

  1. Bezogen auf die heutige Zahl der Weltbevölkerung ist die Erde klein, und sie schrumpft weiter mit deren Anwachsen. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche und viele andere wichtige Ressourcen werden immer knapper.

  2. Wasser gibt es zwar als salziges Meerwasser in riesigen Mengen. Da unsere Zivilisation jedoch einen ungeheuren Bedarf an Süßwasser hat, vor allem auch für Bewässerung und Energieerzeugung, besteht heute schon vielerorts Wassermangel.

  3. Während die Menschen in den Industrieländern genügend zu essen haben, sterben in der übrigen Welt heute schon täglich [jährlich*] etwa 5 Millionen Menschen an Unterernährung. Mit dem Wachstum der Erdbevölk­erung und der Auslaugung der Böden wird Hunger zu einem immer größeren Problem auf der Erde.

  4. Daneben werden langsam viele andere wichtige Rohstoffe weniger. Das gilt nicht zuletzt auch für Holz, das einen lebenswichtiger Bau- und Brennstoff darstellt.

  5. Die Vorräte an fossiler Energie reichen bestenfalls noch einige hundert Jahre, bei weiterhin zunehm­endem Bedarf jedoch auch nur noch einige Jahrzehnte. Als Ausweg flüchtet man in die Kern­energie, ein fragwürdiges Unterfangen angesichts der Gefahren, die damit verbunden sind. Vor allem wird jede verbrauchte Energie zu Wärme und heizt die temperaturempfindliche Biosphäre unseres Planeten auf.

  6. Der Straßenverkehr ist bereits zu einer Lawine entartet, die uns überrollt. Gleich einer Natur­katastrophe verlangt er seine täglichen Opfer, die wir ihm bedenkenlos bringen.

  7. Was immer wir produzieren, wird schließlich zu Müll, in dem wir langsam zu ersticken drohen. Ein wohl für immer ungelöstes Problem stellt dabei die Entsorgung radioaktiver Abfälle dar. 

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*(d-2016:) Auf Seite 105 und 115 heißt es im Original: "Täglich sterben 5 Millionen..." Das ist ein Setzfehler. "Jährlich" ist richtig. Der Leser kann googeln nach "Welthunger". Hier einige Ergebnisse: wikipedia  Welthunger  "Jedes Jahr sterben etwa 8,8 Millionen Menschen an Hunger, was einem Todesfall rund alle drei Sekunden entspricht (Stand 2007)." Quelle fehlt bzw. inaktiv. #  wfp.org  hunger-statistik   #  welthungerhilfe.de/hunger.html 

 

  www.detopia.de     ^^^^

 Max Albert  1987  Kritik an der vermeintlichen Vernunft